sich. Bekanntlich haben die meisten Vögel ihre eigene Art, sich die Liebe ihrer Weibchen zu erwerben: der Girlitz aber hat eine förmliche Balze. Nicht genug, daß er mit den zärtlichsten Tönen um Liebe bittet; er legt sich auch wie ein Kukuk platt auf einen Ast, sträubt die Kehlfedern auf, wie ein balzen- der Hahn, breitet den Schwanz weit aus, dreht und wendet sich, erhebt sich plötzlich, steigt in die Luft, flattert ganz sonderbar, ungleichmäßig schwankend, verworren, fledermausartig um den Baum, wirft sich bald nach der einen, bald nach der andern Seite und kehrt dann auf den frühern Sitzplatz zurück, um seinen Gesang fortzusetzen. Andere Männchen in der Nähe wecken natürlich die Eifersucht des Sängers. Dieser bricht plötzlich ab und stürzt sich wüthend auf den Gegner; der entflieht in behen- dem Fluge: und so jagen sich beide wüthend längere Zeit umher, durch die belaubten Bäume hindurch oder auch sehr nahe über den Boden hinweg, wobei sie ohne Unterbrechung ihren Zorn durch ein helles "Sisisi" bekunden. Erst nach langwierigem Kampfe, und wenn das Weibchen brütet, endet dieser Zank und Streit.
Der Gesang ist für einen Finken eigenthümlich; Hoffmann vergleicht ihn treffend mit dem Gesange des Flühvogels oder der Heckenbraunelle und deutet an, daß der einzige Unterschied, welcher zwischen beiden Liedern bemerkt wird, wohl nur auf den dickeren Finkenschnabel zurückzuführen sei, welcher die Töne selbst verhärtet. Ausgezeichnet kann man den Gesang gerade nicht nennen: er ist zu einförmig und enthält zu viel schwirrende Klänge; doch muß ich gestehen, daß er mich immer ange- sprochen hat. Der Name Hirngritterl, welchen das bayerische Volk dem Girlitz gab, ist gewissermaßen ein Klangbild dieses Gesanges.
Das Nest ist ein kleiner Kunstbau, aber ziemlich verschieden zusammengesetzt. Am meisten ähnelt es dem Neste unseres Edelfinken. Zuweilen ist es fast nur aus dünnen Würzelchen erbaut; zuweilen besteht es aus Halmen, Gras und Heu. Jnnen ist es äußerst fein und weich mit Haaren und Federn ausgelegt. Es steht bald höher, bald tiefer, immer aber möglichst verborgen im dichten Ge- zweig eines Busches oder Baumes. Nach Hoffmann soll der Girlitz eine ganz besondere Vorliebe für den Birnbaum zeigen und auf diesem, wo es nur immer angeht, sein Nest anlegen; er brütet aber auch auf Apfel- und Kirschbäume und nach den neueren Beobachtungen nicht minder auf Schwarz- holz. Jn Spanien zieht er Citronen- und Apfelsinenbäume allen übrigen ganz entschieden vor, ob- wohl er sich keineswegs an sie bindet. Das Gelege enthält vier bis fünf kleine, stumpfbauchige Eier, welche auf schmuzig weißem oder grünlichen Grunde überall, am stumpfen Ende jedoch mehr als an der Spitze mit mattbraunen, rothen, rothgrauen, purpurschwarzen Punkten, Flecken und Schnörkeln bezeichnet sind. Jn Spanien fand ich vom April bis zum Juli fortwährend frische Eier; in Deutsch- land beginnt die Brutzeit Mitte Aprils. Höchst wahrscheinlich macht ein und dasselbe Paar mindestens zwei Bruten im Jahre.
Es ist nicht gerade leicht, die Nester aufzufinden; geht man aber regelrecht zu Werke, so kommt man doch gewiß zum Ziele: das Weibchen verräth sie selbst. So lange es brütet, wird es von dem Männchen aus dem Kropfe gefüttert. "Wenn es nun Hunger hat", sagt Hoffmann, "so ruft es das Männchen und zwar mit demselben Tone, welchen dieses bei seinen Minnekämpfen hören läßt, nur etwas leiser. Hörte ich also ein Weibchen so locken, so stellte ich mich ruhig in die Nähe und wartete, bis das Männchen kam, welches mir nun natürlich das Nest verrieth. Das Weibchen brütet sehr fest und bleibt ruhig sitzen, wenn tagelang Feld- oder Gartenarbeiten unter seinem Neste versehen werden." Nach ungefähr dreizehn Tagen sind die Eier gezeitigt und die Jungen ausgeschlüpft. So lange sie im Neste sitzen, verlangen sie durch ein leises "Zickzick" oder "Sittsitt" nach Nahrung. Gegen das Ende ihres Wachsthums hin werden sie sehr unruhig und oft fliegen sie früher aus, als sie sollten. Die Eltern füttern sie eine Zeit lang noch sehr eifrig, auch wenn man sie in einen Bauer kerkert und diesen in der Nähe des Nestplatzes aufhängt. Auf diese Weise kann man die Jungen, welche man gefangen halten will, bequem groß füttern lassen.
Allerlei kleine Körner und Sämereien bilden die Nahrung des Girlitz. Jn der Gefangenschaft ernährt man ihn mit Rübsen, Mohn, Hirse und andern feinen Sämereien; Hanfkörner kann er mit
Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
ſich. Bekanntlich haben die meiſten Vögel ihre eigene Art, ſich die Liebe ihrer Weibchen zu erwerben: der Girlitz aber hat eine förmliche Balze. Nicht genug, daß er mit den zärtlichſten Tönen um Liebe bittet; er legt ſich auch wie ein Kukuk platt auf einen Aſt, ſträubt die Kehlfedern auf, wie ein balzen- der Hahn, breitet den Schwanz weit aus, dreht und wendet ſich, erhebt ſich plötzlich, ſteigt in die Luft, flattert ganz ſonderbar, ungleichmäßig ſchwankend, verworren, fledermausartig um den Baum, wirft ſich bald nach der einen, bald nach der andern Seite und kehrt dann auf den frühern Sitzplatz zurück, um ſeinen Geſang fortzuſetzen. Andere Männchen in der Nähe wecken natürlich die Eiferſucht des Sängers. Dieſer bricht plötzlich ab und ſtürzt ſich wüthend auf den Gegner; der entflieht in behen- dem Fluge: und ſo jagen ſich beide wüthend längere Zeit umher, durch die belaubten Bäume hindurch oder auch ſehr nahe über den Boden hinweg, wobei ſie ohne Unterbrechung ihren Zorn durch ein helles „Siſiſi‟ bekunden. Erſt nach langwierigem Kampfe, und wenn das Weibchen brütet, endet dieſer Zank und Streit.
Der Geſang iſt für einen Finken eigenthümlich; Hoffmann vergleicht ihn treffend mit dem Geſange des Flühvogels oder der Heckenbraunelle und deutet an, daß der einzige Unterſchied, welcher zwiſchen beiden Liedern bemerkt wird, wohl nur auf den dickeren Finkenſchnabel zurückzuführen ſei, welcher die Töne ſelbſt verhärtet. Ausgezeichnet kann man den Geſang gerade nicht nennen: er iſt zu einförmig und enthält zu viel ſchwirrende Klänge; doch muß ich geſtehen, daß er mich immer ange- ſprochen hat. Der Name Hirngritterl, welchen das bayeriſche Volk dem Girlitz gab, iſt gewiſſermaßen ein Klangbild dieſes Geſanges.
Das Neſt iſt ein kleiner Kunſtbau, aber ziemlich verſchieden zuſammengeſetzt. Am meiſten ähnelt es dem Neſte unſeres Edelfinken. Zuweilen iſt es faſt nur aus dünnen Würzelchen erbaut; zuweilen beſteht es aus Halmen, Gras und Heu. Jnnen iſt es äußerſt fein und weich mit Haaren und Federn ausgelegt. Es ſteht bald höher, bald tiefer, immer aber möglichſt verborgen im dichten Ge- zweig eines Buſches oder Baumes. Nach Hoffmann ſoll der Girlitz eine ganz beſondere Vorliebe für den Birnbaum zeigen und auf dieſem, wo es nur immer angeht, ſein Neſt anlegen; er brütet aber auch auf Apfel- und Kirſchbäume und nach den neueren Beobachtungen nicht minder auf Schwarz- holz. Jn Spanien zieht er Citronen- und Apfelſinenbäume allen übrigen ganz entſchieden vor, ob- wohl er ſich keineswegs an ſie bindet. Das Gelege enthält vier bis fünf kleine, ſtumpfbauchige Eier, welche auf ſchmuzig weißem oder grünlichen Grunde überall, am ſtumpfen Ende jedoch mehr als an der Spitze mit mattbraunen, rothen, rothgrauen, purpurſchwarzen Punkten, Flecken und Schnörkeln bezeichnet ſind. Jn Spanien fand ich vom April bis zum Juli fortwährend friſche Eier; in Deutſch- land beginnt die Brutzeit Mitte Aprils. Höchſt wahrſcheinlich macht ein und daſſelbe Paar mindeſtens zwei Bruten im Jahre.
Es iſt nicht gerade leicht, die Neſter aufzufinden; geht man aber regelrecht zu Werke, ſo kommt man doch gewiß zum Ziele: das Weibchen verräth ſie ſelbſt. So lange es brütet, wird es von dem Männchen aus dem Kropfe gefüttert. „Wenn es nun Hunger hat‟, ſagt Hoffmann, „ſo ruft es das Männchen und zwar mit demſelben Tone, welchen dieſes bei ſeinen Minnekämpfen hören läßt, nur etwas leiſer. Hörte ich alſo ein Weibchen ſo locken, ſo ſtellte ich mich ruhig in die Nähe und wartete, bis das Männchen kam, welches mir nun natürlich das Neſt verrieth. Das Weibchen brütet ſehr feſt und bleibt ruhig ſitzen, wenn tagelang Feld- oder Gartenarbeiten unter ſeinem Neſte verſehen werden.‟ Nach ungefähr dreizehn Tagen ſind die Eier gezeitigt und die Jungen ausgeſchlüpft. So lange ſie im Neſte ſitzen, verlangen ſie durch ein leiſes „Zickzick‟ oder „Sittſitt‟ nach Nahrung. Gegen das Ende ihres Wachsthums hin werden ſie ſehr unruhig und oft fliegen ſie früher aus, als ſie ſollten. Die Eltern füttern ſie eine Zeit lang noch ſehr eifrig, auch wenn man ſie in einen Bauer kerkert und dieſen in der Nähe des Neſtplatzes aufhängt. Auf dieſe Weiſe kann man die Jungen, welche man gefangen halten will, bequem groß füttern laſſen.
Allerlei kleine Körner und Sämereien bilden die Nahrung des Girlitz. Jn der Gefangenſchaft ernährt man ihn mit Rübſen, Mohn, Hirſe und andern feinen Sämereien; Hanfkörner kann er mit
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[118/0136]
Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
ſich. Bekanntlich haben die meiſten Vögel ihre eigene Art, ſich die Liebe ihrer Weibchen zu erwerben:
der Girlitz aber hat eine förmliche Balze. Nicht genug, daß er mit den zärtlichſten Tönen um Liebe
bittet; er legt ſich auch wie ein Kukuk platt auf einen Aſt, ſträubt die Kehlfedern auf, wie ein balzen-
der Hahn, breitet den Schwanz weit aus, dreht und wendet ſich, erhebt ſich plötzlich, ſteigt in die Luft,
flattert ganz ſonderbar, ungleichmäßig ſchwankend, verworren, fledermausartig um den Baum, wirft
ſich bald nach der einen, bald nach der andern Seite und kehrt dann auf den frühern Sitzplatz zurück,
um ſeinen Geſang fortzuſetzen. Andere Männchen in der Nähe wecken natürlich die Eiferſucht des
Sängers. Dieſer bricht plötzlich ab und ſtürzt ſich wüthend auf den Gegner; der entflieht in behen-
dem Fluge: und ſo jagen ſich beide wüthend längere Zeit umher, durch die belaubten Bäume hindurch
oder auch ſehr nahe über den Boden hinweg, wobei ſie ohne Unterbrechung ihren Zorn durch ein helles
„Siſiſi‟ bekunden. Erſt nach langwierigem Kampfe, und wenn das Weibchen brütet, endet dieſer
Zank und Streit.
Der Geſang iſt für einen Finken eigenthümlich; Hoffmann vergleicht ihn treffend mit dem
Geſange des Flühvogels oder der Heckenbraunelle und deutet an, daß der einzige Unterſchied, welcher
zwiſchen beiden Liedern bemerkt wird, wohl nur auf den dickeren Finkenſchnabel zurückzuführen ſei,
welcher die Töne ſelbſt verhärtet. Ausgezeichnet kann man den Geſang gerade nicht nennen: er iſt
zu einförmig und enthält zu viel ſchwirrende Klänge; doch muß ich geſtehen, daß er mich immer ange-
ſprochen hat. Der Name Hirngritterl, welchen das bayeriſche Volk dem Girlitz gab, iſt gewiſſermaßen
ein Klangbild dieſes Geſanges.
Das Neſt iſt ein kleiner Kunſtbau, aber ziemlich verſchieden zuſammengeſetzt. Am meiſten
ähnelt es dem Neſte unſeres Edelfinken. Zuweilen iſt es faſt nur aus dünnen Würzelchen erbaut;
zuweilen beſteht es aus Halmen, Gras und Heu. Jnnen iſt es äußerſt fein und weich mit Haaren und
Federn ausgelegt. Es ſteht bald höher, bald tiefer, immer aber möglichſt verborgen im dichten Ge-
zweig eines Buſches oder Baumes. Nach Hoffmann ſoll der Girlitz eine ganz beſondere Vorliebe
für den Birnbaum zeigen und auf dieſem, wo es nur immer angeht, ſein Neſt anlegen; er brütet aber
auch auf Apfel- und Kirſchbäume und nach den neueren Beobachtungen nicht minder auf Schwarz-
holz. Jn Spanien zieht er Citronen- und Apfelſinenbäume allen übrigen ganz entſchieden vor, ob-
wohl er ſich keineswegs an ſie bindet. Das Gelege enthält vier bis fünf kleine, ſtumpfbauchige Eier,
welche auf ſchmuzig weißem oder grünlichen Grunde überall, am ſtumpfen Ende jedoch mehr als an
der Spitze mit mattbraunen, rothen, rothgrauen, purpurſchwarzen Punkten, Flecken und Schnörkeln
bezeichnet ſind. Jn Spanien fand ich vom April bis zum Juli fortwährend friſche Eier; in Deutſch-
land beginnt die Brutzeit Mitte Aprils. Höchſt wahrſcheinlich macht ein und daſſelbe Paar mindeſtens
zwei Bruten im Jahre.
Es iſt nicht gerade leicht, die Neſter aufzufinden; geht man aber regelrecht zu Werke, ſo kommt
man doch gewiß zum Ziele: das Weibchen verräth ſie ſelbſt. So lange es brütet, wird es von dem
Männchen aus dem Kropfe gefüttert. „Wenn es nun Hunger hat‟, ſagt Hoffmann, „ſo ruft es das
Männchen und zwar mit demſelben Tone, welchen dieſes bei ſeinen Minnekämpfen hören läßt, nur
etwas leiſer. Hörte ich alſo ein Weibchen ſo locken, ſo ſtellte ich mich ruhig in die Nähe und wartete,
bis das Männchen kam, welches mir nun natürlich das Neſt verrieth. Das Weibchen brütet ſehr feſt
und bleibt ruhig ſitzen, wenn tagelang Feld- oder Gartenarbeiten unter ſeinem Neſte verſehen werden.‟
Nach ungefähr dreizehn Tagen ſind die Eier gezeitigt und die Jungen ausgeſchlüpft. So lange ſie
im Neſte ſitzen, verlangen ſie durch ein leiſes „Zickzick‟ oder „Sittſitt‟ nach Nahrung. Gegen das Ende
ihres Wachsthums hin werden ſie ſehr unruhig und oft fliegen ſie früher aus, als ſie ſollten. Die
Eltern füttern ſie eine Zeit lang noch ſehr eifrig, auch wenn man ſie in einen Bauer kerkert und
dieſen in der Nähe des Neſtplatzes aufhängt. Auf dieſe Weiſe kann man die Jungen, welche man
gefangen halten will, bequem groß füttern laſſen.
Allerlei kleine Körner und Sämereien bilden die Nahrung des Girlitz. Jn der Gefangenſchaft
ernährt man ihn mit Rübſen, Mohn, Hirſe und andern feinen Sämereien; Hanfkörner kann er mit
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/136>, abgerufen am 22.11.2024.
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