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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
darauf wieder verlassen und das alte halbzerstörte ausgebessert und aufs neue bezogen. Am 9. Mai
lag wieder ein Ei, das erste von dreien darin; aber schon kränkelte das Weibchen und wollte nun, ob-
wohl ich ihm die Eier ließ, nicht brüten, sondern flog, mit gesträubtem Gefieder, ängstlich hin und her,
als suchte es nach einem ihm instinktmäßig bekannten Heilmittel, das die Gefangenschaft ihm versagte.
Ganz still und sichtbar betrübt saß unterdeß der treue Gatte neben dem Neste. Er ward erst unruhig,
nachdem sein Weibchen -- das letzte mir übrige -- am 18. Mai gestorben war, und seine Ruhelosig-
keit hielt mehrere Tage an."

"Die Eier sind für den Vogel ziemlich groß, von Farbe blaßmeergrünlich oder noch heller, mit
zerstreuten rothbraunen Pünktchen und Flecken, die am spitzen Ende sehr vereinzelt stehen, am stumpfen
eine Art Kranz bilden. Dieser zeigt, außer mehreren feinen dünnlinigen Schnörkeln und Zickzacken
auch nicht selten ziemlich große hellrothbraune, an den Rändern verwaschene Flecken, die meist in ein
geschlängeltes Schwänzchen auslaufen, manchmal aber fast rund sind und in einzelnen Fällen auch
über die mehr einfarbige Hälfte des Eies zerstreut stehen."

Es ist sehr zu bedauern, daß der "Moro" ungeachtet seiner Vorzüge so wenig gefangen und so
selten als Stubenvogel gehalten wird, oder daß in Egypten noch kein Europäer sich findet, welcher uns
mit lebenden Vögeln jenes Landes versorgt. Der Wüstentrompeter würde unzweifelhaft allen An-
sprüchen der Liebhaber genügen und eine der größten Zierden unserer Gesellschaftsbauer sein.



Von allen bisher genannten Gimpeln unterscheiden sich die außerdem von mir zu beschreibenden
Arten durch ihr noch reicheres Gefieder und die weniger lebhafte, auch geringerem Wechsel unterwor-
fene Färbung desselben. Doch sind auch sie sehr schön gezeichnete, anmuthige und liebenswürdige Vögel.

Zu ihnen gehört auch der allbekannte Rothgimpel oder Blut-, Roth-, Gold-, Loh-, Laub- und
Quitschfinke, Rothschläger, Rothvogel, Dompfaff, Domherr, Pfäfflein, Gumpf, Giker, Lübich, Lüff,
Luh, Lüch, Schnil, Schnigel, Hale, Bollenbeißer, Brommeis u. s. w. (Pyrrhula vulgaris). Viele seiner
Namen sind, wie wir bald sehen werden, Klangbilder seiner Stimme, andere beziehen sich auf Zeich-
nung und Färbung. Der Gimpel wird 6 bis 7 Zoll lang und 101/2 bis 111/4 Zoll breit; die Länge
des Fittigs beträgt 31/2 Zoll, die Länge des Schwanzes 21/2 Zoll. Fast scheint es, als ob man es mit
mehreren Arten zu thun habe, weil die Größenverhältnisse sehr erheblich schwanken. Ungeachtet der
einfachen Färbung ist unser Gimpel ein sehr schöner Vogel. Das alte Männchen ist auf dem Ober-
kopf und an der Kehle, auf Flügeln und Schwanz glänzend dunkelschwarz, auf dem Rücken aschgrau,
auf dem Bürzel und dem Unterbauche weiß, auf der ganzen übrigen Unterseite aber lebhaft hellroth.
Das Weibchen unterscheidet sich leicht durch die aschgraue Färbung seiner Unterseite und die weniger
lebhaften Farben überhaupt. Den Jungen fehlt die schwarze Kopfplatte. Der Flügel ist in allen
Kleidern durch zwei graulichweiße Binden geziert, welche in der Gegend des Handgelenks verlaufen.
Als Spielarten kommen weiße oder schwarze und bunte Gimpel vor.

Jn Europa fehlt der Gimpel wahrscheinlich in keinem Lande, obgleich er in den südlichen Gegen-
den wohl nur während des Winters gefunden wird. Außerdem ist man ihm in einem großen Theile
Asiens begegnet. Jn Deutschland trifft man ihn zu jeder Jahreszeit überall, wo es große Wälder
gibt, während er die waldarmen Strecken nur bei seinen Streifereien im Winter zu besuchen pflegt.
Er ist streng an den Wald gebunden und verläßt ihn, so lange er Nahrung findet, gewiß nicht. Erst
wenn der Winter ihn aus seiner Wohnstätte vertreibt, kommt er in die Obstpflanzungen und Gärten
der Dörfer oder in die Gebüsche der Felder herein, um hier nach den wenigen Beeren und Körnern zu
suchen, welche andere Familienverwandte ihm noch übrig gelassen haben. Während des Sommers
lebt er paarweise; bei diesen Streifereien aber findet er sich gern in kleinen Gesellschaften zusammen,
welche dann treuinnig an einander hängen. Zu Anfang des Strichs sieht man oft nur Männchen,
später Männchen und Weibchen unter einander. So lange nicht besondere Umstände den Gimpel zu

Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
darauf wieder verlaſſen und das alte halbzerſtörte ausgebeſſert und aufs neue bezogen. Am 9. Mai
lag wieder ein Ei, das erſte von dreien darin; aber ſchon kränkelte das Weibchen und wollte nun, ob-
wohl ich ihm die Eier ließ, nicht brüten, ſondern flog, mit geſträubtem Gefieder, ängſtlich hin und her,
als ſuchte es nach einem ihm inſtinktmäßig bekannten Heilmittel, das die Gefangenſchaft ihm verſagte.
Ganz ſtill und ſichtbar betrübt ſaß unterdeß der treue Gatte neben dem Neſte. Er ward erſt unruhig,
nachdem ſein Weibchen — das letzte mir übrige — am 18. Mai geſtorben war, und ſeine Ruheloſig-
keit hielt mehrere Tage an.‟

„Die Eier ſind für den Vogel ziemlich groß, von Farbe blaßmeergrünlich oder noch heller, mit
zerſtreuten rothbraunen Pünktchen und Flecken, die am ſpitzen Ende ſehr vereinzelt ſtehen, am ſtumpfen
eine Art Kranz bilden. Dieſer zeigt, außer mehreren feinen dünnlinigen Schnörkeln und Zickzacken
auch nicht ſelten ziemlich große hellrothbraune, an den Rändern verwaſchene Flecken, die meiſt in ein
geſchlängeltes Schwänzchen auslaufen, manchmal aber faſt rund ſind und in einzelnen Fällen auch
über die mehr einfarbige Hälfte des Eies zerſtreut ſtehen.‟

Es iſt ſehr zu bedauern, daß der „Moro‟ ungeachtet ſeiner Vorzüge ſo wenig gefangen und ſo
ſelten als Stubenvogel gehalten wird, oder daß in Egypten noch kein Europäer ſich findet, welcher uns
mit lebenden Vögeln jenes Landes verſorgt. Der Wüſtentrompeter würde unzweifelhaft allen An-
ſprüchen der Liebhaber genügen und eine der größten Zierden unſerer Geſellſchaftsbauer ſein.



Von allen bisher genannten Gimpeln unterſcheiden ſich die außerdem von mir zu beſchreibenden
Arten durch ihr noch reicheres Gefieder und die weniger lebhafte, auch geringerem Wechſel unterwor-
fene Färbung deſſelben. Doch ſind auch ſie ſehr ſchön gezeichnete, anmuthige und liebenswürdige Vögel.

Zu ihnen gehört auch der allbekannte Rothgimpel oder Blut-, Roth-, Gold-, Loh-, Laub- und
Quitſchfinke, Rothſchläger, Rothvogel, Dompfaff, Domherr, Pfäfflein, Gumpf, Giker, Lübich, Lüff,
Luh, Lüch, Schnil, Schnigel, Hale, Bollenbeißer, Brommeis u. ſ. w. (Pyrrhula vulgaris). Viele ſeiner
Namen ſind, wie wir bald ſehen werden, Klangbilder ſeiner Stimme, andere beziehen ſich auf Zeich-
nung und Färbung. Der Gimpel wird 6 bis 7 Zoll lang und 10½ bis 11¼ Zoll breit; die Länge
des Fittigs beträgt 3½ Zoll, die Länge des Schwanzes 2½ Zoll. Faſt ſcheint es, als ob man es mit
mehreren Arten zu thun habe, weil die Größenverhältniſſe ſehr erheblich ſchwanken. Ungeachtet der
einfachen Färbung iſt unſer Gimpel ein ſehr ſchöner Vogel. Das alte Männchen iſt auf dem Ober-
kopf und an der Kehle, auf Flügeln und Schwanz glänzend dunkelſchwarz, auf dem Rücken aſchgrau,
auf dem Bürzel und dem Unterbauche weiß, auf der ganzen übrigen Unterſeite aber lebhaft hellroth.
Das Weibchen unterſcheidet ſich leicht durch die aſchgraue Färbung ſeiner Unterſeite und die weniger
lebhaften Farben überhaupt. Den Jungen fehlt die ſchwarze Kopfplatte. Der Flügel iſt in allen
Kleidern durch zwei graulichweiße Binden geziert, welche in der Gegend des Handgelenks verlaufen.
Als Spielarten kommen weiße oder ſchwarze und bunte Gimpel vor.

Jn Europa fehlt der Gimpel wahrſcheinlich in keinem Lande, obgleich er in den ſüdlichen Gegen-
den wohl nur während des Winters gefunden wird. Außerdem iſt man ihm in einem großen Theile
Aſiens begegnet. Jn Deutſchland trifft man ihn zu jeder Jahreszeit überall, wo es große Wälder
gibt, während er die waldarmen Strecken nur bei ſeinen Streifereien im Winter zu beſuchen pflegt.
Er iſt ſtreng an den Wald gebunden und verläßt ihn, ſo lange er Nahrung findet, gewiß nicht. Erſt
wenn der Winter ihn aus ſeiner Wohnſtätte vertreibt, kommt er in die Obſtpflanzungen und Gärten
der Dörfer oder in die Gebüſche der Felder herein, um hier nach den wenigen Beeren und Körnern zu
ſuchen, welche andere Familienverwandte ihm noch übrig gelaſſen haben. Während des Sommers
lebt er paarweiſe; bei dieſen Streifereien aber findet er ſich gern in kleinen Geſellſchaften zuſammen,
welche dann treuinnig an einander hängen. Zu Anfang des Strichs ſieht man oft nur Männchen,
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[112/0130] Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel. darauf wieder verlaſſen und das alte halbzerſtörte ausgebeſſert und aufs neue bezogen. Am 9. Mai lag wieder ein Ei, das erſte von dreien darin; aber ſchon kränkelte das Weibchen und wollte nun, ob- wohl ich ihm die Eier ließ, nicht brüten, ſondern flog, mit geſträubtem Gefieder, ängſtlich hin und her, als ſuchte es nach einem ihm inſtinktmäßig bekannten Heilmittel, das die Gefangenſchaft ihm verſagte. Ganz ſtill und ſichtbar betrübt ſaß unterdeß der treue Gatte neben dem Neſte. Er ward erſt unruhig, nachdem ſein Weibchen — das letzte mir übrige — am 18. Mai geſtorben war, und ſeine Ruheloſig- keit hielt mehrere Tage an.‟ „Die Eier ſind für den Vogel ziemlich groß, von Farbe blaßmeergrünlich oder noch heller, mit zerſtreuten rothbraunen Pünktchen und Flecken, die am ſpitzen Ende ſehr vereinzelt ſtehen, am ſtumpfen eine Art Kranz bilden. Dieſer zeigt, außer mehreren feinen dünnlinigen Schnörkeln und Zickzacken auch nicht ſelten ziemlich große hellrothbraune, an den Rändern verwaſchene Flecken, die meiſt in ein geſchlängeltes Schwänzchen auslaufen, manchmal aber faſt rund ſind und in einzelnen Fällen auch über die mehr einfarbige Hälfte des Eies zerſtreut ſtehen.‟ Es iſt ſehr zu bedauern, daß der „Moro‟ ungeachtet ſeiner Vorzüge ſo wenig gefangen und ſo ſelten als Stubenvogel gehalten wird, oder daß in Egypten noch kein Europäer ſich findet, welcher uns mit lebenden Vögeln jenes Landes verſorgt. Der Wüſtentrompeter würde unzweifelhaft allen An- ſprüchen der Liebhaber genügen und eine der größten Zierden unſerer Geſellſchaftsbauer ſein. Von allen bisher genannten Gimpeln unterſcheiden ſich die außerdem von mir zu beſchreibenden Arten durch ihr noch reicheres Gefieder und die weniger lebhafte, auch geringerem Wechſel unterwor- fene Färbung deſſelben. Doch ſind auch ſie ſehr ſchön gezeichnete, anmuthige und liebenswürdige Vögel. Zu ihnen gehört auch der allbekannte Rothgimpel oder Blut-, Roth-, Gold-, Loh-, Laub- und Quitſchfinke, Rothſchläger, Rothvogel, Dompfaff, Domherr, Pfäfflein, Gumpf, Giker, Lübich, Lüff, Luh, Lüch, Schnil, Schnigel, Hale, Bollenbeißer, Brommeis u. ſ. w. (Pyrrhula vulgaris). Viele ſeiner Namen ſind, wie wir bald ſehen werden, Klangbilder ſeiner Stimme, andere beziehen ſich auf Zeich- nung und Färbung. Der Gimpel wird 6 bis 7 Zoll lang und 10½ bis 11¼ Zoll breit; die Länge des Fittigs beträgt 3½ Zoll, die Länge des Schwanzes 2½ Zoll. Faſt ſcheint es, als ob man es mit mehreren Arten zu thun habe, weil die Größenverhältniſſe ſehr erheblich ſchwanken. Ungeachtet der einfachen Färbung iſt unſer Gimpel ein ſehr ſchöner Vogel. Das alte Männchen iſt auf dem Ober- kopf und an der Kehle, auf Flügeln und Schwanz glänzend dunkelſchwarz, auf dem Rücken aſchgrau, auf dem Bürzel und dem Unterbauche weiß, auf der ganzen übrigen Unterſeite aber lebhaft hellroth. Das Weibchen unterſcheidet ſich leicht durch die aſchgraue Färbung ſeiner Unterſeite und die weniger lebhaften Farben überhaupt. Den Jungen fehlt die ſchwarze Kopfplatte. Der Flügel iſt in allen Kleidern durch zwei graulichweiße Binden geziert, welche in der Gegend des Handgelenks verlaufen. Als Spielarten kommen weiße oder ſchwarze und bunte Gimpel vor. Jn Europa fehlt der Gimpel wahrſcheinlich in keinem Lande, obgleich er in den ſüdlichen Gegen- den wohl nur während des Winters gefunden wird. Außerdem iſt man ihm in einem großen Theile Aſiens begegnet. Jn Deutſchland trifft man ihn zu jeder Jahreszeit überall, wo es große Wälder gibt, während er die waldarmen Strecken nur bei ſeinen Streifereien im Winter zu beſuchen pflegt. Er iſt ſtreng an den Wald gebunden und verläßt ihn, ſo lange er Nahrung findet, gewiß nicht. Erſt wenn der Winter ihn aus ſeiner Wohnſtätte vertreibt, kommt er in die Obſtpflanzungen und Gärten der Dörfer oder in die Gebüſche der Felder herein, um hier nach den wenigen Beeren und Körnern zu ſuchen, welche andere Familienverwandte ihm noch übrig gelaſſen haben. Während des Sommers lebt er paarweiſe; bei dieſen Streifereien aber findet er ſich gern in kleinen Geſellſchaften zuſammen, welche dann treuinnig an einander hängen. Zu Anfang des Strichs ſieht man oft nur Männchen, ſpäter Männchen und Weibchen unter einander. So lange nicht beſondere Umſtände den Gimpel zu

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/130>, abgerufen am 24.11.2024.