Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Seeelefant oder die große Rüsselrobbe.

Wie leicht begreiflich, wird das Thier am meisten von den Völkerschaften verfolgt, in deren
Nähe es wohnt; denn die Walfischfänger machen nur selten Jagd auf Klappmützen. Die Grönlän-
der unterscheiden sehr genau zwischen Männchen und Weibchen; ersteres nennen sie Nesaursalik oder
Neitsersoak, zu Deutsch Nasensack; das Weibchen und Junge heißt Kakordak.

Ueber die Mütze selbst haben sich die Zweckmäßigkeitslehrer schon sehr den Kopf zerbrochen, ohne
jedoch ins Klare gekommen zu sein. Einige wollen das sonderbare Anhängsel in Verbindung mit dem
Geruchsinn bringen und scheinen also zu glauben, daß für das Weibchen eine feine Nase nicht eben
nothwendig ist; Andere sind sogar so weit gegangen, daß sie die Mütze als ein ganz besonderes Ge-
schenk der Vorsehung betrachtet haben, welches dem Thiere z. B. auch Schutz vor den Keulenschlägen
der Robbenjäger gewährt! Wir unsererseits dürfen die Mütze wohl nur als eines jener Schmuckzeichen
betrachten, wie sie so häufig bei männlichen Thieren vorkommen.



Ein ähnliches Schmuckzeichen trägt auch der sogenannte Seeelefant oder die große Rüssel-
robbe
(Macrorhinus elephantinus), der Riese der Familie, welcher die Meere der südlichen Halbkugel
bewohnt. Sein Name ist passend gewählt; denn die eigenthümliche, etwa fußlange Verlänge-
rung der Nase erinnert sehr an den Rüssel des Riesen auf dem Lande. Dieser Rüssel ist das
Bezeichnende an unserem Thiere; er bildet sich erst, und zwar ausschließlich beim Männchen, nach dem
zurückgelegten dritten Lebensjahre aus und tritt auch dann nur hervor, wenn das Thier erregt ist.
Jn der Ruhe hängt er schlaff über die Oberlippe herab, und die Nasenlöcher, welche sich an der Spitze
des Hautbeutels befinden, erscheinen dann zusammengedrückt und oben auf der Schnauze liegend, wie
beim rüssellosen Weibchen. Hinsichtlich der Leibesgestalt stimmt der Seeelefant fast vollständig mit
seinen Familienverwandten überein. Die ganze Länge beträgt 20 bis 25, ja selbst 30 Fuß, der
größte Umfang um die Mitte des Leibes etwa 15 bis 18 Fuß. Das Weibchen ist immer beträchtlich
kleiner. Die Glieder sind nicht besonders lang, aber stark und kräftig. An den Vorderrudern sitzen
fünf kleine, schwarze Nägel auf den Zehen; die Hinterfüße bestehen aus zwei großen, breiten Seiten-
lappen und drei kleinen Lappen dazwischen, auf welchen sich keine Spur von Krallen findet. Der
Schwanz ist kurz, dick, kegelförmig. Ein straffes, ziemlich steifes und glänzendes, aber kurzes und
nicht eben glatt anliegendes Grannenhaar bedeckt den Leib. Das Wollhaar fehlt gänzlich. Die Fär-
bung ist nach Alter und Geschlecht etwas verschieden. Beim Männchen ist sie grünlich- oder blaugrau,
auch wohl schwarzbraun, unten immer heller, als oben. Beim Weibchen ist die Oberseite dunkel-
olivenbraun, nach den Seiten hin gelbbraun. Junge Thiere sind oben dunkelsilbergrau, an den
Seiten heller, unten gelblichweiß. Füße und Schwimmhäute, Schnurren und Krallen sind schwarz.
Jm Gebiß zeigt der Seeelefant die größte Aehnlichkeit mit der nordischen Mützenrobbe, nur daß seine
Zähne sämmtlich bedeutend stärker sind.

Dampier war der erste Reisebeschreiber, welcher uns Anfangs des vorigen Jahrhunderts mit
dem Seeelefanten bekannt machte. Dann berichten Admiral Anson, Pernetty, Molina und
endlich am ausführlichsten Peron. Die ersteren Beschreiber nannten das Thier Seelöwe, die an-
deren Meerwolf, Elefanten- und Rüsselrobbe; bei den Chinesen führt es den Namen Lame, bei den
Südseeinsulanern Morunga.

Der Verbreitungskreis des Seeelefanten liegt zwischen dem 35. und 62. Grad südlicher Breite.
Jnnerhalb dieses Gürtels ist er überall nicht selten. Man beobachtet ihn an der Südspitze Ameri-
kas, wie auf den Sandwichinseln, bei Vandiemensland, bei Neuseeland und anderen im großen
Weltmeer liegenden Eilanden. Am häufigsten sollen sie auf Kingshunters und anderen Jnseln
der Baßstraße vorkommen. Nach Süden zu reicht sie bis zu Kings-Georgland.

Jn seiner Lebensweise erinnert der Seeelefant an die Seebären und Seelöwen. Alljährlich
unternimmt er Wanderungen von Norden gegen Süden hin und zurück, je nachdem die Sonne

51*
Der Seeelefant oder die große Rüſſelrobbe.

Wie leicht begreiflich, wird das Thier am meiſten von den Völkerſchaften verfolgt, in deren
Nähe es wohnt; denn die Walfiſchfänger machen nur ſelten Jagd auf Klappmützen. Die Grönlän-
der unterſcheiden ſehr genau zwiſchen Männchen und Weibchen; erſteres nennen ſie Neſaurſalik oder
Neitſerſoak, zu Deutſch Naſenſack; das Weibchen und Junge heißt Kakordak.

Ueber die Mütze ſelbſt haben ſich die Zweckmäßigkeitslehrer ſchon ſehr den Kopf zerbrochen, ohne
jedoch ins Klare gekommen zu ſein. Einige wollen das ſonderbare Anhängſel in Verbindung mit dem
Geruchſinn bringen und ſcheinen alſo zu glauben, daß für das Weibchen eine feine Naſe nicht eben
nothwendig iſt; Andere ſind ſogar ſo weit gegangen, daß ſie die Mütze als ein ganz beſonderes Ge-
ſchenk der Vorſehung betrachtet haben, welches dem Thiere z. B. auch Schutz vor den Keulenſchlägen
der Robbenjäger gewährt! Wir unſererſeits dürfen die Mütze wohl nur als eines jener Schmuckzeichen
betrachten, wie ſie ſo häufig bei männlichen Thieren vorkommen.



Ein ähnliches Schmuckzeichen trägt auch der ſogenannte Seeelefant oder die große Rüſſel-
robbe
(Macrorhinus elephantinus), der Rieſe der Familie, welcher die Meere der ſüdlichen Halbkugel
bewohnt. Sein Name iſt paſſend gewählt; denn die eigenthümliche, etwa fußlange Verlänge-
rung der Naſe erinnert ſehr an den Rüſſel des Rieſen auf dem Lande. Dieſer Rüſſel iſt das
Bezeichnende an unſerem Thiere; er bildet ſich erſt, und zwar ausſchließlich beim Männchen, nach dem
zurückgelegten dritten Lebensjahre aus und tritt auch dann nur hervor, wenn das Thier erregt iſt.
Jn der Ruhe hängt er ſchlaff über die Oberlippe herab, und die Naſenlöcher, welche ſich an der Spitze
des Hautbeutels befinden, erſcheinen dann zuſammengedrückt und oben auf der Schnauze liegend, wie
beim rüſſelloſen Weibchen. Hinſichtlich der Leibesgeſtalt ſtimmt der Seeelefant faſt vollſtändig mit
ſeinen Familienverwandten überein. Die ganze Länge beträgt 20 bis 25, ja ſelbſt 30 Fuß, der
größte Umfang um die Mitte des Leibes etwa 15 bis 18 Fuß. Das Weibchen iſt immer beträchtlich
kleiner. Die Glieder ſind nicht beſonders lang, aber ſtark und kräftig. An den Vorderrudern ſitzen
fünf kleine, ſchwarze Nägel auf den Zehen; die Hinterfüße beſtehen aus zwei großen, breiten Seiten-
lappen und drei kleinen Lappen dazwiſchen, auf welchen ſich keine Spur von Krallen findet. Der
Schwanz iſt kurz, dick, kegelförmig. Ein ſtraffes, ziemlich ſteifes und glänzendes, aber kurzes und
nicht eben glatt anliegendes Grannenhaar bedeckt den Leib. Das Wollhaar fehlt gänzlich. Die Fär-
bung iſt nach Alter und Geſchlecht etwas verſchieden. Beim Männchen iſt ſie grünlich- oder blaugrau,
auch wohl ſchwarzbraun, unten immer heller, als oben. Beim Weibchen iſt die Oberſeite dunkel-
olivenbraun, nach den Seiten hin gelbbraun. Junge Thiere ſind oben dunkelſilbergrau, an den
Seiten heller, unten gelblichweiß. Füße und Schwimmhäute, Schnurren und Krallen ſind ſchwarz.
Jm Gebiß zeigt der Seeelefant die größte Aehnlichkeit mit der nordiſchen Mützenrobbe, nur daß ſeine
Zähne ſämmtlich bedeutend ſtärker ſind.

Dampier war der erſte Reiſebeſchreiber, welcher uns Anfangs des vorigen Jahrhunderts mit
dem Seeelefanten bekannt machte. Dann berichten Admiral Anſon, Pernetty, Molina und
endlich am ausführlichſten Peron. Die erſteren Beſchreiber nannten das Thier Seelöwe, die an-
deren Meerwolf, Elefanten- und Rüſſelrobbe; bei den Chineſen führt es den Namen Lame, bei den
Südſeeinſulanern Morunga.

Der Verbreitungskreis des Seeelefanten liegt zwiſchen dem 35. und 62. Grad ſüdlicher Breite.
Jnnerhalb dieſes Gürtels iſt er überall nicht ſelten. Man beobachtet ihn an der Südſpitze Ameri-
kas, wie auf den Sandwichinſeln, bei Vandiemensland, bei Neuſeeland und anderen im großen
Weltmeer liegenden Eilanden. Am häufigſten ſollen ſie auf Kingshunters und anderen Jnſeln
der Baßſtraße vorkommen. Nach Süden zu reicht ſie bis zu Kings-Georgland.

Jn ſeiner Lebensweiſe erinnert der Seeelefant an die Seebären und Seelöwen. Alljährlich
unternimmt er Wanderungen von Norden gegen Süden hin und zurück, je nachdem die Sonne

51*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0851" n="803"/>
              <fw place="top" type="header">Der Seeelefant oder die große Rü&#x017F;&#x017F;elrobbe.</fw><lb/>
              <p>Wie leicht begreiflich, wird das Thier am mei&#x017F;ten von den Völker&#x017F;chaften verfolgt, in deren<lb/>
Nähe es wohnt; denn die Walfi&#x017F;chfänger machen nur &#x017F;elten Jagd auf Klappmützen. Die Grönlän-<lb/>
der unter&#x017F;cheiden &#x017F;ehr genau zwi&#x017F;chen Männchen und Weibchen; er&#x017F;teres nennen &#x017F;ie Ne&#x017F;aur&#x017F;alik oder<lb/>
Neit&#x017F;er&#x017F;oak, zu Deut&#x017F;ch Na&#x017F;en&#x017F;ack; das Weibchen und Junge heißt Kakordak.</p><lb/>
              <p>Ueber die Mütze &#x017F;elb&#x017F;t haben &#x017F;ich die Zweckmäßigkeitslehrer &#x017F;chon &#x017F;ehr den Kopf zerbrochen, ohne<lb/>
jedoch ins Klare gekommen zu &#x017F;ein. Einige wollen das &#x017F;onderbare Anhäng&#x017F;el in Verbindung mit dem<lb/>
Geruch&#x017F;inn bringen und &#x017F;cheinen al&#x017F;o zu glauben, daß für das Weibchen eine feine Na&#x017F;e nicht eben<lb/>
nothwendig i&#x017F;t; Andere &#x017F;ind &#x017F;ogar &#x017F;o weit gegangen, daß &#x017F;ie die Mütze als ein ganz be&#x017F;onderes Ge-<lb/>
&#x017F;chenk der Vor&#x017F;ehung betrachtet haben, welches dem Thiere z. B. auch Schutz vor den Keulen&#x017F;chlägen<lb/>
der Robbenjäger gewährt! Wir un&#x017F;erer&#x017F;eits dürfen die Mütze wohl nur als eines jener Schmuckzeichen<lb/>
betrachten, wie &#x017F;ie &#x017F;o häufig bei männlichen Thieren vorkommen.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <p>Ein ähnliches Schmuckzeichen trägt auch der &#x017F;ogenannte <hi rendition="#g">Seeelefant</hi> oder die große <hi rendition="#g">&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
robbe</hi> (<hi rendition="#aq">Macrorhinus elephantinus</hi>), der Rie&#x017F;e der Familie, welcher die Meere der &#x017F;üdlichen Halbkugel<lb/>
bewohnt. Sein Name i&#x017F;t pa&#x017F;&#x017F;end gewählt; denn die eigenthümliche, etwa fußlange Verlänge-<lb/>
rung der Na&#x017F;e erinnert &#x017F;ehr an den Rü&#x017F;&#x017F;el des Rie&#x017F;en auf dem Lande. Die&#x017F;er Rü&#x017F;&#x017F;el i&#x017F;t das<lb/>
Bezeichnende an un&#x017F;erem Thiere; er bildet &#x017F;ich er&#x017F;t, und zwar aus&#x017F;chließlich beim Männchen, nach dem<lb/>
zurückgelegten dritten Lebensjahre aus und tritt auch dann nur hervor, wenn das Thier erregt i&#x017F;t.<lb/>
Jn der Ruhe hängt er &#x017F;chlaff über die Oberlippe herab, und die Na&#x017F;enlöcher, welche &#x017F;ich an der Spitze<lb/>
des Hautbeutels befinden, er&#x017F;cheinen dann zu&#x017F;ammengedrückt und oben auf der Schnauze liegend, wie<lb/>
beim rü&#x017F;&#x017F;ello&#x017F;en Weibchen. Hin&#x017F;ichtlich der Leibesge&#x017F;talt &#x017F;timmt der Seeelefant fa&#x017F;t voll&#x017F;tändig mit<lb/>
&#x017F;einen Familienverwandten überein. Die ganze Länge beträgt 20 bis 25, ja &#x017F;elb&#x017F;t 30 Fuß, der<lb/>
größte Umfang um die Mitte des Leibes etwa 15 bis 18 Fuß. Das Weibchen i&#x017F;t immer beträchtlich<lb/>
kleiner. Die Glieder &#x017F;ind nicht be&#x017F;onders lang, aber &#x017F;tark und kräftig. An den Vorderrudern &#x017F;itzen<lb/>
fünf kleine, &#x017F;chwarze Nägel auf den Zehen; die Hinterfüße be&#x017F;tehen aus zwei großen, breiten Seiten-<lb/>
lappen und drei kleinen Lappen dazwi&#x017F;chen, auf welchen &#x017F;ich keine Spur von Krallen findet. Der<lb/>
Schwanz i&#x017F;t kurz, dick, kegelförmig. Ein &#x017F;traffes, ziemlich &#x017F;teifes und glänzendes, aber kurzes und<lb/>
nicht eben glatt anliegendes Grannenhaar bedeckt den Leib. Das Wollhaar fehlt gänzlich. Die Fär-<lb/>
bung i&#x017F;t nach Alter und Ge&#x017F;chlecht etwas ver&#x017F;chieden. Beim Männchen i&#x017F;t &#x017F;ie grünlich- oder blaugrau,<lb/>
auch wohl &#x017F;chwarzbraun, unten immer heller, als oben. Beim Weibchen i&#x017F;t die Ober&#x017F;eite dunkel-<lb/>
olivenbraun, nach den Seiten hin gelbbraun. Junge Thiere &#x017F;ind oben dunkel&#x017F;ilbergrau, an den<lb/>
Seiten heller, unten gelblichweiß. Füße und Schwimmhäute, Schnurren und Krallen &#x017F;ind &#x017F;chwarz.<lb/>
Jm Gebiß zeigt der Seeelefant die größte Aehnlichkeit mit der nordi&#x017F;chen Mützenrobbe, nur daß &#x017F;eine<lb/>
Zähne &#x017F;ämmtlich bedeutend &#x017F;tärker &#x017F;ind.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Dampier</hi> war der er&#x017F;te Rei&#x017F;ebe&#x017F;chreiber, welcher uns Anfangs des vorigen Jahrhunderts mit<lb/>
dem Seeelefanten bekannt machte. Dann berichten Admiral <hi rendition="#g">An&#x017F;on, Pernetty, Molina</hi> und<lb/>
endlich am ausführlich&#x017F;ten <hi rendition="#g">Peron.</hi> Die er&#x017F;teren Be&#x017F;chreiber nannten das Thier Seelöwe, die an-<lb/>
deren Meerwolf, Elefanten- und Rü&#x017F;&#x017F;elrobbe; bei den Chine&#x017F;en führt es den Namen Lame, bei den<lb/>
Süd&#x017F;eein&#x017F;ulanern Morunga.</p><lb/>
              <p>Der Verbreitungskreis des Seeelefanten liegt zwi&#x017F;chen dem 35. und 62. Grad &#x017F;üdlicher Breite.<lb/>
Jnnerhalb die&#x017F;es Gürtels i&#x017F;t er überall nicht &#x017F;elten. Man beobachtet ihn an der Süd&#x017F;pitze Ameri-<lb/>
kas, wie auf den Sandwichin&#x017F;eln, bei Vandiemensland, bei Neu&#x017F;eeland und anderen im großen<lb/>
Weltmeer liegenden Eilanden. Am häufig&#x017F;ten &#x017F;ollen &#x017F;ie auf Kingshunters und anderen Jn&#x017F;eln<lb/>
der Baß&#x017F;traße vorkommen. Nach Süden zu reicht &#x017F;ie bis zu Kings-Georgland.</p><lb/>
              <p>Jn &#x017F;einer Lebenswei&#x017F;e erinnert der Seeelefant an die Seebären und Seelöwen. Alljährlich<lb/>
unternimmt er Wanderungen von Norden gegen Süden hin und zurück, je nachdem die Sonne<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">51*</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[803/0851] Der Seeelefant oder die große Rüſſelrobbe. Wie leicht begreiflich, wird das Thier am meiſten von den Völkerſchaften verfolgt, in deren Nähe es wohnt; denn die Walfiſchfänger machen nur ſelten Jagd auf Klappmützen. Die Grönlän- der unterſcheiden ſehr genau zwiſchen Männchen und Weibchen; erſteres nennen ſie Neſaurſalik oder Neitſerſoak, zu Deutſch Naſenſack; das Weibchen und Junge heißt Kakordak. Ueber die Mütze ſelbſt haben ſich die Zweckmäßigkeitslehrer ſchon ſehr den Kopf zerbrochen, ohne jedoch ins Klare gekommen zu ſein. Einige wollen das ſonderbare Anhängſel in Verbindung mit dem Geruchſinn bringen und ſcheinen alſo zu glauben, daß für das Weibchen eine feine Naſe nicht eben nothwendig iſt; Andere ſind ſogar ſo weit gegangen, daß ſie die Mütze als ein ganz beſonderes Ge- ſchenk der Vorſehung betrachtet haben, welches dem Thiere z. B. auch Schutz vor den Keulenſchlägen der Robbenjäger gewährt! Wir unſererſeits dürfen die Mütze wohl nur als eines jener Schmuckzeichen betrachten, wie ſie ſo häufig bei männlichen Thieren vorkommen. Ein ähnliches Schmuckzeichen trägt auch der ſogenannte Seeelefant oder die große Rüſſel- robbe (Macrorhinus elephantinus), der Rieſe der Familie, welcher die Meere der ſüdlichen Halbkugel bewohnt. Sein Name iſt paſſend gewählt; denn die eigenthümliche, etwa fußlange Verlänge- rung der Naſe erinnert ſehr an den Rüſſel des Rieſen auf dem Lande. Dieſer Rüſſel iſt das Bezeichnende an unſerem Thiere; er bildet ſich erſt, und zwar ausſchließlich beim Männchen, nach dem zurückgelegten dritten Lebensjahre aus und tritt auch dann nur hervor, wenn das Thier erregt iſt. Jn der Ruhe hängt er ſchlaff über die Oberlippe herab, und die Naſenlöcher, welche ſich an der Spitze des Hautbeutels befinden, erſcheinen dann zuſammengedrückt und oben auf der Schnauze liegend, wie beim rüſſelloſen Weibchen. Hinſichtlich der Leibesgeſtalt ſtimmt der Seeelefant faſt vollſtändig mit ſeinen Familienverwandten überein. Die ganze Länge beträgt 20 bis 25, ja ſelbſt 30 Fuß, der größte Umfang um die Mitte des Leibes etwa 15 bis 18 Fuß. Das Weibchen iſt immer beträchtlich kleiner. Die Glieder ſind nicht beſonders lang, aber ſtark und kräftig. An den Vorderrudern ſitzen fünf kleine, ſchwarze Nägel auf den Zehen; die Hinterfüße beſtehen aus zwei großen, breiten Seiten- lappen und drei kleinen Lappen dazwiſchen, auf welchen ſich keine Spur von Krallen findet. Der Schwanz iſt kurz, dick, kegelförmig. Ein ſtraffes, ziemlich ſteifes und glänzendes, aber kurzes und nicht eben glatt anliegendes Grannenhaar bedeckt den Leib. Das Wollhaar fehlt gänzlich. Die Fär- bung iſt nach Alter und Geſchlecht etwas verſchieden. Beim Männchen iſt ſie grünlich- oder blaugrau, auch wohl ſchwarzbraun, unten immer heller, als oben. Beim Weibchen iſt die Oberſeite dunkel- olivenbraun, nach den Seiten hin gelbbraun. Junge Thiere ſind oben dunkelſilbergrau, an den Seiten heller, unten gelblichweiß. Füße und Schwimmhäute, Schnurren und Krallen ſind ſchwarz. Jm Gebiß zeigt der Seeelefant die größte Aehnlichkeit mit der nordiſchen Mützenrobbe, nur daß ſeine Zähne ſämmtlich bedeutend ſtärker ſind. Dampier war der erſte Reiſebeſchreiber, welcher uns Anfangs des vorigen Jahrhunderts mit dem Seeelefanten bekannt machte. Dann berichten Admiral Anſon, Pernetty, Molina und endlich am ausführlichſten Peron. Die erſteren Beſchreiber nannten das Thier Seelöwe, die an- deren Meerwolf, Elefanten- und Rüſſelrobbe; bei den Chineſen führt es den Namen Lame, bei den Südſeeinſulanern Morunga. Der Verbreitungskreis des Seeelefanten liegt zwiſchen dem 35. und 62. Grad ſüdlicher Breite. Jnnerhalb dieſes Gürtels iſt er überall nicht ſelten. Man beobachtet ihn an der Südſpitze Ameri- kas, wie auf den Sandwichinſeln, bei Vandiemensland, bei Neuſeeland und anderen im großen Weltmeer liegenden Eilanden. Am häufigſten ſollen ſie auf Kingshunters und anderen Jnſeln der Baßſtraße vorkommen. Nach Süden zu reicht ſie bis zu Kings-Georgland. Jn ſeiner Lebensweiſe erinnert der Seeelefant an die Seebären und Seelöwen. Alljährlich unternimmt er Wanderungen von Norden gegen Süden hin und zurück, je nachdem die Sonne 51*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/851
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/851>, abgerufen am 23.11.2024.