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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
flachen hölzernen, nur vorn mit einem schrägen Gitter versehenen Käfige, wie sie zwischen Frankreich
und der Westküste Afrikas gebräuchlich sind, fortzuschaffen. Trotz aller Vorsichtsmaßregeln kann man
darauf rechnen, während der Seereise und unmittelbar nach derselben die Hälfte der Vögel einzubüßen.
Wir haben von elf glücklich heimgebrachten, bereits vermauserten, vollkommen eingewohnten und zum
Theil schon schlagenden Kanarienvögeln im Laufe des ersten Winters noch mehrere ganz unerwartet an
Krämpfen zu Grunde gehen sehen. Vor Allem vermeide man, diese Vögel in die Hand zu nehmen;
viele von ihnen vertragen das durchaus nicht. Später scheinen sie härter zu werden. Die unfrigen
mauserten im zweiten Sommer ihres Lebens schon im Juli, also einen vollen Monat früher als die
zahmen. Das eine Weibchen, welches wir die Heckzeit des Jahres 1857 durch in einem Gesellschafts-
bauer mit wilden und zahmen Männchen zusammen umherfliegen ließen, hat sich zu keiner Paarung
verstanden. Wohl aber gehen die wilden Hähnchen mit großer Leichtigkeit Verbindungen mit der
gezähmten Art ein und werden äußerst treue, liebevolle Gatten, die nicht aufhören, die Dame ihres
Herzens aufs zärtlichste zu füttern, meist sogar die Nacht auf dem Neste derselben sitzend zuzubringen.
Sie bieten jedem andern Vogel, der ihnen zu nahe kommt, die Spitze; ja ein älteres Männchen, dem
beim Kampfe mit einem Grünling von diesem doppelt stärkeren Gegner der Beinknochen durchbissen
worden war, hörte in diesem beklagenswerthen Zustande nicht auf, durch schmetternden Gesang seinem
Widersacher aufs neue den Handschuh vor die Füße zu schleudern und konnte nur durch rasche Ent-
fernung aus dem Gesellschaftsbauer gerettet werden."

"Die Mischlinge beider Arten heißen in Teneriffa Verdegais und werden besonders hoch
geschätzt. Wir haben von einer hochgelben Mutter Gefallene gesehen, die sich durch große Schönheit
und ganz ungewöhnliche Zeichnung empfahlen. Sie waren am Oberleib dunkelgrün, unten von der
Kehle an rein goldgelb gefärbt. Diese Vögel galten aber auch für etwas Außerordentliches und sehr
Seltenes. Jn den Hecken, die auf den Kanaren von zahmen und wilden angelegt werden, befolgt man
den Grundsatz, einem Männchen letzterer Art seiner großen Thatkraft wegen stets zwei Weibchen zu-
zugefellen."

Ueber das Gefangenleben des zum Hausvogel gewordenen Kanarienvogels will ich Lenz
reden lassen. Jch selbst habe keine eigenen Beobachtungen gemacht, welche mir von Wichtigkeit
scheinen könnten und glaube, daß man alles hierauf Bezügliche unmöglich besser sagen und kürzer zu-
sammenfassen kann, als Lenz es gethan hat. "Um zu erfahren, wo jetzt die beste Kanarienzucht
zu finden, habe ich alle Theile Deutschlands und alle rings um dasselbe liegenden Länder durchsucht,
habe auch deswegen mit noch ferneren Ländern mich in Verbindung gesetzt und bin nun überzeugt,
daß jetzt die besten Kanarienvögel in Andreasberg auf dem Harz und einigen ihm benachbarten Dör-
fern gezogen werden."

"Jn Andreasberg findet man fast Haus für Haus eine besondere Stube oder einen bedeutenden
Theil der Wohnstube für die Kanarienhecke eingerichtet. Gar Mancher löst jährlich aus dem Ertrag 70
bis 80 Rthlr., und im ganzen werden von da, wie mir dortige Beamte sagten, jährlich für etwa 12,000
Rthlr. Kanarienvögel verkauft. -- Wann sich dieser Erwerbszweig dort festgesetzt, weiß kein Mensch;
aber jedenfalls wird er durch dreierlei Vortheile unterstützt: 1) die Wohlfeilheit des Holzes, so daß
man in dem rauhen Klima den Thierchen immerfort eine warme Stube bieten kann; 2) den herrlichen
Sommerrübsamen, welchen man aus der nicht gar weit entfernten goldenen Aue bezieht und 3) die
gute Semmel, für welche ebenfalls die goldene Aue den Stoff liefert. -- Der Gefang der Andreas-
berger Vögel ist äußerst verschieden; einen schlechten habe ich dort gar nicht gehört, dagegen viele, die
fast ganz aus feinen schwirrenden und schnurrenden Trillern, tiefen Rollen, gluckenden Tönen, Hohl-
pfeifen u. s. w. zusammengesetzt und von Fehlern fast oder ganz frei sind. -- So viel als möglich ziehn
die Leute in Andreasberg nur einfarbig blaßgelbe Vögel ohne Hauben, und zwar deswegen, weil der ein-
farbige Vogel keine unregelmäßige Zeichnung haben kann und weil der blaßgelbe gleich im Neste, wenn
er ein Männchen ist, als solches daran erkannt werden kann, daß sein Gelb um die Augen und um die
Schnabelbasis dunkler ist. Dieses Zeichen bleibt auch nach dem Ausfliegen noch eine Zeitlang deutlich

Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
flachen hölzernen, nur vorn mit einem ſchrägen Gitter verſehenen Käfige, wie ſie zwiſchen Frankreich
und der Weſtküſte Afrikas gebräuchlich ſind, fortzuſchaffen. Trotz aller Vorſichtsmaßregeln kann man
darauf rechnen, während der Seereiſe und unmittelbar nach derſelben die Hälfte der Vögel einzubüßen.
Wir haben von elf glücklich heimgebrachten, bereits vermauſerten, vollkommen eingewohnten und zum
Theil ſchon ſchlagenden Kanarienvögeln im Laufe des erſten Winters noch mehrere ganz unerwartet an
Krämpfen zu Grunde gehen ſehen. Vor Allem vermeide man, dieſe Vögel in die Hand zu nehmen;
viele von ihnen vertragen das durchaus nicht. Später ſcheinen ſie härter zu werden. Die unfrigen
mauſerten im zweiten Sommer ihres Lebens ſchon im Juli, alſo einen vollen Monat früher als die
zahmen. Das eine Weibchen, welches wir die Heckzeit des Jahres 1857 durch in einem Geſellſchafts-
bauer mit wilden und zahmen Männchen zuſammen umherfliegen ließen, hat ſich zu keiner Paarung
verſtanden. Wohl aber gehen die wilden Hähnchen mit großer Leichtigkeit Verbindungen mit der
gezähmten Art ein und werden äußerſt treue, liebevolle Gatten, die nicht aufhören, die Dame ihres
Herzens aufs zärtlichſte zu füttern, meiſt ſogar die Nacht auf dem Neſte derſelben ſitzend zuzubringen.
Sie bieten jedem andern Vogel, der ihnen zu nahe kommt, die Spitze; ja ein älteres Männchen, dem
beim Kampfe mit einem Grünling von dieſem doppelt ſtärkeren Gegner der Beinknochen durchbiſſen
worden war, hörte in dieſem beklagenswerthen Zuſtande nicht auf, durch ſchmetternden Geſang ſeinem
Widerſacher aufs neue den Handſchuh vor die Füße zu ſchleudern und konnte nur durch raſche Ent-
fernung aus dem Geſellſchaftsbauer gerettet werden.‟

„Die Miſchlinge beider Arten heißen in Teneriffa Verdegais und werden beſonders hoch
geſchätzt. Wir haben von einer hochgelben Mutter Gefallene geſehen, die ſich durch große Schönheit
und ganz ungewöhnliche Zeichnung empfahlen. Sie waren am Oberleib dunkelgrün, unten von der
Kehle an rein goldgelb gefärbt. Dieſe Vögel galten aber auch für etwas Außerordentliches und ſehr
Seltenes. Jn den Hecken, die auf den Kanaren von zahmen und wilden angelegt werden, befolgt man
den Grundſatz, einem Männchen letzterer Art ſeiner großen Thatkraft wegen ſtets zwei Weibchen zu-
zugefellen.‟

Ueber das Gefangenleben des zum Hausvogel gewordenen Kanarienvogels will ich Lenz
reden laſſen. Jch ſelbſt habe keine eigenen Beobachtungen gemacht, welche mir von Wichtigkeit
ſcheinen könnten und glaube, daß man alles hierauf Bezügliche unmöglich beſſer ſagen und kürzer zu-
ſammenfaſſen kann, als Lenz es gethan hat. „Um zu erfahren, wo jetzt die beſte Kanarienzucht
zu finden, habe ich alle Theile Deutſchlands und alle rings um daſſelbe liegenden Länder durchſucht,
habe auch deswegen mit noch ferneren Ländern mich in Verbindung geſetzt und bin nun überzeugt,
daß jetzt die beſten Kanarienvögel in Andreasberg auf dem Harz und einigen ihm benachbarten Dör-
fern gezogen werden.‟

„Jn Andreasberg findet man faſt Haus für Haus eine beſondere Stube oder einen bedeutenden
Theil der Wohnſtube für die Kanarienhecke eingerichtet. Gar Mancher löſt jährlich aus dem Ertrag 70
bis 80 Rthlr., und im ganzen werden von da, wie mir dortige Beamte ſagten, jährlich für etwa 12,000
Rthlr. Kanarienvögel verkauft. — Wann ſich dieſer Erwerbszweig dort feſtgeſetzt, weiß kein Menſch;
aber jedenfalls wird er durch dreierlei Vortheile unterſtützt: 1) die Wohlfeilheit des Holzes, ſo daß
man in dem rauhen Klima den Thierchen immerfort eine warme Stube bieten kann; 2) den herrlichen
Sommerrübſamen, welchen man aus der nicht gar weit entfernten goldenen Aue bezieht und 3) die
gute Semmel, für welche ebenfalls die goldene Aue den Stoff liefert. — Der Gefang der Andreas-
berger Vögel iſt äußerſt verſchieden; einen ſchlechten habe ich dort gar nicht gehört, dagegen viele, die
faſt ganz aus feinen ſchwirrenden und ſchnurrenden Trillern, tiefen Rollen, gluckenden Tönen, Hohl-
pfeifen u. ſ. w. zuſammengeſetzt und von Fehlern faſt oder ganz frei ſind. — So viel als möglich ziehn
die Leute in Andreasberg nur einfarbig blaßgelbe Vögel ohne Hauben, und zwar deswegen, weil der ein-
farbige Vogel keine unregelmäßige Zeichnung haben kann und weil der blaßgelbe gleich im Neſte, wenn
er ein Männchen iſt, als ſolches daran erkannt werden kann, daß ſein Gelb um die Augen und um die
Schnabelbaſis dunkler iſt. Dieſes Zeichen bleibt auch nach dem Ausfliegen noch eine Zeitlang deutlich

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[124/0142] Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel. flachen hölzernen, nur vorn mit einem ſchrägen Gitter verſehenen Käfige, wie ſie zwiſchen Frankreich und der Weſtküſte Afrikas gebräuchlich ſind, fortzuſchaffen. Trotz aller Vorſichtsmaßregeln kann man darauf rechnen, während der Seereiſe und unmittelbar nach derſelben die Hälfte der Vögel einzubüßen. Wir haben von elf glücklich heimgebrachten, bereits vermauſerten, vollkommen eingewohnten und zum Theil ſchon ſchlagenden Kanarienvögeln im Laufe des erſten Winters noch mehrere ganz unerwartet an Krämpfen zu Grunde gehen ſehen. Vor Allem vermeide man, dieſe Vögel in die Hand zu nehmen; viele von ihnen vertragen das durchaus nicht. Später ſcheinen ſie härter zu werden. Die unfrigen mauſerten im zweiten Sommer ihres Lebens ſchon im Juli, alſo einen vollen Monat früher als die zahmen. Das eine Weibchen, welches wir die Heckzeit des Jahres 1857 durch in einem Geſellſchafts- bauer mit wilden und zahmen Männchen zuſammen umherfliegen ließen, hat ſich zu keiner Paarung verſtanden. Wohl aber gehen die wilden Hähnchen mit großer Leichtigkeit Verbindungen mit der gezähmten Art ein und werden äußerſt treue, liebevolle Gatten, die nicht aufhören, die Dame ihres Herzens aufs zärtlichſte zu füttern, meiſt ſogar die Nacht auf dem Neſte derſelben ſitzend zuzubringen. Sie bieten jedem andern Vogel, der ihnen zu nahe kommt, die Spitze; ja ein älteres Männchen, dem beim Kampfe mit einem Grünling von dieſem doppelt ſtärkeren Gegner der Beinknochen durchbiſſen worden war, hörte in dieſem beklagenswerthen Zuſtande nicht auf, durch ſchmetternden Geſang ſeinem Widerſacher aufs neue den Handſchuh vor die Füße zu ſchleudern und konnte nur durch raſche Ent- fernung aus dem Geſellſchaftsbauer gerettet werden.‟ „Die Miſchlinge beider Arten heißen in Teneriffa Verdegais und werden beſonders hoch geſchätzt. Wir haben von einer hochgelben Mutter Gefallene geſehen, die ſich durch große Schönheit und ganz ungewöhnliche Zeichnung empfahlen. Sie waren am Oberleib dunkelgrün, unten von der Kehle an rein goldgelb gefärbt. Dieſe Vögel galten aber auch für etwas Außerordentliches und ſehr Seltenes. Jn den Hecken, die auf den Kanaren von zahmen und wilden angelegt werden, befolgt man den Grundſatz, einem Männchen letzterer Art ſeiner großen Thatkraft wegen ſtets zwei Weibchen zu- zugefellen.‟ Ueber das Gefangenleben des zum Hausvogel gewordenen Kanarienvogels will ich Lenz reden laſſen. Jch ſelbſt habe keine eigenen Beobachtungen gemacht, welche mir von Wichtigkeit ſcheinen könnten und glaube, daß man alles hierauf Bezügliche unmöglich beſſer ſagen und kürzer zu- ſammenfaſſen kann, als Lenz es gethan hat. „Um zu erfahren, wo jetzt die beſte Kanarienzucht zu finden, habe ich alle Theile Deutſchlands und alle rings um daſſelbe liegenden Länder durchſucht, habe auch deswegen mit noch ferneren Ländern mich in Verbindung geſetzt und bin nun überzeugt, daß jetzt die beſten Kanarienvögel in Andreasberg auf dem Harz und einigen ihm benachbarten Dör- fern gezogen werden.‟ „Jn Andreasberg findet man faſt Haus für Haus eine beſondere Stube oder einen bedeutenden Theil der Wohnſtube für die Kanarienhecke eingerichtet. Gar Mancher löſt jährlich aus dem Ertrag 70 bis 80 Rthlr., und im ganzen werden von da, wie mir dortige Beamte ſagten, jährlich für etwa 12,000 Rthlr. Kanarienvögel verkauft. — Wann ſich dieſer Erwerbszweig dort feſtgeſetzt, weiß kein Menſch; aber jedenfalls wird er durch dreierlei Vortheile unterſtützt: 1) die Wohlfeilheit des Holzes, ſo daß man in dem rauhen Klima den Thierchen immerfort eine warme Stube bieten kann; 2) den herrlichen Sommerrübſamen, welchen man aus der nicht gar weit entfernten goldenen Aue bezieht und 3) die gute Semmel, für welche ebenfalls die goldene Aue den Stoff liefert. — Der Gefang der Andreas- berger Vögel iſt äußerſt verſchieden; einen ſchlechten habe ich dort gar nicht gehört, dagegen viele, die faſt ganz aus feinen ſchwirrenden und ſchnurrenden Trillern, tiefen Rollen, gluckenden Tönen, Hohl- pfeifen u. ſ. w. zuſammengeſetzt und von Fehlern faſt oder ganz frei ſind. — So viel als möglich ziehn die Leute in Andreasberg nur einfarbig blaßgelbe Vögel ohne Hauben, und zwar deswegen, weil der ein- farbige Vogel keine unregelmäßige Zeichnung haben kann und weil der blaßgelbe gleich im Neſte, wenn er ein Männchen iſt, als ſolches daran erkannt werden kann, daß ſein Gelb um die Augen und um die Schnabelbaſis dunkler iſt. Dieſes Zeichen bleibt auch nach dem Ausfliegen noch eine Zeitlang deutlich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/142>, abgerufen am 28.11.2024.