Die zweite Familie der Wale, welche die Delfine (Delphini) umfaßt, ist die reichhaltigste von allen und zerfällt in eine Menge von Sippen. Alle hierher gehörigen Thiere sind Mittelglieder zwi- schen dem Narwal und dem Pottfisch, welche beide von manchen Naturforschern der Delfinfamilie ohne weiteres zugezählt werden. Sie kennzeichnen eine ansehnliche Zahnmenge in den beiden manch- mal schnabelartig verlängerten Kiefern des verhältnißmäßig kleinen Kopfes mit einfachem Spritzloch, sowie ein kleiner, aber schlanker Leib mit kleiner Schwanz- und Brustflosse und einer Rückenflosse, welche wenigstens oft sich findet. Die Zähne sind besonders deshalb merkwürdig, weil sie sich nicht als Schneide-, Reiß-, Mal- und Kauzähne unterscheiden lassen, sondern durchaus gleichartig gebildet sind. Auch der Darmschlauch verdient wegen der großen Weite der Speiseröhre und dem etwa zwölf Mal körperlangen Darme Beobachtung.
Die Delfine beleben alle Meere der Erde, die unter dem Gleicher liegenden ebensowohl als die hochnordischen und gemäßigteren. Sie sind die einzigen Wale, welche weit in den Flüssen empor- steigen, ja selbst ihre ganze Lebenszeit in ihnen und in den Seen, welche mit den Flüssen zusammen- hängen, verbringen. Sie wandern wie die Wale von Norden nach Süden oder von Westen nach Osten und umgekehrt. Alle sind im hohen Grade gesellig; manche schlagen sich in sehr starke Scharen zusammen, welche dann tage- und wochenlang mit einander im Meere hin und her streifen. Jhre große Lebhaftigkeit, ihre geringe Scheu vor dem Menschen und ihre lustigen Spiele haben sie schon seit uralter Zeit den Schiffern und zumal den Dichtern befreundet.
Fast alle Delfine schwimmen mit außerordentlicher Gewandtheit und Schnelligkeit und sind des- halb zum Fischfang im hohen Grade befähigt. Gerade sie gehören zu den furchtbarsten Räubern des Meeres; sie wagen sich selbst an den ungeheuren Walfisch und wissen diesen, Dank ihrer Ausdauer, wirklich zu bewältigen. Nebenbei fressen sie auch noch Kopffüßler, Weich-, Krusten- und Strahlen- thiere; einzelne sollen aber auch Seetange und Baumfrüchte zu sich nehmen und diese sogar von den Bäumen, welche sich über das Wasser neigen, abpflücken. Gefräßig, raubgierig und grausam sind sie alle. Was genießbar ist, erscheint ihnen als gute Beute; sie verschmähen nicht einmal die Jun- gen ihrer eigenen Art oder ihrer nächsten Verwandten. Unter sich zeigen sie eine große Anhänglich- keit; sobald aber einer von ihnen getödtet worden ist, fallen sie wie die Wölfe über den Leichnam her, zerreißen ihn in Stücke und fressen ihn auf. Zur Paarungszeit streiten die Männchen mancher Arten um den Besitz des Weibchens, und ein etwa im Kampfe getödteter Nebenbuhler wird sofort auf- gefressen. Die Weibchen werfen nach einer Tragzeit von etwa zehn Monaten ein oder zwei Junge, säugen diese lange, behandeln sie mit der größten Sorgfalt und beschützen und bewachen sie bei Ge- fahr. Bei einigen Arten kommt auch der Vater oder ein anderes zu derselben Schar gehöriges Mit- glied herbei, und beide tragen den verwundeten Säugling auf dem Rücken mit sich fort. Man nimmt an, daß die Jungen nur langsam wachsen, aber ein hohes Alter erreichen.
Alle Delfine sind seitens des Menschen ungleich weniger Verfolgungen ausgesetzt, als die übri- gen Wale. Jhre schlimmsten Feinde sind ihre eigenen Familienglieder; aber mehr noch, als irgend welches Raubthier wird ihnen ihr Ungestüm verderblich. Sie verfolgen mit solcher Gier ihre Beute, daß sie oft durch diese auf den verrätherischen Strand gezogen werden, gänzlich außer Fahrwasser gerathen und scharenweise auf dem Trockenen verkommen müssen. Manchmal finden die Fischer Dutzende von ihnen am Strande liegen. Jm Todeskampfe lassen sie ihre Stimme vernehmen: ein schauerliches Stöhnen und Aechzen, welches bei einigen von reichen Thränengüssen begleitet wird.
Der Mensch gewinnt von vielen Arten einen ziemlichen Nutzen; denn fast alle Theile des Leibes finden Verwendung. Man ißt das Fleisch und das Fett, die edleren Eingeweide, benutzt die Haut und die Gedärme und schmilzt aus ihrem Speck einen sehr gesuchten, feinen Thran aus.
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Die Delfine.
Die zweite Familie der Wale, welche die Delfine (Delphini) umfaßt, iſt die reichhaltigſte von allen und zerfällt in eine Menge von Sippen. Alle hierher gehörigen Thiere ſind Mittelglieder zwi- ſchen dem Narwal und dem Pottfiſch, welche beide von manchen Naturforſchern der Delfinfamilie ohne weiteres zugezählt werden. Sie kennzeichnen eine anſehnliche Zahnmenge in den beiden manch- mal ſchnabelartig verlängerten Kiefern des verhältnißmäßig kleinen Kopfes mit einfachem Spritzloch, ſowie ein kleiner, aber ſchlanker Leib mit kleiner Schwanz- und Bruſtfloſſe und einer Rückenfloſſe, welche wenigſtens oft ſich findet. Die Zähne ſind beſonders deshalb merkwürdig, weil ſie ſich nicht als Schneide-, Reiß-, Mal- und Kauzähne unterſcheiden laſſen, ſondern durchaus gleichartig gebildet ſind. Auch der Darmſchlauch verdient wegen der großen Weite der Speiſeröhre und dem etwa zwölf Mal körperlangen Darme Beobachtung.
Die Delfine beleben alle Meere der Erde, die unter dem Gleicher liegenden ebenſowohl als die hochnordiſchen und gemäßigteren. Sie ſind die einzigen Wale, welche weit in den Flüſſen empor- ſteigen, ja ſelbſt ihre ganze Lebenszeit in ihnen und in den Seen, welche mit den Flüſſen zuſammen- hängen, verbringen. Sie wandern wie die Wale von Norden nach Süden oder von Weſten nach Oſten und umgekehrt. Alle ſind im hohen Grade geſellig; manche ſchlagen ſich in ſehr ſtarke Scharen zuſammen, welche dann tage- und wochenlang mit einander im Meere hin und her ſtreifen. Jhre große Lebhaftigkeit, ihre geringe Scheu vor dem Menſchen und ihre luſtigen Spiele haben ſie ſchon ſeit uralter Zeit den Schiffern und zumal den Dichtern befreundet.
Faſt alle Delfine ſchwimmen mit außerordentlicher Gewandtheit und Schnelligkeit und ſind des- halb zum Fiſchfang im hohen Grade befähigt. Gerade ſie gehören zu den furchtbarſten Räubern des Meeres; ſie wagen ſich ſelbſt an den ungeheuren Walfiſch und wiſſen dieſen, Dank ihrer Ausdauer, wirklich zu bewältigen. Nebenbei freſſen ſie auch noch Kopffüßler, Weich-, Kruſten- und Strahlen- thiere; einzelne ſollen aber auch Seetange und Baumfrüchte zu ſich nehmen und dieſe ſogar von den Bäumen, welche ſich über das Waſſer neigen, abpflücken. Gefräßig, raubgierig und grauſam ſind ſie alle. Was genießbar iſt, erſcheint ihnen als gute Beute; ſie verſchmähen nicht einmal die Jun- gen ihrer eigenen Art oder ihrer nächſten Verwandten. Unter ſich zeigen ſie eine große Anhänglich- keit; ſobald aber einer von ihnen getödtet worden iſt, fallen ſie wie die Wölfe über den Leichnam her, zerreißen ihn in Stücke und freſſen ihn auf. Zur Paarungszeit ſtreiten die Männchen mancher Arten um den Beſitz des Weibchens, und ein etwa im Kampfe getödteter Nebenbuhler wird ſofort auf- gefreſſen. Die Weibchen werfen nach einer Tragzeit von etwa zehn Monaten ein oder zwei Junge, ſäugen dieſe lange, behandeln ſie mit der größten Sorgfalt und beſchützen und bewachen ſie bei Ge- fahr. Bei einigen Arten kommt auch der Vater oder ein anderes zu derſelben Schar gehöriges Mit- glied herbei, und beide tragen den verwundeten Säugling auf dem Rücken mit ſich fort. Man nimmt an, daß die Jungen nur langſam wachſen, aber ein hohes Alter erreichen.
Alle Delfine ſind ſeitens des Menſchen ungleich weniger Verfolgungen ausgeſetzt, als die übri- gen Wale. Jhre ſchlimmſten Feinde ſind ihre eigenen Familienglieder; aber mehr noch, als irgend welches Raubthier wird ihnen ihr Ungeſtüm verderblich. Sie verfolgen mit ſolcher Gier ihre Beute, daß ſie oft durch dieſe auf den verrätheriſchen Strand gezogen werden, gänzlich außer Fahrwaſſer gerathen und ſcharenweiſe auf dem Trockenen verkommen müſſen. Manchmal finden die Fiſcher Dutzende von ihnen am Strande liegen. Jm Todeskampfe laſſen ſie ihre Stimme vernehmen: ein ſchauerliches Stöhnen und Aechzen, welches bei einigen von reichen Thränengüſſen begleitet wird.
Der Menſch gewinnt von vielen Arten einen ziemlichen Nutzen; denn faſt alle Theile des Leibes finden Verwendung. Man ißt das Fleiſch und das Fett, die edleren Eingeweide, benutzt die Haut und die Gedärme und ſchmilzt aus ihrem Speck einen ſehr geſuchten, feinen Thran aus.
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[835/0883]
Die Delfine.
Die zweite Familie der Wale, welche die Delfine (Delphini) umfaßt, iſt die reichhaltigſte von
allen und zerfällt in eine Menge von Sippen. Alle hierher gehörigen Thiere ſind Mittelglieder zwi-
ſchen dem Narwal und dem Pottfiſch, welche beide von manchen Naturforſchern der Delfinfamilie
ohne weiteres zugezählt werden. Sie kennzeichnen eine anſehnliche Zahnmenge in den beiden manch-
mal ſchnabelartig verlängerten Kiefern des verhältnißmäßig kleinen Kopfes mit einfachem Spritzloch,
ſowie ein kleiner, aber ſchlanker Leib mit kleiner Schwanz- und Bruſtfloſſe und einer Rückenfloſſe,
welche wenigſtens oft ſich findet. Die Zähne ſind beſonders deshalb merkwürdig, weil ſie ſich nicht
als Schneide-, Reiß-, Mal- und Kauzähne unterſcheiden laſſen, ſondern durchaus gleichartig gebildet
ſind. Auch der Darmſchlauch verdient wegen der großen Weite der Speiſeröhre und dem etwa zwölf
Mal körperlangen Darme Beobachtung.
Die Delfine beleben alle Meere der Erde, die unter dem Gleicher liegenden ebenſowohl als die
hochnordiſchen und gemäßigteren. Sie ſind die einzigen Wale, welche weit in den Flüſſen empor-
ſteigen, ja ſelbſt ihre ganze Lebenszeit in ihnen und in den Seen, welche mit den Flüſſen zuſammen-
hängen, verbringen. Sie wandern wie die Wale von Norden nach Süden oder von Weſten nach
Oſten und umgekehrt. Alle ſind im hohen Grade geſellig; manche ſchlagen ſich in ſehr ſtarke Scharen
zuſammen, welche dann tage- und wochenlang mit einander im Meere hin und her ſtreifen. Jhre
große Lebhaftigkeit, ihre geringe Scheu vor dem Menſchen und ihre luſtigen Spiele haben ſie ſchon
ſeit uralter Zeit den Schiffern und zumal den Dichtern befreundet.
Faſt alle Delfine ſchwimmen mit außerordentlicher Gewandtheit und Schnelligkeit und ſind des-
halb zum Fiſchfang im hohen Grade befähigt. Gerade ſie gehören zu den furchtbarſten Räubern des
Meeres; ſie wagen ſich ſelbſt an den ungeheuren Walfiſch und wiſſen dieſen, Dank ihrer Ausdauer,
wirklich zu bewältigen. Nebenbei freſſen ſie auch noch Kopffüßler, Weich-, Kruſten- und Strahlen-
thiere; einzelne ſollen aber auch Seetange und Baumfrüchte zu ſich nehmen und dieſe ſogar von den
Bäumen, welche ſich über das Waſſer neigen, abpflücken. Gefräßig, raubgierig und grauſam ſind
ſie alle. Was genießbar iſt, erſcheint ihnen als gute Beute; ſie verſchmähen nicht einmal die Jun-
gen ihrer eigenen Art oder ihrer nächſten Verwandten. Unter ſich zeigen ſie eine große Anhänglich-
keit; ſobald aber einer von ihnen getödtet worden iſt, fallen ſie wie die Wölfe über den Leichnam
her, zerreißen ihn in Stücke und freſſen ihn auf. Zur Paarungszeit ſtreiten die Männchen mancher
Arten um den Beſitz des Weibchens, und ein etwa im Kampfe getödteter Nebenbuhler wird ſofort auf-
gefreſſen. Die Weibchen werfen nach einer Tragzeit von etwa zehn Monaten ein oder zwei Junge,
ſäugen dieſe lange, behandeln ſie mit der größten Sorgfalt und beſchützen und bewachen ſie bei Ge-
fahr. Bei einigen Arten kommt auch der Vater oder ein anderes zu derſelben Schar gehöriges Mit-
glied herbei, und beide tragen den verwundeten Säugling auf dem Rücken mit ſich fort. Man nimmt
an, daß die Jungen nur langſam wachſen, aber ein hohes Alter erreichen.
Alle Delfine ſind ſeitens des Menſchen ungleich weniger Verfolgungen ausgeſetzt, als die übri-
gen Wale. Jhre ſchlimmſten Feinde ſind ihre eigenen Familienglieder; aber mehr noch, als irgend
welches Raubthier wird ihnen ihr Ungeſtüm verderblich. Sie verfolgen mit ſolcher Gier ihre Beute,
daß ſie oft durch dieſe auf den verrätheriſchen Strand gezogen werden, gänzlich außer Fahrwaſſer
gerathen und ſcharenweiſe auf dem Trockenen verkommen müſſen. Manchmal finden die Fiſcher
Dutzende von ihnen am Strande liegen. Jm Todeskampfe laſſen ſie ihre Stimme vernehmen: ein
ſchauerliches Stöhnen und Aechzen, welches bei einigen von reichen Thränengüſſen begleitet wird.
Der Menſch gewinnt von vielen Arten einen ziemlichen Nutzen; denn faſt alle Theile des Leibes
finden Verwendung. Man ißt das Fleiſch und das Fett, die edleren Eingeweide, benutzt die Haut
und die Gedärme und ſchmilzt aus ihrem Speck einen ſehr geſuchten, feinen Thran aus.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 835. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/883>, abgerufen am 23.11.2024.
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