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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Kanarienvogel.
Diese Gewohnheit setzten sie selbst bei fünf Grad R. Kälte und bei starkem Winde freiwillig fort, bis
ich ihnen den Eingang verschloß. Drittens hat einer von meinen in Norddeutschland wohnenden
Freunden seine Vögel in einem mit festen Wänden versehenen Gartenhäuschen, welches ein offenes,
nur durch Drahtgitter geschütztes Fenster hatte, überwintert, wobei sie gesund blieben, obgleich die
Kälte einige Zeit hindurch auf 20 Grad R. stand und weder das Fenster geschlossen, noch geheizt
wurde. Auch bei einigen andern Freunden habe ich diese Ueberwinterung gesehen, empfehle sie aber
durchaus nicht zur Nachahmung."

"Ein im geschlossenen Raume hängender Kanarienvogel ist vor scharfem Zugwind zu schützen. Er
kann durch ihn augenblicklich heiser werden. Es tritt auch die Heiserkeit ohne Zug öfters ein, wenn
Vögel zu gut gefüttert werden. -- Alle Mittel scheinen gegen dieses Uebel nicht zu helfen; wenigstens
habe ich Rosinen, Kandiszucker, Eidotter, Salat- und Leinsamen, Berberitzensaft, Speck, Eisen-
rost, Spinnen, Ameisenpuppen, Hafergrütze, Möhren, Safran, Grünes aller Art, Kohlenpulver,
Quitte, Quittenschleim vergeblich in Anwendung gebracht. Die beste Wirkung zeigte eine blos aus
Kanariensamen bestehende Fütterung und neben dieser täglich etwas geriebene Möhre. -- Es gibt auch
Dünste, die schädlich werden können. Einer meiner Onkel stellte eines Abends eine blühende
Orchis bifolia in die Stube, wo er drei Kanarienvögel hatte. Am folgenden Morgen waren die
zwei Weibchen todt, das Männchen lag wie sterbend am Boden, wurde noch schnell in frische Luft
gebracht und so gerettet. Tabaksrauch schadet nicht. Oel, wie man es bei armen Leuten im Win-
ter trifft, schwärzt die gelben Federn, schadet aber nicht."

"Was die Fütterung betrifft, so bin ich jetzt fest überzeugt, daß die zu Andreasberg gebräuch-
liche jedenfalls die beste ist. Sie besteht blos aus Sommerrübsamen, der in Ueberfluß gereicht wird,
und nebenbei so viel in Wasser geweichter Semmel, als der Vogel täglich fressen will. Auch in der
Hecke thue ich kein Ei hinzu. -- Durch gemischtes, verschiedenartiges Futter erzeugt man Fresser und
Schreihälse, die leicht fett werden und dann weder zur Hecke, noch zum Singen taugen. -- Gesunden
Rübsamen erkennt man daran, daß er keinen übeln Geruch hat, rein aussieht, und leicht und kräftig
keimt, wenn man ihn zwischen feuchte, wollene Läppchen legt. -- Grüne Blätter von Salat, Spinat,
Kohl, Vogelmiere, Kreuzwurz, Brunnenkresse, sowie geriebene Möhren werden bei der aus Rübsamen
und Semmel bestehenden Fütterung am besten ganz weggelassen, dagegen versuchsweise nebenbei gege-
ben, wenn ein Vogel krank ist. Obst, namentlich Aepfel, neben gutem Futter täglich in Menge gege-
ben, macht zu felt."

"Bei guter Witterung kann ein Kanarienvogel über 20 Jahr alt werden, wovon mir Beispiele
bekannt sind. Von Malaga wird mir geschrieben, daß man dort im Durchschnitt 16 Jahre rechnet."

"Will man eine Kanarienhecke anlegen, so hat man Männchen zu wählen, die nicht durch zu
gutes Futter gemästet sind; Weibchen, welche fett sind, werden bei jedem Ei, das sie legen, krank,
sterben auch nicht selten, ehe es zum Legen kommt, und jedenfalls geben Eier solcher Weibchen gar
keine Junge oder nur Schwächlinge. -- Jst das Weibchen in nicht zu großem Ueberfluß überwintert,
wird aber dann vom Frühjahr an mit sehr verschiedenen Körnern, Backwerk, Grünem, Aepfeln in
Ueberfluß gefüttert, so legt es zwar gute Eier, jedoch in der Regel zu viel. Jch habe eins auf solche
Weise in einem Jahre auf 29 Eier gebracht. Dabei ist aber kein Segen, denn die Bruten folgen viel
zu schnell auf einander und es wird ein neues Nest gebaut, während im alten die Jungen noch lange
nicht reif sind. -- Mit der übrigen Einrichtung kann man in verschiedener Weise verfahren: a) Man
thut in einem geheizten Raume, dessen Wände weder Tapeten, noch gefärbten Kalk haben dürfen,
schon im März oder April, im ungeheizten erst im Mai auf 1 oder 11/2 Kubikklaftern ein Männchen
und drei oder vier Weibchen, für jedes Weib zwei Nester. -- b) Man thut je ein Männchen mit drei
oder vier Weibchen in einen geschlossenen Raum von 1 bis 11/2 Kubikklaftern, und es ist gut, sofern
man mehrere solche Räume hat, daß jeder vom nächsten vermittelst einer undurchsichtigen Scheidewand
getrennt ist. -- c) Selbst wenn man ein Männchen nur mit einem Weibchen paaren will, muß man

Kanarienvogel.
Dieſe Gewohnheit ſetzten ſie ſelbſt bei fünf Grad R. Kälte und bei ſtarkem Winde freiwillig fort, bis
ich ihnen den Eingang verſchloß. Drittens hat einer von meinen in Norddeutſchland wohnenden
Freunden ſeine Vögel in einem mit feſten Wänden verſehenen Gartenhäuschen, welches ein offenes,
nur durch Drahtgitter geſchütztes Fenſter hatte, überwintert, wobei ſie geſund blieben, obgleich die
Kälte einige Zeit hindurch auf 20 Grad R. ſtand und weder das Fenſter geſchloſſen, noch geheizt
wurde. Auch bei einigen andern Freunden habe ich dieſe Ueberwinterung geſehen, empfehle ſie aber
durchaus nicht zur Nachahmung.‟

„Ein im geſchloſſenen Raume hängender Kanarienvogel iſt vor ſcharfem Zugwind zu ſchützen. Er
kann durch ihn augenblicklich heiſer werden. Es tritt auch die Heiſerkeit ohne Zug öfters ein, wenn
Vögel zu gut gefüttert werden. — Alle Mittel ſcheinen gegen dieſes Uebel nicht zu helfen; wenigſtens
habe ich Roſinen, Kandiszucker, Eidotter, Salat- und Leinſamen, Berberitzenſaft, Speck, Eiſen-
roſt, Spinnen, Ameiſenpuppen, Hafergrütze, Möhren, Safran, Grünes aller Art, Kohlenpulver,
Quitte, Quittenſchleim vergeblich in Anwendung gebracht. Die beſte Wirkung zeigte eine blos aus
Kanarienſamen beſtehende Fütterung und neben dieſer täglich etwas geriebene Möhre. — Es gibt auch
Dünſte, die ſchädlich werden können. Einer meiner Onkel ſtellte eines Abends eine blühende
Orchis bifolia in die Stube, wo er drei Kanarienvögel hatte. Am folgenden Morgen waren die
zwei Weibchen todt, das Männchen lag wie ſterbend am Boden, wurde noch ſchnell in friſche Luft
gebracht und ſo gerettet. Tabaksrauch ſchadet nicht. Oel, wie man es bei armen Leuten im Win-
ter trifft, ſchwärzt die gelben Federn, ſchadet aber nicht.‟

„Was die Fütterung betrifft, ſo bin ich jetzt feſt überzeugt, daß die zu Andreasberg gebräuch-
liche jedenfalls die beſte iſt. Sie beſteht blos aus Sommerrübſamen, der in Ueberfluß gereicht wird,
und nebenbei ſo viel in Waſſer geweichter Semmel, als der Vogel täglich freſſen will. Auch in der
Hecke thue ich kein Ei hinzu. — Durch gemiſchtes, verſchiedenartiges Futter erzeugt man Freſſer und
Schreihälſe, die leicht fett werden und dann weder zur Hecke, noch zum Singen taugen. — Geſunden
Rübſamen erkennt man daran, daß er keinen übeln Geruch hat, rein ausſieht, und leicht und kräftig
keimt, wenn man ihn zwiſchen feuchte, wollene Läppchen legt. — Grüne Blätter von Salat, Spinat,
Kohl, Vogelmiere, Kreuzwurz, Brunnenkreſſe, ſowie geriebene Möhren werden bei der aus Rübſamen
und Semmel beſtehenden Fütterung am beſten ganz weggelaſſen, dagegen verſuchsweiſe nebenbei gege-
ben, wenn ein Vogel krank iſt. Obſt, namentlich Aepfel, neben gutem Futter täglich in Menge gege-
ben, macht zu felt.‟

„Bei guter Witterung kann ein Kanarienvogel über 20 Jahr alt werden, wovon mir Beiſpiele
bekannt ſind. Von Malaga wird mir geſchrieben, daß man dort im Durchſchnitt 16 Jahre rechnet.‟

„Will man eine Kanarienhecke anlegen, ſo hat man Männchen zu wählen, die nicht durch zu
gutes Futter gemäſtet ſind; Weibchen, welche fett ſind, werden bei jedem Ei, das ſie legen, krank,
ſterben auch nicht ſelten, ehe es zum Legen kommt, und jedenfalls geben Eier ſolcher Weibchen gar
keine Junge oder nur Schwächlinge. — Jſt das Weibchen in nicht zu großem Ueberfluß überwintert,
wird aber dann vom Frühjahr an mit ſehr verſchiedenen Körnern, Backwerk, Grünem, Aepfeln in
Ueberfluß gefüttert, ſo legt es zwar gute Eier, jedoch in der Regel zu viel. Jch habe eins auf ſolche
Weiſe in einem Jahre auf 29 Eier gebracht. Dabei iſt aber kein Segen, denn die Bruten folgen viel
zu ſchnell auf einander und es wird ein neues Neſt gebaut, während im alten die Jungen noch lange
nicht reif ſind. — Mit der übrigen Einrichtung kann man in verſchiedener Weiſe verfahren: a) Man
thut in einem geheizten Raume, deſſen Wände weder Tapeten, noch gefärbten Kalk haben dürfen,
ſchon im März oder April, im ungeheizten erſt im Mai auf 1 oder 1½ Kubikklaftern ein Männchen
und drei oder vier Weibchen, für jedes Weib zwei Neſter. — b) Man thut je ein Männchen mit drei
oder vier Weibchen in einen geſchloſſenen Raum von 1 bis 1½ Kubikklaftern, und es iſt gut, ſofern
man mehrere ſolche Räume hat, daß jeder vom nächſten vermittelſt einer undurchſichtigen Scheidewand
getrennt iſt. — c) Selbſt wenn man ein Männchen nur mit einem Weibchen paaren will, muß man

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[127/0145] Kanarienvogel. Dieſe Gewohnheit ſetzten ſie ſelbſt bei fünf Grad R. Kälte und bei ſtarkem Winde freiwillig fort, bis ich ihnen den Eingang verſchloß. Drittens hat einer von meinen in Norddeutſchland wohnenden Freunden ſeine Vögel in einem mit feſten Wänden verſehenen Gartenhäuschen, welches ein offenes, nur durch Drahtgitter geſchütztes Fenſter hatte, überwintert, wobei ſie geſund blieben, obgleich die Kälte einige Zeit hindurch auf 20 Grad R. ſtand und weder das Fenſter geſchloſſen, noch geheizt wurde. Auch bei einigen andern Freunden habe ich dieſe Ueberwinterung geſehen, empfehle ſie aber durchaus nicht zur Nachahmung.‟ „Ein im geſchloſſenen Raume hängender Kanarienvogel iſt vor ſcharfem Zugwind zu ſchützen. Er kann durch ihn augenblicklich heiſer werden. Es tritt auch die Heiſerkeit ohne Zug öfters ein, wenn Vögel zu gut gefüttert werden. — Alle Mittel ſcheinen gegen dieſes Uebel nicht zu helfen; wenigſtens habe ich Roſinen, Kandiszucker, Eidotter, Salat- und Leinſamen, Berberitzenſaft, Speck, Eiſen- roſt, Spinnen, Ameiſenpuppen, Hafergrütze, Möhren, Safran, Grünes aller Art, Kohlenpulver, Quitte, Quittenſchleim vergeblich in Anwendung gebracht. Die beſte Wirkung zeigte eine blos aus Kanarienſamen beſtehende Fütterung und neben dieſer täglich etwas geriebene Möhre. — Es gibt auch Dünſte, die ſchädlich werden können. Einer meiner Onkel ſtellte eines Abends eine blühende Orchis bifolia in die Stube, wo er drei Kanarienvögel hatte. Am folgenden Morgen waren die zwei Weibchen todt, das Männchen lag wie ſterbend am Boden, wurde noch ſchnell in friſche Luft gebracht und ſo gerettet. Tabaksrauch ſchadet nicht. Oel, wie man es bei armen Leuten im Win- ter trifft, ſchwärzt die gelben Federn, ſchadet aber nicht.‟ „Was die Fütterung betrifft, ſo bin ich jetzt feſt überzeugt, daß die zu Andreasberg gebräuch- liche jedenfalls die beſte iſt. Sie beſteht blos aus Sommerrübſamen, der in Ueberfluß gereicht wird, und nebenbei ſo viel in Waſſer geweichter Semmel, als der Vogel täglich freſſen will. Auch in der Hecke thue ich kein Ei hinzu. — Durch gemiſchtes, verſchiedenartiges Futter erzeugt man Freſſer und Schreihälſe, die leicht fett werden und dann weder zur Hecke, noch zum Singen taugen. — Geſunden Rübſamen erkennt man daran, daß er keinen übeln Geruch hat, rein ausſieht, und leicht und kräftig keimt, wenn man ihn zwiſchen feuchte, wollene Läppchen legt. — Grüne Blätter von Salat, Spinat, Kohl, Vogelmiere, Kreuzwurz, Brunnenkreſſe, ſowie geriebene Möhren werden bei der aus Rübſamen und Semmel beſtehenden Fütterung am beſten ganz weggelaſſen, dagegen verſuchsweiſe nebenbei gege- ben, wenn ein Vogel krank iſt. Obſt, namentlich Aepfel, neben gutem Futter täglich in Menge gege- ben, macht zu felt.‟ „Bei guter Witterung kann ein Kanarienvogel über 20 Jahr alt werden, wovon mir Beiſpiele bekannt ſind. Von Malaga wird mir geſchrieben, daß man dort im Durchſchnitt 16 Jahre rechnet.‟ „Will man eine Kanarienhecke anlegen, ſo hat man Männchen zu wählen, die nicht durch zu gutes Futter gemäſtet ſind; Weibchen, welche fett ſind, werden bei jedem Ei, das ſie legen, krank, ſterben auch nicht ſelten, ehe es zum Legen kommt, und jedenfalls geben Eier ſolcher Weibchen gar keine Junge oder nur Schwächlinge. — Jſt das Weibchen in nicht zu großem Ueberfluß überwintert, wird aber dann vom Frühjahr an mit ſehr verſchiedenen Körnern, Backwerk, Grünem, Aepfeln in Ueberfluß gefüttert, ſo legt es zwar gute Eier, jedoch in der Regel zu viel. Jch habe eins auf ſolche Weiſe in einem Jahre auf 29 Eier gebracht. Dabei iſt aber kein Segen, denn die Bruten folgen viel zu ſchnell auf einander und es wird ein neues Neſt gebaut, während im alten die Jungen noch lange nicht reif ſind. — Mit der übrigen Einrichtung kann man in verſchiedener Weiſe verfahren: a) Man thut in einem geheizten Raume, deſſen Wände weder Tapeten, noch gefärbten Kalk haben dürfen, ſchon im März oder April, im ungeheizten erſt im Mai auf 1 oder 1½ Kubikklaftern ein Männchen und drei oder vier Weibchen, für jedes Weib zwei Neſter. — b) Man thut je ein Männchen mit drei oder vier Weibchen in einen geſchloſſenen Raum von 1 bis 1½ Kubikklaftern, und es iſt gut, ſofern man mehrere ſolche Räume hat, daß jeder vom nächſten vermittelſt einer undurchſichtigen Scheidewand getrennt iſt. — c) Selbſt wenn man ein Männchen nur mit einem Weibchen paaren will, muß man

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/145>, abgerufen am 22.11.2024.