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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Pottfisch.
Säuger die ihm gebührende Stellung einzuräumen. Die Betrachtung und Vergleichung des ge-
sammten
Leibesbaues allein berechtigt den Forscher zur Trennung oder Vereinigung eines Geschöpfes
mit anderen ähnlichen, und wenn wir diese Grundsätze festhalten, bleiben wir wohl kaum lange im
Zweifel, was wir aus dem Pottfisch zu machen haben: er zeigt soviel wesentliche Eigenthümlichkeiten,
daß er nur für sich allein betrachtet werden kann.

Freilich kann man wieder einwenden, daß wir den Pottfisch selbst noch gar nicht kennen. Bis
heutigen Tages sind die Meinungen auch in anderer Hinsicht über ihn getheilt. Viele Forscher nah-
men und nehmen noch gegenwärtig mehrere Pottfische an, die Anderen vereinigen alle, welche
aufgestellt wurden, zu einer einzigen Art. Die Untersuchung dieser Thiere hat ihre großen Schwie-
rigkeiten und hindert, wie Pöppig treffend bemerkt, eine richtige Auffassung der Gestalt. "Ge-
legenheit zur richtigen Betrachtung bieten sie selten, und nur dann, wenn Stürme einen solchen
Koloß zum Stranden an den europäischen Küsten gebracht haben; niemals aber können die erlang-
ten Ergebnisse der Wahrheit ganz entsprechen, niemals kann das Gesammtbild des Thieres von dem
Zeichner treu wiedergegeben werden, weil die ungeheure Körpermasse durch ihr eigenes Gewicht
zusammensinkt, theils auch im Sande vergraben ist. Jm Wasser ruhig liegende Pottfische bekommt
nur der Walfischfänger zu sehen, wenn ihm das Jagdglück günstig sein sollte; allein er hat dann
Wichtigeres zu thun, als zu zeichnen. Aus diesem Grunde erklärt es sich, warum es noch keine
ganz zuverlässige Abbildung gibt, und warum die mit urtheilsfähigem Auge entworfenen Zeich-
nungen fehlen, ohne welche der Thierkundige sich umsonst abmüht, die hinsichtlich der Pottwale
herrschende Verwirrung zu beseitigen. Man vermag nicht einmal zu entscheiden, ob zwischen den
Pottwalen der hochnordischen und südlichen Meere zur Arttrennung berechtigende Verschiedenheit
herrscht. Beide Cuvier's sind geneigt, eine solche zu bezweifeln, Bennett hingegen und ebenso
mancher andere Thierkundige wollen den Pottfisch der Südsee als eigene Art abtrennen." Das Eine
ist sicher: hinsichtlich der Lebensweise und Gewohnheiten ähneln sich alle Pottfische der Erde voll-
ständig, und so genügt es uns, wenn wir das Bekannte zusammenstellen.

Der Pottwal steht hinsichtlich seiner Größe kaum oder nicht hinter dem Walfisch zurück;
erwachsene Männchen sollen 60 bis 70 Fuß lang werden und einen Leibesumfang von 38 Fuß
erreichen; die Weibchen dagegen sollen blos halb so groß werden. Jm Verhältniß zu dieser Größe
ist die Brustfinne sehr klein. Bei einem 60 Fuß langen Männchen war sie nur 3 Fuß lang und
2 Fuß breit; die Schwanzfinne dagegen hatte eine Breite von 19 Fuß. Beide Geschlechter ähneln
sich; doch wollen einige Walfischfänger einen Unterschied in der Form der Schnauze gefunden
haben: sie behaupten, daß diese bei weiblichen Thieren gerade abgestutzt, bei männlichen aber mehr
gewölbt sei.

Man kann den Pottfisch das ungeschlachtetste aller Thiere nennen. Der überaus lange,
breite, fast viereckige Kopf ist von der Höhe und Breite wie der Leib und geht ohne merkliche Ab-
grenzung in diesen über. Der Leib ist walzenförmig, in den beiden vorderen Dritteln sehr dick,
von da an bis zum Schwanz verschmächtigt; vorn ist er eben und abgeflacht, im letzten Drittel
aber gerundet. Hier erhebt sich eine niedere, höckerartige, schwielige, unbewegliche Fettflosse,
welche hinten wie abgeschnitten erscheint und nach vorn zu allmählich in den Leib übergeht. Die
kurzen, breiten, dicken Brustflossen stehen gleich hinter dem Auge und zeigen auf ihrer Oberseite fünf
Längsfalten, welche den Fingern entsprechen; auf der Unterseite sind sie glatt. Die Schwanzfinne
ist tief eingeschnitten und zweilappig, in der Jugend am Rande gekerbt, im Alter glatt. Kleine,
höckerartige Erhöhungen laufen vom Ende der Fettflosse an bis zur Schwanzfinne herab. Beim
Weibchen liegen zwei Zitzen in der Nabelgegend. Der Oberkopf stutzt sich vorn senkrecht ab. Das
Spritzloch, eine Sförmig gebogene Spalte von 8 bis 10 Zoll Länge, liegt, abweichend von an-
deren Thieren, am Schnauzenrande, wie die Nase der meisten übrigen Säugethiere. Die kleinen
Augen sind sehr weit nach rückwärts gestellt, die Lider wimperlos. Die Ohren liegen etwas un-
terhalb des Auges und öffnen sich durch eine kleine Längsspalte. Der Mund ist groß; der Kiefer

Der Pottfiſch.
Säuger die ihm gebührende Stellung einzuräumen. Die Betrachtung und Vergleichung des ge-
ſammten
Leibesbaues allein berechtigt den Forſcher zur Trennung oder Vereinigung eines Geſchöpfes
mit anderen ähnlichen, und wenn wir dieſe Grundſätze feſthalten, bleiben wir wohl kaum lange im
Zweifel, was wir aus dem Pottfiſch zu machen haben: er zeigt ſoviel weſentliche Eigenthümlichkeiten,
daß er nur für ſich allein betrachtet werden kann.

Freilich kann man wieder einwenden, daß wir den Pottfiſch ſelbſt noch gar nicht kennen. Bis
heutigen Tages ſind die Meinungen auch in anderer Hinſicht über ihn getheilt. Viele Forſcher nah-
men und nehmen noch gegenwärtig mehrere Pottfiſche an, die Anderen vereinigen alle, welche
aufgeſtellt wurden, zu einer einzigen Art. Die Unterſuchung dieſer Thiere hat ihre großen Schwie-
rigkeiten und hindert, wie Pöppig treffend bemerkt, eine richtige Auffaſſung der Geſtalt. „Ge-
legenheit zur richtigen Betrachtung bieten ſie ſelten, und nur dann, wenn Stürme einen ſolchen
Koloß zum Stranden an den europäiſchen Küſten gebracht haben; niemals aber können die erlang-
ten Ergebniſſe der Wahrheit ganz entſprechen, niemals kann das Geſammtbild des Thieres von dem
Zeichner treu wiedergegeben werden, weil die ungeheure Körpermaſſe durch ihr eigenes Gewicht
zuſammenſinkt, theils auch im Sande vergraben iſt. Jm Waſſer ruhig liegende Pottfiſche bekommt
nur der Walfiſchfänger zu ſehen, wenn ihm das Jagdglück günſtig ſein ſollte; allein er hat dann
Wichtigeres zu thun, als zu zeichnen. Aus dieſem Grunde erklärt es ſich, warum es noch keine
ganz zuverläſſige Abbildung gibt, und warum die mit urtheilsfähigem Auge entworfenen Zeich-
nungen fehlen, ohne welche der Thierkundige ſich umſonſt abmüht, die hinſichtlich der Pottwale
herrſchende Verwirrung zu beſeitigen. Man vermag nicht einmal zu entſcheiden, ob zwiſchen den
Pottwalen der hochnordiſchen und ſüdlichen Meere zur Arttrennung berechtigende Verſchiedenheit
herrſcht. Beide Cuvier’s ſind geneigt, eine ſolche zu bezweifeln, Bennett hingegen und ebenſo
mancher andere Thierkundige wollen den Pottfiſch der Südſee als eigene Art abtrennen.‟ Das Eine
iſt ſicher: hinſichtlich der Lebensweiſe und Gewohnheiten ähneln ſich alle Pottfiſche der Erde voll-
ſtändig, und ſo genügt es uns, wenn wir das Bekannte zuſammenſtellen.

Der Pottwal ſteht hinſichtlich ſeiner Größe kaum oder nicht hinter dem Walfiſch zurück;
erwachſene Männchen ſollen 60 bis 70 Fuß lang werden und einen Leibesumfang von 38 Fuß
erreichen; die Weibchen dagegen ſollen blos halb ſo groß werden. Jm Verhältniß zu dieſer Größe
iſt die Bruſtfinne ſehr klein. Bei einem 60 Fuß langen Männchen war ſie nur 3 Fuß lang und
2 Fuß breit; die Schwanzfinne dagegen hatte eine Breite von 19 Fuß. Beide Geſchlechter ähneln
ſich; doch wollen einige Walfiſchfänger einen Unterſchied in der Form der Schnauze gefunden
haben: ſie behaupten, daß dieſe bei weiblichen Thieren gerade abgeſtutzt, bei männlichen aber mehr
gewölbt ſei.

Man kann den Pottfiſch das ungeſchlachtetſte aller Thiere nennen. Der überaus lange,
breite, faſt viereckige Kopf iſt von der Höhe und Breite wie der Leib und geht ohne merkliche Ab-
grenzung in dieſen über. Der Leib iſt walzenförmig, in den beiden vorderen Dritteln ſehr dick,
von da an bis zum Schwanz verſchmächtigt; vorn iſt er eben und abgeflacht, im letzten Drittel
aber gerundet. Hier erhebt ſich eine niedere, höckerartige, ſchwielige, unbewegliche Fettfloſſe,
welche hinten wie abgeſchnitten erſcheint und nach vorn zu allmählich in den Leib übergeht. Die
kurzen, breiten, dicken Bruſtfloſſen ſtehen gleich hinter dem Auge und zeigen auf ihrer Oberſeite fünf
Längsfalten, welche den Fingern entſprechen; auf der Unterſeite ſind ſie glatt. Die Schwanzfinne
iſt tief eingeſchnitten und zweilappig, in der Jugend am Rande gekerbt, im Alter glatt. Kleine,
höckerartige Erhöhungen laufen vom Ende der Fettfloſſe an bis zur Schwanzfinne herab. Beim
Weibchen liegen zwei Zitzen in der Nabelgegend. Der Oberkopf ſtutzt ſich vorn ſenkrecht ab. Das
Spritzloch, eine Sförmig gebogene Spalte von 8 bis 10 Zoll Länge, liegt, abweichend von an-
deren Thieren, am Schnauzenrande, wie die Naſe der meiſten übrigen Säugethiere. Die kleinen
Augen ſind ſehr weit nach rückwärts geſtellt, die Lider wimperlos. Die Ohren liegen etwas un-
terhalb des Auges und öffnen ſich durch eine kleine Längsſpalte. Der Mund iſt groß; der Kiefer

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[856/0904] Der Pottfiſch. Säuger die ihm gebührende Stellung einzuräumen. Die Betrachtung und Vergleichung des ge- ſammten Leibesbaues allein berechtigt den Forſcher zur Trennung oder Vereinigung eines Geſchöpfes mit anderen ähnlichen, und wenn wir dieſe Grundſätze feſthalten, bleiben wir wohl kaum lange im Zweifel, was wir aus dem Pottfiſch zu machen haben: er zeigt ſoviel weſentliche Eigenthümlichkeiten, daß er nur für ſich allein betrachtet werden kann. Freilich kann man wieder einwenden, daß wir den Pottfiſch ſelbſt noch gar nicht kennen. Bis heutigen Tages ſind die Meinungen auch in anderer Hinſicht über ihn getheilt. Viele Forſcher nah- men und nehmen noch gegenwärtig mehrere Pottfiſche an, die Anderen vereinigen alle, welche aufgeſtellt wurden, zu einer einzigen Art. Die Unterſuchung dieſer Thiere hat ihre großen Schwie- rigkeiten und hindert, wie Pöppig treffend bemerkt, eine richtige Auffaſſung der Geſtalt. „Ge- legenheit zur richtigen Betrachtung bieten ſie ſelten, und nur dann, wenn Stürme einen ſolchen Koloß zum Stranden an den europäiſchen Küſten gebracht haben; niemals aber können die erlang- ten Ergebniſſe der Wahrheit ganz entſprechen, niemals kann das Geſammtbild des Thieres von dem Zeichner treu wiedergegeben werden, weil die ungeheure Körpermaſſe durch ihr eigenes Gewicht zuſammenſinkt, theils auch im Sande vergraben iſt. Jm Waſſer ruhig liegende Pottfiſche bekommt nur der Walfiſchfänger zu ſehen, wenn ihm das Jagdglück günſtig ſein ſollte; allein er hat dann Wichtigeres zu thun, als zu zeichnen. Aus dieſem Grunde erklärt es ſich, warum es noch keine ganz zuverläſſige Abbildung gibt, und warum die mit urtheilsfähigem Auge entworfenen Zeich- nungen fehlen, ohne welche der Thierkundige ſich umſonſt abmüht, die hinſichtlich der Pottwale herrſchende Verwirrung zu beſeitigen. Man vermag nicht einmal zu entſcheiden, ob zwiſchen den Pottwalen der hochnordiſchen und ſüdlichen Meere zur Arttrennung berechtigende Verſchiedenheit herrſcht. Beide Cuvier’s ſind geneigt, eine ſolche zu bezweifeln, Bennett hingegen und ebenſo mancher andere Thierkundige wollen den Pottfiſch der Südſee als eigene Art abtrennen.‟ Das Eine iſt ſicher: hinſichtlich der Lebensweiſe und Gewohnheiten ähneln ſich alle Pottfiſche der Erde voll- ſtändig, und ſo genügt es uns, wenn wir das Bekannte zuſammenſtellen. Der Pottwal ſteht hinſichtlich ſeiner Größe kaum oder nicht hinter dem Walfiſch zurück; erwachſene Männchen ſollen 60 bis 70 Fuß lang werden und einen Leibesumfang von 38 Fuß erreichen; die Weibchen dagegen ſollen blos halb ſo groß werden. Jm Verhältniß zu dieſer Größe iſt die Bruſtfinne ſehr klein. Bei einem 60 Fuß langen Männchen war ſie nur 3 Fuß lang und 2 Fuß breit; die Schwanzfinne dagegen hatte eine Breite von 19 Fuß. Beide Geſchlechter ähneln ſich; doch wollen einige Walfiſchfänger einen Unterſchied in der Form der Schnauze gefunden haben: ſie behaupten, daß dieſe bei weiblichen Thieren gerade abgeſtutzt, bei männlichen aber mehr gewölbt ſei. Man kann den Pottfiſch das ungeſchlachtetſte aller Thiere nennen. Der überaus lange, breite, faſt viereckige Kopf iſt von der Höhe und Breite wie der Leib und geht ohne merkliche Ab- grenzung in dieſen über. Der Leib iſt walzenförmig, in den beiden vorderen Dritteln ſehr dick, von da an bis zum Schwanz verſchmächtigt; vorn iſt er eben und abgeflacht, im letzten Drittel aber gerundet. Hier erhebt ſich eine niedere, höckerartige, ſchwielige, unbewegliche Fettfloſſe, welche hinten wie abgeſchnitten erſcheint und nach vorn zu allmählich in den Leib übergeht. Die kurzen, breiten, dicken Bruſtfloſſen ſtehen gleich hinter dem Auge und zeigen auf ihrer Oberſeite fünf Längsfalten, welche den Fingern entſprechen; auf der Unterſeite ſind ſie glatt. Die Schwanzfinne iſt tief eingeſchnitten und zweilappig, in der Jugend am Rande gekerbt, im Alter glatt. Kleine, höckerartige Erhöhungen laufen vom Ende der Fettfloſſe an bis zur Schwanzfinne herab. Beim Weibchen liegen zwei Zitzen in der Nabelgegend. Der Oberkopf ſtutzt ſich vorn ſenkrecht ab. Das Spritzloch, eine Sförmig gebogene Spalte von 8 bis 10 Zoll Länge, liegt, abweichend von an- deren Thieren, am Schnauzenrande, wie die Naſe der meiſten übrigen Säugethiere. Die kleinen Augen ſind ſehr weit nach rückwärts geſtellt, die Lider wimperlos. Die Ohren liegen etwas un- terhalb des Auges und öffnen ſich durch eine kleine Längsſpalte. Der Mund iſt groß; der Kiefer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 856. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/904>, abgerufen am 23.11.2024.