bis der Kern zum Vorschein kommt, welchen es dann mit der Zunge aufnimmt und in den Mund führt. Besonders hübsch sieht es aus, wenn es seine Lieblingsspeise, die Haselnüsse nämlich, in reichlicher Menge haben kann. Schon während der Reife besucht es die Nußstauden sehr eifrig und wählt sich da die versprechendsten Früchte aus. Am liebsten aber verzehrt es die Nüsse, wenn sie ganz gereift sind. Es ergreift eine ganze Traube, enthülst eine Nuß, faßt sie mit den Vorder- füßen und schabt nun an der Naht der beiden Schalen mit wenigen Bissen ein Loch durch die Schale, die Nuß dabei mit unglaublicher Schnelligkeit hin- und herdrehend, bis sie in zwei Hälften oder in mehrere Stücke zerspringt; dann wird der Kern herausgeschält und, wie alle Speise, welche das Thier zu sich nimmt, gehörig mit den Backzähnen zermalmt: denn das Eichhorn kaut alle seine Nahrung ordentlich durch und sammelt sie nicht, wie viele andere Nager es thun, erst in einiger Menge in seinen Backen auf. Außer den Samen und Kernen frißt unser Hörnchen auch Heidel- und Preißelbeerblätter, Ahorn- und Masholdersamen, Schwämme (nach Tschudi auch Trüffeln) leidenschaftlich gern. Aus Früchten macht es sich gar Nichts; es schält das ganze Fleisch von Birnen und Aepfeln ab, um zu den Kernen zu gelangen. Dagegen ist es ein großer Freund von den Eiern aller Nester, welche es bei seinen Streifereien auffindet, und verschont auch selbst junge Nest- vögel nicht, ja, es wagt sich sogar an alte. Lenz hat einem Eichhorn einmal eine alte Drossel ab- gejagt, die nicht etwa lahm, sondern so kräftig war, daß sie sogleich nach ihrer Befreiung weit weg- flog. Bittere Kerne, wie z. B. Mandeln, sind ihm tödlich. Bei Gefangenen reichen zwei bittere Mandeln hin, um es umzubringen.
Sobald das Thier einigermaßen reichliche Nahrung hat, beginnt es, sich Vorräthe für spätere, traurigere Zeiten einzutragen. Jn den Spalten und Löchern hohler Bäume und Baumwurzeln, in selbstgegrabenen Löchern, unter Gebüsch und Steinen, in einem seiner Nester und an andern ähn- lichen Orten legt es seine Speicher an und schleppt oft durch weite Strecken die betreffenden Körner nach solchen Plätzen. Mit diesem Naturtrieb bezeichnen die Hörnchen selbst, wie empfindlich sie gegen die Einflüsse der Witterung sind. Schon bei gutem Wetter halten sie ihr Mittagsschläfchen in ihrem Neste, sobald die Sonne etwas wärmer strahlt, als gewöhnlich, und treiben sich dann blos früh und abends im Walde umher; noch vielmehr aber scheuen sie Regengüsse, heftige Gewitter, Stürme und vor allem Schneegestöber. Jhr eigenthümliches Vorgefühl der kommenden Witterung ist dabei gar nicht zu verkennen. Schon einen halben Tag, ehe das gefürchtete Wetter eintritt, zeigen sie ihre Unruhe durch beständiges Umherspringen auf den Bäumen und ein ganz eigenthüm- liches Pfeifen und Klatschen, welches man sonst blos bei größerer Erregung von ihnen vernimmt. Sobald sich nun die ersten Vorboten des schlechten Wetters zeigen, zieht sich jedes Hörnchen nach seinem Neste zurück, oft auch mehrere in ein und dasselbe. Das Ausgangsloch an der Wetter- seite wird sorgfältig verstopft: behaglich in sich zusammengerollt, läßt das zärtliche Geschöpf das Wetter vorübertoben. So liegt es oft tagelang ruhig im Neste; schließlich treibt es der Hunger aber doch heraus und dann zunächst seinen Vorrathskammern zu, in denen es Schätze für den Winter aufspeicherte. Ein schlechter Herbst wird für unser Hörnchen gewöhnlich verderblich, eben weil es die Wintervorräthe aufbraucht. Folgt dann ein nur einigermaßen strenger Winter, so bringt er einer Unzahl der munteren Thiere den Tod. Manche Speicher werden vergessen, zu anderen verwehrt der hohe Schnee den Zugang, und so kommt es, daß die munteren Thiere geradezu verhungern. Da liegt dann hier eins und dort eins todt im Neste oder fällt entkräftet vom Baumwipfel herunter, und der Edelmarder hat es noch leichter als sonst, seine Hauptnahrung zu erlangen. Jn Buchen- und Eichenwäldern sind die Hörnchen immer noch am glücklichsten daran; denn außer den noch an den Bäumen hängenden Bücheln und Zapfen, welche sie abpflücken, graben sie deren in Menge aus dem Schnee heraus und nähren sich dann recht gut.
Auch bei Einbruch der Nacht zieht sich jedes Hörnchen nach seinem Neste zurück und schläft dort, solange es dunkel ist; aber es weiß sich, wie Lenz beobachtete, auch im Dunkeln zu helfen. Dieser Forscher ließ sich einmal in schwarzer Nacht von zwei Tagelöhnern eine hohe Leiter in den
Unſer Eichhörnchen.
bis der Kern zum Vorſchein kommt, welchen es dann mit der Zunge aufnimmt und in den Mund führt. Beſonders hübſch ſieht es aus, wenn es ſeine Lieblingsſpeiſe, die Haſelnüſſe nämlich, in reichlicher Menge haben kann. Schon während der Reife beſucht es die Nußſtauden ſehr eifrig und wählt ſich da die verſprechendſten Früchte aus. Am liebſten aber verzehrt es die Nüſſe, wenn ſie ganz gereift ſind. Es ergreift eine ganze Traube, enthülſt eine Nuß, faßt ſie mit den Vorder- füßen und ſchabt nun an der Naht der beiden Schalen mit wenigen Biſſen ein Loch durch die Schale, die Nuß dabei mit unglaublicher Schnelligkeit hin- und herdrehend, bis ſie in zwei Hälften oder in mehrere Stücke zerſpringt; dann wird der Kern herausgeſchält und, wie alle Speiſe, welche das Thier zu ſich nimmt, gehörig mit den Backzähnen zermalmt: denn das Eichhorn kaut alle ſeine Nahrung ordentlich durch und ſammelt ſie nicht, wie viele andere Nager es thun, erſt in einiger Menge in ſeinen Backen auf. Außer den Samen und Kernen frißt unſer Hörnchen auch Heidel- und Preißelbeerblätter, Ahorn- und Masholderſamen, Schwämme (nach Tſchudi auch Trüffeln) leidenſchaftlich gern. Aus Früchten macht es ſich gar Nichts; es ſchält das ganze Fleiſch von Birnen und Aepfeln ab, um zu den Kernen zu gelangen. Dagegen iſt es ein großer Freund von den Eiern aller Neſter, welche es bei ſeinen Streifereien auffindet, und verſchont auch ſelbſt junge Neſt- vögel nicht, ja, es wagt ſich ſogar an alte. Lenz hat einem Eichhorn einmal eine alte Droſſel ab- gejagt, die nicht etwa lahm, ſondern ſo kräftig war, daß ſie ſogleich nach ihrer Befreiung weit weg- flog. Bittere Kerne, wie z. B. Mandeln, ſind ihm tödlich. Bei Gefangenen reichen zwei bittere Mandeln hin, um es umzubringen.
Sobald das Thier einigermaßen reichliche Nahrung hat, beginnt es, ſich Vorräthe für ſpätere, traurigere Zeiten einzutragen. Jn den Spalten und Löchern hohler Bäume und Baumwurzeln, in ſelbſtgegrabenen Löchern, unter Gebüſch und Steinen, in einem ſeiner Neſter und an andern ähn- lichen Orten legt es ſeine Speicher an und ſchleppt oft durch weite Strecken die betreffenden Körner nach ſolchen Plätzen. Mit dieſem Naturtrieb bezeichnen die Hörnchen ſelbſt, wie empfindlich ſie gegen die Einflüſſe der Witterung ſind. Schon bei gutem Wetter halten ſie ihr Mittagsſchläfchen in ihrem Neſte, ſobald die Sonne etwas wärmer ſtrahlt, als gewöhnlich, und treiben ſich dann blos früh und abends im Walde umher; noch vielmehr aber ſcheuen ſie Regengüſſe, heftige Gewitter, Stürme und vor allem Schneegeſtöber. Jhr eigenthümliches Vorgefühl der kommenden Witterung iſt dabei gar nicht zu verkennen. Schon einen halben Tag, ehe das gefürchtete Wetter eintritt, zeigen ſie ihre Unruhe durch beſtändiges Umherſpringen auf den Bäumen und ein ganz eigenthüm- liches Pfeifen und Klatſchen, welches man ſonſt blos bei größerer Erregung von ihnen vernimmt. Sobald ſich nun die erſten Vorboten des ſchlechten Wetters zeigen, zieht ſich jedes Hörnchen nach ſeinem Neſte zurück, oft auch mehrere in ein und daſſelbe. Das Ausgangsloch an der Wetter- ſeite wird ſorgfältig verſtopft: behaglich in ſich zuſammengerollt, läßt das zärtliche Geſchöpf das Wetter vorübertoben. So liegt es oft tagelang ruhig im Neſte; ſchließlich treibt es der Hunger aber doch heraus und dann zunächſt ſeinen Vorrathskammern zu, in denen es Schätze für den Winter aufſpeicherte. Ein ſchlechter Herbſt wird für unſer Hörnchen gewöhnlich verderblich, eben weil es die Wintervorräthe aufbraucht. Folgt dann ein nur einigermaßen ſtrenger Winter, ſo bringt er einer Unzahl der munteren Thiere den Tod. Manche Speicher werden vergeſſen, zu anderen verwehrt der hohe Schnee den Zugang, und ſo kommt es, daß die munteren Thiere geradezu verhungern. Da liegt dann hier eins und dort eins todt im Neſte oder fällt entkräftet vom Baumwipfel herunter, und der Edelmarder hat es noch leichter als ſonſt, ſeine Hauptnahrung zu erlangen. Jn Buchen- und Eichenwäldern ſind die Hörnchen immer noch am glücklichſten daran; denn außer den noch an den Bäumen hängenden Bücheln und Zapfen, welche ſie abpflücken, graben ſie deren in Menge aus dem Schnee heraus und nähren ſich dann recht gut.
Auch bei Einbruch der Nacht zieht ſich jedes Hörnchen nach ſeinem Neſte zurück und ſchläft dort, ſolange es dunkel iſt; aber es weiß ſich, wie Lenz beobachtete, auch im Dunkeln zu helfen. Dieſer Forſcher ließ ſich einmal in ſchwarzer Nacht von zwei Tagelöhnern eine hohe Leiter in den
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[71/0085]
Unſer Eichhörnchen.
bis der Kern zum Vorſchein kommt, welchen es dann mit der Zunge aufnimmt und in den Mund
führt. Beſonders hübſch ſieht es aus, wenn es ſeine Lieblingsſpeiſe, die Haſelnüſſe nämlich, in
reichlicher Menge haben kann. Schon während der Reife beſucht es die Nußſtauden ſehr eifrig
und wählt ſich da die verſprechendſten Früchte aus. Am liebſten aber verzehrt es die Nüſſe, wenn
ſie ganz gereift ſind. Es ergreift eine ganze Traube, enthülſt eine Nuß, faßt ſie mit den Vorder-
füßen und ſchabt nun an der Naht der beiden Schalen mit wenigen Biſſen ein Loch durch die Schale,
die Nuß dabei mit unglaublicher Schnelligkeit hin- und herdrehend, bis ſie in zwei Hälften oder in
mehrere Stücke zerſpringt; dann wird der Kern herausgeſchält und, wie alle Speiſe, welche das
Thier zu ſich nimmt, gehörig mit den Backzähnen zermalmt: denn das Eichhorn kaut alle ſeine
Nahrung ordentlich durch und ſammelt ſie nicht, wie viele andere Nager es thun, erſt in einiger
Menge in ſeinen Backen auf. Außer den Samen und Kernen frißt unſer Hörnchen auch Heidel-
und Preißelbeerblätter, Ahorn- und Masholderſamen, Schwämme (nach Tſchudi auch Trüffeln)
leidenſchaftlich gern. Aus Früchten macht es ſich gar Nichts; es ſchält das ganze Fleiſch von Birnen
und Aepfeln ab, um zu den Kernen zu gelangen. Dagegen iſt es ein großer Freund von den
Eiern aller Neſter, welche es bei ſeinen Streifereien auffindet, und verſchont auch ſelbſt junge Neſt-
vögel nicht, ja, es wagt ſich ſogar an alte. Lenz hat einem Eichhorn einmal eine alte Droſſel ab-
gejagt, die nicht etwa lahm, ſondern ſo kräftig war, daß ſie ſogleich nach ihrer Befreiung weit weg-
flog. Bittere Kerne, wie z. B. Mandeln, ſind ihm tödlich. Bei Gefangenen reichen zwei bittere
Mandeln hin, um es umzubringen.
Sobald das Thier einigermaßen reichliche Nahrung hat, beginnt es, ſich Vorräthe für ſpätere,
traurigere Zeiten einzutragen. Jn den Spalten und Löchern hohler Bäume und Baumwurzeln, in
ſelbſtgegrabenen Löchern, unter Gebüſch und Steinen, in einem ſeiner Neſter und an andern ähn-
lichen Orten legt es ſeine Speicher an und ſchleppt oft durch weite Strecken die betreffenden Körner
nach ſolchen Plätzen. Mit dieſem Naturtrieb bezeichnen die Hörnchen ſelbſt, wie empfindlich ſie
gegen die Einflüſſe der Witterung ſind. Schon bei gutem Wetter halten ſie ihr Mittagsſchläfchen in
ihrem Neſte, ſobald die Sonne etwas wärmer ſtrahlt, als gewöhnlich, und treiben ſich dann blos
früh und abends im Walde umher; noch vielmehr aber ſcheuen ſie Regengüſſe, heftige Gewitter,
Stürme und vor allem Schneegeſtöber. Jhr eigenthümliches Vorgefühl der kommenden Witterung
iſt dabei gar nicht zu verkennen. Schon einen halben Tag, ehe das gefürchtete Wetter eintritt,
zeigen ſie ihre Unruhe durch beſtändiges Umherſpringen auf den Bäumen und ein ganz eigenthüm-
liches Pfeifen und Klatſchen, welches man ſonſt blos bei größerer Erregung von ihnen vernimmt.
Sobald ſich nun die erſten Vorboten des ſchlechten Wetters zeigen, zieht ſich jedes Hörnchen nach
ſeinem Neſte zurück, oft auch mehrere in ein und daſſelbe. Das Ausgangsloch an der Wetter-
ſeite wird ſorgfältig verſtopft: behaglich in ſich zuſammengerollt, läßt das zärtliche Geſchöpf das
Wetter vorübertoben. So liegt es oft tagelang ruhig im Neſte; ſchließlich treibt es der Hunger
aber doch heraus und dann zunächſt ſeinen Vorrathskammern zu, in denen es Schätze für den Winter
aufſpeicherte. Ein ſchlechter Herbſt wird für unſer Hörnchen gewöhnlich verderblich, eben weil es die
Wintervorräthe aufbraucht. Folgt dann ein nur einigermaßen ſtrenger Winter, ſo bringt er einer
Unzahl der munteren Thiere den Tod. Manche Speicher werden vergeſſen, zu anderen verwehrt der
hohe Schnee den Zugang, und ſo kommt es, daß die munteren Thiere geradezu verhungern. Da
liegt dann hier eins und dort eins todt im Neſte oder fällt entkräftet vom Baumwipfel herunter, und
der Edelmarder hat es noch leichter als ſonſt, ſeine Hauptnahrung zu erlangen. Jn Buchen-
und Eichenwäldern ſind die Hörnchen immer noch am glücklichſten daran; denn außer den noch an
den Bäumen hängenden Bücheln und Zapfen, welche ſie abpflücken, graben ſie deren in Menge aus
dem Schnee heraus und nähren ſich dann recht gut.
Auch bei Einbruch der Nacht zieht ſich jedes Hörnchen nach ſeinem Neſte zurück und ſchläft
dort, ſolange es dunkel iſt; aber es weiß ſich, wie Lenz beobachtete, auch im Dunkeln zu helfen.
Dieſer Forſcher ließ ſich einmal in ſchwarzer Nacht von zwei Tagelöhnern eine hohe Leiter in den
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/85>, abgerufen am 17.02.2025.
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