Ueber das Gefangenleben des Vogels erfahren wir durch Azara Einiges. "Jch hielt", so be- richtet er, "während einiger Monate eine Habia dieser Art in einem Käfig, in welchem bereits einige andere kleine Vögel lebten. Mit ihnen vertrug sich der Capi ganz leidlich. Er fraß Brod, hartes wie weiches, gekochten Mais, Blüthen, Früchte, Mos, mit einem Worte Alles, aber nicht in der Art und Weise wie andere Vögel, sondern nach Art der Säugethiere. Wenn der Bissen groß war, hielt ihn die Habia weder mit dem Fuße fest, oder warf ihn in die Höhe, sondern nahm ihn in den Schnabel und kaute ihn, ohne ihn dabei loszulassen, bis der Bissen im Mund gerecht geworden war."
Es scheint, daß nur ein Forscher, wie Azara, an einer gefangenen Habia Vergnügen finden kann; denn die Berichte über diese Vögel sind äußerst dürftig. Wir erfahren nicht einmal, ob sie bei den Landsleuten, denen sie zuweilen beschwerlich fallen, beliebt sind oder nicht.
An die Habias schließen sich naturgemäß einige auffallende Vögel an, welche man Pflanzen- mähder (Phytotoma) genannt hat.
Schon Molina, der erste Naturbeschreiber Chiles, erwähnt eines von ihnen und berichtet namentlich über die Lebensweise sonderbare Dinge. Die Leibesbeschreibung des Vogels ist nicht zu brauchen; man merkt ihr, wie d'Orbigny sehr richtig sagt, ohne Mühe an, daß sie nur nach dem Ge- dächtniß niedergeschrieben wurde. Ueber die Lebensweise sagt er Folgendes: "Der Pflanzenmähder nährt sich von Kräutern, hat aber die böse Eigenschaft, sie nicht eher zu fressen, als bis er den Stengel dicht an der Wurzel abgesägt hat. Oft schneidet er Pflanzen blos zum Zeitvertreib ab, ohne ein Blatt davon zu fressen. Die Einwohner besehden ihn daher ohne Unterlaß und geben den Knaben, welche seine Eier ausnehmen, eine gute Belohnung. Da ihm diese Nachstellung bekannt ist, baut er sein Nest in die dichtesten Bäume und an schattige, wenig besuchte Orte. Ungeachtet dieser Vorsicht hat er sich sehr vermindert, und von dem Eifer, mit welchem ihn die Einwohner auszurotten suchen, darf man schließen, daß er sich nicht mehr erhalten wird, falls seine Nachkommenschaft nicht unter- lassen sollte, ihren bösen Namen zu bethätigen."
Lange Zeit hielt man die von dem Vogel verübten Uebelthaten für eine vollständige Fabel, wie solche Fremden erzählt und von diesen geglaubt zu werden pflegen. Neuere Beobachtungen aber haben ergeben, daß wenigstens Etwas an der Sache ist. Auffallend genug will es mir vorkommen, daß die Quellen über die Pflanzenmähder noch immer spärlich fließen, und manche sogar als unklare betrachtet werden müssen. So sagt Pöppig, welcher monatelang Gelegenheit hatte, den Pflanzen- mähder zu beobachten, in seiner "Reise nach Chile u. s. w." wörtlich Folgendes: "Einige kleine, aber unansehnliche Waldvögel sind die einzigen Bewohner des Thales und kommen höher hinauf nicht vor. Doch ist es erfreulich genug, daß man die seltene Phytotoma, einen Vogel von der Größe unserer Ammer, hier eher erhält, als in den niederen Gegenden, wo die ewige Verfolgung sie in der That an Zahl sehr vermindert und sehr scheu gemacht; denn was Molina von seiner bösen Gewohnheit, Pflanzen am Boden abzuschneiden und von dem Hasse erzählt, welchen die Landbewohner gegen ihn fühlen, ist völlig wahr." Jn der "illustrirten Naturgeschichte des Thierreichs" von demselben Forscher dagegen heißt es: "Nach Molina's sehr übertriebener Schilderung verdirbt sie eine Menge krautartiger Pflanzen; denn um zu ihrem Samen zu gelangen, soll sie die Stengel nahe am Boden absägen und zumal in Gärten solche Verwüstungen anrichten, daß auf ihre Austilgung einst Prämien gesetzt worden sind. Man weiß heutzutage Nichts von dieser schädlichen Thätigkeit und betrachtet die Rarita, wie jeden andern körnerfressenden Vogel, der, wenn er freilich scharenweise irgendwo einfällt, dem Landmann Schaden zufügen kann. Keimende Pflanzen frißt die Rarita allerdings gern; indessen theilt sie diesen Appetit mit den Sperlingen und andern nordischen Vögeln, welchen darum Niemand die Macht zutrauen wird, alle Mühen des Landmanns zu vereiteln." Diese Quelle ist also nicht zu brauchen, und wir würden noch Nichts über den betreffenden Vogel wissen, hätten wir nicht durch Kittlitz, d'Orbigny, Boeck und Landbeck Einiges erfahren, etwa Folgendes:
Habia. Pflanzenmähder.
Ueber das Gefangenleben des Vogels erfahren wir durch Azara Einiges. „Jch hielt‟, ſo be- richtet er, „während einiger Monate eine Habia dieſer Art in einem Käfig, in welchem bereits einige andere kleine Vögel lebten. Mit ihnen vertrug ſich der Capi ganz leidlich. Er fraß Brod, hartes wie weiches, gekochten Mais, Blüthen, Früchte, Mos, mit einem Worte Alles, aber nicht in der Art und Weiſe wie andere Vögel, ſondern nach Art der Säugethiere. Wenn der Biſſen groß war, hielt ihn die Habia weder mit dem Fuße feſt, oder warf ihn in die Höhe, ſondern nahm ihn in den Schnabel und kaute ihn, ohne ihn dabei loszulaſſen, bis der Biſſen im Mund gerecht geworden war.‟
Es ſcheint, daß nur ein Forſcher, wie Azara, an einer gefangenen Habia Vergnügen finden kann; denn die Berichte über dieſe Vögel ſind äußerſt dürftig. Wir erfahren nicht einmal, ob ſie bei den Landsleuten, denen ſie zuweilen beſchwerlich fallen, beliebt ſind oder nicht.
An die Habias ſchließen ſich naturgemäß einige auffallende Vögel an, welche man Pflanzen- mähder (Phytotoma) genannt hat.
Schon Molina, der erſte Naturbeſchreiber Chiles, erwähnt eines von ihnen und berichtet namentlich über die Lebensweiſe ſonderbare Dinge. Die Leibesbeſchreibung des Vogels iſt nicht zu brauchen; man merkt ihr, wie d’Orbigny ſehr richtig ſagt, ohne Mühe an, daß ſie nur nach dem Ge- dächtniß niedergeſchrieben wurde. Ueber die Lebensweiſe ſagt er Folgendes: „Der Pflanzenmähder nährt ſich von Kräutern, hat aber die böſe Eigenſchaft, ſie nicht eher zu freſſen, als bis er den Stengel dicht an der Wurzel abgeſägt hat. Oft ſchneidet er Pflanzen blos zum Zeitvertreib ab, ohne ein Blatt davon zu freſſen. Die Einwohner beſehden ihn daher ohne Unterlaß und geben den Knaben, welche ſeine Eier ausnehmen, eine gute Belohnung. Da ihm dieſe Nachſtellung bekannt iſt, baut er ſein Neſt in die dichteſten Bäume und an ſchattige, wenig beſuchte Orte. Ungeachtet dieſer Vorſicht hat er ſich ſehr vermindert, und von dem Eifer, mit welchem ihn die Einwohner auszurotten ſuchen, darf man ſchließen, daß er ſich nicht mehr erhalten wird, falls ſeine Nachkommenſchaft nicht unter- laſſen ſollte, ihren böſen Namen zu bethätigen.‟
Lange Zeit hielt man die von dem Vogel verübten Uebelthaten für eine vollſtändige Fabel, wie ſolche Fremden erzählt und von dieſen geglaubt zu werden pflegen. Neuere Beobachtungen aber haben ergeben, daß wenigſtens Etwas an der Sache iſt. Auffallend genug will es mir vorkommen, daß die Quellen über die Pflanzenmähder noch immer ſpärlich fließen, und manche ſogar als unklare betrachtet werden müſſen. So ſagt Pöppig, welcher monatelang Gelegenheit hatte, den Pflanzen- mähder zu beobachten, in ſeiner „Reiſe nach Chile u. ſ. w.‟ wörtlich Folgendes: „Einige kleine, aber unanſehnliche Waldvögel ſind die einzigen Bewohner des Thales und kommen höher hinauf nicht vor. Doch iſt es erfreulich genug, daß man die ſeltene Phytotoma, einen Vogel von der Größe unſerer Ammer, hier eher erhält, als in den niederen Gegenden, wo die ewige Verfolgung ſie in der That an Zahl ſehr vermindert und ſehr ſcheu gemacht; denn was Molina von ſeiner böſen Gewohnheit, Pflanzen am Boden abzuſchneiden und von dem Haſſe erzählt, welchen die Landbewohner gegen ihn fühlen, iſt völlig wahr.‟ Jn der „illuſtrirten Naturgeſchichte des Thierreichs‟ von demſelben Forſcher dagegen heißt es: „Nach Molina’s ſehr übertriebener Schilderung verdirbt ſie eine Menge krautartiger Pflanzen; denn um zu ihrem Samen zu gelangen, ſoll ſie die Stengel nahe am Boden abſägen und zumal in Gärten ſolche Verwüſtungen anrichten, daß auf ihre Austilgung einſt Prämien geſetzt worden ſind. Man weiß heutzutage Nichts von dieſer ſchädlichen Thätigkeit und betrachtet die Rarita, wie jeden andern körnerfreſſenden Vogel, der, wenn er freilich ſcharenweiſe irgendwo einfällt, dem Landmann Schaden zufügen kann. Keimende Pflanzen frißt die Rarita allerdings gern; indeſſen theilt ſie dieſen Appetit mit den Sperlingen und andern nordiſchen Vögeln, welchen darum Niemand die Macht zutrauen wird, alle Mühen des Landmanns zu vereiteln.‟ Dieſe Quelle iſt alſo nicht zu brauchen, und wir würden noch Nichts über den betreffenden Vogel wiſſen, hätten wir nicht durch Kittlitz, d’Orbigny, Boeck und Landbeck Einiges erfahren, etwa Folgendes:
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[187/0207]
Habia. Pflanzenmähder.
Ueber das Gefangenleben des Vogels erfahren wir durch Azara Einiges. „Jch hielt‟, ſo be-
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andere kleine Vögel lebten. Mit ihnen vertrug ſich der Capi ganz leidlich. Er fraß Brod, hartes
wie weiches, gekochten Mais, Blüthen, Früchte, Mos, mit einem Worte Alles, aber nicht in der Art
und Weiſe wie andere Vögel, ſondern nach Art der Säugethiere. Wenn der Biſſen groß war, hielt
ihn die Habia weder mit dem Fuße feſt, oder warf ihn in die Höhe, ſondern nahm ihn in den Schnabel
und kaute ihn, ohne ihn dabei loszulaſſen, bis der Biſſen im Mund gerecht geworden war.‟
Es ſcheint, daß nur ein Forſcher, wie Azara, an einer gefangenen Habia Vergnügen finden
kann; denn die Berichte über dieſe Vögel ſind äußerſt dürftig. Wir erfahren nicht einmal, ob ſie bei
den Landsleuten, denen ſie zuweilen beſchwerlich fallen, beliebt ſind oder nicht.
An die Habias ſchließen ſich naturgemäß einige auffallende Vögel an, welche man Pflanzen-
mähder (Phytotoma) genannt hat.
Schon Molina, der erſte Naturbeſchreiber Chiles, erwähnt eines von ihnen und berichtet
namentlich über die Lebensweiſe ſonderbare Dinge. Die Leibesbeſchreibung des Vogels iſt nicht zu
brauchen; man merkt ihr, wie d’Orbigny ſehr richtig ſagt, ohne Mühe an, daß ſie nur nach dem Ge-
dächtniß niedergeſchrieben wurde. Ueber die Lebensweiſe ſagt er Folgendes: „Der Pflanzenmähder
nährt ſich von Kräutern, hat aber die böſe Eigenſchaft, ſie nicht eher zu freſſen, als bis er den Stengel
dicht an der Wurzel abgeſägt hat. Oft ſchneidet er Pflanzen blos zum Zeitvertreib ab, ohne ein
Blatt davon zu freſſen. Die Einwohner beſehden ihn daher ohne Unterlaß und geben den Knaben,
welche ſeine Eier ausnehmen, eine gute Belohnung. Da ihm dieſe Nachſtellung bekannt iſt, baut er
ſein Neſt in die dichteſten Bäume und an ſchattige, wenig beſuchte Orte. Ungeachtet dieſer Vorſicht
hat er ſich ſehr vermindert, und von dem Eifer, mit welchem ihn die Einwohner auszurotten ſuchen,
darf man ſchließen, daß er ſich nicht mehr erhalten wird, falls ſeine Nachkommenſchaft nicht unter-
laſſen ſollte, ihren böſen Namen zu bethätigen.‟
Lange Zeit hielt man die von dem Vogel verübten Uebelthaten für eine vollſtändige Fabel, wie
ſolche Fremden erzählt und von dieſen geglaubt zu werden pflegen. Neuere Beobachtungen aber haben
ergeben, daß wenigſtens Etwas an der Sache iſt. Auffallend genug will es mir vorkommen, daß
die Quellen über die Pflanzenmähder noch immer ſpärlich fließen, und manche ſogar als unklare
betrachtet werden müſſen. So ſagt Pöppig, welcher monatelang Gelegenheit hatte, den Pflanzen-
mähder zu beobachten, in ſeiner „Reiſe nach Chile u. ſ. w.‟ wörtlich Folgendes: „Einige kleine, aber
unanſehnliche Waldvögel ſind die einzigen Bewohner des Thales und kommen höher hinauf nicht vor.
Doch iſt es erfreulich genug, daß man die ſeltene Phytotoma, einen Vogel von der Größe unſerer Ammer,
hier eher erhält, als in den niederen Gegenden, wo die ewige Verfolgung ſie in der That an Zahl ſehr
vermindert und ſehr ſcheu gemacht; denn was Molina von ſeiner böſen Gewohnheit, Pflanzen am
Boden abzuſchneiden und von dem Haſſe erzählt, welchen die Landbewohner gegen ihn fühlen, iſt
völlig wahr.‟ Jn der „illuſtrirten Naturgeſchichte des Thierreichs‟ von demſelben Forſcher dagegen
heißt es: „Nach Molina’s ſehr übertriebener Schilderung verdirbt ſie eine Menge krautartiger
Pflanzen; denn um zu ihrem Samen zu gelangen, ſoll ſie die Stengel nahe am Boden abſägen und
zumal in Gärten ſolche Verwüſtungen anrichten, daß auf ihre Austilgung einſt Prämien geſetzt worden
ſind. Man weiß heutzutage Nichts von dieſer ſchädlichen Thätigkeit und betrachtet die Rarita, wie jeden
andern körnerfreſſenden Vogel, der, wenn er freilich ſcharenweiſe irgendwo einfällt, dem Landmann
Schaden zufügen kann. Keimende Pflanzen frißt die Rarita allerdings gern; indeſſen theilt ſie dieſen
Appetit mit den Sperlingen und andern nordiſchen Vögeln, welchen darum Niemand die Macht
zutrauen wird, alle Mühen des Landmanns zu vereiteln.‟ Dieſe Quelle iſt alſo nicht zu brauchen,
und wir würden noch Nichts über den betreffenden Vogel wiſſen, hätten wir nicht durch Kittlitz,
d’Orbigny, Boeck und Landbeck Einiges erfahren, etwa Folgendes:
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/207>, abgerufen am 23.11.2024.
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