setzten Merkmale (große Schuppentafeln, wenig Schwungfedern) eine höhere Entwickelungsstufe der Vögel bekunden. Es ist unmöglich, einseitigere Merkmale zur Kennzeichnung einer ganzen Klasse aufzustellen, unmöglich, hartnäckiger, als hier geschehen, in dieser Einseitigkeit zu beharren. Mit gleichem Rechte, wie Cabanis rücksichtlich seiner Ansicht, dürfen wir sagen: eben weil die Papageien als unbestreitbar hochstehende Vögel die gedachten Eigenthümlichkeiten des Fuß- und Flügelbaues zeigen, sind diese als Merkmale einer tieferen Entwickelungsstufe nicht anzusehen, in der ihnen zu- gesprochenen Bedeutung also nicht anzuwenden, -- und eine Widerlegung unserer Behauptung dürfte schwer sein! Mögen todte Vogelreihen im Glasschrank die Papageien immerhin in den Au- gen dieses oder jenes Forschers zu Parias herabwürdigen: das Leben, welches, wie schon einmal bemerkt, die beste Erläuterung der Gestalt ist, hilft unseren Vögeln über das ihnen angedichtete Elend hinweg. "Vögel", sagt Kaup, "bei welchen das vollkommenste Auge, mit einem Knochenringe ganz oder fast ganz umschlossen, bei denen das größte Gehirn, der größte Vogelverstand sich findet, sind die "Kopf-, Augen- oder Sinnenvögel." Und diese dürfen wir doch wohl so gar niedrig nicht stellen, da wir ja sonst nach dem Gehirn und bezüglich den Sinnen die gesammte Thierwelt ordnen. Mir gelten scharfe Sinne mehr, als Hornschuppen an den Füßen, geistige mit der Gehirnentwickelung im Einklange stehende Thätigkeiten mehr, als Schwanz- und Flügelfedern; mir gilt aber vor Allem die Manchfal- tigkeit oder Vielseitigkeit der Begabung: sie ist es, welche die Vollkommenheit bekundet.
Die Papageien bewohnen, mit Ausschluß Europa's, alle Erdtheile und zwar vorzugsweise die Gleicherländer. Eine amerikanische Art verbreitet sich nach Norden hin bis zum 42. Grad der Breite, eine andere findet sich auf der südlichen Halbkugel sogar in den "unheimlichen Oeden" des Feuerlandes (53 Grad südlicher Breite); Kakadus herbergen auf Neuseeland und andere selbst auf dem Macqua- rie-Eilande unter dem 52. Grad südlicher Breite. Jn Asien und Afrika halten sich die Sittiche mehr in den heißen Gürteln. So kommen sie in China nur bis zum 27. Grade der nördlichen Breite, in Jndien höchstens bis zum Fuße des Himalaya vor. Jn Westafrika überschreiten sie kaum den 16. Grad nördlicher Breite; in Ostafrika finden sie sich nach meinen Erfahrungen nicht nördlich des 15. Grades, während sie in der Südhälfte sich weiter vom Gleicher entfernen. Jm allgemeinen sind sie an die Wälder gebunden, obwohl keineswegs ausschließlich, weil einzelne Arten auch die baumlosen Ebenen, die Steppen z. B., bewohnen, andere in den Andes in Höhen über den Holzgürtel, bis zu 11,000 Fuß über das Meer, emporsteigen. Jn Nord-Ost-Afrika ist mir aufgefallen, daß sie so gut wie ausschließlich da vorkommen, wo auch Affen leben, daß sie gewissermaßen als unzertrenn- liche Gefährten von diesen betrachtet werden müssen. Je großartiger die Wälder sind, d. h. je reicher die Pflanzenwelt ist, um so häufiger treten sie auf. "Die Papageien", sagt Prinz von Wied, "machen in den tropischen Wäldern einen großen, ich möchte sagen, den größten Theil der befiederten Schö- pfung aus." Dasselbe gilt für Australien, für manche Gegenden Jndiens und theilweise auch für Afrika. Hier treten sie so häufig auf, wie bei uns zu Lande die Krähen, dort sind sie so gemein, wie in Deutschland die Sperlinge.
Und sie verstehen es, sich bemerklich zu machen. Sie schmücken die Wälder und erfüllen sie mit ihrem Geschrei. "Papageien", sagt der Prinz, "verschönern mit ihrem verschwenderisch gefärbten Gefieder die dunklen Schatten der tropischen Wälder." -- "Es ist unmöglich", versichert Gould, "das Zauberhafte des Anblicks zu beschreiben, welchen gewisse Papageien, zumal die hochroth gefärbten Arten, gewähren, wenn sie sich in Flügen in den silberblätterigen Akazien Australiens umhertummeln. Jhr herrliches Gefieder sticht wunderbar ab gegen die Umgebung." -- "Die Kakadus", ruft Mitchell begeistert aus, "verwandeln die Höhen, in denen sie leben, zu Gefilden der üppigsten Wonne". -- "Jch habe", berichtet Audubon, "Baumzweige von ihnen so vollständig bedeckt gesehen, als es nur möglich sein konnte." -- "Morgens und abends", be- stätigt Schomburgk, "sieht man die unzählbaren Mengen von Papageien in bedeutender Höhe unter unerträglichem Geschrei dahin ziehen. Eines Nachmittags sah ich solch einen riesigen Zug auf die Uferbäume sich niederlassen; die Zweige bogen sich tief herab unter der Last der
Knacker. Die Papageien.
ſetzten Merkmale (große Schuppentafeln, wenig Schwungfedern) eine höhere Entwickelungsſtufe der Vögel bekunden. Es iſt unmöglich, einſeitigere Merkmale zur Kennzeichnung einer ganzen Klaſſe aufzuſtellen, unmöglich, hartnäckiger, als hier geſchehen, in dieſer Einſeitigkeit zu beharren. Mit gleichem Rechte, wie Cabanis rückſichtlich ſeiner Anſicht, dürfen wir ſagen: eben weil die Papageien als unbeſtreitbar hochſtehende Vögel die gedachten Eigenthümlichkeiten des Fuß- und Flügelbaues zeigen, ſind dieſe als Merkmale einer tieferen Entwickelungsſtufe nicht anzuſehen, in der ihnen zu- geſprochenen Bedeutung alſo nicht anzuwenden, — und eine Widerlegung unſerer Behauptung dürfte ſchwer ſein! Mögen todte Vogelreihen im Glasſchrank die Papageien immerhin in den Au- gen dieſes oder jenes Forſchers zu Parias herabwürdigen: das Leben, welches, wie ſchon einmal bemerkt, die beſte Erläuterung der Geſtalt iſt, hilft unſeren Vögeln über das ihnen angedichtete Elend hinweg. „Vögel‟, ſagt Kaup, „bei welchen das vollkommenſte Auge, mit einem Knochenringe ganz oder faſt ganz umſchloſſen, bei denen das größte Gehirn, der größte Vogelverſtand ſich findet, ſind die „Kopf-, Augen- oder Sinnenvögel.‟ Und dieſe dürfen wir doch wohl ſo gar niedrig nicht ſtellen, da wir ja ſonſt nach dem Gehirn und bezüglich den Sinnen die geſammte Thierwelt ordnen. Mir gelten ſcharfe Sinne mehr, als Hornſchuppen an den Füßen, geiſtige mit der Gehirnentwickelung im Einklange ſtehende Thätigkeiten mehr, als Schwanz- und Flügelfedern; mir gilt aber vor Allem die Manchfal- tigkeit oder Vielſeitigkeit der Begabung: ſie iſt es, welche die Vollkommenheit bekundet.
Die Papageien bewohnen, mit Ausſchluß Europa’s, alle Erdtheile und zwar vorzugsweiſe die Gleicherländer. Eine amerikaniſche Art verbreitet ſich nach Norden hin bis zum 42. Grad der Breite, eine andere findet ſich auf der ſüdlichen Halbkugel ſogar in den „unheimlichen Oeden‟ des Feuerlandes (53 Grad ſüdlicher Breite); Kakadus herbergen auf Neuſeeland und andere ſelbſt auf dem Macqua- rie-Eilande unter dem 52. Grad ſüdlicher Breite. Jn Aſien und Afrika halten ſich die Sittiche mehr in den heißen Gürteln. So kommen ſie in China nur bis zum 27. Grade der nördlichen Breite, in Jndien höchſtens bis zum Fuße des Himalaya vor. Jn Weſtafrika überſchreiten ſie kaum den 16. Grad nördlicher Breite; in Oſtafrika finden ſie ſich nach meinen Erfahrungen nicht nördlich des 15. Grades, während ſie in der Südhälfte ſich weiter vom Gleicher entfernen. Jm allgemeinen ſind ſie an die Wälder gebunden, obwohl keineswegs ausſchließlich, weil einzelne Arten auch die baumloſen Ebenen, die Steppen z. B., bewohnen, andere in den Andes in Höhen über den Holzgürtel, bis zu 11,000 Fuß über das Meer, emporſteigen. Jn Nord-Oſt-Afrika iſt mir aufgefallen, daß ſie ſo gut wie ausſchließlich da vorkommen, wo auch Affen leben, daß ſie gewiſſermaßen als unzertrenn- liche Gefährten von dieſen betrachtet werden müſſen. Je großartiger die Wälder ſind, d. h. je reicher die Pflanzenwelt iſt, um ſo häufiger treten ſie auf. „Die Papageien‟, ſagt Prinz von Wied, „machen in den tropiſchen Wäldern einen großen, ich möchte ſagen, den größten Theil der befiederten Schö- pfung aus.‟ Daſſelbe gilt für Auſtralien, für manche Gegenden Jndiens und theilweiſe auch für Afrika. Hier treten ſie ſo häufig auf, wie bei uns zu Lande die Krähen, dort ſind ſie ſo gemein, wie in Deutſchland die Sperlinge.
Und ſie verſtehen es, ſich bemerklich zu machen. Sie ſchmücken die Wälder und erfüllen ſie mit ihrem Geſchrei. „Papageien‟, ſagt der Prinz, „verſchönern mit ihrem verſchwenderiſch gefärbten Gefieder die dunklen Schatten der tropiſchen Wälder.‟ — „Es iſt unmöglich‟, verſichert Gould, „das Zauberhafte des Anblicks zu beſchreiben, welchen gewiſſe Papageien, zumal die hochroth gefärbten Arten, gewähren, wenn ſie ſich in Flügen in den ſilberblätterigen Akazien Auſtraliens umhertummeln. Jhr herrliches Gefieder ſticht wunderbar ab gegen die Umgebung.‟ — „Die Kakadus‟, ruft Mitchell begeiſtert aus, „verwandeln die Höhen, in denen ſie leben, zu Gefilden der üppigſten Wonne‟. — „Jch habe‟, berichtet Audubon, „Baumzweige von ihnen ſo vollſtändig bedeckt geſehen, als es nur möglich ſein konnte.‟ — „Morgens und abends‟, be- ſtätigt Schomburgk, „ſieht man die unzählbaren Mengen von Papageien in bedeutender Höhe unter unerträglichem Geſchrei dahin ziehen. Eines Nachmittags ſah ich ſolch einen rieſigen Zug auf die Uferbäume ſich niederlaſſen; die Zweige bogen ſich tief herab unter der Laſt der
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Knacker. Die Papageien.
ſetzten Merkmale (große Schuppentafeln, wenig Schwungfedern) eine höhere Entwickelungsſtufe der
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aufzuſtellen, unmöglich, hartnäckiger, als hier geſchehen, in dieſer Einſeitigkeit zu beharren. Mit
gleichem Rechte, wie Cabanis rückſichtlich ſeiner Anſicht, dürfen wir ſagen: eben weil die Papageien
als unbeſtreitbar hochſtehende Vögel die gedachten Eigenthümlichkeiten des Fuß- und Flügelbaues
zeigen, ſind dieſe als Merkmale einer tieferen Entwickelungsſtufe nicht anzuſehen, in der ihnen zu-
geſprochenen Bedeutung alſo nicht anzuwenden, — und eine Widerlegung unſerer Behauptung
dürfte ſchwer ſein! Mögen todte Vogelreihen im Glasſchrank die Papageien immerhin in den Au-
gen dieſes oder jenes Forſchers zu Parias herabwürdigen: das Leben, welches, wie ſchon einmal bemerkt,
die beſte Erläuterung der Geſtalt iſt, hilft unſeren Vögeln über das ihnen angedichtete Elend hinweg.
„Vögel‟, ſagt Kaup, „bei welchen das vollkommenſte Auge, mit einem Knochenringe ganz oder faſt
ganz umſchloſſen, bei denen das größte Gehirn, der größte Vogelverſtand ſich findet, ſind die „Kopf-,
Augen- oder Sinnenvögel.‟ Und dieſe dürfen wir doch wohl ſo gar niedrig nicht ſtellen, da wir ja
ſonſt nach dem Gehirn und bezüglich den Sinnen die geſammte Thierwelt ordnen. Mir gelten ſcharfe
Sinne mehr, als Hornſchuppen an den Füßen, geiſtige mit der Gehirnentwickelung im Einklange
ſtehende Thätigkeiten mehr, als Schwanz- und Flügelfedern; mir gilt aber vor Allem die Manchfal-
tigkeit oder Vielſeitigkeit der Begabung: ſie iſt es, welche die Vollkommenheit bekundet.
Die Papageien bewohnen, mit Ausſchluß Europa’s, alle Erdtheile und zwar vorzugsweiſe die
Gleicherländer. Eine amerikaniſche Art verbreitet ſich nach Norden hin bis zum 42. Grad der Breite,
eine andere findet ſich auf der ſüdlichen Halbkugel ſogar in den „unheimlichen Oeden‟ des Feuerlandes
(53 Grad ſüdlicher Breite); Kakadus herbergen auf Neuſeeland und andere ſelbſt auf dem Macqua-
rie-Eilande unter dem 52. Grad ſüdlicher Breite. Jn Aſien und Afrika halten ſich die Sittiche mehr
in den heißen Gürteln. So kommen ſie in China nur bis zum 27. Grade der nördlichen Breite, in
Jndien höchſtens bis zum Fuße des Himalaya vor. Jn Weſtafrika überſchreiten ſie kaum den 16.
Grad nördlicher Breite; in Oſtafrika finden ſie ſich nach meinen Erfahrungen nicht nördlich des 15.
Grades, während ſie in der Südhälfte ſich weiter vom Gleicher entfernen. Jm allgemeinen ſind ſie
an die Wälder gebunden, obwohl keineswegs ausſchließlich, weil einzelne Arten auch die baumloſen
Ebenen, die Steppen z. B., bewohnen, andere in den Andes in Höhen über den Holzgürtel,
bis zu 11,000 Fuß über das Meer, emporſteigen. Jn Nord-Oſt-Afrika iſt mir aufgefallen, daß ſie
ſo gut wie ausſchließlich da vorkommen, wo auch Affen leben, daß ſie gewiſſermaßen als unzertrenn-
liche Gefährten von dieſen betrachtet werden müſſen. Je großartiger die Wälder ſind, d. h. je reicher
die Pflanzenwelt iſt, um ſo häufiger treten ſie auf. „Die Papageien‟, ſagt Prinz von Wied, „machen
in den tropiſchen Wäldern einen großen, ich möchte ſagen, den größten Theil der befiederten Schö-
pfung aus.‟ Daſſelbe gilt für Auſtralien, für manche Gegenden Jndiens und theilweiſe auch für
Afrika. Hier treten ſie ſo häufig auf, wie bei uns zu Lande die Krähen, dort ſind ſie ſo gemein,
wie in Deutſchland die Sperlinge.
Und ſie verſtehen es, ſich bemerklich zu machen. Sie ſchmücken die Wälder und erfüllen ſie mit
ihrem Geſchrei. „Papageien‟, ſagt der Prinz, „verſchönern mit ihrem verſchwenderiſch gefärbten
Gefieder die dunklen Schatten der tropiſchen Wälder.‟ — „Es iſt unmöglich‟, verſichert Gould,
„das Zauberhafte des Anblicks zu beſchreiben, welchen gewiſſe Papageien, zumal die hochroth
gefärbten Arten, gewähren, wenn ſie ſich in Flügen in den ſilberblätterigen Akazien Auſtraliens
umhertummeln. Jhr herrliches Gefieder ſticht wunderbar ab gegen die Umgebung.‟ — „Die
Kakadus‟, ruft Mitchell begeiſtert aus, „verwandeln die Höhen, in denen ſie leben, zu Gefilden
der üppigſten Wonne‟. — „Jch habe‟, berichtet Audubon, „Baumzweige von ihnen ſo
vollſtändig bedeckt geſehen, als es nur möglich ſein konnte.‟ — „Morgens und abends‟, be-
ſtätigt Schomburgk, „ſieht man die unzählbaren Mengen von Papageien in bedeutender
Höhe unter unerträglichem Geſchrei dahin ziehen. Eines Nachmittags ſah ich ſolch einen rieſigen
Zug auf die Uferbäume ſich niederlaſſen; die Zweige bogen ſich tief herab unter der Laſt der
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/20>, abgerufen am 22.07.2024.
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