"Jch wunderte mich nicht wenig, daß ich auf Kamtschatka vor meiner Reise, da ich doch sorgfältig nach allen Thieren gefragt, nie Etwas von der Seekuh hatte erfahren können, nach meiner Zurückkunft jedoch hörte, daß dieses Thier vom kronotzkischen Vorgebirge bis an den Meer- busen Awatscha verbreitet sei und zuweilen todt aus Land geworfen werde; und da haben es die Kam- tschatalen in Ermangelung eines anderen mit dem Namen des Krautfressers belegt."
Sechzehnte Ordnung. Walthiere (Cetacea).
Wir sind am Ende unserer Klasse angelangt. Unter den Säugethieren sind die Wale genau Dasselbe, was die Fische unter den Wirbelthieren sind: ausschließlich dem Wasser angehörige und solchem Leben entsprechend gebaute Geschöpfe. Die Seehunde verbringen wenigstens noch ein Dritttheil ihres Lebens auf dem Lande: sie werden dort geboren und suchen es auf, wenn sie die freundlichen Strahlen der Sonne genießen und schlasen wollen; bei den Sirenen ist mindestens noch die Möglichkeit des Landlebens vorhanden: die eigentlichen Wale dagegen sind ausschließlich dem Meere zugewiesen. Darauf deutet schon ihre Größe hin: nur das Wasser gestattet leichte Beweglich- keit solcher Riesen, und nur das unendlich reiche Meer gewährt ihnen die nöthige Nahrung.
Warmes Blut und Lungenathmung, Lebendiggebären und Säugen der Jungen, vollkommene Entwickelung des Gehirns und der Nerven: diese wesentlichen Merkmale der Säugethiere -- sie sind zugleich die einzigen, welche die Wale noch mit den übrigen Ordnungen der Klasse theilen. Jn allen anderen Stücken weichen sie noch weit mehr von den höheren Säugethieren ab, als die Si- renen, in welchen wir bereits Zwittergestalten zwischen Säugern und Fischen kennen lernten. Jeder noch wenig gebildete Mensch, jedes noch in der Kindheit stehende Volk hat sie den Fischen zugezählt, wie ihre Namen beweisen, und erst die genaue Erforschung ihres Wesens und Seins hat ihnen die Stellung angewiesen, welche ihnen gebührt. Aber noch immer lächelt der nicht naturwissenschaftlich Gebildete ungläubig, wenn der Forscher sie, die Meerungeheuer, zu den Säugethieren zählt; denn jener sieht in ihnen noch heutigen Tages nur Fische.
Der Leib der Wale ist massig und unbeholfen, ohne alle äußere Gliederung; der oft unförmlich große und fast regelmäßig ungleich gebaute Kopf geht ohne deutlich zu unterscheidende Grenze in den Rumpf über, und dieser läuft, nach hinten zu sich verschmälernd, in eine breite, wagrechte Schwanz- finne aus. Die hinteren Glieder, welche, mit Ausnahme der Sirenen, alle übrigen Säugethiere kennzeichnen, fehlen gänzlich; die vorderen sind zu eigentlichen Flossen geworden: man muß sie mit dem zergliedernden Messer untersuchen, wenn man sie als Hände erkennen will, und findet auch dann noch Eigenthümlichkeiten des Handbaues auf. Eine hier und da vorkommende Fettflosse, welche längs des Rückens verläuft, trägt zur Vermehrung der Fischähnlichkeit dieser Thiere noch bei. Jm übrigen keunzeichnen die Wale äußerlich der weitgespaltene, lippenlose Mund, welcher entweder eine ungewöhnlich große Zahnmenge oder aber Barten -- für uns noch ganz neue Gebilde -- zeigt, das Fehlen des inneren Augenlides und die Lage der Zitzen hinten neben den Geschlechtstheilen.
Auch in ihrem inneren Leibesbau zeigen die Niesen der See manches Eigenthümliche. Die Knochen ihres Geripps werden durch schwammige, lockere Zellen gebildet, welche von flüssigem Fett innig durchdrungen sind, -- so innig, daß dieses ihnen niemals entzogen werden kann, daß die
Walthiere.
„Jch wunderte mich nicht wenig, daß ich auf Kamtſchatka vor meiner Reiſe, da ich doch ſorgfältig nach allen Thieren gefragt, nie Etwas von der Seekuh hatte erfahren können, nach meiner Zurückkunft jedoch hörte, daß dieſes Thier vom kronotzkiſchen Vorgebirge bis an den Meer- buſen Awatſcha verbreitet ſei und zuweilen todt aus Land geworfen werde; und da haben es die Kam- tſchatalen in Ermangelung eines anderen mit dem Namen des Krautfreſſers belegt.‟
Sechzehnte Ordnung. Walthiere (Cetacea).
Wir ſind am Ende unſerer Klaſſe angelangt. Unter den Säugethieren ſind die Wale genau Daſſelbe, was die Fiſche unter den Wirbelthieren ſind: ausſchließlich dem Waſſer angehörige und ſolchem Leben entſprechend gebaute Geſchöpfe. Die Seehunde verbringen wenigſtens noch ein Dritttheil ihres Lebens auf dem Lande: ſie werden dort geboren und ſuchen es auf, wenn ſie die freundlichen Strahlen der Sonne genießen und ſchlaſen wollen; bei den Sirenen iſt mindeſtens noch die Möglichkeit des Landlebens vorhanden: die eigentlichen Wale dagegen ſind ausſchließlich dem Meere zugewieſen. Darauf deutet ſchon ihre Größe hin: nur das Waſſer geſtattet leichte Beweglich- keit ſolcher Rieſen, und nur das unendlich reiche Meer gewährt ihnen die nöthige Nahrung.
Warmes Blut und Lungenathmung, Lebendiggebären und Säugen der Jungen, vollkommene Entwickelung des Gehirns und der Nerven: dieſe weſentlichen Merkmale der Säugethiere — ſie ſind zugleich die einzigen, welche die Wale noch mit den übrigen Ordnungen der Klaſſe theilen. Jn allen anderen Stücken weichen ſie noch weit mehr von den höheren Säugethieren ab, als die Si- renen, in welchen wir bereits Zwittergeſtalten zwiſchen Säugern und Fiſchen kennen lernten. Jeder noch wenig gebildete Menſch, jedes noch in der Kindheit ſtehende Volk hat ſie den Fiſchen zugezählt, wie ihre Namen beweiſen, und erſt die genaue Erforſchung ihres Weſens und Seins hat ihnen die Stellung angewieſen, welche ihnen gebührt. Aber noch immer lächelt der nicht naturwiſſenſchaftlich Gebildete ungläubig, wenn der Forſcher ſie, die Meerungeheuer, zu den Säugethieren zählt; denn jener ſieht in ihnen noch heutigen Tages nur Fiſche.
Der Leib der Wale iſt maſſig und unbeholfen, ohne alle äußere Gliederung; der oft unförmlich große und faſt regelmäßig ungleich gebaute Kopf geht ohne deutlich zu unterſcheidende Grenze in den Rumpf über, und dieſer läuft, nach hinten zu ſich verſchmälernd, in eine breite, wagrechte Schwanz- finne aus. Die hinteren Glieder, welche, mit Ausnahme der Sirenen, alle übrigen Säugethiere kennzeichnen, fehlen gänzlich; die vorderen ſind zu eigentlichen Floſſen geworden: man muß ſie mit dem zergliedernden Meſſer unterſuchen, wenn man ſie als Hände erkennen will, und findet auch dann noch Eigenthümlichkeiten des Handbaues auf. Eine hier und da vorkommende Fettfloſſe, welche längs des Rückens verläuft, trägt zur Vermehrung der Fiſchähnlichkeit dieſer Thiere noch bei. Jm übrigen keunzeichnen die Wale äußerlich der weitgeſpaltene, lippenloſe Mund, welcher entweder eine ungewöhnlich große Zahnmenge oder aber Barten — für uns noch ganz neue Gebilde — zeigt, das Fehlen des inneren Augenlides und die Lage der Zitzen hinten neben den Geſchlechtstheilen.
Auch in ihrem inneren Leibesbau zeigen die Nieſen der See manches Eigenthümliche. Die Knochen ihres Geripps werden durch ſchwammige, lockere Zellen gebildet, welche von flüſſigem Fett innig durchdrungen ſind, — ſo innig, daß dieſes ihnen niemals entzogen werden kann, daß die
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[825/0873]
Walthiere.
„Jch wunderte mich nicht wenig, daß ich auf Kamtſchatka vor meiner Reiſe, da ich doch
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meiner Zurückkunft jedoch hörte, daß dieſes Thier vom kronotzkiſchen Vorgebirge bis an den Meer-
buſen Awatſcha verbreitet ſei und zuweilen todt aus Land geworfen werde; und da haben es die Kam-
tſchatalen in Ermangelung eines anderen mit dem Namen des Krautfreſſers belegt.‟
Sechzehnte Ordnung.
Walthiere (Cetacea).
Wir ſind am Ende unſerer Klaſſe angelangt. Unter den Säugethieren ſind die Wale genau
Daſſelbe, was die Fiſche unter den Wirbelthieren ſind: ausſchließlich dem Waſſer angehörige und
ſolchem Leben entſprechend gebaute Geſchöpfe. Die Seehunde verbringen wenigſtens noch ein
Dritttheil ihres Lebens auf dem Lande: ſie werden dort geboren und ſuchen es auf, wenn ſie die
freundlichen Strahlen der Sonne genießen und ſchlaſen wollen; bei den Sirenen iſt mindeſtens noch
die Möglichkeit des Landlebens vorhanden: die eigentlichen Wale dagegen ſind ausſchließlich dem
Meere zugewieſen. Darauf deutet ſchon ihre Größe hin: nur das Waſſer geſtattet leichte Beweglich-
keit ſolcher Rieſen, und nur das unendlich reiche Meer gewährt ihnen die nöthige Nahrung.
Warmes Blut und Lungenathmung, Lebendiggebären und Säugen der Jungen, vollkommene
Entwickelung des Gehirns und der Nerven: dieſe weſentlichen Merkmale der Säugethiere — ſie ſind
zugleich die einzigen, welche die Wale noch mit den übrigen Ordnungen der Klaſſe theilen. Jn
allen anderen Stücken weichen ſie noch weit mehr von den höheren Säugethieren ab, als die Si-
renen, in welchen wir bereits Zwittergeſtalten zwiſchen Säugern und Fiſchen kennen lernten. Jeder
noch wenig gebildete Menſch, jedes noch in der Kindheit ſtehende Volk hat ſie den Fiſchen zugezählt,
wie ihre Namen beweiſen, und erſt die genaue Erforſchung ihres Weſens und Seins hat ihnen die
Stellung angewieſen, welche ihnen gebührt. Aber noch immer lächelt der nicht naturwiſſenſchaftlich
Gebildete ungläubig, wenn der Forſcher ſie, die Meerungeheuer, zu den Säugethieren zählt; denn
jener ſieht in ihnen noch heutigen Tages nur Fiſche.
Der Leib der Wale iſt maſſig und unbeholfen, ohne alle äußere Gliederung; der oft unförmlich
große und faſt regelmäßig ungleich gebaute Kopf geht ohne deutlich zu unterſcheidende Grenze in den
Rumpf über, und dieſer läuft, nach hinten zu ſich verſchmälernd, in eine breite, wagrechte Schwanz-
finne aus. Die hinteren Glieder, welche, mit Ausnahme der Sirenen, alle übrigen Säugethiere
kennzeichnen, fehlen gänzlich; die vorderen ſind zu eigentlichen Floſſen geworden: man muß ſie mit
dem zergliedernden Meſſer unterſuchen, wenn man ſie als Hände erkennen will, und findet auch
dann noch Eigenthümlichkeiten des Handbaues auf. Eine hier und da vorkommende Fettfloſſe, welche
längs des Rückens verläuft, trägt zur Vermehrung der Fiſchähnlichkeit dieſer Thiere noch bei. Jm
übrigen keunzeichnen die Wale äußerlich der weitgeſpaltene, lippenloſe Mund, welcher entweder eine
ungewöhnlich große Zahnmenge oder aber Barten — für uns noch ganz neue Gebilde — zeigt, das
Fehlen des inneren Augenlides und die Lage der Zitzen hinten neben den Geſchlechtstheilen.
Auch in ihrem inneren Leibesbau zeigen die Nieſen der See manches Eigenthümliche. Die
Knochen ihres Geripps werden durch ſchwammige, lockere Zellen gebildet, welche von flüſſigem Fett
innig durchdrungen ſind, — ſo innig, daß dieſes ihnen niemals entzogen werden kann, daß die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 825. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/873>, abgerufen am 19.11.2024.
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