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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Wüstentrompeter.
dem Alter des Thierchens alljährlich an Ausdehnung und Stärke und tritt im Frühling, wo das
Gefieder den höchsten Grad der Ausfärbung erreicht, am vollendetsten auf, so daß es dann den pur-
purnen Schmelz der unsere Saten schmückenden Radeblume, welche dem Vogel seinen wissenschaftlichen
Namen lieh, an Schönheit weit hinter sich zurückläßt. Gegen den Herbst hin verblaßt es zusehends
und ähnelt dann mehr dem Weibchen, dessen Hauptfärbung ein gesättigtes Gelbroth ist. Manchfache
Farbenabstufungen sind zu bemerken: einzelne Männchen erscheinen wie in Blut getaucht, andere sind
wüstengrau. Der rothe Farbenstoff beschränkt sich nicht auf das Gefieder allein, sondern breitet sich
auch über die Oberhaut des Körpers, so daß ein gerupfter Wüstentrompeter als eine wahre kleine
"Rothhaut" erscheint. Scheitel und Nacken sind auch im Hochzeitskleide rein aschgrau mit seiden-
artigem Glanz, Schultern und Rücken mehr oder weniger bräunlich aschgrau mit röthlichem, durch so
gefärbte Federränder gebildetem Anfluge. Die größeren Flügeldecken sind blaßbräunlich, breit rosen-
roth gerandet, die Schwingen und Steuerfedern sind dunkelbraungrau, an der äußersten Fahne kar-
minroth, an der inneren weißlich gesäumt, an der Spitze licht gerandet. Bei besonders schön gefärbten
Männchen erscheint auch der Rücken wie mit Rosenroth überhaucht. Das Weibchen ist am ganzen
Oberleibe bräunlichgrau, auf der Unterseite heller grau, röthlich überflogen, auf dem Bauche schmu-
zig weiß.

Wer die Wohnsitze des Wüstentrompeters kennen lernen will, muß der Wüste zuwandern; denn
ihr ausschließlich, aber ihr im weitesten Sinne, gehört der Vogel an. Bolle fand ihn als häufigen Brut-
vogel auf den kanarischen Jnseln und zwar vorzugsweise auf den östlichen, auf Lanzarote, Fuer-
taventura und Gran Canaria; ich traf ihn nicht minder selten in dem größten Theil Oberegyptens
und Nubiens bis gegen die Steppen hin, wo er allgemach verschwindet, fand ihn aber auch vereinzelt
in dem wüstenhaften Arabien. Von diesen Gegenden seiner Heimat aus hat er sich auf die griechi-
schen Jnseln, in die Provence und bis nach Toskana verflogen. Auf Malta trifft er jeden Winter
als Gast ein.

Die Oertlichkeit, welche der Wüstentrompeter bevorzugt, muß vor Allem baumlos und von der
heißen Sonne beschienen sein. "Der schüchterne Vogel will sein Auge frei über die Ebene oder das
Hügelgelände schweifen lassen. Was er vorzieht, sind die dürrsten und steinigsten Orte, wo der in
der Mittagshitze aufsteigende Luftstrom über verbranntem Gestein zittert, so daß von seinem Flim-
mern und vom Wiederschein des Lichtes auf dem pflanzenleeren Boden der Wanderer fast erblindet.
Nur wenig Gras, im Sommer verdorrt und gelb gebleicht, darf zwischen den Steinen hervorragen,
nur hin und wieder niederes Gestrüpp zerstreut der Erde entsprießen, damit dem Wüstentrompeter
wohl sei an einer Stelle. Da lebt er denn, mehr Geröll- als Felsenvogel -- ein Dickschnäbler mit
den Sitten eines Steinschmätzers! -- stets gesellig, wenn die Sorgen der Fortpflanzung ihn nicht
vereinzeln, familienweise oder in kleinen Truppen. Von Stein zu Stein tanzt das muntere Vögel-
chen, oder es gleitet in meist niedrigem Flug dahin. Selten vermag der Blick, es weit in die Land-
schaft hinaus zu verfolgen; denn das röthlichgraue Gefieder der Alten verschmilzt so unmerkbar mit
der gleichartigen Färbung der Steine und mehr noch der blattlosen Euphorbienstämme und Zweige,
wie das Jsabell der Jungen mit dem fahlen Gelb von Sand, Tuffstein oder Kalk. Dazu kommt
noch jenes Flimmern der unteren Luftschichten in der an Spiegelungen und Sinnestäuschungen so
reichen Wüste, die uns erst recht erkennen lehrt, wie unentbehrlich das wohlthuende Grün einer zu-
sammenhängenden Pflanzendecke doch dem menschlichen Auge ist. Gar bald würden wir seine Spur
verlieren, wenn nicht die Stimme, welche eine der größten Merkwürdigkeiten des Vogels ist, unser
Wegweiser, ihn aufzusuchen, würde. Horch! ein Ton wie der einer kleinen Trompete schwingt durch
die Luft: gedehnt, zitternd, und wenn unser Ohr ein feines ist und wir gut gehört haben, werden
wir diesem seltsamen Klange vorhergehend oder unmittelbar nach ihm ein paar leise, silberhelle Noten
vernommen haben, die wie die kaum hörbaren Accorde einer von unsichtbaren Händen gerührten Har-
monika, glockenrein durch die stille Wüste hinklangen. Oder es sind sonderbar tiefe, dem Gequak des
kanarischen Laubfrosches nicht unähnliche, nur weniger rauhe Silben, die, hastig wiederholt, hinter

Wüſtentrompeter.
dem Alter des Thierchens alljährlich an Ausdehnung und Stärke und tritt im Frühling, wo das
Gefieder den höchſten Grad der Ausfärbung erreicht, am vollendetſten auf, ſo daß es dann den pur-
purnen Schmelz der unſere Saten ſchmückenden Radeblume, welche dem Vogel ſeinen wiſſenſchaftlichen
Namen lieh, an Schönheit weit hinter ſich zurückläßt. Gegen den Herbſt hin verblaßt es zuſehends
und ähnelt dann mehr dem Weibchen, deſſen Hauptfärbung ein geſättigtes Gelbroth iſt. Manchfache
Farbenabſtufungen ſind zu bemerken: einzelne Männchen erſcheinen wie in Blut getaucht, andere ſind
wüſtengrau. Der rothe Farbenſtoff beſchränkt ſich nicht auf das Gefieder allein, ſondern breitet ſich
auch über die Oberhaut des Körpers, ſo daß ein gerupfter Wüſtentrompeter als eine wahre kleine
„Rothhaut‟ erſcheint. Scheitel und Nacken ſind auch im Hochzeitskleide rein aſchgrau mit ſeiden-
artigem Glanz, Schultern und Rücken mehr oder weniger bräunlich aſchgrau mit röthlichem, durch ſo
gefärbte Federränder gebildetem Anfluge. Die größeren Flügeldecken ſind blaßbräunlich, breit roſen-
roth gerandet, die Schwingen und Steuerfedern ſind dunkelbraungrau, an der äußerſten Fahne kar-
minroth, an der inneren weißlich geſäumt, an der Spitze licht gerandet. Bei beſonders ſchön gefärbten
Männchen erſcheint auch der Rücken wie mit Roſenroth überhaucht. Das Weibchen iſt am ganzen
Oberleibe bräunlichgrau, auf der Unterſeite heller grau, röthlich überflogen, auf dem Bauche ſchmu-
zig weiß.

Wer die Wohnſitze des Wüſtentrompeters kennen lernen will, muß der Wüſte zuwandern; denn
ihr ausſchließlich, aber ihr im weiteſten Sinne, gehört der Vogel an. Bolle fand ihn als häufigen Brut-
vogel auf den kanariſchen Jnſeln und zwar vorzugsweiſe auf den öſtlichen, auf Lanzarote, Fuer-
taventura und Gran Canaria; ich traf ihn nicht minder ſelten in dem größten Theil Oberegyptens
und Nubiens bis gegen die Steppen hin, wo er allgemach verſchwindet, fand ihn aber auch vereinzelt
in dem wüſtenhaften Arabien. Von dieſen Gegenden ſeiner Heimat aus hat er ſich auf die griechi-
ſchen Jnſeln, in die Provence und bis nach Toskana verflogen. Auf Malta trifft er jeden Winter
als Gaſt ein.

Die Oertlichkeit, welche der Wüſtentrompeter bevorzugt, muß vor Allem baumlos und von der
heißen Sonne beſchienen ſein. „Der ſchüchterne Vogel will ſein Auge frei über die Ebene oder das
Hügelgelände ſchweifen laſſen. Was er vorzieht, ſind die dürrſten und ſteinigſten Orte, wo der in
der Mittagshitze aufſteigende Luftſtrom über verbranntem Geſtein zittert, ſo daß von ſeinem Flim-
mern und vom Wiederſchein des Lichtes auf dem pflanzenleeren Boden der Wanderer faſt erblindet.
Nur wenig Gras, im Sommer verdorrt und gelb gebleicht, darf zwiſchen den Steinen hervorragen,
nur hin und wieder niederes Geſtrüpp zerſtreut der Erde entſprießen, damit dem Wüſtentrompeter
wohl ſei an einer Stelle. Da lebt er denn, mehr Geröll- als Felſenvogel — ein Dickſchnäbler mit
den Sitten eines Steinſchmätzers! — ſtets geſellig, wenn die Sorgen der Fortpflanzung ihn nicht
vereinzeln, familienweiſe oder in kleinen Truppen. Von Stein zu Stein tanzt das muntere Vögel-
chen, oder es gleitet in meiſt niedrigem Flug dahin. Selten vermag der Blick, es weit in die Land-
ſchaft hinaus zu verfolgen; denn das röthlichgraue Gefieder der Alten verſchmilzt ſo unmerkbar mit
der gleichartigen Färbung der Steine und mehr noch der blattloſen Euphorbienſtämme und Zweige,
wie das Jſabell der Jungen mit dem fahlen Gelb von Sand, Tuffſtein oder Kalk. Dazu kommt
noch jenes Flimmern der unteren Luftſchichten in der an Spiegelungen und Sinnestäuſchungen ſo
reichen Wüſte, die uns erſt recht erkennen lehrt, wie unentbehrlich das wohlthuende Grün einer zu-
ſammenhängenden Pflanzendecke doch dem menſchlichen Auge iſt. Gar bald würden wir ſeine Spur
verlieren, wenn nicht die Stimme, welche eine der größten Merkwürdigkeiten des Vogels iſt, unſer
Wegweiſer, ihn aufzuſuchen, würde. Horch! ein Ton wie der einer kleinen Trompete ſchwingt durch
die Luft: gedehnt, zitternd, und wenn unſer Ohr ein feines iſt und wir gut gehört haben, werden
wir dieſem ſeltſamen Klange vorhergehend oder unmittelbar nach ihm ein paar leiſe, ſilberhelle Noten
vernommen haben, die wie die kaum hörbaren Accorde einer von unſichtbaren Händen gerührten Har-
monika, glockenrein durch die ſtille Wüſte hinklangen. Oder es ſind ſonderbar tiefe, dem Gequak des
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[107/0125] Wüſtentrompeter. dem Alter des Thierchens alljährlich an Ausdehnung und Stärke und tritt im Frühling, wo das Gefieder den höchſten Grad der Ausfärbung erreicht, am vollendetſten auf, ſo daß es dann den pur- purnen Schmelz der unſere Saten ſchmückenden Radeblume, welche dem Vogel ſeinen wiſſenſchaftlichen Namen lieh, an Schönheit weit hinter ſich zurückläßt. Gegen den Herbſt hin verblaßt es zuſehends und ähnelt dann mehr dem Weibchen, deſſen Hauptfärbung ein geſättigtes Gelbroth iſt. Manchfache Farbenabſtufungen ſind zu bemerken: einzelne Männchen erſcheinen wie in Blut getaucht, andere ſind wüſtengrau. Der rothe Farbenſtoff beſchränkt ſich nicht auf das Gefieder allein, ſondern breitet ſich auch über die Oberhaut des Körpers, ſo daß ein gerupfter Wüſtentrompeter als eine wahre kleine „Rothhaut‟ erſcheint. Scheitel und Nacken ſind auch im Hochzeitskleide rein aſchgrau mit ſeiden- artigem Glanz, Schultern und Rücken mehr oder weniger bräunlich aſchgrau mit röthlichem, durch ſo gefärbte Federränder gebildetem Anfluge. Die größeren Flügeldecken ſind blaßbräunlich, breit roſen- roth gerandet, die Schwingen und Steuerfedern ſind dunkelbraungrau, an der äußerſten Fahne kar- minroth, an der inneren weißlich geſäumt, an der Spitze licht gerandet. Bei beſonders ſchön gefärbten Männchen erſcheint auch der Rücken wie mit Roſenroth überhaucht. Das Weibchen iſt am ganzen Oberleibe bräunlichgrau, auf der Unterſeite heller grau, röthlich überflogen, auf dem Bauche ſchmu- zig weiß. Wer die Wohnſitze des Wüſtentrompeters kennen lernen will, muß der Wüſte zuwandern; denn ihr ausſchließlich, aber ihr im weiteſten Sinne, gehört der Vogel an. Bolle fand ihn als häufigen Brut- vogel auf den kanariſchen Jnſeln und zwar vorzugsweiſe auf den öſtlichen, auf Lanzarote, Fuer- taventura und Gran Canaria; ich traf ihn nicht minder ſelten in dem größten Theil Oberegyptens und Nubiens bis gegen die Steppen hin, wo er allgemach verſchwindet, fand ihn aber auch vereinzelt in dem wüſtenhaften Arabien. Von dieſen Gegenden ſeiner Heimat aus hat er ſich auf die griechi- ſchen Jnſeln, in die Provence und bis nach Toskana verflogen. Auf Malta trifft er jeden Winter als Gaſt ein. Die Oertlichkeit, welche der Wüſtentrompeter bevorzugt, muß vor Allem baumlos und von der heißen Sonne beſchienen ſein. „Der ſchüchterne Vogel will ſein Auge frei über die Ebene oder das Hügelgelände ſchweifen laſſen. Was er vorzieht, ſind die dürrſten und ſteinigſten Orte, wo der in der Mittagshitze aufſteigende Luftſtrom über verbranntem Geſtein zittert, ſo daß von ſeinem Flim- mern und vom Wiederſchein des Lichtes auf dem pflanzenleeren Boden der Wanderer faſt erblindet. Nur wenig Gras, im Sommer verdorrt und gelb gebleicht, darf zwiſchen den Steinen hervorragen, nur hin und wieder niederes Geſtrüpp zerſtreut der Erde entſprießen, damit dem Wüſtentrompeter wohl ſei an einer Stelle. Da lebt er denn, mehr Geröll- als Felſenvogel — ein Dickſchnäbler mit den Sitten eines Steinſchmätzers! — ſtets geſellig, wenn die Sorgen der Fortpflanzung ihn nicht vereinzeln, familienweiſe oder in kleinen Truppen. Von Stein zu Stein tanzt das muntere Vögel- chen, oder es gleitet in meiſt niedrigem Flug dahin. Selten vermag der Blick, es weit in die Land- ſchaft hinaus zu verfolgen; denn das röthlichgraue Gefieder der Alten verſchmilzt ſo unmerkbar mit der gleichartigen Färbung der Steine und mehr noch der blattloſen Euphorbienſtämme und Zweige, wie das Jſabell der Jungen mit dem fahlen Gelb von Sand, Tuffſtein oder Kalk. Dazu kommt noch jenes Flimmern der unteren Luftſchichten in der an Spiegelungen und Sinnestäuſchungen ſo reichen Wüſte, die uns erſt recht erkennen lehrt, wie unentbehrlich das wohlthuende Grün einer zu- ſammenhängenden Pflanzendecke doch dem menſchlichen Auge iſt. Gar bald würden wir ſeine Spur verlieren, wenn nicht die Stimme, welche eine der größten Merkwürdigkeiten des Vogels iſt, unſer Wegweiſer, ihn aufzuſuchen, würde. Horch! ein Ton wie der einer kleinen Trompete ſchwingt durch die Luft: gedehnt, zitternd, und wenn unſer Ohr ein feines iſt und wir gut gehört haben, werden wir dieſem ſeltſamen Klange vorhergehend oder unmittelbar nach ihm ein paar leiſe, ſilberhelle Noten vernommen haben, die wie die kaum hörbaren Accorde einer von unſichtbaren Händen gerührten Har- monika, glockenrein durch die ſtille Wüſte hinklangen. Oder es ſind ſonderbar tiefe, dem Gequak des kanariſchen Laubfroſches nicht unähnliche, nur weniger rauhe Silben, die, haſtig wiederholt, hinter

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/125>, abgerufen am 24.11.2024.