Von dem "Jllustrirten Thierleben" von Dr. Brehm, Direktor des Hamburger zoologischen Gartens, ist jetzt der erste Band beendigt. Jch empfinde fast ein Bißchen Neid, wenn ich den stattlichen Band mit den vielen vortrefflichen Holzschnitten durchblättere -- ich möchte das Buch selber geschrieben haben! Aber ich unterdrücke den Neid und lese, betrachte, vergleiche -- und stets nehme ich den Band mit neuem Vergnügen zur Hand und lege ihn nie ohne Gewinn zur Seite. Bis jetzt sind uns nur die Affen und Halbaffen, die Flatterthiere und Raubthiere in mehr als fiebenhundert Seiten geschildert, diese aber auch mit einer Treue und Ausführlichkeit, mit einer Klarheit und Präcision, welche nichts zu wünschen übrig lassen.
Brehm hat den Schwerpunkt seiner Arbeit in das Leben und Treiben der Thiere gelegt. Die Beschreibun- gen der äußeren Form und des inneren Baues nehmen den geringeren Raum ein -- aber die kleinsten Aeußerun- gen des geistigen Lebens, das Verhalten bei Tag und bei Nacht, in allen Zuständen, welche das Thierleben bieten kann, sind um so ausführlicher dargelegt, um so heller beleuchtet. Wo der Verfasser selbst gesehen und beobachtet hat (und er hat die alte Welt vom tropischen Afrika bis zum Gürtel des Polarkreises durchstreift), wird die Dar- stellung mit seltener Frische anschaulich und plastisch; wo er das Thier im wilden Zustande nicht hat beobachten können, ruft er seine reiche Erfahrung aus Thiergärten und Menagerien zu Hülfe; wo auch dieses nicht aus- reicht, greift er zu den rechten Quellen, die bei jagenden und reisenden Naturforschern, nicht bei bälgebeflissenen Museumshockern sprudeln. Der Styl ist einfach, faßlich, entbehrt aber weder des Kolorits hübscher Wendun- gen, noch saftiger Würzen und zuweilen selbst prikelnder Beigaben, die zu weiterem Genusse reizen.
Ganz besonders muß ich noch der meist ausgezeichneten Holzschnitte erwähnen. Die Stellungen sind vor- trefflich, dem Leben abgelauscht und doch so gewählt, daß die charakteristischen Kennzeichen lebhaft und unge- zwungen hervortreten; die Ausführung meist markig, Schatten und Licht wohl gewahrt und die ganze Behand- lung so, daß man aus dem Schwarzen die Farbe erräth. Die größeren bildlichen Gruppen, die ein ganzes Blatt einnehmen, sind meist künstlerisch zusammengestellt und die landschaftliche Staffage mit Treue und Sorg- falt ausgewählt und harmonisch der Thiergruppe angefügt. Brehm mag sich glücklich schätzen, zwei in ihrem Fache so vortreffliche Zeichner wie Kretschmer und Zimmermann als Mitarbeiter seines verdienstlichen, schönen Werkes gewonnen zu haben. Professor Karl Vogt in Genf.
[Leipziger Jllustrirte Zeitung.] Das Werk ist in aller Hände und so vielfältig besprochen, wie kein an- deres naturwissenschaftliches seit Oken's jetzt veralteter, aber für ihre Zeit vortreffliche Naturgeschichte. Noch etwas neues über Brehm's Werke zu sagen, ist schwer. Der Fachmann hat den echt wissenschaftlichen Geist und die durchgeführte Methode, der Gebildete im Allgemeinen die Klarheit, den Reichthum, die unwiderstehliche An- ziehungskraft desselben anerkannt. Es ist nicht eben schwer, über einen herausgerissenen, wissenschaftlichen Ge- genstand eine anziehende Vorlesung zu halten oder eine gute Abhandlung zu schreiben, aber ein ganzes, großes, wissenschaftliches Feld mit systematischer Treue und doch interessant darzustellen, das gelingt nur Wenigen. Brehm ist Meister in der Beobachtung des lebendigen Thieres, und wahrlich, sein Auge hat viel gesehen. Aber ob- gleich er sich einen Bürger dreier Erdtheile nennen kann, konnte er freilich nicht Alles selbst beobachten. Doch auch diese Lücken weiß er trefflich auszufüllen; er besitzt ein außerordentliches Talent, aus dem massenhaft von Reisen- den und Forschern angesammelten Material das Beste auszusuchen, und fast in jedem seiner Thierbilder haben wir eine Geschichte der Kunde der bezüglichen Thierart. Welche Arbeit, nur dieses ungeheure Material zusam- menzubringen, dann die Spreu vom Kern zu trennen und nun den letztern zu angenehmer, kräftiger Kost um- zuarbeiten! Wäre Brehm selbst kein Beobachter, hätte er nur wie einst der Verfasser der populärsten englischen Naturgeschichte, Goldsmith, kritisch compilirt, er hätte schon ein außerordentliches Verdienst um die Zoologie sich erworben. Allein wohl die Hälfte des Ganzen ist Brehm's eigenste Geistesarbeit, darum schätzen wir das Werk nicht nur, sondern auch den Mann, der es geschaffen. Die Jllustrationen, deren übrigens solche Tertes- schilderungen kaum bedürften, sind vortrefflich; fast ohne Ausnahme wurden sie nach dem Leben gezeichnet und häufig gibt uns Brehm die erste gute Abbildung des betreffenden Thieres. Das Werk hat, so viel wir wissen, seinen Weg durch die gebildete Welt schon gemacht, dieses brauchen wir ihm nicht mehr zu wünschen, wohl aber wünschen wir dem Verfasser und der großen Leserzahl, daß jenem seine jetzige Stellung in Hamburg die Muse und den frischen Muth bewahren möchte, um in bisheriger Weise fortzuarbeiten, bis das große schöne Werk glücklich seinem Ende zugeführt ist.
Von dem „Jlluſtrirten Thierleben‟ von Dr. Brehm, Direktor des Hamburger zoologiſchen Gartens, iſt jetzt der erſte Band beendigt. Jch empfinde faſt ein Bißchen Neid, wenn ich den ſtattlichen Band mit den vielen vortrefflichen Holzſchnitten durchblättere — ich möchte das Buch ſelber geſchrieben haben! Aber ich unterdrücke den Neid und leſe, betrachte, vergleiche — und ſtets nehme ich den Band mit neuem Vergnügen zur Hand und lege ihn nie ohne Gewinn zur Seite. Bis jetzt ſind uns nur die Affen und Halbaffen, die Flatterthiere und Raubthiere in mehr als fiebenhundert Seiten geſchildert, dieſe aber auch mit einer Treue und Ausführlichkeit, mit einer Klarheit und Präciſion, welche nichts zu wünſchen übrig laſſen.
Brehm hat den Schwerpunkt ſeiner Arbeit in das Leben und Treiben der Thiere gelegt. Die Beſchreibun- gen der äußeren Form und des inneren Baues nehmen den geringeren Raum ein — aber die kleinſten Aeußerun- gen des geiſtigen Lebens, das Verhalten bei Tag und bei Nacht, in allen Zuſtänden, welche das Thierleben bieten kann, ſind um ſo ausführlicher dargelegt, um ſo heller beleuchtet. Wo der Verfaſſer ſelbſt geſehen und beobachtet hat (und er hat die alte Welt vom tropiſchen Afrika bis zum Gürtel des Polarkreiſes durchſtreift), wird die Dar- ſtellung mit ſeltener Friſche anſchaulich und plaſtiſch; wo er das Thier im wilden Zuſtande nicht hat beobachten können, ruft er ſeine reiche Erfahrung aus Thiergärten und Menagerien zu Hülfe; wo auch dieſes nicht aus- reicht, greift er zu den rechten Quellen, die bei jagenden und reiſenden Naturforſchern, nicht bei bälgebefliſſenen Muſeumshockern ſprudeln. Der Styl iſt einfach, faßlich, entbehrt aber weder des Kolorits hübſcher Wendun- gen, noch ſaftiger Würzen und zuweilen ſelbſt prikelnder Beigaben, die zu weiterem Genuſſe reizen.
Ganz beſonders muß ich noch der meiſt ausgezeichneten Holzſchnitte erwähnen. Die Stellungen ſind vor- trefflich, dem Leben abgelauſcht und doch ſo gewählt, daß die charakteriſtiſchen Kennzeichen lebhaft und unge- zwungen hervortreten; die Ausführung meiſt markig, Schatten und Licht wohl gewahrt und die ganze Behand- lung ſo, daß man aus dem Schwarzen die Farbe erräth. Die größeren bildlichen Gruppen, die ein ganzes Blatt einnehmen, ſind meiſt künſtleriſch zuſammengeſtellt und die landſchaftliche Staffage mit Treue und Sorg- falt ausgewählt und harmoniſch der Thiergruppe angefügt. Brehm mag ſich glücklich ſchätzen, zwei in ihrem Fache ſo vortreffliche Zeichner wie Kretſchmer und Zimmermann als Mitarbeiter ſeines verdienſtlichen, ſchönen Werkes gewonnen zu haben. Profeſſor Karl Vogt in Genf.
[Leipziger Jlluſtrirte Zeitung.] Das Werk iſt in aller Hände und ſo vielfältig beſprochen, wie kein an- deres naturwiſſenſchaftliches ſeit Oken’s jetzt veralteter, aber für ihre Zeit vortreffliche Naturgeſchichte. Noch etwas neues über Brehm’s Werke zu ſagen, iſt ſchwer. Der Fachmann hat den echt wiſſenſchaftlichen Geiſt und die durchgeführte Methode, der Gebildete im Allgemeinen die Klarheit, den Reichthum, die unwiderſtehliche An- ziehungskraft deſſelben anerkannt. Es iſt nicht eben ſchwer, über einen herausgeriſſenen, wiſſenſchaftlichen Ge- genſtand eine anziehende Vorleſung zu halten oder eine gute Abhandlung zu ſchreiben, aber ein ganzes, großes, wiſſenſchaftliches Feld mit ſyſtematiſcher Treue und doch intereſſant darzuſtellen, das gelingt nur Wenigen. Brehm iſt Meiſter in der Beobachtung des lebendigen Thieres, und wahrlich, ſein Auge hat viel geſehen. Aber ob- gleich er ſich einen Bürger dreier Erdtheile nennen kann, konnte er freilich nicht Alles ſelbſt beobachten. Doch auch dieſe Lücken weiß er trefflich auszufüllen; er beſitzt ein außerordentliches Talent, aus dem maſſenhaft von Reiſen- den und Forſchern angeſammelten Material das Beſte auszuſuchen, und faſt in jedem ſeiner Thierbilder haben wir eine Geſchichte der Kunde der bezüglichen Thierart. Welche Arbeit, nur dieſes ungeheure Material zuſam- menzubringen, dann die Spreu vom Kern zu trennen und nun den letztern zu angenehmer, kräftiger Koſt um- zuarbeiten! Wäre Brehm ſelbſt kein Beobachter, hätte er nur wie einſt der Verfaſſer der populärſten engliſchen Naturgeſchichte, Goldſmith, kritiſch compilirt, er hätte ſchon ein außerordentliches Verdienſt um die Zoologie ſich erworben. Allein wohl die Hälfte des Ganzen iſt Brehm’s eigenſte Geiſtesarbeit, darum ſchätzen wir das Werk nicht nur, ſondern auch den Mann, der es geſchaffen. Die Jlluſtrationen, deren übrigens ſolche Tertes- ſchilderungen kaum bedürften, ſind vortrefflich; faſt ohne Ausnahme wurden ſie nach dem Leben gezeichnet und häufig gibt uns Brehm die erſte gute Abbildung des betreffenden Thieres. Das Werk hat, ſo viel wir wiſſen, ſeinen Weg durch die gebildete Welt ſchon gemacht, dieſes brauchen wir ihm nicht mehr zu wünſchen, wohl aber wünſchen wir dem Verfaſſer und der großen Leſerzahl, daß jenem ſeine jetzige Stellung in Hamburg die Muſe und den friſchen Muth bewahren möchte, um in bisheriger Weiſe fortzuarbeiten, bis das große ſchöne Werk glücklich ſeinem Ende zugeführt iſt.
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vortrefflichen Holzſchnitten durchblättere — ich möchte das Buch ſelber geſchrieben haben! Aber ich unterdrücke
den Neid und leſe, betrachte, vergleiche — und ſtets nehme ich den Band mit neuem Vergnügen zur Hand und
lege ihn nie ohne Gewinn zur Seite. Bis jetzt ſind uns nur die Affen und Halbaffen, die Flatterthiere und
Raubthiere in mehr als fiebenhundert Seiten geſchildert, dieſe aber auch mit einer Treue und Ausführlichkeit,
mit einer Klarheit und Präciſion, welche nichts zu wünſchen übrig laſſen.
Brehm hat den Schwerpunkt ſeiner Arbeit in das Leben und Treiben der Thiere gelegt. Die Beſchreibun-
gen der äußeren Form und des inneren Baues nehmen den geringeren Raum ein — aber die kleinſten Aeußerun-
gen des geiſtigen Lebens, das Verhalten bei Tag und bei Nacht, in allen Zuſtänden, welche das Thierleben bieten
kann, ſind um ſo ausführlicher dargelegt, um ſo heller beleuchtet. Wo der Verfaſſer ſelbſt geſehen und beobachtet
hat (und er hat die alte Welt vom tropiſchen Afrika bis zum Gürtel des Polarkreiſes durchſtreift), wird die Dar-
ſtellung mit ſeltener Friſche anſchaulich und plaſtiſch; wo er das Thier im wilden Zuſtande nicht hat beobachten
können, ruft er ſeine reiche Erfahrung aus Thiergärten und Menagerien zu Hülfe; wo auch dieſes nicht aus-
reicht, greift er zu den rechten Quellen, die bei jagenden und reiſenden Naturforſchern, nicht bei bälgebefliſſenen
Muſeumshockern ſprudeln. Der Styl iſt einfach, faßlich, entbehrt aber weder des Kolorits hübſcher Wendun-
gen, noch ſaftiger Würzen und zuweilen ſelbſt prikelnder Beigaben, die zu weiterem Genuſſe reizen.
Ganz beſonders muß ich noch der meiſt ausgezeichneten Holzſchnitte erwähnen. Die Stellungen ſind vor-
trefflich, dem Leben abgelauſcht und doch ſo gewählt, daß die charakteriſtiſchen Kennzeichen lebhaft und unge-
zwungen hervortreten; die Ausführung meiſt markig, Schatten und Licht wohl gewahrt und die ganze Behand-
lung ſo, daß man aus dem Schwarzen die Farbe erräth. Die größeren bildlichen Gruppen, die ein ganzes
Blatt einnehmen, ſind meiſt künſtleriſch zuſammengeſtellt und die landſchaftliche Staffage mit Treue und Sorg-
falt ausgewählt und harmoniſch der Thiergruppe angefügt. Brehm mag ſich glücklich ſchätzen, zwei in ihrem
Fache ſo vortreffliche Zeichner wie Kretſchmer und Zimmermann als Mitarbeiter ſeines verdienſtlichen, ſchönen
Werkes gewonnen zu haben. Profeſſor Karl Vogt in Genf.
[Leipziger Jlluſtrirte Zeitung.] Das Werk iſt in aller Hände und ſo vielfältig beſprochen, wie kein an-
deres naturwiſſenſchaftliches ſeit Oken’s jetzt veralteter, aber für ihre Zeit vortreffliche Naturgeſchichte. Noch
etwas neues über Brehm’s Werke zu ſagen, iſt ſchwer. Der Fachmann hat den echt wiſſenſchaftlichen Geiſt und
die durchgeführte Methode, der Gebildete im Allgemeinen die Klarheit, den Reichthum, die unwiderſtehliche An-
ziehungskraft deſſelben anerkannt. Es iſt nicht eben ſchwer, über einen herausgeriſſenen, wiſſenſchaftlichen Ge-
genſtand eine anziehende Vorleſung zu halten oder eine gute Abhandlung zu ſchreiben, aber ein ganzes, großes,
wiſſenſchaftliches Feld mit ſyſtematiſcher Treue und doch intereſſant darzuſtellen, das gelingt nur Wenigen.
Brehm iſt Meiſter in der Beobachtung des lebendigen Thieres, und wahrlich, ſein Auge hat viel geſehen. Aber ob-
gleich er ſich einen Bürger dreier Erdtheile nennen kann, konnte er freilich nicht Alles ſelbſt beobachten. Doch auch
dieſe Lücken weiß er trefflich auszufüllen; er beſitzt ein außerordentliches Talent, aus dem maſſenhaft von Reiſen-
den und Forſchern angeſammelten Material das Beſte auszuſuchen, und faſt in jedem ſeiner Thierbilder haben
wir eine Geſchichte der Kunde der bezüglichen Thierart. Welche Arbeit, nur dieſes ungeheure Material zuſam-
menzubringen, dann die Spreu vom Kern zu trennen und nun den letztern zu angenehmer, kräftiger Koſt um-
zuarbeiten! Wäre Brehm ſelbſt kein Beobachter, hätte er nur wie einſt der Verfaſſer der populärſten engliſchen
Naturgeſchichte, Goldſmith, kritiſch compilirt, er hätte ſchon ein außerordentliches Verdienſt um die Zoologie
ſich erworben. Allein wohl die Hälfte des Ganzen iſt Brehm’s eigenſte Geiſtesarbeit, darum ſchätzen wir das
Werk nicht nur, ſondern auch den Mann, der es geſchaffen. Die Jlluſtrationen, deren übrigens ſolche Tertes-
ſchilderungen kaum bedürften, ſind vortrefflich; faſt ohne Ausnahme wurden ſie nach dem Leben gezeichnet und
häufig gibt uns Brehm die erſte gute Abbildung des betreffenden Thieres. Das Werk hat, ſo viel wir wiſſen,
ſeinen Weg durch die gebildete Welt ſchon gemacht, dieſes brauchen wir ihm nicht mehr zu wünſchen, wohl aber
wünſchen wir dem Verfaſſer und der großen Leſerzahl, daß jenem ſeine jetzige Stellung in Hamburg die Muſe
und den friſchen Muth bewahren möchte, um in bisheriger Weiſe fortzuarbeiten, bis das große ſchöne Werk
glücklich ſeinem Ende zugeführt iſt.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/956>, abgerufen am 23.11.2024.
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