"Jch habe", fährt Audubon fort, "diesen prachtvollen Vogel oft beobachtet in den unteren Theilen von Louisiana, Kentucky und Cincinnati, schon im März, wenn er ostwärts zog. Er flog dann in einer bedeutenden Höhe in der Luft, und nur zuweilen setzte er sich auf die Spitze des höchsten Baumes im Walde, als ob er ein wenig ruhen wollte. Jch habe ihn auf seiner Wanderschaft verfolgt, in Pennsylvanien, Newyork und andern östlichen Staaten, durch die britischen Provinzen von New- braunschweig und Newschottland bis Newfundland, wo er häufig Brutvogel ist; aber niemals sah ich ihn in Labrador und ebensowenig an der Küste von Georgia oder Carolina, obgleich er hier in den Gebirgen vorkommt. Längs der Ufer des Schuylkilflusses, zwanzig oder dreißig Meilen von Phila- delphia, traf ich ihn zu Ende Mais in zahlreicher Menge; ich fand ihn auch in den großen Fichten- wäldern desselben Staates, noch häufiger aber in Newyork und vorzugsweise längs des prächtigen Flusses, dessen ich oben gedachte. Am Ontario und Eriesee sind sie ebenfalls häufig."
[Abbildung]
Der rosenbrüstige Kerubeißer (Coccoborus ludovicianus).
"Der Flug des rosenbrüstigen Kernbeißers ist hart, geradeaus, aber ziemlich anmuthig. Auf dem Zuge streicht er hoch über die Wälder dahin und stößt ab und zu einen klaren Ton aus, während er zu schweigen pflegt, wenn er sich niedergelassen hat. Dies geschieht dann gegen Sonnenuntergang, und zwar wählt er sich immer den höchsten Baumwipfel, auf welchem er sich aufrecht und steif hält, so lange er hier verweilt. Nach wenigen Minuten senkt er sich gewöhnlich in ein Dickicht hernieder, um in diesem die Nacht zu vollbringen."
Die Nahrung besteht in allerhand Gesäme, namentlich in Grassämereien, sodann aus verschiede- nen Beeren und im Frühling aus Knospen und zarten Blüthen. Nebenbei jagt er Kerbthiere und zwar häufig auch im Fluge, wie andere Finken Dies ebenfalls zu thun pflegen.
Das Nest fand Audubon von Ende Mais an bis zum Juli in den obersten Zweiggabeln nie- derer Büsche, häufig aber auf höheren Bäumen, am liebsten auf solchen, welche neben einem Wasser
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Roſenbrüſtiger Kerubeißer.
„Jch habe‟, fährt Audubon fort, „dieſen prachtvollen Vogel oft beobachtet in den unteren Theilen von Louiſiana, Kentucky und Cincinnati, ſchon im März, wenn er oſtwärts zog. Er flog dann in einer bedeutenden Höhe in der Luft, und nur zuweilen ſetzte er ſich auf die Spitze des höchſten Baumes im Walde, als ob er ein wenig ruhen wollte. Jch habe ihn auf ſeiner Wanderſchaft verfolgt, in Pennſylvanien, Newyork und andern öſtlichen Staaten, durch die britiſchen Provinzen von New- braunſchweig und Newſchottland bis Newfundland, wo er häufig Brutvogel iſt; aber niemals ſah ich ihn in Labrador und ebenſowenig an der Küſte von Georgia oder Carolina, obgleich er hier in den Gebirgen vorkommt. Längs der Ufer des Schuylkilfluſſes, zwanzig oder dreißig Meilen von Phila- delphia, traf ich ihn zu Ende Mais in zahlreicher Menge; ich fand ihn auch in den großen Fichten- wäldern deſſelben Staates, noch häufiger aber in Newyork und vorzugsweiſe längs des prächtigen Fluſſes, deſſen ich oben gedachte. Am Ontario und Erieſee ſind ſie ebenfalls häufig.‟
[Abbildung]
Der roſenbrüſtige Kerubeißer (Coccoborus ludovicianus).
„Der Flug des roſenbrüſtigen Kernbeißers iſt hart, geradeaus, aber ziemlich anmuthig. Auf dem Zuge ſtreicht er hoch über die Wälder dahin und ſtößt ab und zu einen klaren Ton aus, während er zu ſchweigen pflegt, wenn er ſich niedergelaſſen hat. Dies geſchieht dann gegen Sonnenuntergang, und zwar wählt er ſich immer den höchſten Baumwipfel, auf welchem er ſich aufrecht und ſteif hält, ſo lange er hier verweilt. Nach wenigen Minuten ſenkt er ſich gewöhnlich in ein Dickicht hernieder, um in dieſem die Nacht zu vollbringen.‟
Die Nahrung beſteht in allerhand Geſäme, namentlich in Grasſämereien, ſodann aus verſchiede- nen Beeren und im Frühling aus Knoſpen und zarten Blüthen. Nebenbei jagt er Kerbthiere und zwar häufig auch im Fluge, wie andere Finken Dies ebenfalls zu thun pflegen.
Das Neſt fand Audubon von Ende Mais an bis zum Juli in den oberſten Zweiggabeln nie- derer Büſche, häufig aber auf höheren Bäumen, am liebſten auf ſolchen, welche neben einem Waſſer
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Roſenbrüſtiger Kerubeißer.
„Jch habe‟, fährt Audubon fort, „dieſen prachtvollen Vogel oft beobachtet in den unteren
Theilen von Louiſiana, Kentucky und Cincinnati, ſchon im März, wenn er oſtwärts zog. Er flog
dann in einer bedeutenden Höhe in der Luft, und nur zuweilen ſetzte er ſich auf die Spitze des höchſten
Baumes im Walde, als ob er ein wenig ruhen wollte. Jch habe ihn auf ſeiner Wanderſchaft verfolgt,
in Pennſylvanien, Newyork und andern öſtlichen Staaten, durch die britiſchen Provinzen von New-
braunſchweig und Newſchottland bis Newfundland, wo er häufig Brutvogel iſt; aber niemals ſah ich
ihn in Labrador und ebenſowenig an der Küſte von Georgia oder Carolina, obgleich er hier in den
Gebirgen vorkommt. Längs der Ufer des Schuylkilfluſſes, zwanzig oder dreißig Meilen von Phila-
delphia, traf ich ihn zu Ende Mais in zahlreicher Menge; ich fand ihn auch in den großen Fichten-
wäldern deſſelben Staates, noch häufiger aber in Newyork und vorzugsweiſe längs des prächtigen
Fluſſes, deſſen ich oben gedachte. Am Ontario und Erieſee ſind ſie ebenfalls häufig.‟
[Abbildung Der roſenbrüſtige Kerubeißer (Coccoborus ludovicianus).]
„Der Flug des roſenbrüſtigen Kernbeißers iſt hart, geradeaus, aber ziemlich anmuthig. Auf
dem Zuge ſtreicht er hoch über die Wälder dahin und ſtößt ab und zu einen klaren Ton aus, während
er zu ſchweigen pflegt, wenn er ſich niedergelaſſen hat. Dies geſchieht dann gegen Sonnenuntergang,
und zwar wählt er ſich immer den höchſten Baumwipfel, auf welchem er ſich aufrecht und ſteif hält,
ſo lange er hier verweilt. Nach wenigen Minuten ſenkt er ſich gewöhnlich in ein Dickicht hernieder,
um in dieſem die Nacht zu vollbringen.‟
Die Nahrung beſteht in allerhand Geſäme, namentlich in Grasſämereien, ſodann aus verſchiede-
nen Beeren und im Frühling aus Knoſpen und zarten Blüthen. Nebenbei jagt er Kerbthiere und
zwar häufig auch im Fluge, wie andere Finken Dies ebenfalls zu thun pflegen.
Das Neſt fand Audubon von Ende Mais an bis zum Juli in den oberſten Zweiggabeln nie-
derer Büſche, häufig aber auf höheren Bäumen, am liebſten auf ſolchen, welche neben einem Waſſer
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/199>, abgerufen am 24.11.2024.
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