Ausführlicheres, als ich über diese "Europäer" mittheilen konnte, wissen wir über ein prächtiges und liebenswürdiges Mitglied der Gimpelfamilie, welches in Afrika seine eigentliche Heimat hat, von dort aus aber ebenfalls wiederholt nach Europa sich verflog. Jch habe diesen Vogel, den Wüsten- gimpel oder wie mein lieber Freund Bolle ihn nannte, den Wüstentrompeter (Bucanetes githagineus), sehr oft in Egypten und Nubien beobachtet, auch Dutzende von ihm erlegt und ihn somit wohl kennen gelernt, nicht entfernt so genan jedoch, wie Bolle, welcher ihn zum Gegenstand einer seiner anmuthigsten Schilderungen gemacht hat. Sie ist es denn auch, welche ich der nachfolgenden Beschreibung zu Grunde lege; meine eigenen Wahrnehmungen, welche dazwischen eingestreut sind, sollen und können blos zur Vergleichung dienen. Gern hätte ich den ganzen Jnhalt der Bolle'schen Schilderung hier wiedergegeben, überstiege sie nicht den mir gestatteten Raum. Meine Leser müssen sich also wohl oder übel mit einem Auszuge begnügen.
"Weit jenseits des fruchtbaren Küstengürtels Nordostafrikas, welche Thier- und Pflanzenwelt fast durchweg mit dem gesammten Becken dieses ungeheuren Binnenwassers theilt; jenseits des Atlas- gebirges hinter dem Tell der ackerbauenden Araber, erschließt sich in der Wüste ein neues geheimniß- volles Reich, in welchem uns eine zwar kärgliche aber fremde Welt von Pflanzen und Thieren ent- gegentritt. Denn nicht Alles ist Tod und Schweigen in dieser gefürchteten Sahara; nicht überall ist sie das schreckenerregende Sandmeer, das unter dem Gifthauche des Samum seine Wogen schlägt. Sie hat ihre Brunnen längs der Karavanenstraßen, ihre palmenbeschatteten Oasen, ihre unter dem Fall der Winterregen von wasserreichen Bächen durchflutheten Thäler und schmückt sich nicht nur am Rande, sondern auch in den tieferen Thälern hin und wieder mit Buschwaldungen von Mimosen und Tama- risken. Selbst dem ödesten Kiesgrund entsprießen zur rechten Jahreszeit eigenthümliche Wüsten- pflanzen: Halfagräser und die am Boden rankende, oft meilenweite Strecken gesellig übergrünende Koloquinte, von deren bittern Melonenfrüchten der Strauß sich nährt. Wo aber Pflanzenleben mit den irdischen Massen um die Stätte ringt, da schauen wir auch nach der Thierwelt uns nicht vergebens um. Wie abwechselnd sich nun auch die Bodenbeschaffenheit dieses unermeßlichen von Meer zu Meer, vom Euphrat zum Senegal reichenden Wüstengürtels darstellen möge, immer wird es im großen Ganzen ein Stempel gewaltiger Oede und Unfruchtbarkeit sein, den die Natur ihm aufdrückte, und demgemäß wird auch der Charakter seiner Thierwelt ein damit im Einklang stehendes Gepräge tragen, das schon in der äußeren Erscheinung einer durchweg einförmigen, dem nackten Erdreich sich anschmie- genden Färbung hervortritt."
Wir haben im ersten Theile des "Thierlebens" Gelegenheit gehabt, die Uebereinstimmung des Wüstenkleides mit der Wüste wiederholt hervorzuheben und brauchen deshalb unserm Bolle in der Ausmalung der Wüstenthiere nicht weiter zu folgen, sondern können ohne Umschweife zu unserm Wüstentrompeter zurückkehren, dessen Beschreiber also fortfährt. "Bestimmt ist dieser Gimpel unter den wüstengeborenen Vögeln, die sonst ohne Ausnahme ein fahles düsteres Kleid tragen, einer der beachtenswerthesten, ohne Zweifel der hübscheste und reichgefärbteste von allen, das wahre Schoß- kind einer meist stiefmütterlichen Natur und ein Beweis mehr dafür, wie unter allen Klimaten die schöpferische Urkraft der ewigen Nothwendigkeit des Schönen Rechnung getragen hat."
Unser Wüstentrompeter, der "Steinvogel" der Araber, der maurische Vogel oder der "Moro" der Kanarier ist ein lebhafter und schöner Gimpel, ungefähr von der Größe unseres Ka- narienvogels, 43/4 bis 5 Zoll lang und 8 bis 83/4 Zoll breit, mit einem kurzen Schwänzchen von 11/2 Zoll Länge und einem verhältnißmäßig langen Fittig von 41/2 Zoll Länge. Sein Leib ist gedrungen, und der Kopf mit dem papageiartig gewölbten Scharlachschnabel erscheint etwas dick, ohne jedoch dem Vögelchen etwas von der Zierlichkeit der Formen zu rauben. Die Füße sind von bemerkenswerther Zart- heit für ein Thier, welches sich viel auf hartem Erdboden bewegt; das Gefieder ist verhältnißmäßig reich und im Hochzeitskleide des alten Männchens von einer prachtvollen Färbung, welche Bolle sehr bezeichnend eine Mischung von Atlasgrau und Rosenroth nennt. Das Roth gewinnt mit vorschreiten-
Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
Ausführlicheres, als ich über dieſe „Europäer‟ mittheilen konnte, wiſſen wir über ein prächtiges und liebenswürdiges Mitglied der Gimpelfamilie, welches in Afrika ſeine eigentliche Heimat hat, von dort aus aber ebenfalls wiederholt nach Europa ſich verflog. Jch habe dieſen Vogel, den Wüſten- gimpel oder wie mein lieber Freund Bolle ihn nannte, den Wüſtentrompeter (Bucanetes githagineus), ſehr oft in Egypten und Nubien beobachtet, auch Dutzende von ihm erlegt und ihn ſomit wohl kennen gelernt, nicht entfernt ſo genan jedoch, wie Bolle, welcher ihn zum Gegenſtand einer ſeiner anmuthigſten Schilderungen gemacht hat. Sie iſt es denn auch, welche ich der nachfolgenden Beſchreibung zu Grunde lege; meine eigenen Wahrnehmungen, welche dazwiſchen eingeſtreut ſind, ſollen und können blos zur Vergleichung dienen. Gern hätte ich den ganzen Jnhalt der Bolle’ſchen Schilderung hier wiedergegeben, überſtiege ſie nicht den mir geſtatteten Raum. Meine Leſer müſſen ſich alſo wohl oder übel mit einem Auszuge begnügen.
„Weit jenſeits des fruchtbaren Küſtengürtels Nordoſtafrikas, welche Thier- und Pflanzenwelt faſt durchweg mit dem geſammten Becken dieſes ungeheuren Binnenwaſſers theilt; jenſeits des Atlas- gebirges hinter dem Tell der ackerbauenden Araber, erſchließt ſich in der Wüſte ein neues geheimniß- volles Reich, in welchem uns eine zwar kärgliche aber fremde Welt von Pflanzen und Thieren ent- gegentritt. Denn nicht Alles iſt Tod und Schweigen in dieſer gefürchteten Sahara; nicht überall iſt ſie das ſchreckenerregende Sandmeer, das unter dem Gifthauche des Samum ſeine Wogen ſchlägt. Sie hat ihre Brunnen längs der Karavanenſtraßen, ihre palmenbeſchatteten Oaſen, ihre unter dem Fall der Winterregen von waſſerreichen Bächen durchflutheten Thäler und ſchmückt ſich nicht nur am Rande, ſondern auch in den tieferen Thälern hin und wieder mit Buſchwaldungen von Mimoſen und Tama- risken. Selbſt dem ödeſten Kiesgrund entſprießen zur rechten Jahreszeit eigenthümliche Wüſten- pflanzen: Halfagräſer und die am Boden rankende, oft meilenweite Strecken geſellig übergrünende Koloquinte, von deren bittern Melonenfrüchten der Strauß ſich nährt. Wo aber Pflanzenleben mit den irdiſchen Maſſen um die Stätte ringt, da ſchauen wir auch nach der Thierwelt uns nicht vergebens um. Wie abwechſelnd ſich nun auch die Bodenbeſchaffenheit dieſes unermeßlichen von Meer zu Meer, vom Euphrat zum Senegal reichenden Wüſtengürtels darſtellen möge, immer wird es im großen Ganzen ein Stempel gewaltiger Oede und Unfruchtbarkeit ſein, den die Natur ihm aufdrückte, und demgemäß wird auch der Charakter ſeiner Thierwelt ein damit im Einklang ſtehendes Gepräge tragen, das ſchon in der äußeren Erſcheinung einer durchweg einförmigen, dem nackten Erdreich ſich anſchmie- genden Färbung hervortritt.‟
Wir haben im erſten Theile des „Thierlebens‟ Gelegenheit gehabt, die Uebereinſtimmung des Wüſtenkleides mit der Wüſte wiederholt hervorzuheben und brauchen deshalb unſerm Bolle in der Ausmalung der Wüſtenthiere nicht weiter zu folgen, ſondern können ohne Umſchweife zu unſerm Wüſtentrompeter zurückkehren, deſſen Beſchreiber alſo fortfährt. „Beſtimmt iſt dieſer Gimpel unter den wüſtengeborenen Vögeln, die ſonſt ohne Ausnahme ein fahles düſteres Kleid tragen, einer der beachtenswertheſten, ohne Zweifel der hübſcheſte und reichgefärbteſte von allen, das wahre Schoß- kind einer meiſt ſtiefmütterlichen Natur und ein Beweis mehr dafür, wie unter allen Klimaten die ſchöpferiſche Urkraft der ewigen Nothwendigkeit des Schönen Rechnung getragen hat.‟
Unſer Wüſtentrompeter, der „Steinvogel‟ der Araber, der mauriſche Vogel oder der „Moro‟ der Kanarier iſt ein lebhafter und ſchöner Gimpel, ungefähr von der Größe unſeres Ka- narienvogels, 4¾ bis 5 Zoll lang und 8 bis 8¾ Zoll breit, mit einem kurzen Schwänzchen von 1½ Zoll Länge und einem verhältnißmäßig langen Fittig von 4½ Zoll Länge. Sein Leib iſt gedrungen, und der Kopf mit dem papageiartig gewölbten Scharlachſchnabel erſcheint etwas dick, ohne jedoch dem Vögelchen etwas von der Zierlichkeit der Formen zu rauben. Die Füße ſind von bemerkenswerther Zart- heit für ein Thier, welches ſich viel auf hartem Erdboden bewegt; das Gefieder iſt verhältnißmäßig reich und im Hochzeitskleide des alten Männchens von einer prachtvollen Färbung, welche Bolle ſehr bezeichnend eine Miſchung von Atlasgrau und Roſenroth nennt. Das Roth gewinnt mit vorſchreiten-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0124"n="106"/><fwplace="top"type="header">Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.</fw><lb/><p>Ausführlicheres, als ich über dieſe „Europäer‟ mittheilen konnte, wiſſen wir über ein prächtiges<lb/>
und liebenswürdiges Mitglied der Gimpelfamilie, welches in Afrika ſeine eigentliche Heimat hat, von<lb/>
dort aus aber ebenfalls wiederholt nach Europa ſich verflog. Jch habe dieſen Vogel, den <hirendition="#g">Wüſten-<lb/>
gimpel</hi> oder wie mein lieber Freund <hirendition="#g">Bolle</hi> ihn nannte, den <hirendition="#g">Wüſtentrompeter</hi> (<hirendition="#aq">Bucanetes<lb/>
githagineus</hi>), ſehr oft in Egypten und Nubien beobachtet, auch Dutzende von ihm erlegt und ihn ſomit<lb/>
wohl kennen gelernt, nicht entfernt ſo genan jedoch, wie <hirendition="#g">Bolle,</hi> welcher ihn zum Gegenſtand einer<lb/>ſeiner anmuthigſten Schilderungen gemacht hat. Sie iſt es denn auch, welche ich der nachfolgenden<lb/>
Beſchreibung zu Grunde lege; meine eigenen Wahrnehmungen, welche dazwiſchen eingeſtreut ſind,<lb/>ſollen und können blos zur Vergleichung dienen. Gern hätte ich den ganzen Jnhalt der <hirendition="#g">Bolle</hi>’ſchen<lb/>
Schilderung hier wiedergegeben, überſtiege ſie nicht den mir geſtatteten Raum. Meine Leſer müſſen<lb/>ſich alſo wohl oder übel mit einem Auszuge begnügen.</p><lb/><p>„Weit jenſeits des fruchtbaren Küſtengürtels Nordoſtafrikas, welche Thier- und Pflanzenwelt<lb/>
faſt durchweg mit dem geſammten Becken dieſes ungeheuren Binnenwaſſers theilt; jenſeits des Atlas-<lb/>
gebirges hinter dem Tell der ackerbauenden Araber, erſchließt ſich in der Wüſte ein neues geheimniß-<lb/>
volles Reich, in welchem uns eine zwar kärgliche aber fremde Welt von Pflanzen und Thieren ent-<lb/>
gegentritt. Denn nicht Alles iſt Tod und Schweigen in dieſer gefürchteten Sahara; nicht überall iſt ſie<lb/>
das ſchreckenerregende Sandmeer, das unter dem Gifthauche des Samum ſeine Wogen ſchlägt. Sie<lb/>
hat ihre Brunnen längs der Karavanenſtraßen, ihre palmenbeſchatteten Oaſen, ihre unter dem Fall der<lb/>
Winterregen von waſſerreichen Bächen durchflutheten Thäler und ſchmückt ſich nicht nur am Rande,<lb/>ſondern auch in den tieferen Thälern hin und wieder mit Buſchwaldungen von Mimoſen und Tama-<lb/>
risken. Selbſt dem ödeſten Kiesgrund entſprießen zur rechten Jahreszeit eigenthümliche Wüſten-<lb/>
pflanzen: Halfagräſer und die am Boden rankende, oft meilenweite Strecken geſellig übergrünende<lb/>
Koloquinte, von deren bittern Melonenfrüchten der <hirendition="#g">Strauß</hi>ſich nährt. Wo aber Pflanzenleben mit<lb/>
den irdiſchen Maſſen um die Stätte ringt, da ſchauen wir auch nach der Thierwelt uns nicht vergebens<lb/>
um. Wie abwechſelnd ſich nun auch die Bodenbeſchaffenheit dieſes unermeßlichen von Meer zu Meer,<lb/>
vom Euphrat zum Senegal reichenden Wüſtengürtels darſtellen möge, immer wird es im großen<lb/>
Ganzen ein Stempel gewaltiger Oede und Unfruchtbarkeit ſein, den die Natur ihm aufdrückte, und<lb/>
demgemäß wird auch der Charakter ſeiner Thierwelt ein damit im Einklang ſtehendes Gepräge tragen,<lb/>
das ſchon in der äußeren Erſcheinung einer durchweg einförmigen, dem nackten Erdreich ſich anſchmie-<lb/>
genden Färbung hervortritt.‟</p><lb/><p>Wir haben im erſten Theile des „Thierlebens‟ Gelegenheit gehabt, die Uebereinſtimmung des<lb/>
Wüſtenkleides mit der Wüſte wiederholt hervorzuheben und brauchen deshalb unſerm <hirendition="#g">Bolle</hi> in der<lb/>
Ausmalung der Wüſtenthiere nicht weiter zu folgen, ſondern können ohne Umſchweife zu unſerm<lb/>
Wüſtentrompeter zurückkehren, deſſen Beſchreiber alſo fortfährt. „Beſtimmt iſt dieſer Gimpel unter<lb/>
den wüſtengeborenen Vögeln, die ſonſt ohne Ausnahme ein fahles düſteres Kleid tragen, einer der<lb/>
beachtenswertheſten, ohne Zweifel der hübſcheſte und reichgefärbteſte von allen, das wahre Schoß-<lb/>
kind einer meiſt ſtiefmütterlichen Natur und ein Beweis mehr dafür, wie unter allen Klimaten die<lb/>ſchöpferiſche Urkraft der ewigen Nothwendigkeit des Schönen Rechnung getragen hat.‟</p><lb/><p>Unſer Wüſtentrompeter, der <hirendition="#g">„Steinvogel‟</hi> der Araber, der <hirendition="#g">mauriſche Vogel</hi> oder der<lb/><hirendition="#g">„Moro‟</hi> der Kanarier iſt ein lebhafter und ſchöner Gimpel, ungefähr von der Größe unſeres Ka-<lb/>
narienvogels, 4¾ bis 5 Zoll lang und 8 bis 8¾ Zoll breit, mit einem kurzen Schwänzchen von 1½<lb/>
Zoll Länge und einem verhältnißmäßig langen Fittig von 4½ Zoll Länge. Sein Leib iſt gedrungen,<lb/>
und der Kopf mit dem papageiartig gewölbten Scharlachſchnabel erſcheint etwas dick, ohne jedoch dem<lb/>
Vögelchen etwas von der Zierlichkeit der Formen zu rauben. Die Füße ſind von bemerkenswerther Zart-<lb/>
heit für ein Thier, welches ſich viel auf hartem Erdboden bewegt; das Gefieder iſt verhältnißmäßig<lb/>
reich und im Hochzeitskleide des alten Männchens von einer prachtvollen Färbung, welche <hirendition="#g">Bolle</hi>ſehr<lb/>
bezeichnend eine Miſchung von Atlasgrau und Roſenroth nennt. Das Roth gewinnt mit vorſchreiten-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[106/0124]
Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
Ausführlicheres, als ich über dieſe „Europäer‟ mittheilen konnte, wiſſen wir über ein prächtiges
und liebenswürdiges Mitglied der Gimpelfamilie, welches in Afrika ſeine eigentliche Heimat hat, von
dort aus aber ebenfalls wiederholt nach Europa ſich verflog. Jch habe dieſen Vogel, den Wüſten-
gimpel oder wie mein lieber Freund Bolle ihn nannte, den Wüſtentrompeter (Bucanetes
githagineus), ſehr oft in Egypten und Nubien beobachtet, auch Dutzende von ihm erlegt und ihn ſomit
wohl kennen gelernt, nicht entfernt ſo genan jedoch, wie Bolle, welcher ihn zum Gegenſtand einer
ſeiner anmuthigſten Schilderungen gemacht hat. Sie iſt es denn auch, welche ich der nachfolgenden
Beſchreibung zu Grunde lege; meine eigenen Wahrnehmungen, welche dazwiſchen eingeſtreut ſind,
ſollen und können blos zur Vergleichung dienen. Gern hätte ich den ganzen Jnhalt der Bolle’ſchen
Schilderung hier wiedergegeben, überſtiege ſie nicht den mir geſtatteten Raum. Meine Leſer müſſen
ſich alſo wohl oder übel mit einem Auszuge begnügen.
„Weit jenſeits des fruchtbaren Küſtengürtels Nordoſtafrikas, welche Thier- und Pflanzenwelt
faſt durchweg mit dem geſammten Becken dieſes ungeheuren Binnenwaſſers theilt; jenſeits des Atlas-
gebirges hinter dem Tell der ackerbauenden Araber, erſchließt ſich in der Wüſte ein neues geheimniß-
volles Reich, in welchem uns eine zwar kärgliche aber fremde Welt von Pflanzen und Thieren ent-
gegentritt. Denn nicht Alles iſt Tod und Schweigen in dieſer gefürchteten Sahara; nicht überall iſt ſie
das ſchreckenerregende Sandmeer, das unter dem Gifthauche des Samum ſeine Wogen ſchlägt. Sie
hat ihre Brunnen längs der Karavanenſtraßen, ihre palmenbeſchatteten Oaſen, ihre unter dem Fall der
Winterregen von waſſerreichen Bächen durchflutheten Thäler und ſchmückt ſich nicht nur am Rande,
ſondern auch in den tieferen Thälern hin und wieder mit Buſchwaldungen von Mimoſen und Tama-
risken. Selbſt dem ödeſten Kiesgrund entſprießen zur rechten Jahreszeit eigenthümliche Wüſten-
pflanzen: Halfagräſer und die am Boden rankende, oft meilenweite Strecken geſellig übergrünende
Koloquinte, von deren bittern Melonenfrüchten der Strauß ſich nährt. Wo aber Pflanzenleben mit
den irdiſchen Maſſen um die Stätte ringt, da ſchauen wir auch nach der Thierwelt uns nicht vergebens
um. Wie abwechſelnd ſich nun auch die Bodenbeſchaffenheit dieſes unermeßlichen von Meer zu Meer,
vom Euphrat zum Senegal reichenden Wüſtengürtels darſtellen möge, immer wird es im großen
Ganzen ein Stempel gewaltiger Oede und Unfruchtbarkeit ſein, den die Natur ihm aufdrückte, und
demgemäß wird auch der Charakter ſeiner Thierwelt ein damit im Einklang ſtehendes Gepräge tragen,
das ſchon in der äußeren Erſcheinung einer durchweg einförmigen, dem nackten Erdreich ſich anſchmie-
genden Färbung hervortritt.‟
Wir haben im erſten Theile des „Thierlebens‟ Gelegenheit gehabt, die Uebereinſtimmung des
Wüſtenkleides mit der Wüſte wiederholt hervorzuheben und brauchen deshalb unſerm Bolle in der
Ausmalung der Wüſtenthiere nicht weiter zu folgen, ſondern können ohne Umſchweife zu unſerm
Wüſtentrompeter zurückkehren, deſſen Beſchreiber alſo fortfährt. „Beſtimmt iſt dieſer Gimpel unter
den wüſtengeborenen Vögeln, die ſonſt ohne Ausnahme ein fahles düſteres Kleid tragen, einer der
beachtenswertheſten, ohne Zweifel der hübſcheſte und reichgefärbteſte von allen, das wahre Schoß-
kind einer meiſt ſtiefmütterlichen Natur und ein Beweis mehr dafür, wie unter allen Klimaten die
ſchöpferiſche Urkraft der ewigen Nothwendigkeit des Schönen Rechnung getragen hat.‟
Unſer Wüſtentrompeter, der „Steinvogel‟ der Araber, der mauriſche Vogel oder der
„Moro‟ der Kanarier iſt ein lebhafter und ſchöner Gimpel, ungefähr von der Größe unſeres Ka-
narienvogels, 4¾ bis 5 Zoll lang und 8 bis 8¾ Zoll breit, mit einem kurzen Schwänzchen von 1½
Zoll Länge und einem verhältnißmäßig langen Fittig von 4½ Zoll Länge. Sein Leib iſt gedrungen,
und der Kopf mit dem papageiartig gewölbten Scharlachſchnabel erſcheint etwas dick, ohne jedoch dem
Vögelchen etwas von der Zierlichkeit der Formen zu rauben. Die Füße ſind von bemerkenswerther Zart-
heit für ein Thier, welches ſich viel auf hartem Erdboden bewegt; das Gefieder iſt verhältnißmäßig
reich und im Hochzeitskleide des alten Männchens von einer prachtvollen Färbung, welche Bolle ſehr
bezeichnend eine Miſchung von Atlasgrau und Roſenroth nennt. Das Roth gewinnt mit vorſchreiten-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/124>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.