eines reichlichen Lohnes erfreut. Manchmal aber ist am Ende der Fahrt auch kein einziger Fisch ge- fangen worden, und dann hat die Mannschaft, welche für ihren Lohn auf einen Theil des Fanges angewiesen ist, alle Noth und Mühe umsonst gehabt, und der Unternehmer ist um eine bedeutende Summe ärmer."
"Wie sehr der Walfischfang von den Launen des Zufalls abhängt, geht aus folgenden amt- lichen Angaben deutlich hervor. Jm Jahre 1748 wurden von den 108 Schiffen der holländischen Grönlandsflotte 1291 Fische gefangen, deren Werth etwa vier Millionen Thaler betrug, so daß also auf jedes Schiff durchschnittlich sechsunddreißigtausend Thaler kamen; im folgenden Jahre da- gegen erbenteten 137 Schiffe blos zweiundzwanzig Wale. Jn Folge dieses entmuthigenden Ergeb- nisses rüstete man das nächste Mal nur 117 Schiffe aus; diese fingen aber 631 Walfische und ent- schädigten den Rheder einigermaßen für den erlittenen Verlust."
Der Walfischfang selbst ist schon so oft und so ausführlich beschrieben worden, daß wir uns hier mit einer kurzen Schilderung vollkommen begnügen können. Wenn die Schiffe in den Wal- fischgründen angekommen sind, kreuzen sie entweder in bestimmten Breiten auf und nieder, oder legen sich an irgend einer günstigen Stelle vor Anker und beobachten von nun an unablässig das Wasser nach allen Richtungen hin. Der Ausruf des Mannes im Mastkorbe: "Dort blasen sie!" bringt das ganze Schiff in eine unglaubliche Aufregung. Sorgfältig ausgerüstete Bote wer- den ausgesetzt, jedes von ihnen mit sechs bis acht tüchtigen Ruderern, einem Steuermann und dem Harpunenwerfer bemannt, und alle jagen nun so eilig als möglich den ruhig ihren Weg schwim- menden Walen entgegen. Die Angriffswaffe, deren sich der Harpunier bedient, ist ein lanzen- artig zugespitztes, scharfes, mit Widerhaken versehenes Eisen, welches an einer sehr langen und äußerst biegsamen Leine befestigt ist. Letztere liegt auf einer leicht drehbaren Walze im Vorder- theile des Botes sorgfältig aufgerollt. Beim Näherkommen rudert man langsam und vorsichtig auf den Walfisch zu, je näher, um so besser, und der Harpunier wirft nun mit voller Kraft das scharfe Eisen in den Riesenleib des Wales. Jn demselben Augenblicke schlagen alle Ruder in das Wasser, um das Bot aus der gefährlichen Nähe des verwundeten Ungeheuers zu entfernen. Ge- wöhnlich taucht der Wal sofort nach dem Wurf blitzschnell in die Tiefe und rollt dabei die Leine so rasch ab, daß man Wasser auf die Rolle gießen muß, um die Entzündung derselben zu ver- hindern. Die große Schnelligkeit der ersten Schwimmbewegung hält jedoch nicht lange an. Der Wal schwimmt ruhiger, und seine furchtbaren Feinde sind jetzt im Stande, die Verfolgung wieder aufzunehmen. Freilich kommt es auch vor, daß das Bot von dem fliehenden Thiere mit rasender Schnelligkeit stunden-, ja halbe Tage lang nachgeschleift wird. Nach einer Viertelstunde etwa erscheint der Verwundete wieder an der Oberfläche, um zu athmen. Das eine oder andere Bot nähert sich ihm zum zweiten Male, und ein neuer Wurfspieß dringt in seinen Leib. "Die mensch- liche Einbildung," sagt ein Augenzeuge, "kann sich nichts Schrecklicheres vorstellen, als die Schläch- terei, welche man hier sieht. Entsetzt stürzt sich der Walfisch von Woge zu Woge, springt im Todeskampfe aus dem Wasser heraus und bedeckt das Meer umher mit Blut und Schaum. Er taucht unter, indem er einen Wirbel auf seinem Pfade zurückläßt, er kommt empor, und die tödt- liche Lanze dringt in einen noch unberührten Lebensquell; wohin er sich auch kehrt, das kalte Eisen stachelt ihn zur Verzweiflung auf. Jm vergeblichen Aufwand seiner Stärke macht er die See kochen wie in einem Topf, ein Zittern ergreift seinen ungeheuren Leib und schüttelt ihn, wie der erwachende Vulkan die Wand des Berges. Endlich hat er sich verblutet; er senkt sich auf die Seite und wird nun verächtlich von den Meereswogen umhergeschleudert, ein willkommenes Ziel für Tausende von Vögeln, welche augenblicklich herbeikommen, in der Absicht, von dem riesigen Aase zu speisen."
Der getödtete Wal geht sehr rasch in Fäulniß über. Schon einen Tag nach seinem Tode ist er zu einer ungeheuren schwammigen Masse angeschwollen, und gar nicht selten treiben die sich ent- wickelnden Gase den Leichnam so auf, daß er unter heftigem Knall berstet und dabei einen uner-
Walthiere.
eines reichlichen Lohnes erfreut. Manchmal aber iſt am Ende der Fahrt auch kein einziger Fiſch ge- fangen worden, und dann hat die Mannſchaft, welche für ihren Lohn auf einen Theil des Fanges angewieſen iſt, alle Noth und Mühe umſonſt gehabt, und der Unternehmer iſt um eine bedeutende Summe ärmer.‟
„Wie ſehr der Walfiſchfang von den Launen des Zufalls abhängt, geht aus folgenden amt- lichen Angaben deutlich hervor. Jm Jahre 1748 wurden von den 108 Schiffen der holländiſchen Grönlandsflotte 1291 Fiſche gefangen, deren Werth etwa vier Millionen Thaler betrug, ſo daß alſo auf jedes Schiff durchſchnittlich ſechsunddreißigtauſend Thaler kamen; im folgenden Jahre da- gegen erbenteten 137 Schiffe blos zweiundzwanzig Wale. Jn Folge dieſes entmuthigenden Ergeb- niſſes rüſtete man das nächſte Mal nur 117 Schiffe aus; dieſe fingen aber 631 Walfiſche und ent- ſchädigten den Rheder einigermaßen für den erlittenen Verluſt.‟
Der Walfiſchfang ſelbſt iſt ſchon ſo oft und ſo ausführlich beſchrieben worden, daß wir uns hier mit einer kurzen Schilderung vollkommen begnügen können. Wenn die Schiffe in den Wal- fiſchgründen angekommen ſind, kreuzen ſie entweder in beſtimmten Breiten auf und nieder, oder legen ſich an irgend einer günſtigen Stelle vor Anker und beobachten von nun an unabläſſig das Waſſer nach allen Richtungen hin. Der Ausruf des Mannes im Maſtkorbe: „Dort blaſen ſie!‟ bringt das ganze Schiff in eine unglaubliche Aufregung. Sorgfältig ausgerüſtete Bote wer- den ausgeſetzt, jedes von ihnen mit ſechs bis acht tüchtigen Ruderern, einem Steuermann und dem Harpunenwerfer bemannt, und alle jagen nun ſo eilig als möglich den ruhig ihren Weg ſchwim- menden Walen entgegen. Die Angriffswaffe, deren ſich der Harpunier bedient, iſt ein lanzen- artig zugeſpitztes, ſcharfes, mit Widerhaken verſehenes Eiſen, welches an einer ſehr langen und äußerſt biegſamen Leine befeſtigt iſt. Letztere liegt auf einer leicht drehbaren Walze im Vorder- theile des Botes ſorgfältig aufgerollt. Beim Näherkommen rudert man langſam und vorſichtig auf den Walfiſch zu, je näher, um ſo beſſer, und der Harpunier wirft nun mit voller Kraft das ſcharfe Eiſen in den Rieſenleib des Wales. Jn demſelben Augenblicke ſchlagen alle Ruder in das Waſſer, um das Bot aus der gefährlichen Nähe des verwundeten Ungeheuers zu entfernen. Ge- wöhnlich taucht der Wal ſofort nach dem Wurf blitzſchnell in die Tiefe und rollt dabei die Leine ſo raſch ab, daß man Waſſer auf die Rolle gießen muß, um die Entzündung derſelben zu ver- hindern. Die große Schnelligkeit der erſten Schwimmbewegung hält jedoch nicht lange an. Der Wal ſchwimmt ruhiger, und ſeine furchtbaren Feinde ſind jetzt im Stande, die Verfolgung wieder aufzunehmen. Freilich kommt es auch vor, daß das Bot von dem fliehenden Thiere mit raſender Schnelligkeit ſtunden-, ja halbe Tage lang nachgeſchleift wird. Nach einer Viertelſtunde etwa erſcheint der Verwundete wieder an der Oberfläche, um zu athmen. Das eine oder andere Bot nähert ſich ihm zum zweiten Male, und ein neuer Wurfſpieß dringt in ſeinen Leib. „Die menſch- liche Einbildung,‟ ſagt ein Augenzeuge, „kann ſich nichts Schrecklicheres vorſtellen, als die Schläch- terei, welche man hier ſieht. Entſetzt ſtürzt ſich der Walfiſch von Woge zu Woge, ſpringt im Todeskampfe aus dem Waſſer heraus und bedeckt das Meer umher mit Blut und Schaum. Er taucht unter, indem er einen Wirbel auf ſeinem Pfade zurückläßt, er kommt empor, und die tödt- liche Lanze dringt in einen noch unberührten Lebensquell; wohin er ſich auch kehrt, das kalte Eiſen ſtachelt ihn zur Verzweiflung auf. Jm vergeblichen Aufwand ſeiner Stärke macht er die See kochen wie in einem Topf, ein Zittern ergreift ſeinen ungeheuren Leib und ſchüttelt ihn, wie der erwachende Vulkan die Wand des Berges. Endlich hat er ſich verblutet; er ſenkt ſich auf die Seite und wird nun verächtlich von den Meereswogen umhergeſchleudert, ein willkommenes Ziel für Tauſende von Vögeln, welche augenblicklich herbeikommen, in der Abſicht, von dem rieſigen Aaſe zu ſpeiſen.‟
Der getödtete Wal geht ſehr raſch in Fäulniß über. Schon einen Tag nach ſeinem Tode iſt er zu einer ungeheuren ſchwammigen Maſſe angeſchwollen, und gar nicht ſelten treiben die ſich ent- wickelnden Gaſe den Leichnam ſo auf, daß er unter heftigem Knall berſtet und dabei einen uner-
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[830/0878]
Walthiere.
eines reichlichen Lohnes erfreut. Manchmal aber iſt am Ende der Fahrt auch kein einziger Fiſch ge-
fangen worden, und dann hat die Mannſchaft, welche für ihren Lohn auf einen Theil des Fanges
angewieſen iſt, alle Noth und Mühe umſonſt gehabt, und der Unternehmer iſt um eine bedeutende
Summe ärmer.‟
„Wie ſehr der Walfiſchfang von den Launen des Zufalls abhängt, geht aus folgenden amt-
lichen Angaben deutlich hervor. Jm Jahre 1748 wurden von den 108 Schiffen der holländiſchen
Grönlandsflotte 1291 Fiſche gefangen, deren Werth etwa vier Millionen Thaler betrug, ſo daß
alſo auf jedes Schiff durchſchnittlich ſechsunddreißigtauſend Thaler kamen; im folgenden Jahre da-
gegen erbenteten 137 Schiffe blos zweiundzwanzig Wale. Jn Folge dieſes entmuthigenden Ergeb-
niſſes rüſtete man das nächſte Mal nur 117 Schiffe aus; dieſe fingen aber 631 Walfiſche und ent-
ſchädigten den Rheder einigermaßen für den erlittenen Verluſt.‟
Der Walfiſchfang ſelbſt iſt ſchon ſo oft und ſo ausführlich beſchrieben worden, daß wir uns
hier mit einer kurzen Schilderung vollkommen begnügen können. Wenn die Schiffe in den Wal-
fiſchgründen angekommen ſind, kreuzen ſie entweder in beſtimmten Breiten auf und nieder, oder
legen ſich an irgend einer günſtigen Stelle vor Anker und beobachten von nun an unabläſſig das
Waſſer nach allen Richtungen hin. Der Ausruf des Mannes im Maſtkorbe: „Dort blaſen
ſie!‟ bringt das ganze Schiff in eine unglaubliche Aufregung. Sorgfältig ausgerüſtete Bote wer-
den ausgeſetzt, jedes von ihnen mit ſechs bis acht tüchtigen Ruderern, einem Steuermann und dem
Harpunenwerfer bemannt, und alle jagen nun ſo eilig als möglich den ruhig ihren Weg ſchwim-
menden Walen entgegen. Die Angriffswaffe, deren ſich der Harpunier bedient, iſt ein lanzen-
artig zugeſpitztes, ſcharfes, mit Widerhaken verſehenes Eiſen, welches an einer ſehr langen und
äußerſt biegſamen Leine befeſtigt iſt. Letztere liegt auf einer leicht drehbaren Walze im Vorder-
theile des Botes ſorgfältig aufgerollt. Beim Näherkommen rudert man langſam und vorſichtig
auf den Walfiſch zu, je näher, um ſo beſſer, und der Harpunier wirft nun mit voller Kraft das
ſcharfe Eiſen in den Rieſenleib des Wales. Jn demſelben Augenblicke ſchlagen alle Ruder in das
Waſſer, um das Bot aus der gefährlichen Nähe des verwundeten Ungeheuers zu entfernen. Ge-
wöhnlich taucht der Wal ſofort nach dem Wurf blitzſchnell in die Tiefe und rollt dabei die Leine
ſo raſch ab, daß man Waſſer auf die Rolle gießen muß, um die Entzündung derſelben zu ver-
hindern. Die große Schnelligkeit der erſten Schwimmbewegung hält jedoch nicht lange an. Der
Wal ſchwimmt ruhiger, und ſeine furchtbaren Feinde ſind jetzt im Stande, die Verfolgung wieder
aufzunehmen. Freilich kommt es auch vor, daß das Bot von dem fliehenden Thiere mit raſender
Schnelligkeit ſtunden-, ja halbe Tage lang nachgeſchleift wird. Nach einer Viertelſtunde etwa
erſcheint der Verwundete wieder an der Oberfläche, um zu athmen. Das eine oder andere Bot
nähert ſich ihm zum zweiten Male, und ein neuer Wurfſpieß dringt in ſeinen Leib. „Die menſch-
liche Einbildung,‟ ſagt ein Augenzeuge, „kann ſich nichts Schrecklicheres vorſtellen, als die Schläch-
terei, welche man hier ſieht. Entſetzt ſtürzt ſich der Walfiſch von Woge zu Woge, ſpringt im
Todeskampfe aus dem Waſſer heraus und bedeckt das Meer umher mit Blut und Schaum. Er
taucht unter, indem er einen Wirbel auf ſeinem Pfade zurückläßt, er kommt empor, und die tödt-
liche Lanze dringt in einen noch unberührten Lebensquell; wohin er ſich auch kehrt, das kalte Eiſen
ſtachelt ihn zur Verzweiflung auf. Jm vergeblichen Aufwand ſeiner Stärke macht er die See
kochen wie in einem Topf, ein Zittern ergreift ſeinen ungeheuren Leib und ſchüttelt ihn, wie der
erwachende Vulkan die Wand des Berges. Endlich hat er ſich verblutet; er ſenkt ſich auf die
Seite und wird nun verächtlich von den Meereswogen umhergeſchleudert, ein willkommenes Ziel
für Tauſende von Vögeln, welche augenblicklich herbeikommen, in der Abſicht, von dem rieſigen Aaſe
zu ſpeiſen.‟
Der getödtete Wal geht ſehr raſch in Fäulniß über. Schon einen Tag nach ſeinem Tode iſt
er zu einer ungeheuren ſchwammigen Maſſe angeſchwollen, und gar nicht ſelten treiben die ſich ent-
wickelnden Gaſe den Leichnam ſo auf, daß er unter heftigem Knall berſtet und dabei einen uner-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 830. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/878>, abgerufen am 23.11.2024.
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