Luft zu schöpfen. Auf die Zweckmäßigkeit der übrigen Leibestheile brauchen wir gar nicht einzugehen; sie ergibt sich jedem Denkenden von selbst.
Die Wale sind zu vollkommenen Meeresbewohnern geworden. Sie meiden die Nähe der Küste soviel als möglich: das Land wird ihnen verderblich. Nur die Mitglieder einer Familie gehen zu- weilen ziemlich hoch im süßen Wasser empor, jedoch nicht gern weiter, als sich die Wirkung der Fluth bemerklich macht. Alle übrigen verlassen das Salzwasser nicht. Auf dem festen Lande kann sich kein Wal bewegen: -- wenn ein Sturm ihn auf das Trockene schleudert, ist er rettungslos verloren.
Manche Arten scheinen an die kältesten Gegenden des Meeres gebunden zu sein; nur sehr we- nige sind Weltbürger. Zu gewissen Zeiten des Jahres ändern sie ihren Aufenthalt und ziehen in bestimmten, weiten Kreisen im Meere hin und her. Alle sind im hohen Grade bewegungsfähige Thiere. Sie schwimmen mit der größten Meisterschaft, ohne irgend sichtbare Anstrengung, manche mit unglaublicher Schnelligkeit. Gewöhnlich halten sie sich nahe der Oberfläche; vielleicht steigen sie in größere Tiefen des Meeres nur dann hinab, wenn sie verwundet wurden. Die oberste Schicht des Wassers ist ihr eigentliches Gebiet: sie müssen mit dem Kopfe und einem Theil des Rückens em- porkommen, wenn sie Athem schöpfen wollen. Jhr Luftwechsel hat manches Eigenthümliche. Der emporgekommene Wal spritzt zuerst unter schnaubendem Geräusch das Wasser, welches in die nur unvollkommen verschlossenen Nasenlöcher eindrang, mit so großer Gewalt empor, daß es sich in feine Tropfen auflöst, aber dennoch bis zu funfzehn und zwanzig Fuß Höhe emporgeschlendert wird. Dieser Wasserstrahl läßt sich am besten mit einer Dampfsäule vergleichen, welche aus einer engen Röhre entweicht; auch das Schnauben erinnert an das durch den Dampf unter gegebenen Umstän- den verursachte Geräusch. Einen Wasserstrahl, wie ihn ein Springbrunnen in die Höhe schleudert, wirft kein Wal aus, obgleich die meisten Zeichner Dies darstellen und noch gar viele Naturbeschreiber es angeben. Gleich nach dem Ausstoßen zieht das Thier unter ebenfalls laut hörbar stöhnendem Geräusch mit einem raschen Athemzug die ihm nöthige Luft ein, und manchmal wechselt es drei, vier, auch fünf Mal in der Minute den Athem, aber nur das erste Mal nach dem Auftauchen wird ein Strahl emporgeschleudert. Die Nasenlöcher sind so günstig gelegen, daß der Wal beim Auf- tauchen immer mit ihnen zuerst in das Freie kommt, und somit wird ihm das Athmen ebenso bequem, als anderen Thieren. Man darf annehmen, daß ein ruhig dahin schwimmender, ungestörter Wal mindestens alle anderthalb Minuten ein Mal Luft schöpft; aber man hat auch beobachtet, daß die Thiere weit länger unter Wasser verweilen können: der berühmte Walfischjäger Scoresby be- hauptet, daß verwundete Wale bis zwanzig Minuten unter Wasser aushalten können. Unter solchen Umständen leistet wahrscheinlich das in den erwähnten Schlagadersäcken aufbewahrte, angesäuerte Blut der Athemnoth noch einige Zeit lang Vorschub; endlich aber macht sich das Säugethier doch gel- tend, und der Wal muß wieder zur Oberfläche emporsteigen, um dem unvermeidlichen Erstickungs- tode zu entrinnen. Bei unterbrochenem Luftwechsel stirbt der Wal so sicher, als jeder andere Säu- ger, an Erstickung, wie man behauptet hat, sogar in sehr kurzer Zeit. Ein Wal, welcher sich in dem Tau verschlang, mit dem man einen seiner eben getödteten Gefährten behufs der Ausnutzung em- porgewunden hatte, war nach wenigen Minuten eine Leiche. Schwerer zu begreifen ist, daß unsere Thiere, welche doch blos Luft athmen, in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit ebenfalls sterben, wenn sie auf das Trockene geschleudert werden. Dort fehlt es ihnen doch wahrhaftig nicht an Luft, und auch der Hunger tödtet ein so gewaltiges Thier schwerlich so schnell; gleichwohl ist der gestrandete Wal, wie schon bemerkt, jedes Mal dem Verderben preisgegeben.
Alle eigentlichen Wale nähren sich von Thieren und nehmen wahrscheinlich nur zufällig Pflan- zen mit auf; wenigstens bedarf es noch genauerer Beobachtung, bevor man behaupten kann, daß eine Art, der Finnfisch nämlich, die Tange, welche man oft in großer Menge in seinem Magen fin- det, abweidet, oder ein Delfin die in das Flußwasser gefallenen Früchte frißt. Größere und klei- nere Meerthiere der verschiedensten Klassen sind die Beute, welcher sie nachstreben. Gerade die größten
Walthiere.
Luft zu ſchöpfen. Auf die Zweckmäßigkeit der übrigen Leibestheile brauchen wir gar nicht einzugehen; ſie ergibt ſich jedem Denkenden von ſelbſt.
Die Wale ſind zu vollkommenen Meeresbewohnern geworden. Sie meiden die Nähe der Küſte ſoviel als möglich: das Land wird ihnen verderblich. Nur die Mitglieder einer Familie gehen zu- weilen ziemlich hoch im ſüßen Waſſer empor, jedoch nicht gern weiter, als ſich die Wirkung der Fluth bemerklich macht. Alle übrigen verlaſſen das Salzwaſſer nicht. Auf dem feſten Lande kann ſich kein Wal bewegen: — wenn ein Sturm ihn auf das Trockene ſchleudert, iſt er rettungslos verloren.
Manche Arten ſcheinen an die kälteſten Gegenden des Meeres gebunden zu ſein; nur ſehr we- nige ſind Weltbürger. Zu gewiſſen Zeiten des Jahres ändern ſie ihren Aufenthalt und ziehen in beſtimmten, weiten Kreiſen im Meere hin und her. Alle ſind im hohen Grade bewegungsfähige Thiere. Sie ſchwimmen mit der größten Meiſterſchaft, ohne irgend ſichtbare Anſtrengung, manche mit unglaublicher Schnelligkeit. Gewöhnlich halten ſie ſich nahe der Oberfläche; vielleicht ſteigen ſie in größere Tiefen des Meeres nur dann hinab, wenn ſie verwundet wurden. Die oberſte Schicht des Waſſers iſt ihr eigentliches Gebiet: ſie müſſen mit dem Kopfe und einem Theil des Rückens em- porkommen, wenn ſie Athem ſchöpfen wollen. Jhr Luftwechſel hat manches Eigenthümliche. Der emporgekommene Wal ſpritzt zuerſt unter ſchnaubendem Geräuſch das Waſſer, welches in die nur unvollkommen verſchloſſenen Naſenlöcher eindrang, mit ſo großer Gewalt empor, daß es ſich in feine Tropfen auflöſt, aber dennoch bis zu funfzehn und zwanzig Fuß Höhe emporgeſchlendert wird. Dieſer Waſſerſtrahl läßt ſich am beſten mit einer Dampfſäule vergleichen, welche aus einer engen Röhre entweicht; auch das Schnauben erinnert an das durch den Dampf unter gegebenen Umſtän- den verurſachte Geräuſch. Einen Waſſerſtrahl, wie ihn ein Springbrunnen in die Höhe ſchleudert, wirft kein Wal aus, obgleich die meiſten Zeichner Dies darſtellen und noch gar viele Naturbeſchreiber es angeben. Gleich nach dem Ausſtoßen zieht das Thier unter ebenfalls laut hörbar ſtöhnendem Geräuſch mit einem raſchen Athemzug die ihm nöthige Luft ein, und manchmal wechſelt es drei, vier, auch fünf Mal in der Minute den Athem, aber nur das erſte Mal nach dem Auftauchen wird ein Strahl emporgeſchleudert. Die Naſenlöcher ſind ſo günſtig gelegen, daß der Wal beim Auf- tauchen immer mit ihnen zuerſt in das Freie kommt, und ſomit wird ihm das Athmen ebenſo bequem, als anderen Thieren. Man darf annehmen, daß ein ruhig dahin ſchwimmender, ungeſtörter Wal mindeſtens alle anderthalb Minuten ein Mal Luft ſchöpft; aber man hat auch beobachtet, daß die Thiere weit länger unter Waſſer verweilen können: der berühmte Walfiſchjäger Scoresby be- hauptet, daß verwundete Wale bis zwanzig Minuten unter Waſſer aushalten können. Unter ſolchen Umſtänden leiſtet wahrſcheinlich das in den erwähnten Schlagaderſäcken aufbewahrte, angeſäuerte Blut der Athemnoth noch einige Zeit lang Vorſchub; endlich aber macht ſich das Säugethier doch gel- tend, und der Wal muß wieder zur Oberfläche emporſteigen, um dem unvermeidlichen Erſtickungs- tode zu entrinnen. Bei unterbrochenem Luftwechſel ſtirbt der Wal ſo ſicher, als jeder andere Säu- ger, an Erſtickung, wie man behauptet hat, ſogar in ſehr kurzer Zeit. Ein Wal, welcher ſich in dem Tau verſchlang, mit dem man einen ſeiner eben getödteten Gefährten behufs der Ausnutzung em- porgewunden hatte, war nach wenigen Minuten eine Leiche. Schwerer zu begreifen iſt, daß unſere Thiere, welche doch blos Luft athmen, in verhältnißmäßig ſehr kurzer Zeit ebenfalls ſterben, wenn ſie auf das Trockene geſchleudert werden. Dort fehlt es ihnen doch wahrhaftig nicht an Luft, und auch der Hunger tödtet ein ſo gewaltiges Thier ſchwerlich ſo ſchnell; gleichwohl iſt der geſtrandete Wal, wie ſchon bemerkt, jedes Mal dem Verderben preisgegeben.
Alle eigentlichen Wale nähren ſich von Thieren und nehmen wahrſcheinlich nur zufällig Pflan- zen mit auf; wenigſtens bedarf es noch genauerer Beobachtung, bevor man behaupten kann, daß eine Art, der Finnfiſch nämlich, die Tange, welche man oft in großer Menge in ſeinem Magen fin- det, abweidet, oder ein Delfin die in das Flußwaſſer gefallenen Früchte frißt. Größere und klei- nere Meerthiere der verſchiedenſten Klaſſen ſind die Beute, welcher ſie nachſtreben. Gerade die größten
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[827/0875]
Walthiere.
Luft zu ſchöpfen. Auf die Zweckmäßigkeit der übrigen Leibestheile brauchen wir gar nicht einzugehen;
ſie ergibt ſich jedem Denkenden von ſelbſt.
Die Wale ſind zu vollkommenen Meeresbewohnern geworden. Sie meiden die Nähe der Küſte
ſoviel als möglich: das Land wird ihnen verderblich. Nur die Mitglieder einer Familie gehen zu-
weilen ziemlich hoch im ſüßen Waſſer empor, jedoch nicht gern weiter, als ſich die Wirkung der
Fluth bemerklich macht. Alle übrigen verlaſſen das Salzwaſſer nicht. Auf dem feſten Lande kann
ſich kein Wal bewegen: — wenn ein Sturm ihn auf das Trockene ſchleudert, iſt er rettungslos
verloren.
Manche Arten ſcheinen an die kälteſten Gegenden des Meeres gebunden zu ſein; nur ſehr we-
nige ſind Weltbürger. Zu gewiſſen Zeiten des Jahres ändern ſie ihren Aufenthalt und ziehen in
beſtimmten, weiten Kreiſen im Meere hin und her. Alle ſind im hohen Grade bewegungsfähige
Thiere. Sie ſchwimmen mit der größten Meiſterſchaft, ohne irgend ſichtbare Anſtrengung, manche
mit unglaublicher Schnelligkeit. Gewöhnlich halten ſie ſich nahe der Oberfläche; vielleicht ſteigen
ſie in größere Tiefen des Meeres nur dann hinab, wenn ſie verwundet wurden. Die oberſte Schicht
des Waſſers iſt ihr eigentliches Gebiet: ſie müſſen mit dem Kopfe und einem Theil des Rückens em-
porkommen, wenn ſie Athem ſchöpfen wollen. Jhr Luftwechſel hat manches Eigenthümliche. Der
emporgekommene Wal ſpritzt zuerſt unter ſchnaubendem Geräuſch das Waſſer, welches in die nur
unvollkommen verſchloſſenen Naſenlöcher eindrang, mit ſo großer Gewalt empor, daß es ſich in
feine Tropfen auflöſt, aber dennoch bis zu funfzehn und zwanzig Fuß Höhe emporgeſchlendert wird.
Dieſer Waſſerſtrahl läßt ſich am beſten mit einer Dampfſäule vergleichen, welche aus einer engen
Röhre entweicht; auch das Schnauben erinnert an das durch den Dampf unter gegebenen Umſtän-
den verurſachte Geräuſch. Einen Waſſerſtrahl, wie ihn ein Springbrunnen in die Höhe ſchleudert,
wirft kein Wal aus, obgleich die meiſten Zeichner Dies darſtellen und noch gar viele Naturbeſchreiber
es angeben. Gleich nach dem Ausſtoßen zieht das Thier unter ebenfalls laut hörbar ſtöhnendem
Geräuſch mit einem raſchen Athemzug die ihm nöthige Luft ein, und manchmal wechſelt es drei,
vier, auch fünf Mal in der Minute den Athem, aber nur das erſte Mal nach dem Auftauchen wird
ein Strahl emporgeſchleudert. Die Naſenlöcher ſind ſo günſtig gelegen, daß der Wal beim Auf-
tauchen immer mit ihnen zuerſt in das Freie kommt, und ſomit wird ihm das Athmen ebenſo bequem,
als anderen Thieren. Man darf annehmen, daß ein ruhig dahin ſchwimmender, ungeſtörter Wal
mindeſtens alle anderthalb Minuten ein Mal Luft ſchöpft; aber man hat auch beobachtet, daß die
Thiere weit länger unter Waſſer verweilen können: der berühmte Walfiſchjäger Scoresby be-
hauptet, daß verwundete Wale bis zwanzig Minuten unter Waſſer aushalten können. Unter ſolchen
Umſtänden leiſtet wahrſcheinlich das in den erwähnten Schlagaderſäcken aufbewahrte, angeſäuerte
Blut der Athemnoth noch einige Zeit lang Vorſchub; endlich aber macht ſich das Säugethier doch gel-
tend, und der Wal muß wieder zur Oberfläche emporſteigen, um dem unvermeidlichen Erſtickungs-
tode zu entrinnen. Bei unterbrochenem Luftwechſel ſtirbt der Wal ſo ſicher, als jeder andere Säu-
ger, an Erſtickung, wie man behauptet hat, ſogar in ſehr kurzer Zeit. Ein Wal, welcher ſich in dem
Tau verſchlang, mit dem man einen ſeiner eben getödteten Gefährten behufs der Ausnutzung em-
porgewunden hatte, war nach wenigen Minuten eine Leiche. Schwerer zu begreifen iſt, daß unſere
Thiere, welche doch blos Luft athmen, in verhältnißmäßig ſehr kurzer Zeit ebenfalls ſterben, wenn
ſie auf das Trockene geſchleudert werden. Dort fehlt es ihnen doch wahrhaftig nicht an Luft, und
auch der Hunger tödtet ein ſo gewaltiges Thier ſchwerlich ſo ſchnell; gleichwohl iſt der geſtrandete Wal,
wie ſchon bemerkt, jedes Mal dem Verderben preisgegeben.
Alle eigentlichen Wale nähren ſich von Thieren und nehmen wahrſcheinlich nur zufällig Pflan-
zen mit auf; wenigſtens bedarf es noch genauerer Beobachtung, bevor man behaupten kann, daß
eine Art, der Finnfiſch nämlich, die Tange, welche man oft in großer Menge in ſeinem Magen fin-
det, abweidet, oder ein Delfin die in das Flußwaſſer gefallenen Früchte frißt. Größere und klei-
nere Meerthiere der verſchiedenſten Klaſſen ſind die Beute, welcher ſie nachſtreben. Gerade die größten
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 827. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/875>, abgerufen am 23.11.2024.
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