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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Braunfisch.

Der Braunfisch ist gesellig wie die übrigen Delfine. Er vereinigt sich zuweilen zu sehr zahl-
reichen Herden, und diese bleiben dann längere Zeit beisammen. Jm Schwimmen ist er Meister.
Er schlägt abwechselnd mit Kopf und Schwanz nach ab- und aufwärts und krümmt gleichzeitig den
Leib bogenförmig bald nach oben, bald nach unten. Diese Bewegung treibt ihn pfeilschnell vor-
wärts. Wenn er in der Nähe an der Oberfläche des Wassers schwimmt, sieht es aus, als tummle
er auf den rollenden Wellen herum oder bewege sich in lauter Purzelbäumen vorwärts. Bisweilen
führt er die manchfaltigsten und anmuthigsten Spiele mit seinen Genossen aus. Er wälzt sich
förmlich im Wasser umher, springt in die Luft, taumelt, überschlägt sich u. s. w. Schon die Alten
haben bemerkt, daß die Delfine vor einem Gewitter oder Sturme besonders lebendig sind und mehr
als sonst aus dem Wasser emporschnellen. Ehe die Dampfschiffe aufkamen, war es viel leichter
diese Thiere zu beobachten, als gegenwärtig. Sie folgen zwar auch den Dampfern nach, doch bei
weitem nicht mit derselben Furchtlosigkeit und Zudringlichkeit, wie den stiller dahingleitenden
Segelschiffen. Gewöhnlichen Kauffahrern sind sie, solange diese in der Nähe der Küsten verweilen,
regelmäßige Begleiter. Sobald das Schiff oder auch nur ein Bot ausgelaufen ist, sammeln sich drei
bis sechs Braunfische in einer Entfernung von 30 bis 50 Fuß um dasselbe und folgen ihm nun oft
über eine Meile ununterbrochen nach, kommen ab und zu über die Oberfläche empor, gleichsam als
wollten sie sich Schiffer und Botsmannschaften betrachten, tauchen, schwimmen unter dem Kiel des
Fahrzeugs durch, erscheinen wieder, eilen voraus, beschreiben einen Bogen und kehren wieder zum
Schiffe zurück u. s. w.

Außer den Häringen, welche zeitweilig die ausschließliche Nahrung der Braunfische bilden, ver-
zehren diese noch Makrelen, Lachse, andere Fische und oft auch Tange; wenigstens trifft man diese
nicht selten in ihrem Magen an. Der Lachse wegen steigen sie bis hoch in die Flüsse empor, und hier
beeinträchtigen sie die Fischerei wirklich in sehr empfindlicher Weise.

Die Brunst beginnt zu Anfang des Sommers, währt aber vom Juni bis zum August. Um
diese Zeit sind sie aufs äußerste erregt; pfeilschnell durcheilen sie die Fluthen, wüthend verfolgen sich
die Männchen, und eifrig jagen sie hinter dem Weibchen drein. Jetzt scheint es für sie keine Ge-
fahr mehr zu geben. Sie schießen im blinden Rausch oft weit auf den Strand hinaus, rennen
mit dem Kopfe an die Seitenwände der Schiffe und finden da oder hier ihren Tod. Nach neun- oder
zehnmonatlicher Tragzeit, gewöhnlich im Mai, werfen die Weibchen ein oder zwei kleine, nur
20 Zoll lange und 10 Pfund schwere Junge, pflegen dieselben mit der allen Walen gemeinsamen,
aufopfernden Liebe, vertheidigen sie nach Kräften bei Gefahr und säugen und führen sie, bis sie das
erste Lebensjahr erreicht haben; denn solange soll es dauern, ehe sie als erwachsen gelten können.

Der Braunfisch ist das einzige Mitglied seiner Ordnung, welches ich bisjetzt in der Gefangen-
schaft gesehen habe. Es wurde mir erzählt, daß ein Amerikaner so glücklich gewesen sei, eine größere
Walart längere Zeit am Leben zu erhalten; doch ist hierüber bisjetzt, soviel mir bekannt, noch Nichts
veröffentlicht worden. Jm Thiergarten zu London hat man wiederholt Versuche angestellt, Braun-
fische und andere Delfine zu halten, ein befriedigendes Ergebniß jedoch noch nicht erlangt. Dasselbe
war leider auch bei dem Braunfisch der Fall, von welchem ich aus eigener Erfahrung reden kann.
Das Thier wurde uns im August von einem Fischer überbracht, welcher es am Abend vorher ge-
fangen und die Nacht hindurch in einer Wanne aufbewahrt hatte. Es war anscheinend gesund und
noch sehr munter, und ich hoffte deshalb, es wenigstens einige Tage lang erhalten zu können. Unser
Wal wurde zunächst in einem tiefen Wassergraben ausgesetzt und schwamm auch sofort in demselben
auf und nieder. Die Oberfläche des gedachten Grabens war jedoch gerade dicht mit Wasserlinsen
bedeckt, und diese hinderten ihn bei dem Athemholen so, daß ich es für nöthig fand, ihn in den
größten Teich unseres Thiergartens zu setzen. Hier hatte er genügenden Spielraum. Er durchkreuzte
das Gewässer nach allen Richtungen und schien bereits nach einer Stunde Zeit eingewohnt, wenig-
stens wohl bekannt zu sein; denn man sah ihn in ziemlich regelmäßigem Wechsel bald hier, bald dort
auftauchen, Athem holen und wieder verschwinden. Ob er den in dem Teiche befindlichen Fischen

Der Braunfiſch.

Der Braunfiſch iſt geſellig wie die übrigen Delfine. Er vereinigt ſich zuweilen zu ſehr zahl-
reichen Herden, und dieſe bleiben dann längere Zeit beiſammen. Jm Schwimmen iſt er Meiſter.
Er ſchlägt abwechſelnd mit Kopf und Schwanz nach ab- und aufwärts und krümmt gleichzeitig den
Leib bogenförmig bald nach oben, bald nach unten. Dieſe Bewegung treibt ihn pfeilſchnell vor-
wärts. Wenn er in der Nähe an der Oberfläche des Waſſers ſchwimmt, ſieht es aus, als tummle
er auf den rollenden Wellen herum oder bewege ſich in lauter Purzelbäumen vorwärts. Bisweilen
führt er die manchfaltigſten und anmuthigſten Spiele mit ſeinen Genoſſen aus. Er wälzt ſich
förmlich im Waſſer umher, ſpringt in die Luft, taumelt, überſchlägt ſich u. ſ. w. Schon die Alten
haben bemerkt, daß die Delfine vor einem Gewitter oder Sturme beſonders lebendig ſind und mehr
als ſonſt aus dem Waſſer emporſchnellen. Ehe die Dampfſchiffe aufkamen, war es viel leichter
dieſe Thiere zu beobachten, als gegenwärtig. Sie folgen zwar auch den Dampfern nach, doch bei
weitem nicht mit derſelben Furchtloſigkeit und Zudringlichkeit, wie den ſtiller dahingleitenden
Segelſchiffen. Gewöhnlichen Kauffahrern ſind ſie, ſolange dieſe in der Nähe der Küſten verweilen,
regelmäßige Begleiter. Sobald das Schiff oder auch nur ein Bot ausgelaufen iſt, ſammeln ſich drei
bis ſechs Braunfiſche in einer Entfernung von 30 bis 50 Fuß um daſſelbe und folgen ihm nun oft
über eine Meile ununterbrochen nach, kommen ab und zu über die Oberfläche empor, gleichſam als
wollten ſie ſich Schiffer und Botsmannſchaften betrachten, tauchen, ſchwimmen unter dem Kiel des
Fahrzeugs durch, erſcheinen wieder, eilen voraus, beſchreiben einen Bogen und kehren wieder zum
Schiffe zurück u. ſ. w.

Außer den Häringen, welche zeitweilig die ausſchließliche Nahrung der Braunfiſche bilden, ver-
zehren dieſe noch Makrelen, Lachſe, andere Fiſche und oft auch Tange; wenigſtens trifft man dieſe
nicht ſelten in ihrem Magen an. Der Lachſe wegen ſteigen ſie bis hoch in die Flüſſe empor, und hier
beeinträchtigen ſie die Fiſcherei wirklich in ſehr empfindlicher Weiſe.

Die Brunſt beginnt zu Anfang des Sommers, währt aber vom Juni bis zum Auguſt. Um
dieſe Zeit ſind ſie aufs äußerſte erregt; pfeilſchnell durcheilen ſie die Fluthen, wüthend verfolgen ſich
die Männchen, und eifrig jagen ſie hinter dem Weibchen drein. Jetzt ſcheint es für ſie keine Ge-
fahr mehr zu geben. Sie ſchießen im blinden Rauſch oft weit auf den Strand hinaus, rennen
mit dem Kopfe an die Seitenwände der Schiffe und finden da oder hier ihren Tod. Nach neun- oder
zehnmonatlicher Tragzeit, gewöhnlich im Mai, werfen die Weibchen ein oder zwei kleine, nur
20 Zoll lange und 10 Pfund ſchwere Junge, pflegen dieſelben mit der allen Walen gemeinſamen,
aufopfernden Liebe, vertheidigen ſie nach Kräften bei Gefahr und ſäugen und führen ſie, bis ſie das
erſte Lebensjahr erreicht haben; denn ſolange ſoll es dauern, ehe ſie als erwachſen gelten können.

Der Braunfiſch iſt das einzige Mitglied ſeiner Ordnung, welches ich bisjetzt in der Gefangen-
ſchaft geſehen habe. Es wurde mir erzählt, daß ein Amerikaner ſo glücklich geweſen ſei, eine größere
Walart längere Zeit am Leben zu erhalten; doch iſt hierüber bisjetzt, ſoviel mir bekannt, noch Nichts
veröffentlicht worden. Jm Thiergarten zu London hat man wiederholt Verſuche angeſtellt, Braun-
fiſche und andere Delfine zu halten, ein befriedigendes Ergebniß jedoch noch nicht erlangt. Daſſelbe
war leider auch bei dem Braunfiſch der Fall, von welchem ich aus eigener Erfahrung reden kann.
Das Thier wurde uns im Auguſt von einem Fiſcher überbracht, welcher es am Abend vorher ge-
fangen und die Nacht hindurch in einer Wanne aufbewahrt hatte. Es war anſcheinend geſund und
noch ſehr munter, und ich hoffte deshalb, es wenigſtens einige Tage lang erhalten zu können. Unſer
Wal wurde zunächſt in einem tiefen Waſſergraben ausgeſetzt und ſchwamm auch ſofort in demſelben
auf und nieder. Die Oberfläche des gedachten Grabens war jedoch gerade dicht mit Waſſerlinſen
bedeckt, und dieſe hinderten ihn bei dem Athemholen ſo, daß ich es für nöthig fand, ihn in den
größten Teich unſeres Thiergartens zu ſetzen. Hier hatte er genügenden Spielraum. Er durchkreuzte
das Gewäſſer nach allen Richtungen und ſchien bereits nach einer Stunde Zeit eingewohnt, wenig-
ſtens wohl bekannt zu ſein; denn man ſah ihn in ziemlich regelmäßigem Wechſel bald hier, bald dort
auftauchen, Athem holen und wieder verſchwinden. Ob er den in dem Teiche befindlichen Fiſchen

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[847/0895] Der Braunfiſch. Der Braunfiſch iſt geſellig wie die übrigen Delfine. Er vereinigt ſich zuweilen zu ſehr zahl- reichen Herden, und dieſe bleiben dann längere Zeit beiſammen. Jm Schwimmen iſt er Meiſter. Er ſchlägt abwechſelnd mit Kopf und Schwanz nach ab- und aufwärts und krümmt gleichzeitig den Leib bogenförmig bald nach oben, bald nach unten. Dieſe Bewegung treibt ihn pfeilſchnell vor- wärts. Wenn er in der Nähe an der Oberfläche des Waſſers ſchwimmt, ſieht es aus, als tummle er auf den rollenden Wellen herum oder bewege ſich in lauter Purzelbäumen vorwärts. Bisweilen führt er die manchfaltigſten und anmuthigſten Spiele mit ſeinen Genoſſen aus. Er wälzt ſich förmlich im Waſſer umher, ſpringt in die Luft, taumelt, überſchlägt ſich u. ſ. w. Schon die Alten haben bemerkt, daß die Delfine vor einem Gewitter oder Sturme beſonders lebendig ſind und mehr als ſonſt aus dem Waſſer emporſchnellen. Ehe die Dampfſchiffe aufkamen, war es viel leichter dieſe Thiere zu beobachten, als gegenwärtig. Sie folgen zwar auch den Dampfern nach, doch bei weitem nicht mit derſelben Furchtloſigkeit und Zudringlichkeit, wie den ſtiller dahingleitenden Segelſchiffen. Gewöhnlichen Kauffahrern ſind ſie, ſolange dieſe in der Nähe der Küſten verweilen, regelmäßige Begleiter. Sobald das Schiff oder auch nur ein Bot ausgelaufen iſt, ſammeln ſich drei bis ſechs Braunfiſche in einer Entfernung von 30 bis 50 Fuß um daſſelbe und folgen ihm nun oft über eine Meile ununterbrochen nach, kommen ab und zu über die Oberfläche empor, gleichſam als wollten ſie ſich Schiffer und Botsmannſchaften betrachten, tauchen, ſchwimmen unter dem Kiel des Fahrzeugs durch, erſcheinen wieder, eilen voraus, beſchreiben einen Bogen und kehren wieder zum Schiffe zurück u. ſ. w. Außer den Häringen, welche zeitweilig die ausſchließliche Nahrung der Braunfiſche bilden, ver- zehren dieſe noch Makrelen, Lachſe, andere Fiſche und oft auch Tange; wenigſtens trifft man dieſe nicht ſelten in ihrem Magen an. Der Lachſe wegen ſteigen ſie bis hoch in die Flüſſe empor, und hier beeinträchtigen ſie die Fiſcherei wirklich in ſehr empfindlicher Weiſe. Die Brunſt beginnt zu Anfang des Sommers, währt aber vom Juni bis zum Auguſt. Um dieſe Zeit ſind ſie aufs äußerſte erregt; pfeilſchnell durcheilen ſie die Fluthen, wüthend verfolgen ſich die Männchen, und eifrig jagen ſie hinter dem Weibchen drein. Jetzt ſcheint es für ſie keine Ge- fahr mehr zu geben. Sie ſchießen im blinden Rauſch oft weit auf den Strand hinaus, rennen mit dem Kopfe an die Seitenwände der Schiffe und finden da oder hier ihren Tod. Nach neun- oder zehnmonatlicher Tragzeit, gewöhnlich im Mai, werfen die Weibchen ein oder zwei kleine, nur 20 Zoll lange und 10 Pfund ſchwere Junge, pflegen dieſelben mit der allen Walen gemeinſamen, aufopfernden Liebe, vertheidigen ſie nach Kräften bei Gefahr und ſäugen und führen ſie, bis ſie das erſte Lebensjahr erreicht haben; denn ſolange ſoll es dauern, ehe ſie als erwachſen gelten können. Der Braunfiſch iſt das einzige Mitglied ſeiner Ordnung, welches ich bisjetzt in der Gefangen- ſchaft geſehen habe. Es wurde mir erzählt, daß ein Amerikaner ſo glücklich geweſen ſei, eine größere Walart längere Zeit am Leben zu erhalten; doch iſt hierüber bisjetzt, ſoviel mir bekannt, noch Nichts veröffentlicht worden. Jm Thiergarten zu London hat man wiederholt Verſuche angeſtellt, Braun- fiſche und andere Delfine zu halten, ein befriedigendes Ergebniß jedoch noch nicht erlangt. Daſſelbe war leider auch bei dem Braunfiſch der Fall, von welchem ich aus eigener Erfahrung reden kann. Das Thier wurde uns im Auguſt von einem Fiſcher überbracht, welcher es am Abend vorher ge- fangen und die Nacht hindurch in einer Wanne aufbewahrt hatte. Es war anſcheinend geſund und noch ſehr munter, und ich hoffte deshalb, es wenigſtens einige Tage lang erhalten zu können. Unſer Wal wurde zunächſt in einem tiefen Waſſergraben ausgeſetzt und ſchwamm auch ſofort in demſelben auf und nieder. Die Oberfläche des gedachten Grabens war jedoch gerade dicht mit Waſſerlinſen bedeckt, und dieſe hinderten ihn bei dem Athemholen ſo, daß ich es für nöthig fand, ihn in den größten Teich unſeres Thiergartens zu ſetzen. Hier hatte er genügenden Spielraum. Er durchkreuzte das Gewäſſer nach allen Richtungen und ſchien bereits nach einer Stunde Zeit eingewohnt, wenig- ſtens wohl bekannt zu ſein; denn man ſah ihn in ziemlich regelmäßigem Wechſel bald hier, bald dort auftauchen, Athem holen und wieder verſchwinden. Ob er den in dem Teiche befindlichen Fiſchen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 847. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/895>, abgerufen am 23.11.2024.