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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Grind oder schwarze Delfin.

"Als die Wale dem Eingange des Hafens nahe waren und nicht leicht mehr entrinnen konnten,
eilten wir der Stadt zu. Der Strand wimmelte von Menschen, die dem ergötzlichen Geschäfte des
Mordens zusehen wollten. Wir wählten uns einen guten Standpunkt aus, von wo wir Alles ganz
in der Nähe betrachten konnten."

"Je näher die Wale dem Hafen und dem Lande kamen, desto unruhiger wurden sie, drängten
sich auf einen Haufen dicht zusammen und achteten wenig mehr des Steinewerfens und Schlagens
mit den Rudern. Jmmer dichter zog sich der Kreis der Bote um die unglücklichen Schlachtopfer, im-
mer langsamer zogen sie in den Hafen hinein, die Gefahr ahnend; jetzt als sie in den Westervaag
gekommen waren, der ungefähr nur 250 Schritte breit und doppelt so lang ist, wollten sie sich nicht
länger wie eine Herde Schafe treiben lassen und machten Miene, umzukehren. Nun nahte der ent-
scheidende Augenblick. Unruhe, Besorgniß, Hoffnung, Mordlust zeigte sich in den Gesichtern aller
Färinger. Sie erhoben ein wildes Geschrei; alle Bote stürzten auf den Haufen zu und stachen mit
ihren breiten Harpunen diejenigen Wale, welche dem Bote nicht so nahe waren, daß der Schlag ihres
Schwanzes dieses hätte zerschmettern können. Die verwundeten Thiere stürzten mit fürchterlicher
Schnelligkeit vorwärts, der ganze Haufe folgte und rannte auf den Strand."

"Nun begann ein fürchterliches Schauspiel. Alle Bote eilten den Walen nach, fuhren blind-
lings unter sie und stachen tapfer darauf los. Die Leute, welche am Lande standen, gingen bis un-
ter die Arme in das Wasser zu den verwundeten Thieren, schlugen ihnen eiserne Haken, an welche
ein Strick gebunden war, in den Leib oder die Blaselöcher, und nun zogen drei bis vier Mann den
Wal vollends auf das Land und schnitten ihm die Gurgel bis auf den Rückenwirbel durch. Jm
Todeskampfe peitschte das sterbende Thier die See mit seinem Schwanze, daß das Wasser weit um-
herstob; das kristallhelle Wasser des Hafens war blutroth gefärbt, und Blutstrahlen wurden aus den
Blaseröhren in die Luft gespritzt. Sowie der Soldat in der Schlacht alles menschliche Gefühl verliert
und zum reißenden Thiere wird, so entflammte die Blutarbeit die Färinger bis zur Wuth und Toll-
kühnheit. An dreißig Bote, dreihundert Menschen, achtzig getödtete und noch lebende Wale befan-
den sich auf einem Raume von wenigen Geviertruthen. Geschrei und Toben überall. Kleider, Ge-
sichter und Hände vom Blute gefärbt, glichen die sonst so gutmüthigen Färinger den Kannibalen der
Südsee; kein Zug des Mitleidens äußerte sich bei dem gräßlichen Gemetzel. Als aber ein Mann
durch den Schlag des Schwanzes eines sterbenden Wales niedergestreckt und ein Bot in Stücke zer-
schlagen war, wurde der letzte Theil dieses Trauerspiels mit mehr Vorsicht zu Ende gespielt. Achtzig
getödtete Wale bedeckten den Strand; nicht ein einziger war entkommen. Sobald das Wasser erst
mit Blut gefärbt und durch das Schlagen mit dem Schwanze von den sterbenden getrübt ist, so wer-
den die noch lebenden erblindet und taumeln im Kreise umher. Entrinnt auch Einer zufällig in das
klare Wasser, so kehrt er doch sogleich in das blutige zu seinen Gefährten zurück."

"Zum großen Erstaunen der Färinger ging der Fang leicht und glücklich von Statten, obgleich
der Pastor Gad und mehrere schwangere Frauen zusahen. Man glaubt hier nämlich fest daran, daß
die Wale sogleich umkehren, wenn sie einen Prediger vor sich haben; ist ein solcher in der Nähe, so
bitten sie ihn, daß er hinter den Boten bleibe. Schwangere Frauen soll der Grind nun gar nicht
leiden können; deshalb kamen mehrere Färinger zum Amtmann und baten ihn, diesen zu befehlen,
sich zu entfernen, was aber nicht geschah. Trotz Prediger und Frauen wurden alle Grinde in der
Hitze erlegt. Sonst läßt man gerne Einen entwischen, damit dieser mehrere herbeihole."

"Oft trifft es sich, daß der Grind sich nicht gut treiben lassen will, besonders wenn es große
Haufen von mehreren Hunderten sind. Dann kehrt er sich nicht an das Steinwerfen, geht unter die
Bote durch und verursacht den Leuten tagelange, oft ganz vergebliche Arbeit. Oftmals entwischt er,
wenn er schon in eine der wenig geeigneten Buchten getrieben ist, durch die Hitze und Unvorsichtig-
keit der Leute. Wenn diese nämlich zu frühe stechen, sodaß der Grind nicht mit einer Fahrt auf den
Strand läuft, so kehrt er wieder um und läßt sich nicht zum zweiten Male treiben; oder wenn sie zu-
erst solche Grinde treffen, die nicht mit dem Kopfe gegen den Strand gerichtet sind, so schießen diese

Der Grind oder ſchwarze Delfin.

„Als die Wale dem Eingange des Hafens nahe waren und nicht leicht mehr entrinnen konnten,
eilten wir der Stadt zu. Der Strand wimmelte von Menſchen, die dem ergötzlichen Geſchäfte des
Mordens zuſehen wollten. Wir wählten uns einen guten Standpunkt aus, von wo wir Alles ganz
in der Nähe betrachten konnten.‟

„Je näher die Wale dem Hafen und dem Lande kamen, deſto unruhiger wurden ſie, drängten
ſich auf einen Haufen dicht zuſammen und achteten wenig mehr des Steinewerfens und Schlagens
mit den Rudern. Jmmer dichter zog ſich der Kreis der Bote um die unglücklichen Schlachtopfer, im-
mer langſamer zogen ſie in den Hafen hinein, die Gefahr ahnend; jetzt als ſie in den Weſtervaag
gekommen waren, der ungefähr nur 250 Schritte breit und doppelt ſo lang iſt, wollten ſie ſich nicht
länger wie eine Herde Schafe treiben laſſen und machten Miene, umzukehren. Nun nahte der ent-
ſcheidende Augenblick. Unruhe, Beſorgniß, Hoffnung, Mordluſt zeigte ſich in den Geſichtern aller
Färinger. Sie erhoben ein wildes Geſchrei; alle Bote ſtürzten auf den Haufen zu und ſtachen mit
ihren breiten Harpunen diejenigen Wale, welche dem Bote nicht ſo nahe waren, daß der Schlag ihres
Schwanzes dieſes hätte zerſchmettern können. Die verwundeten Thiere ſtürzten mit fürchterlicher
Schnelligkeit vorwärts, der ganze Haufe folgte und rannte auf den Strand.‟

„Nun begann ein fürchterliches Schauſpiel. Alle Bote eilten den Walen nach, fuhren blind-
lings unter ſie und ſtachen tapfer darauf los. Die Leute, welche am Lande ſtanden, gingen bis un-
ter die Arme in das Waſſer zu den verwundeten Thieren, ſchlugen ihnen eiſerne Haken, an welche
ein Strick gebunden war, in den Leib oder die Blaſelöcher, und nun zogen drei bis vier Mann den
Wal vollends auf das Land und ſchnitten ihm die Gurgel bis auf den Rückenwirbel durch. Jm
Todeskampfe peitſchte das ſterbende Thier die See mit ſeinem Schwanze, daß das Waſſer weit um-
herſtob; das kriſtallhelle Waſſer des Hafens war blutroth gefärbt, und Blutſtrahlen wurden aus den
Blaſeröhren in die Luft geſpritzt. Sowie der Soldat in der Schlacht alles menſchliche Gefühl verliert
und zum reißenden Thiere wird, ſo entflammte die Blutarbeit die Färinger bis zur Wuth und Toll-
kühnheit. An dreißig Bote, dreihundert Menſchen, achtzig getödtete und noch lebende Wale befan-
den ſich auf einem Raume von wenigen Geviertruthen. Geſchrei und Toben überall. Kleider, Ge-
ſichter und Hände vom Blute gefärbt, glichen die ſonſt ſo gutmüthigen Färinger den Kannibalen der
Südſee; kein Zug des Mitleidens äußerte ſich bei dem gräßlichen Gemetzel. Als aber ein Mann
durch den Schlag des Schwanzes eines ſterbenden Wales niedergeſtreckt und ein Bot in Stücke zer-
ſchlagen war, wurde der letzte Theil dieſes Trauerſpiels mit mehr Vorſicht zu Ende geſpielt. Achtzig
getödtete Wale bedeckten den Strand; nicht ein einziger war entkommen. Sobald das Waſſer erſt
mit Blut gefärbt und durch das Schlagen mit dem Schwanze von den ſterbenden getrübt iſt, ſo wer-
den die noch lebenden erblindet und taumeln im Kreiſe umher. Entrinnt auch Einer zufällig in das
klare Waſſer, ſo kehrt er doch ſogleich in das blutige zu ſeinen Gefährten zurück.‟

„Zum großen Erſtaunen der Färinger ging der Fang leicht und glücklich von Statten, obgleich
der Paſtor Gad und mehrere ſchwangere Frauen zuſahen. Man glaubt hier nämlich feſt daran, daß
die Wale ſogleich umkehren, wenn ſie einen Prediger vor ſich haben; iſt ein ſolcher in der Nähe, ſo
bitten ſie ihn, daß er hinter den Boten bleibe. Schwangere Frauen ſoll der Grind nun gar nicht
leiden können; deshalb kamen mehrere Färinger zum Amtmann und baten ihn, dieſen zu befehlen,
ſich zu entfernen, was aber nicht geſchah. Trotz Prediger und Frauen wurden alle Grinde in der
Hitze erlegt. Sonſt läßt man gerne Einen entwiſchen, damit dieſer mehrere herbeihole.‟

„Oft trifft es ſich, daß der Grind ſich nicht gut treiben laſſen will, beſonders wenn es große
Haufen von mehreren Hunderten ſind. Dann kehrt er ſich nicht an das Steinwerfen, geht unter die
Bote durch und verurſacht den Leuten tagelange, oft ganz vergebliche Arbeit. Oftmals entwiſcht er,
wenn er ſchon in eine der wenig geeigneten Buchten getrieben iſt, durch die Hitze und Unvorſichtig-
keit der Leute. Wenn dieſe nämlich zu frühe ſtechen, ſodaß der Grind nicht mit einer Fahrt auf den
Strand läuft, ſo kehrt er wieder um und läßt ſich nicht zum zweiten Male treiben; oder wenn ſie zu-
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[841/0889] Der Grind oder ſchwarze Delfin. „Als die Wale dem Eingange des Hafens nahe waren und nicht leicht mehr entrinnen konnten, eilten wir der Stadt zu. Der Strand wimmelte von Menſchen, die dem ergötzlichen Geſchäfte des Mordens zuſehen wollten. Wir wählten uns einen guten Standpunkt aus, von wo wir Alles ganz in der Nähe betrachten konnten.‟ „Je näher die Wale dem Hafen und dem Lande kamen, deſto unruhiger wurden ſie, drängten ſich auf einen Haufen dicht zuſammen und achteten wenig mehr des Steinewerfens und Schlagens mit den Rudern. Jmmer dichter zog ſich der Kreis der Bote um die unglücklichen Schlachtopfer, im- mer langſamer zogen ſie in den Hafen hinein, die Gefahr ahnend; jetzt als ſie in den Weſtervaag gekommen waren, der ungefähr nur 250 Schritte breit und doppelt ſo lang iſt, wollten ſie ſich nicht länger wie eine Herde Schafe treiben laſſen und machten Miene, umzukehren. Nun nahte der ent- ſcheidende Augenblick. Unruhe, Beſorgniß, Hoffnung, Mordluſt zeigte ſich in den Geſichtern aller Färinger. Sie erhoben ein wildes Geſchrei; alle Bote ſtürzten auf den Haufen zu und ſtachen mit ihren breiten Harpunen diejenigen Wale, welche dem Bote nicht ſo nahe waren, daß der Schlag ihres Schwanzes dieſes hätte zerſchmettern können. Die verwundeten Thiere ſtürzten mit fürchterlicher Schnelligkeit vorwärts, der ganze Haufe folgte und rannte auf den Strand.‟ „Nun begann ein fürchterliches Schauſpiel. Alle Bote eilten den Walen nach, fuhren blind- lings unter ſie und ſtachen tapfer darauf los. Die Leute, welche am Lande ſtanden, gingen bis un- ter die Arme in das Waſſer zu den verwundeten Thieren, ſchlugen ihnen eiſerne Haken, an welche ein Strick gebunden war, in den Leib oder die Blaſelöcher, und nun zogen drei bis vier Mann den Wal vollends auf das Land und ſchnitten ihm die Gurgel bis auf den Rückenwirbel durch. Jm Todeskampfe peitſchte das ſterbende Thier die See mit ſeinem Schwanze, daß das Waſſer weit um- herſtob; das kriſtallhelle Waſſer des Hafens war blutroth gefärbt, und Blutſtrahlen wurden aus den Blaſeröhren in die Luft geſpritzt. Sowie der Soldat in der Schlacht alles menſchliche Gefühl verliert und zum reißenden Thiere wird, ſo entflammte die Blutarbeit die Färinger bis zur Wuth und Toll- kühnheit. An dreißig Bote, dreihundert Menſchen, achtzig getödtete und noch lebende Wale befan- den ſich auf einem Raume von wenigen Geviertruthen. Geſchrei und Toben überall. Kleider, Ge- ſichter und Hände vom Blute gefärbt, glichen die ſonſt ſo gutmüthigen Färinger den Kannibalen der Südſee; kein Zug des Mitleidens äußerte ſich bei dem gräßlichen Gemetzel. Als aber ein Mann durch den Schlag des Schwanzes eines ſterbenden Wales niedergeſtreckt und ein Bot in Stücke zer- ſchlagen war, wurde der letzte Theil dieſes Trauerſpiels mit mehr Vorſicht zu Ende geſpielt. Achtzig getödtete Wale bedeckten den Strand; nicht ein einziger war entkommen. Sobald das Waſſer erſt mit Blut gefärbt und durch das Schlagen mit dem Schwanze von den ſterbenden getrübt iſt, ſo wer- den die noch lebenden erblindet und taumeln im Kreiſe umher. Entrinnt auch Einer zufällig in das klare Waſſer, ſo kehrt er doch ſogleich in das blutige zu ſeinen Gefährten zurück.‟ „Zum großen Erſtaunen der Färinger ging der Fang leicht und glücklich von Statten, obgleich der Paſtor Gad und mehrere ſchwangere Frauen zuſahen. Man glaubt hier nämlich feſt daran, daß die Wale ſogleich umkehren, wenn ſie einen Prediger vor ſich haben; iſt ein ſolcher in der Nähe, ſo bitten ſie ihn, daß er hinter den Boten bleibe. Schwangere Frauen ſoll der Grind nun gar nicht leiden können; deshalb kamen mehrere Färinger zum Amtmann und baten ihn, dieſen zu befehlen, ſich zu entfernen, was aber nicht geſchah. Trotz Prediger und Frauen wurden alle Grinde in der Hitze erlegt. Sonſt läßt man gerne Einen entwiſchen, damit dieſer mehrere herbeihole.‟ „Oft trifft es ſich, daß der Grind ſich nicht gut treiben laſſen will, beſonders wenn es große Haufen von mehreren Hunderten ſind. Dann kehrt er ſich nicht an das Steinwerfen, geht unter die Bote durch und verurſacht den Leuten tagelange, oft ganz vergebliche Arbeit. Oftmals entwiſcht er, wenn er ſchon in eine der wenig geeigneten Buchten getrieben iſt, durch die Hitze und Unvorſichtig- keit der Leute. Wenn dieſe nämlich zu frühe ſtechen, ſodaß der Grind nicht mit einer Fahrt auf den Strand läuft, ſo kehrt er wieder um und läßt ſich nicht zum zweiten Male treiben; oder wenn ſie zu- erſt ſolche Grinde treffen, die nicht mit dem Kopfe gegen den Strand gerichtet ſind, ſo ſchießen dieſe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 841. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/889>, abgerufen am 23.11.2024.