Flossenfüßer. -- Der Seeelefant oder die große Rüsselrobbe.
Länge, aber desto mehr in die Dicke. Mit 20 bis 25 Jahren soll das Thier in das Greisenalter ein- treten, und die Fischer behaupten, daß man keins fände, welches älter als 30 Jahre wäre.
Der Mensch stellt dem Seeelefanten überall nach, wo er ihn findet. Früher waren diese Robben auf ihren wüsten Jnseln vor allen Feinden sicher, seitdem aber ein ordentlicher Fang ein- gerichtet worden ist, nehmen sie sehr schnell ab. Die Wilden konnten blos solche Rüsselrobben erle- gen, welche durch Sturm auf das Festland geworfen wurden. Sie liefen mit brennenden Fackeln herbei und stießen diese dem armen Wasserfreunde, sobald er das Maul aufsperrte, in den Rachen, bis er erstickt war. Dann riß Jeder ein Stück ab; man aß und schlief solange, als Etwas vor- handen war. Die feindlichsten Stämme verhielten sich friedlich in der Nähe eines derartigen Aases; sobald aber die ekelhaften Gelage ein Ende hatten, begannen die Beleidigungen und die mör- derischen Gefechte von neuem.
Die europäischen Fänger erstechen den Seeelefanten mit etwa 15 Fuß langen Lanzen. Sie warten den Augenblick ab, wo das Thier den linken Fuß aufhebt, und bohren dann den Spieß ins Herz. Ganz ohne Gefahr ist übrigens der Fang nicht, so gutmüthig auch die harmlosen Kin- der des Meeres sind. Bisweilen kommt es doch vor, daß sie alle ihre Kräfte anwenden, um den Mörder abzuwehren. Die Weibchen vertheidigen sich nie, sondern fliehen, und wenn man ihnen den Rückweg versperrt, blicken sie verzweiflungsvoll umher und weinen heftig. "Jch selbst habe," sagt Peron, "ein junges Weibchen häufige Thränen vergießen sehen, während ein bösartiger und grausamer Matrose ihm zum Zeitvertreib mit einem Ruder die Zähne einschlug. Jch hatte Mitleid mit dem armen Thiere: sein ganzer Nachen war voll Blut und die Thränen rannen ihm aus den Augen."
Kein Seeelefant steht dem anderen bei in der Stunde der Gefahr. Sie zeigen bei dem Metzeln die größte Gleichgiltigkeit, thun fast, als ob sie gar nicht bemerkten, was um sie geschieht. Die stark Verwundeten gehen nicht ins Meer zurück, sondern schleppen sich vielmehr nach dem Jnneren des Landes, wo sie sich dann an einem Baume oder Felsblock niederlegen, um den Tod zu erwar- ten. Dasselbe thun sie im Alter, wenn sie sich krank fühlen. Bei der gehörigen Vorsicht kann das Aussperren des Rachens und das drohende Zeigen der Zähne nur Schrecken erregen, aber keinen Schaden bringen, weil die Thiere viel zu schwerfällig sind. Peron sagt, daß die Engländer sie blos deshalb erstächen, damit das Blut auslaufe, weil dann der Thran besser werde. Man kann sie durch einen einzigen Streich auf die Nase tödten. Rohe, an die scheußlichen Metzeleien ge- wöhnte Matrosen laufen unbesorgt zwischen den Herden umher und schlagen mit einem Knittel ein Stück nach dem anderen nieder.
Der Nutzen, welchen die Rüsselrobbe dem Menschen gewährt, ist nicht unbeträchtlich. Das Fleisch des Thieres ist zwar nicht viel werth -- es ist schwarz, thranig und ungenießbar -- allein schon das Herz, obwohl es hart und unverdaulich ist, wird von den Matrosen gern gegessen und die Leber von diesen nicht eben verwöhnten Leuten sehr geschätzt, wenngleich ihr Genuß immer eine unüberwindliche Schläfrigkeit veranlaßt, welche mehrere Stunden anhält. Ein wahrer Leckerbissen dagegen ist die Zunge, zumal nachdem sie eingesalzen wurde. Das frische Fett gilt in den Augen der Fischer als ein treffliches Heilmittel, und weil die Wunden, welche die Robben erleiden, erfahrungsmäßig sehr schnell vernarben, wenden es die Leute hauptsächlich als Arznei gegen die Schnittwunden an. Die kurzhaarige, steife Haut kann zwar nicht als Pelzwerk gebraucht werden, dient aber vortrefflich als Ueberzug von großen Koffern und zu Pferde- und Kutschengeschirr, sie würde aber noch viel größere Verwendung finden, wenn die größten Felle wegen der vielen Narben nicht auch die schlechtesten wären. Doch kommen Fleisch und Haut kaum in Betracht: das Fett ist die Hauptsache, sowohl wegen seiner Menge, als der leichten Zubereitung des vortrefflichen Thraus halber. Ein großes Thier kann 14 bis 15 Centner davon liefern; denn die Speckschicht unter der Haut ist fast einen Fuß dick. Sofort nach der Niedermetzelung der Seeelefanten machen sich die Matrosen über die Abhäu- tung, schneiden mit breiten Messern das Fett in lange Streifen, zerkleinern diese dann in Würfel
Floſſenfüßer. — Der Seeelefant oder die große Rüſſelrobbe.
Länge, aber deſto mehr in die Dicke. Mit 20 bis 25 Jahren ſoll das Thier in das Greiſenalter ein- treten, und die Fiſcher behaupten, daß man keins fände, welches älter als 30 Jahre wäre.
Der Menſch ſtellt dem Seeelefanten überall nach, wo er ihn findet. Früher waren dieſe Robben auf ihren wüſten Jnſeln vor allen Feinden ſicher, ſeitdem aber ein ordentlicher Fang ein- gerichtet worden iſt, nehmen ſie ſehr ſchnell ab. Die Wilden konnten blos ſolche Rüſſelrobben erle- gen, welche durch Sturm auf das Feſtland geworfen wurden. Sie liefen mit brennenden Fackeln herbei und ſtießen dieſe dem armen Waſſerfreunde, ſobald er das Maul aufſperrte, in den Rachen, bis er erſtickt war. Dann riß Jeder ein Stück ab; man aß und ſchlief ſolange, als Etwas vor- handen war. Die feindlichſten Stämme verhielten ſich friedlich in der Nähe eines derartigen Aaſes; ſobald aber die ekelhaften Gelage ein Ende hatten, begannen die Beleidigungen und die mör- deriſchen Gefechte von neuem.
Die europäiſchen Fänger erſtechen den Seeelefanten mit etwa 15 Fuß langen Lanzen. Sie warten den Augenblick ab, wo das Thier den linken Fuß aufhebt, und bohren dann den Spieß ins Herz. Ganz ohne Gefahr iſt übrigens der Fang nicht, ſo gutmüthig auch die harmloſen Kin- der des Meeres ſind. Bisweilen kommt es doch vor, daß ſie alle ihre Kräfte anwenden, um den Mörder abzuwehren. Die Weibchen vertheidigen ſich nie, ſondern fliehen, und wenn man ihnen den Rückweg verſperrt, blicken ſie verzweiflungsvoll umher und weinen heftig. „Jch ſelbſt habe,‟ ſagt Peron, „ein junges Weibchen häufige Thränen vergießen ſehen, während ein bösartiger und grauſamer Matroſe ihm zum Zeitvertreib mit einem Ruder die Zähne einſchlug. Jch hatte Mitleid mit dem armen Thiere: ſein ganzer Nachen war voll Blut und die Thränen rannen ihm aus den Augen.‟
Kein Seeelefant ſteht dem anderen bei in der Stunde der Gefahr. Sie zeigen bei dem Metzeln die größte Gleichgiltigkeit, thun faſt, als ob ſie gar nicht bemerkten, was um ſie geſchieht. Die ſtark Verwundeten gehen nicht ins Meer zurück, ſondern ſchleppen ſich vielmehr nach dem Jnneren des Landes, wo ſie ſich dann an einem Baume oder Felsblock niederlegen, um den Tod zu erwar- ten. Daſſelbe thun ſie im Alter, wenn ſie ſich krank fühlen. Bei der gehörigen Vorſicht kann das Auſſperren des Rachens und das drohende Zeigen der Zähne nur Schrecken erregen, aber keinen Schaden bringen, weil die Thiere viel zu ſchwerfällig ſind. Peron ſagt, daß die Engländer ſie blos deshalb erſtächen, damit das Blut auslaufe, weil dann der Thran beſſer werde. Man kann ſie durch einen einzigen Streich auf die Naſe tödten. Rohe, an die ſcheußlichen Metzeleien ge- wöhnte Matroſen laufen unbeſorgt zwiſchen den Herden umher und ſchlagen mit einem Knittel ein Stück nach dem anderen nieder.
Der Nutzen, welchen die Rüſſelrobbe dem Menſchen gewährt, iſt nicht unbeträchtlich. Das Fleiſch des Thieres iſt zwar nicht viel werth — es iſt ſchwarz, thranig und ungenießbar — allein ſchon das Herz, obwohl es hart und unverdaulich iſt, wird von den Matroſen gern gegeſſen und die Leber von dieſen nicht eben verwöhnten Leuten ſehr geſchätzt, wenngleich ihr Genuß immer eine unüberwindliche Schläfrigkeit veranlaßt, welche mehrere Stunden anhält. Ein wahrer Leckerbiſſen dagegen iſt die Zunge, zumal nachdem ſie eingeſalzen wurde. Das friſche Fett gilt in den Augen der Fiſcher als ein treffliches Heilmittel, und weil die Wunden, welche die Robben erleiden, erfahrungsmäßig ſehr ſchnell vernarben, wenden es die Leute hauptſächlich als Arznei gegen die Schnittwunden an. Die kurzhaarige, ſteife Haut kann zwar nicht als Pelzwerk gebraucht werden, dient aber vortrefflich als Ueberzug von großen Koffern und zu Pferde- und Kutſchengeſchirr, ſie würde aber noch viel größere Verwendung finden, wenn die größten Felle wegen der vielen Narben nicht auch die ſchlechteſten wären. Doch kommen Fleiſch und Haut kaum in Betracht: das Fett iſt die Hauptſache, ſowohl wegen ſeiner Menge, als der leichten Zubereitung des vortrefflichen Thraus halber. Ein großes Thier kann 14 bis 15 Centner davon liefern; denn die Speckſchicht unter der Haut iſt faſt einen Fuß dick. Sofort nach der Niedermetzelung der Seeelefanten machen ſich die Matroſen über die Abhäu- tung, ſchneiden mit breiten Meſſern das Fett in lange Streifen, zerkleinern dieſe dann in Würfel
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[806/0854]
Floſſenfüßer. — Der Seeelefant oder die große Rüſſelrobbe.
Länge, aber deſto mehr in die Dicke. Mit 20 bis 25 Jahren ſoll das Thier in das Greiſenalter ein-
treten, und die Fiſcher behaupten, daß man keins fände, welches älter als 30 Jahre wäre.
Der Menſch ſtellt dem Seeelefanten überall nach, wo er ihn findet. Früher waren dieſe
Robben auf ihren wüſten Jnſeln vor allen Feinden ſicher, ſeitdem aber ein ordentlicher Fang ein-
gerichtet worden iſt, nehmen ſie ſehr ſchnell ab. Die Wilden konnten blos ſolche Rüſſelrobben erle-
gen, welche durch Sturm auf das Feſtland geworfen wurden. Sie liefen mit brennenden Fackeln
herbei und ſtießen dieſe dem armen Waſſerfreunde, ſobald er das Maul aufſperrte, in den Rachen,
bis er erſtickt war. Dann riß Jeder ein Stück ab; man aß und ſchlief ſolange, als Etwas vor-
handen war. Die feindlichſten Stämme verhielten ſich friedlich in der Nähe eines derartigen
Aaſes; ſobald aber die ekelhaften Gelage ein Ende hatten, begannen die Beleidigungen und die mör-
deriſchen Gefechte von neuem.
Die europäiſchen Fänger erſtechen den Seeelefanten mit etwa 15 Fuß langen Lanzen. Sie
warten den Augenblick ab, wo das Thier den linken Fuß aufhebt, und bohren dann den Spieß
ins Herz. Ganz ohne Gefahr iſt übrigens der Fang nicht, ſo gutmüthig auch die harmloſen Kin-
der des Meeres ſind. Bisweilen kommt es doch vor, daß ſie alle ihre Kräfte anwenden, um den
Mörder abzuwehren. Die Weibchen vertheidigen ſich nie, ſondern fliehen, und wenn man ihnen
den Rückweg verſperrt, blicken ſie verzweiflungsvoll umher und weinen heftig. „Jch ſelbſt habe,‟
ſagt Peron, „ein junges Weibchen häufige Thränen vergießen ſehen, während ein bösartiger und
grauſamer Matroſe ihm zum Zeitvertreib mit einem Ruder die Zähne einſchlug. Jch hatte Mitleid
mit dem armen Thiere: ſein ganzer Nachen war voll Blut und die Thränen rannen ihm aus den
Augen.‟
Kein Seeelefant ſteht dem anderen bei in der Stunde der Gefahr. Sie zeigen bei dem Metzeln
die größte Gleichgiltigkeit, thun faſt, als ob ſie gar nicht bemerkten, was um ſie geſchieht. Die
ſtark Verwundeten gehen nicht ins Meer zurück, ſondern ſchleppen ſich vielmehr nach dem Jnneren
des Landes, wo ſie ſich dann an einem Baume oder Felsblock niederlegen, um den Tod zu erwar-
ten. Daſſelbe thun ſie im Alter, wenn ſie ſich krank fühlen. Bei der gehörigen Vorſicht kann das
Auſſperren des Rachens und das drohende Zeigen der Zähne nur Schrecken erregen, aber keinen
Schaden bringen, weil die Thiere viel zu ſchwerfällig ſind. Peron ſagt, daß die Engländer ſie
blos deshalb erſtächen, damit das Blut auslaufe, weil dann der Thran beſſer werde. Man kann
ſie durch einen einzigen Streich auf die Naſe tödten. Rohe, an die ſcheußlichen Metzeleien ge-
wöhnte Matroſen laufen unbeſorgt zwiſchen den Herden umher und ſchlagen mit einem Knittel ein
Stück nach dem anderen nieder.
Der Nutzen, welchen die Rüſſelrobbe dem Menſchen gewährt, iſt nicht unbeträchtlich. Das Fleiſch
des Thieres iſt zwar nicht viel werth — es iſt ſchwarz, thranig und ungenießbar — allein ſchon das
Herz, obwohl es hart und unverdaulich iſt, wird von den Matroſen gern gegeſſen und die Leber von
dieſen nicht eben verwöhnten Leuten ſehr geſchätzt, wenngleich ihr Genuß immer eine unüberwindliche
Schläfrigkeit veranlaßt, welche mehrere Stunden anhält. Ein wahrer Leckerbiſſen dagegen iſt die
Zunge, zumal nachdem ſie eingeſalzen wurde. Das friſche Fett gilt in den Augen der Fiſcher als
ein treffliches Heilmittel, und weil die Wunden, welche die Robben erleiden, erfahrungsmäßig ſehr
ſchnell vernarben, wenden es die Leute hauptſächlich als Arznei gegen die Schnittwunden an. Die
kurzhaarige, ſteife Haut kann zwar nicht als Pelzwerk gebraucht werden, dient aber vortrefflich als
Ueberzug von großen Koffern und zu Pferde- und Kutſchengeſchirr, ſie würde aber noch viel größere
Verwendung finden, wenn die größten Felle wegen der vielen Narben nicht auch die ſchlechteſten
wären. Doch kommen Fleiſch und Haut kaum in Betracht: das Fett iſt die Hauptſache, ſowohl
wegen ſeiner Menge, als der leichten Zubereitung des vortrefflichen Thraus halber. Ein großes
Thier kann 14 bis 15 Centner davon liefern; denn die Speckſchicht unter der Haut iſt faſt einen Fuß
dick. Sofort nach der Niedermetzelung der Seeelefanten machen ſich die Matroſen über die Abhäu-
tung, ſchneiden mit breiten Meſſern das Fett in lange Streifen, zerkleinern dieſe dann in Würfel
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 806. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/854>, abgerufen am 23.11.2024.
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