Amaranthusarten und zarte Blätter von Kohl, Salat, Kreuzkraut oder Miere. Von thierischen Stof- fen reizen nur Ameisenpuppen seinen Appetit, lebende Kerbthiere bleiben unberührt. Die Moros sind überhaupt keine Kostverächter und sehr leicht zu erhalten. Jch sah sie in ihrer Heimat mit zer- kleinertem Mais vorlieb nehmen. Weiches Futter: in Milch oder Wasser geweichte Semmel, Obst, ja selbst gekochte Kartoffeln, verzehren sie mit besonderem Wohlbehagen. Die passendste Fütterungs- weise für diese Vögel dürfte ein Gemisch von Hirse- oder Kanariensamen mit ein wenig Hanf, von Zeit zu Zeit daneben etwas Grünes sein."
"Die Moros zeigen viel Neigung, sich in der Gefangenschaft fortzupflanzen und wären gewiß mit einiger Sorgfalt und Ausdauer leicht völlig zu zähmen. Da ist Nichts von der entschiedenen Ab- neigung der meisten mittagsländischen Finken, sich in unserem Norden einander geschlechtlich zu nähern. Ebenso wenig ist bei ihnen zu diesem Behufe die Anwendung künstlicher Wärme erforderlich. Die Witterung unseres Frühlings genügt ihnen vollkommen. Es müssen die eiskalten, mit glühend heißen Tagen wechselnden Nächte der Sahara sein, die dem Vogel die Empfindlichkeit gegen niedere Wärme- grade genommen und ihn in dem Grade bei uns eingebürgert haben. Die Hähnchen sind so erpicht auf den Genuß der Liebe, daß die meinigen schon im ersten Frühjahr nach dem Verlust ihrer Freiheit beständig Strohhalme in den Schnabel nahmen und damit die Weibchen umtanzten, als wollten sie ihre Bereitwilligkeit zu den Pflichten eines Familienvaters dadurch zu erkennen geben. Hält man sie von ihres Gleichen getrennt, so nahen sie sich auch andern Vögeln freundschaftlich; ja ich habe es im Juli dieses Sommers erlebt, daß ein Wüstentrompeter-Wittwer eine Sperlingstaube (Columba passerina), also ein mehr als doppelt größeres Thier, als er selbst, zu treten versuchte."
"Jm April 1858 setzte ich ein Trompeterpärchen in eine zum Gebauer eingerichtete Kammer, deren vergittertes Fenster der Nachmittagssonne freien Zutritt gestattete, und bald hatte ich die Freude, sie alle der Paarung vorangehenden Spiele durchmachen zu sehen. Sie trieben sich mit hochaufgerich- teter Haube, schnäbelten und fütterten sich aus dem Kropfe, nicht oft zwar, aber dafür desto leiden- schaftlicher und stets mit in höchster Erregung gesträubten Scheitelfedern und herabhängenden, wie krampfhaft zuckenden Flügeln. Zum Nisten wählten sie ein hochhängendes Bauerchen von denen, worin die Harzer ihre Kanarienvögel bringen, dessen herausgenommene Holzstäbe es vorn weit offen ließen. Sie zogen Stroh jedem andern Baumaterial vor -- Heu und Mos verschmähten sie ganz -- und nahmen dabei auf ein Mal soviel Halme in den Schnabel, als dieser zu fassen vermochte. Jn- wendig legten sie das Nest mit Federn aus. Der Bau, schlicht und einfach, wie er war, ging lang- sam von Statten und ward, obwohl auch das Männchen etwas zu Neste trug, doch fast ausschließlich vom Weibchen bewerkstelligt. Nie verweilten beide längere Zeit zusammen im Neste; kam der eine hinzu, gleich schlüpfte der andere hinaus und umgekehrt. Sehr lange Halme, die sie wagerecht trugen, hineinzuschaffen, kostete den bauenden Thierchen oft viel Mühe, da sie dieselben nicht gehörig zu drehen und zu wenden wußten. Am 24. April morgens fand ich das erste Ei im Neste. Die folgenden Tage ward täglich ein neues hinzugelegt, bis die Zahl von vieren beisammen war. Die Mutter hatte zwar bis dahin nicht festgesessen, würde aber wahrscheinlich -- gegen Störung durch andere Vögel ge- sichert -- gebrütet haben, wäre ich nicht entschlossen gewesen, die Hälfte dieses ersten Geleges auf dem Altar der Eierkunde zu opfern. Die übriggebliebenen zwei Eier legte ich einem mir als vortrefflich brütend bekannten Kanarienvogel unter, der nach vierzehntägiger Bebrütung ein Junges ausbrachte, das gar nicht so häßlich, wie junge Singvögel sonst wohl, vielmehr ganz niedlich aussah. Es war an den nackten Stellen, zu denen vornehmlich der Hals gehörte, fleischfarben, sonst ziemlich dicht mit zartem, schneeweißem, wohl 4 Linien langem Flaum bedeckt, der am Oberkopf eine Art abstehenden Häubchens bildete. Trotz der guten Pflege, die es von seiner Pflegemutter genoß, starb es jedoch, kaum eine Woche alt, ohne in dieser Zeit bedeutend gewachsen zu sein; -- vielleicht, da es das einzige Junge im Neste war, an den Folgen überreichlicher Atzung."
"Bald schritten meine Trompeterchen zur zweiten Brut. Vom 3. bis 5. Mai bauten sie ein neues Nest, indem sich diesmal keine Federn zur Ausfütterung vorfanden. Dies ward jedoch bald
Wüſtentrompeter.
Amaranthusarten und zarte Blätter von Kohl, Salat, Kreuzkraut oder Miere. Von thieriſchen Stof- fen reizen nur Ameiſenpuppen ſeinen Appetit, lebende Kerbthiere bleiben unberührt. Die Moros ſind überhaupt keine Koſtverächter und ſehr leicht zu erhalten. Jch ſah ſie in ihrer Heimat mit zer- kleinertem Mais vorlieb nehmen. Weiches Futter: in Milch oder Waſſer geweichte Semmel, Obſt, ja ſelbſt gekochte Kartoffeln, verzehren ſie mit beſonderem Wohlbehagen. Die paſſendſte Fütterungs- weiſe für dieſe Vögel dürfte ein Gemiſch von Hirſe- oder Kanarienſamen mit ein wenig Hanf, von Zeit zu Zeit daneben etwas Grünes ſein.‟
„Die Moros zeigen viel Neigung, ſich in der Gefangenſchaft fortzupflanzen und wären gewiß mit einiger Sorgfalt und Ausdauer leicht völlig zu zähmen. Da iſt Nichts von der entſchiedenen Ab- neigung der meiſten mittagsländiſchen Finken, ſich in unſerem Norden einander geſchlechtlich zu nähern. Ebenſo wenig iſt bei ihnen zu dieſem Behufe die Anwendung künſtlicher Wärme erforderlich. Die Witterung unſeres Frühlings genügt ihnen vollkommen. Es müſſen die eiskalten, mit glühend heißen Tagen wechſelnden Nächte der Sahara ſein, die dem Vogel die Empfindlichkeit gegen niedere Wärme- grade genommen und ihn in dem Grade bei uns eingebürgert haben. Die Hähnchen ſind ſo erpicht auf den Genuß der Liebe, daß die meinigen ſchon im erſten Frühjahr nach dem Verluſt ihrer Freiheit beſtändig Strohhalme in den Schnabel nahmen und damit die Weibchen umtanzten, als wollten ſie ihre Bereitwilligkeit zu den Pflichten eines Familienvaters dadurch zu erkennen geben. Hält man ſie von ihres Gleichen getrennt, ſo nahen ſie ſich auch andern Vögeln freundſchaftlich; ja ich habe es im Juli dieſes Sommers erlebt, daß ein Wüſtentrompeter-Wittwer eine Sperlingstaube (Columba passerina), alſo ein mehr als doppelt größeres Thier, als er ſelbſt, zu treten verſuchte.‟
„Jm April 1858 ſetzte ich ein Trompeterpärchen in eine zum Gebauer eingerichtete Kammer, deren vergittertes Fenſter der Nachmittagsſonne freien Zutritt geſtattete, und bald hatte ich die Freude, ſie alle der Paarung vorangehenden Spiele durchmachen zu ſehen. Sie trieben ſich mit hochaufgerich- teter Haube, ſchnäbelten und fütterten ſich aus dem Kropfe, nicht oft zwar, aber dafür deſto leiden- ſchaftlicher und ſtets mit in höchſter Erregung geſträubten Scheitelfedern und herabhängenden, wie krampfhaft zuckenden Flügeln. Zum Niſten wählten ſie ein hochhängendes Bauerchen von denen, worin die Harzer ihre Kanarienvögel bringen, deſſen herausgenommene Holzſtäbe es vorn weit offen ließen. Sie zogen Stroh jedem andern Baumaterial vor — Heu und Mos verſchmähten ſie ganz — und nahmen dabei auf ein Mal ſoviel Halme in den Schnabel, als dieſer zu faſſen vermochte. Jn- wendig legten ſie das Neſt mit Federn aus. Der Bau, ſchlicht und einfach, wie er war, ging lang- ſam von Statten und ward, obwohl auch das Männchen etwas zu Neſte trug, doch faſt ausſchließlich vom Weibchen bewerkſtelligt. Nie verweilten beide längere Zeit zuſammen im Neſte; kam der eine hinzu, gleich ſchlüpfte der andere hinaus und umgekehrt. Sehr lange Halme, die ſie wagerecht trugen, hineinzuſchaffen, koſtete den bauenden Thierchen oft viel Mühe, da ſie dieſelben nicht gehörig zu drehen und zu wenden wußten. Am 24. April morgens fand ich das erſte Ei im Neſte. Die folgenden Tage ward täglich ein neues hinzugelegt, bis die Zahl von vieren beiſammen war. Die Mutter hatte zwar bis dahin nicht feſtgeſeſſen, würde aber wahrſcheinlich — gegen Störung durch andere Vögel ge- ſichert — gebrütet haben, wäre ich nicht entſchloſſen geweſen, die Hälfte dieſes erſten Geleges auf dem Altar der Eierkunde zu opfern. Die übriggebliebenen zwei Eier legte ich einem mir als vortrefflich brütend bekannten Kanarienvogel unter, der nach vierzehntägiger Bebrütung ein Junges ausbrachte, das gar nicht ſo häßlich, wie junge Singvögel ſonſt wohl, vielmehr ganz niedlich ausſah. Es war an den nackten Stellen, zu denen vornehmlich der Hals gehörte, fleiſchfarben, ſonſt ziemlich dicht mit zartem, ſchneeweißem, wohl 4 Linien langem Flaum bedeckt, der am Oberkopf eine Art abſtehenden Häubchens bildete. Trotz der guten Pflege, die es von ſeiner Pflegemutter genoß, ſtarb es jedoch, kaum eine Woche alt, ohne in dieſer Zeit bedeutend gewachſen zu ſein; — vielleicht, da es das einzige Junge im Neſte war, an den Folgen überreichlicher Atzung.‟
„Bald ſchritten meine Trompeterchen zur zweiten Brut. Vom 3. bis 5. Mai bauten ſie ein neues Neſt, indem ſich diesmal keine Federn zur Ausfütterung vorfanden. Dies ward jedoch bald
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Wüſtentrompeter.
Amaranthusarten und zarte Blätter von Kohl, Salat, Kreuzkraut oder Miere. Von thieriſchen Stof-
fen reizen nur Ameiſenpuppen ſeinen Appetit, lebende Kerbthiere bleiben unberührt. Die Moros
ſind überhaupt keine Koſtverächter und ſehr leicht zu erhalten. Jch ſah ſie in ihrer Heimat mit zer-
kleinertem Mais vorlieb nehmen. Weiches Futter: in Milch oder Waſſer geweichte Semmel, Obſt,
ja ſelbſt gekochte Kartoffeln, verzehren ſie mit beſonderem Wohlbehagen. Die paſſendſte Fütterungs-
weiſe für dieſe Vögel dürfte ein Gemiſch von Hirſe- oder Kanarienſamen mit ein wenig Hanf, von
Zeit zu Zeit daneben etwas Grünes ſein.‟
„Die Moros zeigen viel Neigung, ſich in der Gefangenſchaft fortzupflanzen und wären gewiß
mit einiger Sorgfalt und Ausdauer leicht völlig zu zähmen. Da iſt Nichts von der entſchiedenen Ab-
neigung der meiſten mittagsländiſchen Finken, ſich in unſerem Norden einander geſchlechtlich zu nähern.
Ebenſo wenig iſt bei ihnen zu dieſem Behufe die Anwendung künſtlicher Wärme erforderlich. Die
Witterung unſeres Frühlings genügt ihnen vollkommen. Es müſſen die eiskalten, mit glühend heißen
Tagen wechſelnden Nächte der Sahara ſein, die dem Vogel die Empfindlichkeit gegen niedere Wärme-
grade genommen und ihn in dem Grade bei uns eingebürgert haben. Die Hähnchen ſind ſo erpicht
auf den Genuß der Liebe, daß die meinigen ſchon im erſten Frühjahr nach dem Verluſt ihrer Freiheit
beſtändig Strohhalme in den Schnabel nahmen und damit die Weibchen umtanzten, als wollten ſie
ihre Bereitwilligkeit zu den Pflichten eines Familienvaters dadurch zu erkennen geben. Hält man ſie
von ihres Gleichen getrennt, ſo nahen ſie ſich auch andern Vögeln freundſchaftlich; ja ich habe es im
Juli dieſes Sommers erlebt, daß ein Wüſtentrompeter-Wittwer eine Sperlingstaube (Columba
passerina), alſo ein mehr als doppelt größeres Thier, als er ſelbſt, zu treten verſuchte.‟
„Jm April 1858 ſetzte ich ein Trompeterpärchen in eine zum Gebauer eingerichtete Kammer,
deren vergittertes Fenſter der Nachmittagsſonne freien Zutritt geſtattete, und bald hatte ich die Freude,
ſie alle der Paarung vorangehenden Spiele durchmachen zu ſehen. Sie trieben ſich mit hochaufgerich-
teter Haube, ſchnäbelten und fütterten ſich aus dem Kropfe, nicht oft zwar, aber dafür deſto leiden-
ſchaftlicher und ſtets mit in höchſter Erregung geſträubten Scheitelfedern und herabhängenden, wie
krampfhaft zuckenden Flügeln. Zum Niſten wählten ſie ein hochhängendes Bauerchen von denen,
worin die Harzer ihre Kanarienvögel bringen, deſſen herausgenommene Holzſtäbe es vorn weit offen
ließen. Sie zogen Stroh jedem andern Baumaterial vor — Heu und Mos verſchmähten ſie ganz —
und nahmen dabei auf ein Mal ſoviel Halme in den Schnabel, als dieſer zu faſſen vermochte. Jn-
wendig legten ſie das Neſt mit Federn aus. Der Bau, ſchlicht und einfach, wie er war, ging lang-
ſam von Statten und ward, obwohl auch das Männchen etwas zu Neſte trug, doch faſt ausſchließlich
vom Weibchen bewerkſtelligt. Nie verweilten beide längere Zeit zuſammen im Neſte; kam der eine
hinzu, gleich ſchlüpfte der andere hinaus und umgekehrt. Sehr lange Halme, die ſie wagerecht trugen,
hineinzuſchaffen, koſtete den bauenden Thierchen oft viel Mühe, da ſie dieſelben nicht gehörig zu drehen
und zu wenden wußten. Am 24. April morgens fand ich das erſte Ei im Neſte. Die folgenden
Tage ward täglich ein neues hinzugelegt, bis die Zahl von vieren beiſammen war. Die Mutter hatte
zwar bis dahin nicht feſtgeſeſſen, würde aber wahrſcheinlich — gegen Störung durch andere Vögel ge-
ſichert — gebrütet haben, wäre ich nicht entſchloſſen geweſen, die Hälfte dieſes erſten Geleges auf dem
Altar der Eierkunde zu opfern. Die übriggebliebenen zwei Eier legte ich einem mir als vortrefflich
brütend bekannten Kanarienvogel unter, der nach vierzehntägiger Bebrütung ein Junges ausbrachte,
das gar nicht ſo häßlich, wie junge Singvögel ſonſt wohl, vielmehr ganz niedlich ausſah. Es war an
den nackten Stellen, zu denen vornehmlich der Hals gehörte, fleiſchfarben, ſonſt ziemlich dicht mit
zartem, ſchneeweißem, wohl 4 Linien langem Flaum bedeckt, der am Oberkopf eine Art abſtehenden
Häubchens bildete. Trotz der guten Pflege, die es von ſeiner Pflegemutter genoß, ſtarb es jedoch,
kaum eine Woche alt, ohne in dieſer Zeit bedeutend gewachſen zu ſein; — vielleicht, da es das einzige
Junge im Neſte war, an den Folgen überreichlicher Atzung.‟
„Bald ſchritten meine Trompeterchen zur zweiten Brut. Vom 3. bis 5. Mai bauten ſie ein
neues Neſt, indem ſich diesmal keine Federn zur Ausfütterung vorfanden. Dies ward jedoch bald
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/129>, abgerufen am 24.11.2024.
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