trifft man ihn in großen Flügen an, gewöhnlich aber nur in kleinen Gesellschaften. Er wird seines angenehmen Gesanges wegen oft gefangen und gefangen gehalten." Radde erwähnt auffallender Weise gerade dieses Vogels nur selten in seinen Reiseberichten aus Südostsibirien; er fand ihn in der Steppe und am Baikal, am öftersten noch an Flußufern, einzeln jedoch auch bis zu 8000 Fuß über Meer. Mitte Aprils sangen die Männchen fleißig.
Jm Ganzen liegt die Naturgeschichte des Karmingimpels noch sehr im Argen. Man weiß, daß er wasserreiche oder sumpfige Waldungen bevorzugt und hier sich von Sämereien mancherlei Art ernährt, wahrscheinlich auch von Rohrgesäme, weil man bemerkt hat, daß er gerade da, wo viel Rohr sich findet, besonders häufig ist. Jn seinem Betragen erinnert er ebensosehr an den Hänfling als an den Gimpel. Seine Bewegungen sind leicht; der Flug geschieht in Wellenlinien, wie bei den meisten Finken. Die Lockstimme ist ein heller pfeifender Ton, welcher durch hio oder trio wiedergegeben wird; -- ich möchte ihn durch ein einfaches "Tried" übertragen. Den Gefang bezeichnet Naumann als ange- nehm, laut, lang und durchaus eigenthümlich, so daß Derjenige, welcher Vogelstimmen zu unterscheiden gelernt hat, den Karmingimpel augenblicklich erkennt. Blyth sagt: "Der Tuti, wie unser Vogel in Jndien genannt wird, hat einen schwach zwitschernden, aber sanften, ansprechenden Gesang, ein Mittelding zwischen Stieglitz- und Hänflingsgesang, während der Lockton an den des Kanarienvogels erinnert." Jn Kamtschatka hat man dem Gesang, wie uns Kittlitz mittheilt, sehr sinnreich einen russischen Text untergelegt: "Tschewitschu widäl" (Jch habe die Tschewitscha gesehen!). "Tschewitscha heißt aber die größte der dortigen Lachsarten, der geschätzteste von allen Fischen des Landes und somit das vor- nehmste Nahrungsmittel der Einwohner; sie kommt ungefähr mit dem Vogel zugleich in Kamtschatka an. Jener Gesang wird nun so gedeutet, als ob er die Ankunft des Lachses verkünde, und der Kar- mingimpel ist sonach in einem Lande, dessen Bewohner sich hauptsächlich von Fischen nähren, nicht nur der Verkündiger der schönen Jahreszeit, sondern auch des sie begleitenden Erntesegens." Das Nest soll in dichtem Gestrüpp von Weidengesträuchen und Rohr angelegt werden, immer in der Nähe des Wassers, und aus dürren Stengeln, Hälmchen und Wurzeln bestehen, innerlich aber mit weichen Stoffen, namentlich mit Wolle und Pferdehaaren ausgelegt sein. Die Eier sind größer, als die des Hänflings, und auf grünlichem Grunde mit rothen Pünktchen bestreut, besonders am stumpfen Ende.
Kanariengimpel im Käfig gehören bei uns zu Lande zu den größten Seltenheiten. Jch bin so glücklich, gerade jetzt ein lebendes Männchen vor mir zu haben. Es ist ein anmuthiges, munteres Thier, dessen gute Eigenschaften ich rühmen muß. Als es in meinen Besitz gelangte, begann die Herbstmauser; sie währte bis gegen den Dezember hin und verlieh, wie zu erwarten, dem schönen Geschöpf ein unscheinbares Stubenkleid, wie es Kreuzschnabel und Hakengimpel anlegen. Mitte Februars begann er zu singen. Jch war aufs höchste überrascht: der Gesang übertraf meine Erwartungen bei weitem. Alle obenerwähnten Forscher haben recht berichtet, aber doch nicht genug gesagt; denn der Gesang des Karmingimpels gehört zu den besten Finkengefängen, welche ich kenne. Er ist ebenso reichhaltig, als wohllautend, ebenso sanft, als lieblich. Nur der Lockton und das "Tschewitschu widäl" werden kräftig betont; der eigentliche Gesang ist ein ungemein anziehendes, wechselreiches und klangvolles Lied, welches zwar an den Schlag des Stieglitz, Hänflings und Kanarienvogels erinnert, aber doch etwas durchaus Selbständiges hat. Jch fühle mich außer Stand, das Eigenthümliche des Gesanges durch Worte verständlich zu machen; es läßt sich Das eben nicht beschreiben.
Das Betragen meines Gefangenen ist sehr unterhaltend. Er ist beständig in Bewegung, hüpft munter im Käfig auf und nieder und häugt sich oft an die oberen Sprossen an, wie eine Meise. Die Scheu, welche er anfangs zeigte, hat er bald verloren; jetzt ist er sehr zahm. Seine Bekannten begrüßt er durch lebhaften Zuruf.
Er erhält Hirse, Kanariensamen und Ameiseneier. Von letzteren nimmt er sehr wenige zu sich; auch Grünzeug scheint keine Leckerei für ihn zu sein. --
Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
trifft man ihn in großen Flügen an, gewöhnlich aber nur in kleinen Geſellſchaften. Er wird ſeines angenehmen Geſanges wegen oft gefangen und gefangen gehalten.‟ Radde erwähnt auffallender Weiſe gerade dieſes Vogels nur ſelten in ſeinen Reiſeberichten aus Südoſtſibirien; er fand ihn in der Steppe und am Baikal, am öfterſten noch an Flußufern, einzeln jedoch auch bis zu 8000 Fuß über Meer. Mitte Aprils ſangen die Männchen fleißig.
Jm Ganzen liegt die Naturgeſchichte des Karmingimpels noch ſehr im Argen. Man weiß, daß er waſſerreiche oder ſumpfige Waldungen bevorzugt und hier ſich von Sämereien mancherlei Art ernährt, wahrſcheinlich auch von Rohrgeſäme, weil man bemerkt hat, daß er gerade da, wo viel Rohr ſich findet, beſonders häufig iſt. Jn ſeinem Betragen erinnert er ebenſoſehr an den Hänfling als an den Gimpel. Seine Bewegungen ſind leicht; der Flug geſchieht in Wellenlinien, wie bei den meiſten Finken. Die Lockſtimme iſt ein heller pfeifender Ton, welcher durch hio oder trio wiedergegeben wird; — ich möchte ihn durch ein einfaches „Tried‟ übertragen. Den Gefang bezeichnet Naumann als ange- nehm, laut, lang und durchaus eigenthümlich, ſo daß Derjenige, welcher Vogelſtimmen zu unterſcheiden gelernt hat, den Karmingimpel augenblicklich erkennt. Blyth ſagt: „Der Tuti, wie unſer Vogel in Jndien genannt wird, hat einen ſchwach zwitſchernden, aber ſanften, anſprechenden Geſang, ein Mittelding zwiſchen Stieglitz- und Hänflingsgeſang, während der Lockton an den des Kanarienvogels erinnert.‟ Jn Kamtſchatka hat man dem Geſang, wie uns Kittlitz mittheilt, ſehr ſinnreich einen ruſſiſchen Text untergelegt: „Tſchewitſchu widäl‟ (Jch habe die Tſchewitſcha geſehen!). „Tſchewitſcha heißt aber die größte der dortigen Lachsarten, der geſchätzteſte von allen Fiſchen des Landes und ſomit das vor- nehmſte Nahrungsmittel der Einwohner; ſie kommt ungefähr mit dem Vogel zugleich in Kamtſchatka an. Jener Geſang wird nun ſo gedeutet, als ob er die Ankunft des Lachſes verkünde, und der Kar- mingimpel iſt ſonach in einem Lande, deſſen Bewohner ſich hauptſächlich von Fiſchen nähren, nicht nur der Verkündiger der ſchönen Jahreszeit, ſondern auch des ſie begleitenden Ernteſegens.‟ Das Neſt ſoll in dichtem Geſtrüpp von Weidengeſträuchen und Rohr angelegt werden, immer in der Nähe des Waſſers, und aus dürren Stengeln, Hälmchen und Wurzeln beſtehen, innerlich aber mit weichen Stoffen, namentlich mit Wolle und Pferdehaaren ausgelegt ſein. Die Eier ſind größer, als die des Hänflings, und auf grünlichem Grunde mit rothen Pünktchen beſtreut, beſonders am ſtumpfen Ende.
Kanariengimpel im Käfig gehören bei uns zu Lande zu den größten Seltenheiten. Jch bin ſo glücklich, gerade jetzt ein lebendes Männchen vor mir zu haben. Es iſt ein anmuthiges, munteres Thier, deſſen gute Eigenſchaften ich rühmen muß. Als es in meinen Beſitz gelangte, begann die Herbſtmauſer; ſie währte bis gegen den Dezember hin und verlieh, wie zu erwarten, dem ſchönen Geſchöpf ein unſcheinbares Stubenkleid, wie es Kreuzſchnabel und Hakengimpel anlegen. Mitte Februars begann er zu ſingen. Jch war aufs höchſte überraſcht: der Geſang übertraf meine Erwartungen bei weitem. Alle obenerwähnten Forſcher haben recht berichtet, aber doch nicht genug geſagt; denn der Geſang des Karmingimpels gehört zu den beſten Finkengefängen, welche ich kenne. Er iſt ebenſo reichhaltig, als wohllautend, ebenſo ſanft, als lieblich. Nur der Lockton und das „Tſchewitſchu widäl‟ werden kräftig betont; der eigentliche Geſang iſt ein ungemein anziehendes, wechſelreiches und klangvolles Lied, welches zwar an den Schlag des Stieglitz, Hänflings und Kanarienvogels erinnert, aber doch etwas durchaus Selbſtändiges hat. Jch fühle mich außer Stand, das Eigenthümliche des Geſanges durch Worte verſtändlich zu machen; es läßt ſich Das eben nicht beſchreiben.
Das Betragen meines Gefangenen iſt ſehr unterhaltend. Er iſt beſtändig in Bewegung, hüpft munter im Käfig auf und nieder und häugt ſich oft an die oberen Sproſſen an, wie eine Meiſe. Die Scheu, welche er anfangs zeigte, hat er bald verloren; jetzt iſt er ſehr zahm. Seine Bekannten begrüßt er durch lebhaften Zuruf.
Er erhält Hirſe, Kanarienſamen und Ameiſeneier. Von letzteren nimmt er ſehr wenige zu ſich; auch Grünzeug ſcheint keine Leckerei für ihn zu ſein. —
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[104/0122]
Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
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angenehmen Geſanges wegen oft gefangen und gefangen gehalten.‟ Radde erwähnt auffallender
Weiſe gerade dieſes Vogels nur ſelten in ſeinen Reiſeberichten aus Südoſtſibirien; er fand ihn
in der Steppe und am Baikal, am öfterſten noch an Flußufern, einzeln jedoch auch bis zu 8000 Fuß
über Meer. Mitte Aprils ſangen die Männchen fleißig.
Jm Ganzen liegt die Naturgeſchichte des Karmingimpels noch ſehr im Argen. Man weiß, daß
er waſſerreiche oder ſumpfige Waldungen bevorzugt und hier ſich von Sämereien mancherlei Art
ernährt, wahrſcheinlich auch von Rohrgeſäme, weil man bemerkt hat, daß er gerade da, wo viel Rohr
ſich findet, beſonders häufig iſt. Jn ſeinem Betragen erinnert er ebenſoſehr an den Hänfling als an
den Gimpel. Seine Bewegungen ſind leicht; der Flug geſchieht in Wellenlinien, wie bei den meiſten
Finken. Die Lockſtimme iſt ein heller pfeifender Ton, welcher durch hio oder trio wiedergegeben wird; —
ich möchte ihn durch ein einfaches „Tried‟ übertragen. Den Gefang bezeichnet Naumann als ange-
nehm, laut, lang und durchaus eigenthümlich, ſo daß Derjenige, welcher Vogelſtimmen zu unterſcheiden
gelernt hat, den Karmingimpel augenblicklich erkennt. Blyth ſagt: „Der Tuti, wie unſer Vogel in
Jndien genannt wird, hat einen ſchwach zwitſchernden, aber ſanften, anſprechenden Geſang, ein Mittelding
zwiſchen Stieglitz- und Hänflingsgeſang, während der Lockton an den des Kanarienvogels erinnert.‟
Jn Kamtſchatka hat man dem Geſang, wie uns Kittlitz mittheilt, ſehr ſinnreich einen ruſſiſchen
Text untergelegt: „Tſchewitſchu widäl‟ (Jch habe die Tſchewitſcha geſehen!). „Tſchewitſcha heißt aber
die größte der dortigen Lachsarten, der geſchätzteſte von allen Fiſchen des Landes und ſomit das vor-
nehmſte Nahrungsmittel der Einwohner; ſie kommt ungefähr mit dem Vogel zugleich in Kamtſchatka
an. Jener Geſang wird nun ſo gedeutet, als ob er die Ankunft des Lachſes verkünde, und der Kar-
mingimpel iſt ſonach in einem Lande, deſſen Bewohner ſich hauptſächlich von Fiſchen nähren, nicht nur
der Verkündiger der ſchönen Jahreszeit, ſondern auch des ſie begleitenden Ernteſegens.‟ Das Neſt
ſoll in dichtem Geſtrüpp von Weidengeſträuchen und Rohr angelegt werden, immer in der Nähe des
Waſſers, und aus dürren Stengeln, Hälmchen und Wurzeln beſtehen, innerlich aber mit weichen Stoffen,
namentlich mit Wolle und Pferdehaaren ausgelegt ſein. Die Eier ſind größer, als die des Hänflings,
und auf grünlichem Grunde mit rothen Pünktchen beſtreut, beſonders am ſtumpfen Ende.
Kanariengimpel im Käfig gehören bei uns zu Lande zu den größten Seltenheiten. Jch bin ſo
glücklich, gerade jetzt ein lebendes Männchen vor mir zu haben. Es iſt ein anmuthiges, munteres
Thier, deſſen gute Eigenſchaften ich rühmen muß. Als es in meinen Beſitz gelangte, begann die
Herbſtmauſer; ſie währte bis gegen den Dezember hin und verlieh, wie zu erwarten, dem ſchönen
Geſchöpf ein unſcheinbares Stubenkleid, wie es Kreuzſchnabel und Hakengimpel anlegen.
Mitte Februars begann er zu ſingen. Jch war aufs höchſte überraſcht: der Geſang übertraf meine
Erwartungen bei weitem. Alle obenerwähnten Forſcher haben recht berichtet, aber doch nicht genug
geſagt; denn der Geſang des Karmingimpels gehört zu den beſten Finkengefängen, welche ich kenne.
Er iſt ebenſo reichhaltig, als wohllautend, ebenſo ſanft, als lieblich. Nur der Lockton und das
„Tſchewitſchu widäl‟ werden kräftig betont; der eigentliche Geſang iſt ein ungemein anziehendes,
wechſelreiches und klangvolles Lied, welches zwar an den Schlag des Stieglitz, Hänflings und
Kanarienvogels erinnert, aber doch etwas durchaus Selbſtändiges hat. Jch fühle mich außer
Stand, das Eigenthümliche des Geſanges durch Worte verſtändlich zu machen; es läßt ſich Das eben
nicht beſchreiben.
Das Betragen meines Gefangenen iſt ſehr unterhaltend. Er iſt beſtändig in Bewegung, hüpft
munter im Käfig auf und nieder und häugt ſich oft an die oberen Sproſſen an, wie eine Meiſe. Die
Scheu, welche er anfangs zeigte, hat er bald verloren; jetzt iſt er ſehr zahm. Seine Bekannten
begrüßt er durch lebhaften Zuruf.
Er erhält Hirſe, Kanarienſamen und Ameiſeneier. Von letzteren nimmt er ſehr wenige zu
ſich; auch Grünzeug ſcheint keine Leckerei für ihn zu ſein. —
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/122>, abgerufen am 22.11.2024.
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