Federn sind groß und verhältnißmäßig weich. Jhre Färbung ist im allgemeinen nicht besonders leb- haft; milde Farben sind vorherrschend. Zwar kommt und zumal bei einzelnen Familien das Gegen- theil vor; doch fehlen meist die sogenannten metallischen, d. h. alle schimmernden Farben, oder sie sind höchstens angedeutet; sie treten nicht in der Stärke auf, wie Dies bei gewissen Mitgliedern anderer Ordnungen der Fall ist. Männchen und Weibchen unterscheiden sich gewöhnlich, jedoch keineswegs stets durch das Kleid; das Männchen ist im ersteren Falle der schönere Theil des Paares. Die Jun- gen ähneln der Mutter. Viele Arten sind einer doppelten Mauser unterworfen; nicht wenige aber wechseln ihr Federkleid nur ein Mal im Jahre, obwohl sie durch Abreibung düsterer Federränder und wahrscheinlich auch durch Verfärbung der Federn selbst zeitweilig in prächtigeren Farben prangen, als sie solche außerdem zeigen.
Der innere Bau des Leibes und seiner Werkzeuge weicht wenig von dem allgemeinen Gepräge ab. Nur bei wenigen finden sich hohle, luftführende Knochen; bei der größeren Anzahl beschränken sich die Höhlungen auf einzelne Theile des Gerippes, namentlich auf den Schädel. Die Zahl der Rippen stellt sich regelmäßig auf acht Paare. An den Athmungswerkzeugen ist, außer dem so- genannten Singmuskelapparat, welcher allen Sperlingsvögeln gemeinsam zu sein scheint, nichts Ab- sonderliches beobachtet worden; die Verdauungswerkzeuge kennzeichnen sich durch eine hornige, vorn gespaltene, borstige oder fasrige, seitlich oft fein gezähnelte Zunge, die regelmäßig vorkommende Aus- buchtung der Speiseröhre, welche oft zum wirklichen Kropfe wird, den langen, drüsenreichen Vorma- gen und dickwandigen Muskelmagen, die sehr kleinen Blinddärme und andere weniger bedeutsame Merkmale.
Obwohl die Sperlingsvögel in vieler Hinsicht weit hinter den Papageien zurückstehen, darf man sie doch durchgehends als wohlbegabte Geschöpfe betrachten. Sie sind ziemlich bewegungsfähig, scharf- sinnig und verständig. Jhr Flug ist nicht so reißend, wie der kleiner Papageien, aber rascher und leichter, als der größerer Arten dieser Ordnung, selten schwirrend, gewöhnlich zuckend, wogend, vor dem Niedersetzen regelmäßig schwebend, in der Liebesbegeisterung eigenthümlich aufwärts steigend. Der Gang ist oft schreitend, in der Regel aber hüpfend; er läßt einzelne Arten täppisch erscheinen, nie- mals aber so unbeholfen, wie den watschelnden Papagei. Viele Sperlingsvögel steigen geschickt in dem Gezweig umher, nur wenige aber klettern nach Art der Sittiche, kein einziger, wie Spechte und andere Klettervögel, im eigentlichen Sinne des Worts. Dem Wasser scheinen alle entschieden abhold zu sein; sie lieben höchstens seine Nähe, nicht aber die Wogen selbst. Kein einziger ist ein Schwim- mer oder Taucher, obwohl auch gewiß kein einziger ertrinkt, wenn er zufällig in das ihm unfreund- liche Element geräth.
Unter den Sinnen dürfte das Gesicht ausnahmslos als höchstentwickelt angesehen werden; nächstdem scheinen namentlich Gehör und Gefühl wohl ausgebildet zu sein. Der Geschmack ist zwar nicht in Abrede zu stellen, sicherlich aber nicht von besonderer Bedeutung; der Geruch ist entschieden schwach. Das geistige Wesen im engeren Sinne ist unserer vollsten Beachtung und Theilnahme werth. Alle Sperlingsvögel sind kluge Geschöpfe, auch trotz des Vorurtheils, welches den gefühls- reichen Gimpel brandmarken will. Jhr Verstand kann unmöglich unterschätzt werden, falls man sich nur eingehender, als es zu geschehen pflegt, mit ihnen beschäftigen will. Die meisten Sperlingsvögel sind allerdings gutmüthige, vertrauensselige Thiere -- und Dies eben wird falsch beurtheilt --; sie beweisen aber, falls sie Verfolgung erfahren müssen, bald genug, daß Mangel an Verständniß ihnen nicht zugeschrieben werden darf. Sie lernen ihre Feinde kennen und würdigen, Gefahren ausweichen, in verschiedene Verhältnisse sich fügen; sie ändern ihr Betragen nach den Umständen, je nach der Zeit, nach dem Ort, nach den Menschen, nach Verhältnissen, Ereignissen, Begebenheiten. Sie sind groß in ihren Eigenschaften und Leidenschaften, gesellig, friedfertig, zärtlich oder zeitweilig wiederum ungesellig, streitlustig, den sonst Geliebten gegenüber gleichgiltig; sie sind sehr feurig in der Zeit ihrer Liebe, daher auch eifersüchtig, eigenwillig und ehrgeizig; sie kämpfen, wenn es gilt, mit Klau und Schnabel, mit dem Liede, im Fluge, wie im Sitzen -- mit denselben Artgenossen, in deren Verein sie sich wochenlang
Die Knacker. Sperlingsvögel.
Federn ſind groß und verhältnißmäßig weich. Jhre Färbung iſt im allgemeinen nicht beſonders leb- haft; milde Farben ſind vorherrſchend. Zwar kommt und zumal bei einzelnen Familien das Gegen- theil vor; doch fehlen meiſt die ſogenannten metalliſchen, d. h. alle ſchimmernden Farben, oder ſie ſind höchſtens angedeutet; ſie treten nicht in der Stärke auf, wie Dies bei gewiſſen Mitgliedern anderer Ordnungen der Fall iſt. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich gewöhnlich, jedoch keineswegs ſtets durch das Kleid; das Männchen iſt im erſteren Falle der ſchönere Theil des Paares. Die Jun- gen ähneln der Mutter. Viele Arten ſind einer doppelten Mauſer unterworfen; nicht wenige aber wechſeln ihr Federkleid nur ein Mal im Jahre, obwohl ſie durch Abreibung düſterer Federränder und wahrſcheinlich auch durch Verfärbung der Federn ſelbſt zeitweilig in prächtigeren Farben prangen, als ſie ſolche außerdem zeigen.
Der innere Bau des Leibes und ſeiner Werkzeuge weicht wenig von dem allgemeinen Gepräge ab. Nur bei wenigen finden ſich hohle, luftführende Knochen; bei der größeren Anzahl beſchränken ſich die Höhlungen auf einzelne Theile des Gerippes, namentlich auf den Schädel. Die Zahl der Rippen ſtellt ſich regelmäßig auf acht Paare. An den Athmungswerkzeugen iſt, außer dem ſo- genannten Singmuskelapparat, welcher allen Sperlingsvögeln gemeinſam zu ſein ſcheint, nichts Ab- ſonderliches beobachtet worden; die Verdauungswerkzeuge kennzeichnen ſich durch eine hornige, vorn geſpaltene, borſtige oder faſrige, ſeitlich oft fein gezähnelte Zunge, die regelmäßig vorkommende Aus- buchtung der Speiſeröhre, welche oft zum wirklichen Kropfe wird, den langen, drüſenreichen Vorma- gen und dickwandigen Muskelmagen, die ſehr kleinen Blinddärme und andere weniger bedeutſame Merkmale.
Obwohl die Sperlingsvögel in vieler Hinſicht weit hinter den Papageien zurückſtehen, darf man ſie doch durchgehends als wohlbegabte Geſchöpfe betrachten. Sie ſind ziemlich bewegungsfähig, ſcharf- ſinnig und verſtändig. Jhr Flug iſt nicht ſo reißend, wie der kleiner Papageien, aber raſcher und leichter, als der größerer Arten dieſer Ordnung, ſelten ſchwirrend, gewöhnlich zuckend, wogend, vor dem Niederſetzen regelmäßig ſchwebend, in der Liebesbegeiſterung eigenthümlich aufwärts ſteigend. Der Gang iſt oft ſchreitend, in der Regel aber hüpfend; er läßt einzelne Arten täppiſch erſcheinen, nie- mals aber ſo unbeholfen, wie den watſchelnden Papagei. Viele Sperlingsvögel ſteigen geſchickt in dem Gezweig umher, nur wenige aber klettern nach Art der Sittiche, kein einziger, wie Spechte und andere Klettervögel, im eigentlichen Sinne des Worts. Dem Waſſer ſcheinen alle entſchieden abhold zu ſein; ſie lieben höchſtens ſeine Nähe, nicht aber die Wogen ſelbſt. Kein einziger iſt ein Schwim- mer oder Taucher, obwohl auch gewiß kein einziger ertrinkt, wenn er zufällig in das ihm unfreund- liche Element geräth.
Unter den Sinnen dürfte das Geſicht ausnahmslos als höchſtentwickelt angeſehen werden; nächſtdem ſcheinen namentlich Gehör und Gefühl wohl ausgebildet zu ſein. Der Geſchmack iſt zwar nicht in Abrede zu ſtellen, ſicherlich aber nicht von beſonderer Bedeutung; der Geruch iſt entſchieden ſchwach. Das geiſtige Weſen im engeren Sinne iſt unſerer vollſten Beachtung und Theilnahme werth. Alle Sperlingsvögel ſind kluge Geſchöpfe, auch trotz des Vorurtheils, welches den gefühls- reichen Gimpel brandmarken will. Jhr Verſtand kann unmöglich unterſchätzt werden, falls man ſich nur eingehender, als es zu geſchehen pflegt, mit ihnen beſchäftigen will. Die meiſten Sperlingsvögel ſind allerdings gutmüthige, vertrauensſelige Thiere — und Dies eben wird falſch beurtheilt —; ſie beweiſen aber, falls ſie Verfolgung erfahren müſſen, bald genug, daß Mangel an Verſtändniß ihnen nicht zugeſchrieben werden darf. Sie lernen ihre Feinde kennen und würdigen, Gefahren ausweichen, in verſchiedene Verhältniſſe ſich fügen; ſie ändern ihr Betragen nach den Umſtänden, je nach der Zeit, nach dem Ort, nach den Menſchen, nach Verhältniſſen, Ereigniſſen, Begebenheiten. Sie ſind groß in ihren Eigenſchaften und Leidenſchaften, geſellig, friedfertig, zärtlich oder zeitweilig wiederum ungeſellig, ſtreitluſtig, den ſonſt Geliebten gegenüber gleichgiltig; ſie ſind ſehr feurig in der Zeit ihrer Liebe, daher auch eiferſüchtig, eigenwillig und ehrgeizig; ſie kämpfen, wenn es gilt, mit Klau und Schnabel, mit dem Liede, im Fluge, wie im Sitzen — mit denſelben Artgenoſſen, in deren Verein ſie ſich wochenlang
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0102"n="84"/><fwplace="top"type="header">Die Knacker. Sperlingsvögel.</fw><lb/>
Federn ſind groß und verhältnißmäßig weich. Jhre Färbung iſt im allgemeinen nicht beſonders leb-<lb/>
haft; milde Farben ſind vorherrſchend. Zwar kommt und zumal bei einzelnen Familien das Gegen-<lb/>
theil vor; doch fehlen meiſt die ſogenannten metalliſchen, d. h. alle ſchimmernden Farben, oder ſie ſind<lb/>
höchſtens angedeutet; ſie treten nicht in der Stärke auf, wie Dies bei gewiſſen Mitgliedern anderer<lb/>
Ordnungen der Fall iſt. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich gewöhnlich, jedoch keineswegs<lb/>ſtets durch das Kleid; das Männchen iſt im erſteren Falle der ſchönere Theil des Paares. Die Jun-<lb/>
gen ähneln der Mutter. Viele Arten ſind einer doppelten Mauſer unterworfen; nicht wenige aber<lb/>
wechſeln ihr Federkleid nur ein Mal im Jahre, obwohl ſie durch Abreibung düſterer Federränder und<lb/>
wahrſcheinlich auch durch Verfärbung der Federn ſelbſt zeitweilig in prächtigeren Farben prangen, als<lb/>ſie ſolche außerdem zeigen.</p><lb/><p>Der innere Bau des Leibes und ſeiner Werkzeuge weicht wenig von dem allgemeinen Gepräge<lb/>
ab. Nur bei wenigen finden ſich hohle, luftführende Knochen; bei der größeren Anzahl beſchränken<lb/>ſich die Höhlungen auf einzelne Theile des Gerippes, namentlich auf den Schädel. Die Zahl der<lb/>
Rippen ſtellt ſich regelmäßig auf acht Paare. An den Athmungswerkzeugen iſt, außer dem ſo-<lb/>
genannten Singmuskelapparat, welcher allen Sperlingsvögeln gemeinſam zu ſein ſcheint, nichts Ab-<lb/>ſonderliches beobachtet worden; die Verdauungswerkzeuge kennzeichnen ſich durch eine hornige, vorn<lb/>
geſpaltene, borſtige oder faſrige, ſeitlich oft fein gezähnelte Zunge, die regelmäßig vorkommende Aus-<lb/>
buchtung der Speiſeröhre, welche oft zum wirklichen Kropfe wird, den langen, drüſenreichen Vorma-<lb/>
gen und dickwandigen Muskelmagen, die ſehr kleinen Blinddärme und andere weniger bedeutſame<lb/>
Merkmale.</p><lb/><p>Obwohl die Sperlingsvögel in vieler Hinſicht weit hinter den Papageien zurückſtehen, darf man<lb/>ſie doch durchgehends als wohlbegabte Geſchöpfe betrachten. Sie ſind ziemlich bewegungsfähig, ſcharf-<lb/>ſinnig und verſtändig. Jhr Flug iſt nicht ſo reißend, wie der kleiner Papageien, aber raſcher und<lb/>
leichter, als der größerer Arten dieſer Ordnung, ſelten ſchwirrend, gewöhnlich zuckend, wogend, vor<lb/>
dem Niederſetzen regelmäßig ſchwebend, in der Liebesbegeiſterung eigenthümlich aufwärts ſteigend.<lb/>
Der Gang iſt oft ſchreitend, in der Regel aber hüpfend; er läßt einzelne Arten täppiſch erſcheinen, nie-<lb/>
mals aber ſo unbeholfen, wie den watſchelnden Papagei. Viele Sperlingsvögel ſteigen geſchickt in<lb/>
dem Gezweig umher, nur wenige aber klettern nach Art der Sittiche, kein einziger, wie Spechte und<lb/>
andere Klettervögel, im eigentlichen Sinne des Worts. Dem Waſſer ſcheinen alle entſchieden abhold<lb/>
zu ſein; ſie lieben höchſtens ſeine Nähe, nicht aber die Wogen ſelbſt. Kein einziger iſt ein Schwim-<lb/>
mer oder Taucher, obwohl auch gewiß kein einziger ertrinkt, wenn er zufällig in das ihm unfreund-<lb/>
liche Element geräth.</p><lb/><p>Unter den Sinnen dürfte das Geſicht ausnahmslos als höchſtentwickelt angeſehen werden;<lb/>
nächſtdem ſcheinen namentlich Gehör und Gefühl wohl ausgebildet zu ſein. Der Geſchmack iſt zwar<lb/>
nicht in Abrede zu ſtellen, ſicherlich aber nicht von beſonderer Bedeutung; der Geruch iſt entſchieden<lb/>ſchwach. Das geiſtige Weſen im engeren Sinne iſt unſerer vollſten Beachtung und Theilnahme<lb/>
werth. Alle Sperlingsvögel ſind kluge Geſchöpfe, auch trotz des Vorurtheils, welches den gefühls-<lb/>
reichen <hirendition="#g">Gimpel</hi> brandmarken will. Jhr Verſtand kann unmöglich unterſchätzt werden, falls man ſich<lb/>
nur eingehender, als es zu geſchehen pflegt, mit ihnen beſchäftigen will. Die meiſten Sperlingsvögel<lb/>ſind allerdings gutmüthige, vertrauensſelige Thiere — und Dies eben wird falſch beurtheilt —; ſie<lb/>
beweiſen aber, falls ſie Verfolgung erfahren müſſen, bald genug, daß Mangel an Verſtändniß ihnen<lb/>
nicht zugeſchrieben werden darf. Sie lernen ihre Feinde kennen und würdigen, Gefahren ausweichen,<lb/>
in verſchiedene Verhältniſſe ſich fügen; ſie ändern ihr Betragen nach den Umſtänden, je nach der Zeit,<lb/>
nach dem Ort, nach den Menſchen, nach Verhältniſſen, Ereigniſſen, Begebenheiten. Sie ſind groß in<lb/>
ihren Eigenſchaften und Leidenſchaften, geſellig, friedfertig, zärtlich oder zeitweilig wiederum ungeſellig,<lb/>ſtreitluſtig, den ſonſt Geliebten gegenüber gleichgiltig; ſie ſind ſehr feurig in der Zeit ihrer Liebe, daher<lb/>
auch eiferſüchtig, eigenwillig und ehrgeizig; ſie kämpfen, wenn es gilt, mit Klau und Schnabel, mit<lb/>
dem Liede, im Fluge, wie im Sitzen — mit denſelben Artgenoſſen, in deren Verein ſie ſich wochenlang<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[84/0102]
Die Knacker. Sperlingsvögel.
Federn ſind groß und verhältnißmäßig weich. Jhre Färbung iſt im allgemeinen nicht beſonders leb-
haft; milde Farben ſind vorherrſchend. Zwar kommt und zumal bei einzelnen Familien das Gegen-
theil vor; doch fehlen meiſt die ſogenannten metalliſchen, d. h. alle ſchimmernden Farben, oder ſie ſind
höchſtens angedeutet; ſie treten nicht in der Stärke auf, wie Dies bei gewiſſen Mitgliedern anderer
Ordnungen der Fall iſt. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich gewöhnlich, jedoch keineswegs
ſtets durch das Kleid; das Männchen iſt im erſteren Falle der ſchönere Theil des Paares. Die Jun-
gen ähneln der Mutter. Viele Arten ſind einer doppelten Mauſer unterworfen; nicht wenige aber
wechſeln ihr Federkleid nur ein Mal im Jahre, obwohl ſie durch Abreibung düſterer Federränder und
wahrſcheinlich auch durch Verfärbung der Federn ſelbſt zeitweilig in prächtigeren Farben prangen, als
ſie ſolche außerdem zeigen.
Der innere Bau des Leibes und ſeiner Werkzeuge weicht wenig von dem allgemeinen Gepräge
ab. Nur bei wenigen finden ſich hohle, luftführende Knochen; bei der größeren Anzahl beſchränken
ſich die Höhlungen auf einzelne Theile des Gerippes, namentlich auf den Schädel. Die Zahl der
Rippen ſtellt ſich regelmäßig auf acht Paare. An den Athmungswerkzeugen iſt, außer dem ſo-
genannten Singmuskelapparat, welcher allen Sperlingsvögeln gemeinſam zu ſein ſcheint, nichts Ab-
ſonderliches beobachtet worden; die Verdauungswerkzeuge kennzeichnen ſich durch eine hornige, vorn
geſpaltene, borſtige oder faſrige, ſeitlich oft fein gezähnelte Zunge, die regelmäßig vorkommende Aus-
buchtung der Speiſeröhre, welche oft zum wirklichen Kropfe wird, den langen, drüſenreichen Vorma-
gen und dickwandigen Muskelmagen, die ſehr kleinen Blinddärme und andere weniger bedeutſame
Merkmale.
Obwohl die Sperlingsvögel in vieler Hinſicht weit hinter den Papageien zurückſtehen, darf man
ſie doch durchgehends als wohlbegabte Geſchöpfe betrachten. Sie ſind ziemlich bewegungsfähig, ſcharf-
ſinnig und verſtändig. Jhr Flug iſt nicht ſo reißend, wie der kleiner Papageien, aber raſcher und
leichter, als der größerer Arten dieſer Ordnung, ſelten ſchwirrend, gewöhnlich zuckend, wogend, vor
dem Niederſetzen regelmäßig ſchwebend, in der Liebesbegeiſterung eigenthümlich aufwärts ſteigend.
Der Gang iſt oft ſchreitend, in der Regel aber hüpfend; er läßt einzelne Arten täppiſch erſcheinen, nie-
mals aber ſo unbeholfen, wie den watſchelnden Papagei. Viele Sperlingsvögel ſteigen geſchickt in
dem Gezweig umher, nur wenige aber klettern nach Art der Sittiche, kein einziger, wie Spechte und
andere Klettervögel, im eigentlichen Sinne des Worts. Dem Waſſer ſcheinen alle entſchieden abhold
zu ſein; ſie lieben höchſtens ſeine Nähe, nicht aber die Wogen ſelbſt. Kein einziger iſt ein Schwim-
mer oder Taucher, obwohl auch gewiß kein einziger ertrinkt, wenn er zufällig in das ihm unfreund-
liche Element geräth.
Unter den Sinnen dürfte das Geſicht ausnahmslos als höchſtentwickelt angeſehen werden;
nächſtdem ſcheinen namentlich Gehör und Gefühl wohl ausgebildet zu ſein. Der Geſchmack iſt zwar
nicht in Abrede zu ſtellen, ſicherlich aber nicht von beſonderer Bedeutung; der Geruch iſt entſchieden
ſchwach. Das geiſtige Weſen im engeren Sinne iſt unſerer vollſten Beachtung und Theilnahme
werth. Alle Sperlingsvögel ſind kluge Geſchöpfe, auch trotz des Vorurtheils, welches den gefühls-
reichen Gimpel brandmarken will. Jhr Verſtand kann unmöglich unterſchätzt werden, falls man ſich
nur eingehender, als es zu geſchehen pflegt, mit ihnen beſchäftigen will. Die meiſten Sperlingsvögel
ſind allerdings gutmüthige, vertrauensſelige Thiere — und Dies eben wird falſch beurtheilt —; ſie
beweiſen aber, falls ſie Verfolgung erfahren müſſen, bald genug, daß Mangel an Verſtändniß ihnen
nicht zugeſchrieben werden darf. Sie lernen ihre Feinde kennen und würdigen, Gefahren ausweichen,
in verſchiedene Verhältniſſe ſich fügen; ſie ändern ihr Betragen nach den Umſtänden, je nach der Zeit,
nach dem Ort, nach den Menſchen, nach Verhältniſſen, Ereigniſſen, Begebenheiten. Sie ſind groß in
ihren Eigenſchaften und Leidenſchaften, geſellig, friedfertig, zärtlich oder zeitweilig wiederum ungeſellig,
ſtreitluſtig, den ſonſt Geliebten gegenüber gleichgiltig; ſie ſind ſehr feurig in der Zeit ihrer Liebe, daher
auch eiferſüchtig, eigenwillig und ehrgeizig; ſie kämpfen, wenn es gilt, mit Klau und Schnabel, mit
dem Liede, im Fluge, wie im Sitzen — mit denſelben Artgenoſſen, in deren Verein ſie ſich wochenlang
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/102>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.