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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Delfine. -- Die Bote.
vernahmen wir mit Ueberraschung einen sonderbaren Lärm. Wir schlugen an die Büsche und da kam
ein Schwarm vier Fuß langer Toninas zum Vorschein und umgab unser Fahrzeug. Die Thiere
waren unter den Aesten eines Baumes versteckt gewesen. Sie machten sich durch den Wald davon
und warfen dabei die Wasserstrahlen, nach denen sie in allen Sprachen Blaß- oder Spritzfische heißen.
Ein sonderbarer Anblick mitten im Lande, drei- bis vierhundert Meilen von den Mündungen des Orinoco
und Amazonenstromes. Jch bin immer noch der Ansicht, daß diese Delfine von denen des Meeres ganz
verschiedene Arten sind." Jn vorstehenden Angaben ist so ziemlich Alles enthalten, was wir von dem
Leben der Jnia wissen. Durch die übrigen Reisenden erfahren wir noch, daß das Thier sich fast im-
[Abbildung] Der Schnabeldelfin (Platanista gangetica).
mer nahe der Oberfläche des Wassers hält und nicht selten die lange, schnabelartige Schnauze hervor-
streckt und die erhaschte Beute über dem Wasser verschlingt. Die Nahrung besteht hauptsächlich aus
kleinen Fischen; nebenbei genießen sie aber auch allerlei Baumfrüchte, welche von den Zweigen in die
Flüsse fallen. Am liebsten halten sich die Jnias in den klaren und tiefen Buchten der Flüsse und
Ströme auf; Stellen, wo die Ufer steinig sind, ziehen sie allen übrigen vor. Sie verursachen
einen großen Lärm und werden dadurch den Reisenden oft lästig. Wie man beobachtet hat, ziehen
sie gern dem Feuer nach und sammeln sich manchmal um ein solches in so großer Menge, daß die
am Ufer Lagernden genöthigt sind, das Feuer auszulöschen, um ruhig schlafen zu können.

Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Tragzeit weiß man Nichts. Das Weibchen,
welches D'Orbigny untersuchte, warf während der letzten sechs Stunden seines Lebens ein Jun-

Die Delfine. — Die Bote.
vernahmen wir mit Ueberraſchung einen ſonderbaren Lärm. Wir ſchlugen an die Büſche und da kam
ein Schwarm vier Fuß langer Toninas zum Vorſchein und umgab unſer Fahrzeug. Die Thiere
waren unter den Aeſten eines Baumes verſteckt geweſen. Sie machten ſich durch den Wald davon
und warfen dabei die Waſſerſtrahlen, nach denen ſie in allen Sprachen Blaß- oder Spritzfiſche heißen.
Ein ſonderbarer Anblick mitten im Lande, drei- bis vierhundert Meilen von den Mündungen des Orinoco
und Amazonenſtromes. Jch bin immer noch der Anſicht, daß dieſe Delfine von denen des Meeres ganz
verſchiedene Arten ſind.‟ Jn vorſtehenden Angaben iſt ſo ziemlich Alles enthalten, was wir von dem
Leben der Jnia wiſſen. Durch die übrigen Reiſenden erfahren wir noch, daß das Thier ſich faſt im-
[Abbildung] Der Schnabeldelfin (Platanista gangetica).
mer nahe der Oberfläche des Waſſers hält und nicht ſelten die lange, ſchnabelartige Schnauze hervor-
ſtreckt und die erhaſchte Beute über dem Waſſer verſchlingt. Die Nahrung beſteht hauptſächlich aus
kleinen Fiſchen; nebenbei genießen ſie aber auch allerlei Baumfrüchte, welche von den Zweigen in die
Flüſſe fallen. Am liebſten halten ſich die Jnias in den klaren und tiefen Buchten der Flüſſe und
Ströme auf; Stellen, wo die Ufer ſteinig ſind, ziehen ſie allen übrigen vor. Sie verurſachen
einen großen Lärm und werden dadurch den Reiſenden oft läſtig. Wie man beobachtet hat, ziehen
ſie gern dem Feuer nach und ſammeln ſich manchmal um ein ſolches in ſo großer Menge, daß die
am Ufer Lagernden genöthigt ſind, das Feuer auszulöſchen, um ruhig ſchlafen zu können.

Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Tragzeit weiß man Nichts. Das Weibchen,
welches D’Orbigny unterſuchte, warf während der letzten ſechs Stunden ſeines Lebens ein Jun-

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[854/0902] Die Delfine. — Die Bote. vernahmen wir mit Ueberraſchung einen ſonderbaren Lärm. Wir ſchlugen an die Büſche und da kam ein Schwarm vier Fuß langer Toninas zum Vorſchein und umgab unſer Fahrzeug. Die Thiere waren unter den Aeſten eines Baumes verſteckt geweſen. Sie machten ſich durch den Wald davon und warfen dabei die Waſſerſtrahlen, nach denen ſie in allen Sprachen Blaß- oder Spritzfiſche heißen. Ein ſonderbarer Anblick mitten im Lande, drei- bis vierhundert Meilen von den Mündungen des Orinoco und Amazonenſtromes. Jch bin immer noch der Anſicht, daß dieſe Delfine von denen des Meeres ganz verſchiedene Arten ſind.‟ Jn vorſtehenden Angaben iſt ſo ziemlich Alles enthalten, was wir von dem Leben der Jnia wiſſen. Durch die übrigen Reiſenden erfahren wir noch, daß das Thier ſich faſt im- [Abbildung Der Schnabeldelfin (Platanista gangetica).] mer nahe der Oberfläche des Waſſers hält und nicht ſelten die lange, ſchnabelartige Schnauze hervor- ſtreckt und die erhaſchte Beute über dem Waſſer verſchlingt. Die Nahrung beſteht hauptſächlich aus kleinen Fiſchen; nebenbei genießen ſie aber auch allerlei Baumfrüchte, welche von den Zweigen in die Flüſſe fallen. Am liebſten halten ſich die Jnias in den klaren und tiefen Buchten der Flüſſe und Ströme auf; Stellen, wo die Ufer ſteinig ſind, ziehen ſie allen übrigen vor. Sie verurſachen einen großen Lärm und werden dadurch den Reiſenden oft läſtig. Wie man beobachtet hat, ziehen ſie gern dem Feuer nach und ſammeln ſich manchmal um ein ſolches in ſo großer Menge, daß die am Ufer Lagernden genöthigt ſind, das Feuer auszulöſchen, um ruhig ſchlafen zu können. Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Tragzeit weiß man Nichts. Das Weibchen, welches D’Orbigny unterſuchte, warf während der letzten ſechs Stunden ſeines Lebens ein Jun-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 854. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/902>, abgerufen am 23.11.2024.