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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die eigentlichen Hörnchen.
Das große Kletter- oder Königseichhorn (Funambulus maximus) mag uns mit den Riesen der
ganzen Familie bekannt machen. Es ist ein Bewohner des Festlandes von Ostindien; besonders
häufig kommt es an der Küste Malabars und auf der Halbinsel Malacca vor; doch hat man es auch
auf Ceylon und Java gefunden. Die Cardamomenberge, ein Theil des Rhatgebirges, scheinen
es vorzugsweise zu beherbergen. Es ist ein echtes Baumthier und, wie das unsrige, bei Tage
thätig. Seine Nahrung besteht in allerlei Baumfrüchten, und seine Stärke erlaubt ihm auch, die
Kokospflanzungen zu plündern. Man versichert sogar, daß es die Milch der Kokosnüsse aller übrigen
Nahrung vorziehe. Mit der größten Fertigkeit soll es die starke Schale durchnagen, und zwar ohne
die Nuß selbst abzureißen. Dann trinkt es die aus dem kleinen, von ihm gearbeiteten Loche aus-
tretende Milch und läßt die Nuß zum größten Aerger der Leute ruhig hängen! Die Gefangenschaft
erträgt es leicht und bei gehöriger Pflege selbst bei uns. Es wird bald leidlich zahm und gewöhnt
sich an den Menschen; doch hat man sich immer mit ihm in Acht zu nehmen, weil es bei gelegener
Zeit von seinem furchtbaren Gebisse Gebrauch macht. Ein schönes Männchen, welches der ham-
[Abbildung] Das Königseichhorn (Funambulus maximus).
burger Thiergarten besaß, lebte leider nur kurze Zeit; wahrscheinlich war die Kälte des Sommers
1863 die Ursache zu seinem Tode. Es zeigte alle Sitten und Gewohnheiten unseres Eichhorns,
richtete auch zuweilen seinen Schwanz auf, während ich Dies von einem anderen indischen Eichhorn,
dem Jeralang (Funambulus bicolor), niemals gesehen habe. Wie alle größeren Arten der Familie
schien es verhältnißmäßig gutmüthig zu sein, und während seiner länger währenden Krankheit be-
freundete es sich förmlich mit seinem Pfleger. Auch mit anderen Eichhörnchen vertrug es sich
recht gut.

Jn der Färbung ändert das Königseichhorn so vielfach ab, daß noch großer Streit unter den
Naturforschern herrscht, ob die Farbenverschiedenheiten, welche man findet, als selbständige Arten
angesehen werden sollen oder blos als Abarten des Königseichhorns zu betrachten sind. Der Leib
des erwachsenen Thieres wird gegen anderthalb Fuß lang, der Schwanz ohne Haare sechszehn Zoll,
und mit den Haaren noch anderthalb Zoll mehr; die Höhe am Widerrist beträgt fünf Zoll. Es hat
also beinahe die Größe unserer Hauskatze. Sein Leib ist ebenso zierlich gebaut, wie der unseres

Die eigentlichen Hörnchen.
Das große Kletter- oder Königseichhorn (Funambulus maximus) mag uns mit den Rieſen der
ganzen Familie bekannt machen. Es iſt ein Bewohner des Feſtlandes von Oſtindien; beſonders
häufig kommt es an der Küſte Malabars und auf der Halbinſel Malacca vor; doch hat man es auch
auf Ceylon und Java gefunden. Die Cardamomenberge, ein Theil des Rhatgebirges, ſcheinen
es vorzugsweiſe zu beherbergen. Es iſt ein echtes Baumthier und, wie das unſrige, bei Tage
thätig. Seine Nahrung beſteht in allerlei Baumfrüchten, und ſeine Stärke erlaubt ihm auch, die
Kokospflanzungen zu plündern. Man verſichert ſogar, daß es die Milch der Kokosnüſſe aller übrigen
Nahrung vorziehe. Mit der größten Fertigkeit ſoll es die ſtarke Schale durchnagen, und zwar ohne
die Nuß ſelbſt abzureißen. Dann trinkt es die aus dem kleinen, von ihm gearbeiteten Loche aus-
tretende Milch und läßt die Nuß zum größten Aerger der Leute ruhig hängen! Die Gefangenſchaft
erträgt es leicht und bei gehöriger Pflege ſelbſt bei uns. Es wird bald leidlich zahm und gewöhnt
ſich an den Menſchen; doch hat man ſich immer mit ihm in Acht zu nehmen, weil es bei gelegener
Zeit von ſeinem furchtbaren Gebiſſe Gebrauch macht. Ein ſchönes Männchen, welches der ham-
[Abbildung] Das Königseichhorn (Funambulus maximus).
burger Thiergarten beſaß, lebte leider nur kurze Zeit; wahrſcheinlich war die Kälte des Sommers
1863 die Urſache zu ſeinem Tode. Es zeigte alle Sitten und Gewohnheiten unſeres Eichhorns,
richtete auch zuweilen ſeinen Schwanz auf, während ich Dies von einem anderen indiſchen Eichhorn,
dem Jeralang (Funambulus bicolor), niemals geſehen habe. Wie alle größeren Arten der Familie
ſchien es verhältnißmäßig gutmüthig zu ſein, und während ſeiner länger währenden Krankheit be-
freundete es ſich förmlich mit ſeinem Pfleger. Auch mit anderen Eichhörnchen vertrug es ſich
recht gut.

Jn der Färbung ändert das Königseichhorn ſo vielfach ab, daß noch großer Streit unter den
Naturforſchern herrſcht, ob die Farbenverſchiedenheiten, welche man findet, als ſelbſtändige Arten
angeſehen werden ſollen oder blos als Abarten des Königseichhorns zu betrachten ſind. Der Leib
des erwachſenen Thieres wird gegen anderthalb Fuß lang, der Schwanz ohne Haare ſechszehn Zoll,
und mit den Haaren noch anderthalb Zoll mehr; die Höhe am Widerriſt beträgt fünf Zoll. Es hat
alſo beinahe die Größe unſerer Hauskatze. Sein Leib iſt ebenſo zierlich gebaut, wie der unſeres

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[76/0090] Die eigentlichen Hörnchen. Das große Kletter- oder Königseichhorn (Funambulus maximus) mag uns mit den Rieſen der ganzen Familie bekannt machen. Es iſt ein Bewohner des Feſtlandes von Oſtindien; beſonders häufig kommt es an der Küſte Malabars und auf der Halbinſel Malacca vor; doch hat man es auch auf Ceylon und Java gefunden. Die Cardamomenberge, ein Theil des Rhatgebirges, ſcheinen es vorzugsweiſe zu beherbergen. Es iſt ein echtes Baumthier und, wie das unſrige, bei Tage thätig. Seine Nahrung beſteht in allerlei Baumfrüchten, und ſeine Stärke erlaubt ihm auch, die Kokospflanzungen zu plündern. Man verſichert ſogar, daß es die Milch der Kokosnüſſe aller übrigen Nahrung vorziehe. Mit der größten Fertigkeit ſoll es die ſtarke Schale durchnagen, und zwar ohne die Nuß ſelbſt abzureißen. Dann trinkt es die aus dem kleinen, von ihm gearbeiteten Loche aus- tretende Milch und läßt die Nuß zum größten Aerger der Leute ruhig hängen! Die Gefangenſchaft erträgt es leicht und bei gehöriger Pflege ſelbſt bei uns. Es wird bald leidlich zahm und gewöhnt ſich an den Menſchen; doch hat man ſich immer mit ihm in Acht zu nehmen, weil es bei gelegener Zeit von ſeinem furchtbaren Gebiſſe Gebrauch macht. Ein ſchönes Männchen, welches der ham- [Abbildung Das Königseichhorn (Funambulus maximus).] burger Thiergarten beſaß, lebte leider nur kurze Zeit; wahrſcheinlich war die Kälte des Sommers 1863 die Urſache zu ſeinem Tode. Es zeigte alle Sitten und Gewohnheiten unſeres Eichhorns, richtete auch zuweilen ſeinen Schwanz auf, während ich Dies von einem anderen indiſchen Eichhorn, dem Jeralang (Funambulus bicolor), niemals geſehen habe. Wie alle größeren Arten der Familie ſchien es verhältnißmäßig gutmüthig zu ſein, und während ſeiner länger währenden Krankheit be- freundete es ſich förmlich mit ſeinem Pfleger. Auch mit anderen Eichhörnchen vertrug es ſich recht gut. Jn der Färbung ändert das Königseichhorn ſo vielfach ab, daß noch großer Streit unter den Naturforſchern herrſcht, ob die Farbenverſchiedenheiten, welche man findet, als ſelbſtändige Arten angeſehen werden ſollen oder blos als Abarten des Königseichhorns zu betrachten ſind. Der Leib des erwachſenen Thieres wird gegen anderthalb Fuß lang, der Schwanz ohne Haare ſechszehn Zoll, und mit den Haaren noch anderthalb Zoll mehr; die Höhe am Widerriſt beträgt fünf Zoll. Es hat alſo beinahe die Größe unſerer Hauskatze. Sein Leib iſt ebenſo zierlich gebaut, wie der unſeres

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/90>, abgerufen am 23.11.2024.