stets schwebend. Ohne Noth fliegt er ungern weit, obwohl es ihm gar nicht darauf ankommt, auch größere Strecken in einem Zuge zurückzulegen. Beim Auffliegen läßt er gewöhnlich seinen Lockton, ein kurzes Tschick oder Tscheck vernehmen, welches zuweilen vielmals nach einander wiederholt wird. Der Ton der Zärtlichkeit ist ein angenehm sanftes, jedoch immerhin weit hörbares "Zwui" oder "Schwunsch". Dasselbe wird auch als Warnungston gebraucht, dann aber gewöhnlich mit einem sanften hellen Pfeifen begleitet. Da, wo der Grünling sich sicher weiß, ist er sehr wenig scheu, in Gesellschaften aber oft sehr vorsichtig. Es scheint, daß einer dann immer mehr auf die Sicherheit der Gesammtheit bedacht sein will, als der andere. "Bei Annäherung eines Menschen", sagt mein Vater, "fliegen immer die zunächst auf der Erde sitzenden auf, ziehen die andern mit sich fort und lassen sich bald wieder nieder. So muß man einen Schwarm Viertelstunden weit verfolgen, ehe man einen sichern Schuß auf mehrere thun kann." Eigentlich vertrauensselig ist der Grünling nie. So kommt er niemals in das Gehöft, auch wenn ihn die ärgste Noth bedrückt.
Die Sämereien der verschiedensten Pflanzen, vor Allem ölige, Rübsamen, Leindotter, Hädrich, Hanfsamen und dergleichen, bilden die hauptsächliche Nahrung des Grünlings. Er liest sie nach Art der Edelfinken von der Erde auf, und nur, wenn tiefer Schnee ihm feinen Tisch verdeckt, versucht er auch solche auszuklauben oder nimmt Wachholder- und Vogelbeeren an und beißt die Buchnüsse auf, um des Kernes habhaft zu werden. Letzteres verursacht ihm aber viel Mühe, und man findet deshalb auch die Kerne der Bücheln nie allein, sondern stets unter vielem anderen Gesäme in seinem Kropfe. Jn Gegenden, wo Hauf gebaut wird, kann der Vogel zuweilen recht schädlich werden; denn er läßt sich schwer von diesem geliebten Futter vertreiben. Außerdem wird er wohl auch im Gemüsegarten lästig; dafür aber nützt er durch Auflesen und Aufzehren des Unkrautsamens und wahrscheinlich mehr, als er schadet.
Der Grünling pflegt zwei Mal im Jahre zu brüten, in guten Sommern wohl auch drei Mal. Schon vor der Paarung läßt das Männchen seinen einfachen Gesang fortwährend vernehmen und steigt dabei gelegentlich, wie viele andere Finken es thun, schief nach oben empor, beständig singend, schlägt die Flügel und erhebt sie so hoch, daß ihre Spitzen sich fast berühren, schwenkt sich hin und her, beschreibt einen oder mehrere Kreise und flattert nun langsam wieder nach dem Baume zurück, von welchem es sich erhob. Ein zufällig herbeikommender Nebenbuhler wird mit Eifer verfolgt und nach mehr oder minder hartnäckigen Kämpfen vertrieben. Das Weibchen verhält sich bei alledem ganz ruhig, hat aber offenbar seine große Freude an diesen Liebesbeweisen seines Gatten.
Das Nest wird auf Bäumen oder in hohen Hecken angelegt, zwischen einer starken Gabel oder dicht am Stamme und je nach den Umständen aus sehr verschiedenen Stoffeu zusammengebaut. Dürre Reiserchen und Würzelchen, Quecken, trockene Halme und Graswurzeln bilden die Unterlage, auf welche eine Schicht feinerer Stoffe derselben Art, untermischt mit grünem Erdmos oder Flechten, auch wohl mit Wollklümpchen zu folgen pflegt. Zur Ausfütterung der Nestmulde dienen einige äußerst zarte Würzelchen und Hälmchen, auf und zwischen denen Pferde-, Hirsch- und Rehhaare liegen, vielleicht auch kleine Flöckchen Thierwolle eingewebt sind. Der Bau steht an Schönheit dem Nest des Edelfinken weit nach; er ist nicht sehr fest und dicht, aber doch hinlänglich gut gebaut, tiefer als eine Halbkugel, am Rande 21/2 bis 23/4 Zoll weit und gegen 2 Zoll tief. Das Weibchen ist der eigentliche Baumeister; das Männchen hilft selten, obwohl es bei der Arbeit selbst immer zugegen ist.
Ende Aprils findet man das erste Gelege, Ende Junis das zweite und wenn eine dritte Brut erfolgt, zu Anfang des Augusts das dritte. Es besteht aus vier bis sechs Eiern, von 9 bis 10 Linien Länge, welche sehr bauchig, dünn und glattschalig und auf bläulichweißem oder silberfarbenem Grunde mit bleichrothen deutlichen oder verwaschenen Fleckchen und Pünktchen bedeckt sind, besonders am stumpfen Ende, wo die Flecken nicht selten einen losen Kranz bilden.
Das Weibchen brütet allein, sitzt sehr fest auf dem Neste, wird inzwischen von dem Männchen ernährt und zeitigt die Jungen in ungefähr vierzehn Tagen. Beide Eltern theilen sich in die Aufzucht der Brut und füttern diese zunächst mit geschälten und im Kropfe erweichten Sämereien, später mit
Die Knacker. Sperlingsvögel. Kernbeißer.
ſtets ſchwebend. Ohne Noth fliegt er ungern weit, obwohl es ihm gar nicht darauf ankommt, auch größere Strecken in einem Zuge zurückzulegen. Beim Auffliegen läßt er gewöhnlich ſeinen Lockton, ein kurzes Tſchick oder Tſcheck vernehmen, welches zuweilen vielmals nach einander wiederholt wird. Der Ton der Zärtlichkeit iſt ein angenehm ſanftes, jedoch immerhin weit hörbares „Zwui‟ oder „Schwunſch‟. Daſſelbe wird auch als Warnungston gebraucht, dann aber gewöhnlich mit einem ſanften hellen Pfeifen begleitet. Da, wo der Grünling ſich ſicher weiß, iſt er ſehr wenig ſcheu, in Geſellſchaften aber oft ſehr vorſichtig. Es ſcheint, daß einer dann immer mehr auf die Sicherheit der Geſammtheit bedacht ſein will, als der andere. „Bei Annäherung eines Menſchen‟, ſagt mein Vater, „fliegen immer die zunächſt auf der Erde ſitzenden auf, ziehen die andern mit ſich fort und laſſen ſich bald wieder nieder. So muß man einen Schwarm Viertelſtunden weit verfolgen, ehe man einen ſichern Schuß auf mehrere thun kann.‟ Eigentlich vertrauensſelig iſt der Grünling nie. So kommt er niemals in das Gehöft, auch wenn ihn die ärgſte Noth bedrückt.
Die Sämereien der verſchiedenſten Pflanzen, vor Allem ölige, Rübſamen, Leindotter, Hädrich, Hanfſamen und dergleichen, bilden die hauptſächliche Nahrung des Grünlings. Er lieſt ſie nach Art der Edelfinken von der Erde auf, und nur, wenn tiefer Schnee ihm feinen Tiſch verdeckt, verſucht er auch ſolche auszuklauben oder nimmt Wachholder- und Vogelbeeren an und beißt die Buchnüſſe auf, um des Kernes habhaft zu werden. Letzteres verurſacht ihm aber viel Mühe, und man findet deshalb auch die Kerne der Bücheln nie allein, ſondern ſtets unter vielem anderen Geſäme in ſeinem Kropfe. Jn Gegenden, wo Hauf gebaut wird, kann der Vogel zuweilen recht ſchädlich werden; denn er läßt ſich ſchwer von dieſem geliebten Futter vertreiben. Außerdem wird er wohl auch im Gemüſegarten läſtig; dafür aber nützt er durch Aufleſen und Aufzehren des Unkrautſamens und wahrſcheinlich mehr, als er ſchadet.
Der Grünling pflegt zwei Mal im Jahre zu brüten, in guten Sommern wohl auch drei Mal. Schon vor der Paarung läßt das Männchen ſeinen einfachen Geſang fortwährend vernehmen und ſteigt dabei gelegentlich, wie viele andere Finken es thun, ſchief nach oben empor, beſtändig ſingend, ſchlägt die Flügel und erhebt ſie ſo hoch, daß ihre Spitzen ſich faſt berühren, ſchwenkt ſich hin und her, beſchreibt einen oder mehrere Kreiſe und flattert nun langſam wieder nach dem Baume zurück, von welchem es ſich erhob. Ein zufällig herbeikommender Nebenbuhler wird mit Eifer verfolgt und nach mehr oder minder hartnäckigen Kämpfen vertrieben. Das Weibchen verhält ſich bei alledem ganz ruhig, hat aber offenbar ſeine große Freude an dieſen Liebesbeweiſen ſeines Gatten.
Das Neſt wird auf Bäumen oder in hohen Hecken angelegt, zwiſchen einer ſtarken Gabel oder dicht am Stamme und je nach den Umſtänden aus ſehr verſchiedenen Stoffeu zuſammengebaut. Dürre Reiſerchen und Würzelchen, Quecken, trockene Halme und Graswurzeln bilden die Unterlage, auf welche eine Schicht feinerer Stoffe derſelben Art, untermiſcht mit grünem Erdmos oder Flechten, auch wohl mit Wollklümpchen zu folgen pflegt. Zur Ausfütterung der Neſtmulde dienen einige äußerſt zarte Würzelchen und Hälmchen, auf und zwiſchen denen Pferde-, Hirſch- und Rehhaare liegen, vielleicht auch kleine Flöckchen Thierwolle eingewebt ſind. Der Bau ſteht an Schönheit dem Neſt des Edelfinken weit nach; er iſt nicht ſehr feſt und dicht, aber doch hinlänglich gut gebaut, tiefer als eine Halbkugel, am Rande 2½ bis 2¾ Zoll weit und gegen 2 Zoll tief. Das Weibchen iſt der eigentliche Baumeiſter; das Männchen hilft ſelten, obwohl es bei der Arbeit ſelbſt immer zugegen iſt.
Ende Aprils findet man das erſte Gelege, Ende Junis das zweite und wenn eine dritte Brut erfolgt, zu Anfang des Auguſts das dritte. Es beſteht aus vier bis ſechs Eiern, von 9 bis 10 Linien Länge, welche ſehr bauchig, dünn und glattſchalig und auf bläulichweißem oder ſilberfarbenem Grunde mit bleichrothen deutlichen oder verwaſchenen Fleckchen und Pünktchen bedeckt ſind, beſonders am ſtumpfen Ende, wo die Flecken nicht ſelten einen loſen Kranz bilden.
Das Weibchen brütet allein, ſitzt ſehr feſt auf dem Neſte, wird inzwiſchen von dem Männchen ernährt und zeitigt die Jungen in ungefähr vierzehn Tagen. Beide Eltern theilen ſich in die Aufzucht der Brut und füttern dieſe zunächſt mit geſchälten und im Kropfe erweichten Sämereien, ſpäter mit
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[172/0192]
Die Knacker. Sperlingsvögel. Kernbeißer.
ſtets ſchwebend. Ohne Noth fliegt er ungern weit, obwohl es ihm gar nicht darauf ankommt, auch
größere Strecken in einem Zuge zurückzulegen. Beim Auffliegen läßt er gewöhnlich ſeinen Lockton,
ein kurzes Tſchick oder Tſcheck vernehmen, welches zuweilen vielmals nach einander wiederholt
wird. Der Ton der Zärtlichkeit iſt ein angenehm ſanftes, jedoch immerhin weit hörbares „Zwui‟
oder „Schwunſch‟. Daſſelbe wird auch als Warnungston gebraucht, dann aber gewöhnlich mit
einem ſanften hellen Pfeifen begleitet. Da, wo der Grünling ſich ſicher weiß, iſt er ſehr wenig ſcheu,
in Geſellſchaften aber oft ſehr vorſichtig. Es ſcheint, daß einer dann immer mehr auf die Sicherheit
der Geſammtheit bedacht ſein will, als der andere. „Bei Annäherung eines Menſchen‟, ſagt mein
Vater, „fliegen immer die zunächſt auf der Erde ſitzenden auf, ziehen die andern mit ſich fort und
laſſen ſich bald wieder nieder. So muß man einen Schwarm Viertelſtunden weit verfolgen, ehe man
einen ſichern Schuß auf mehrere thun kann.‟ Eigentlich vertrauensſelig iſt der Grünling nie. So
kommt er niemals in das Gehöft, auch wenn ihn die ärgſte Noth bedrückt.
Die Sämereien der verſchiedenſten Pflanzen, vor Allem ölige, Rübſamen, Leindotter, Hädrich,
Hanfſamen und dergleichen, bilden die hauptſächliche Nahrung des Grünlings. Er lieſt ſie nach Art
der Edelfinken von der Erde auf, und nur, wenn tiefer Schnee ihm feinen Tiſch verdeckt, verſucht er
auch ſolche auszuklauben oder nimmt Wachholder- und Vogelbeeren an und beißt die Buchnüſſe auf,
um des Kernes habhaft zu werden. Letzteres verurſacht ihm aber viel Mühe, und man findet deshalb
auch die Kerne der Bücheln nie allein, ſondern ſtets unter vielem anderen Geſäme in ſeinem Kropfe.
Jn Gegenden, wo Hauf gebaut wird, kann der Vogel zuweilen recht ſchädlich werden; denn er läßt ſich
ſchwer von dieſem geliebten Futter vertreiben. Außerdem wird er wohl auch im Gemüſegarten läſtig;
dafür aber nützt er durch Aufleſen und Aufzehren des Unkrautſamens und wahrſcheinlich mehr, als
er ſchadet.
Der Grünling pflegt zwei Mal im Jahre zu brüten, in guten Sommern wohl auch drei Mal.
Schon vor der Paarung läßt das Männchen ſeinen einfachen Geſang fortwährend vernehmen und
ſteigt dabei gelegentlich, wie viele andere Finken es thun, ſchief nach oben empor, beſtändig ſingend,
ſchlägt die Flügel und erhebt ſie ſo hoch, daß ihre Spitzen ſich faſt berühren, ſchwenkt ſich hin und her,
beſchreibt einen oder mehrere Kreiſe und flattert nun langſam wieder nach dem Baume zurück, von
welchem es ſich erhob. Ein zufällig herbeikommender Nebenbuhler wird mit Eifer verfolgt und nach
mehr oder minder hartnäckigen Kämpfen vertrieben. Das Weibchen verhält ſich bei alledem ganz
ruhig, hat aber offenbar ſeine große Freude an dieſen Liebesbeweiſen ſeines Gatten.
Das Neſt wird auf Bäumen oder in hohen Hecken angelegt, zwiſchen einer ſtarken Gabel oder
dicht am Stamme und je nach den Umſtänden aus ſehr verſchiedenen Stoffeu zuſammengebaut. Dürre
Reiſerchen und Würzelchen, Quecken, trockene Halme und Graswurzeln bilden die Unterlage, auf
welche eine Schicht feinerer Stoffe derſelben Art, untermiſcht mit grünem Erdmos oder Flechten,
auch wohl mit Wollklümpchen zu folgen pflegt. Zur Ausfütterung der Neſtmulde dienen einige
äußerſt zarte Würzelchen und Hälmchen, auf und zwiſchen denen Pferde-, Hirſch- und Rehhaare
liegen, vielleicht auch kleine Flöckchen Thierwolle eingewebt ſind. Der Bau ſteht an Schönheit dem
Neſt des Edelfinken weit nach; er iſt nicht ſehr feſt und dicht, aber doch hinlänglich gut gebaut, tiefer
als eine Halbkugel, am Rande 2½ bis 2¾ Zoll weit und gegen 2 Zoll tief. Das Weibchen iſt der
eigentliche Baumeiſter; das Männchen hilft ſelten, obwohl es bei der Arbeit ſelbſt immer zugegen iſt.
Ende Aprils findet man das erſte Gelege, Ende Junis das zweite und wenn eine dritte Brut
erfolgt, zu Anfang des Auguſts das dritte. Es beſteht aus vier bis ſechs Eiern, von 9 bis 10 Linien
Länge, welche ſehr bauchig, dünn und glattſchalig und auf bläulichweißem oder ſilberfarbenem Grunde
mit bleichrothen deutlichen oder verwaſchenen Fleckchen und Pünktchen bedeckt ſind, beſonders am
ſtumpfen Ende, wo die Flecken nicht ſelten einen loſen Kranz bilden.
Das Weibchen brütet allein, ſitzt ſehr feſt auf dem Neſte, wird inzwiſchen von dem Männchen
ernährt und zeitigt die Jungen in ungefähr vierzehn Tagen. Beide Eltern theilen ſich in die Aufzucht
der Brut und füttern dieſe zunächſt mit geſchälten und im Kropfe erweichten Sämereien, ſpäter mit
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/192>, abgerufen am 28.11.2024.
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