Höchst eigenthümlich ist der Stern; denn er ist nicht rundlich oder länglich, sondern vielmehr ein Kreis oder richtiger ein vierstrahliger Stern. Es will mir scheinen, als sei diese eigenthümliche Bildung nur von Fabricius beobachtet, von den anderen Naturforschern aber nicht für möglich gehalten worden, weil ich ausschließlich bei genanntem hiervon eine Andeutung fand. Allerdings nimmt man diese Bildung nur unter der günstigsten Beleuchtung wahr, und auch dann muß man das Auge sehr nahe vor sich haben. -- Bei jeder Erregung vergießen die Robben viele Thränen.
Ueber die geistigen Fähigkeiten der Seehunde ist schwer ein Urtheil zu fällen. Daß die Thiere sehr klug sind, unterliegt gar keinem Zweifel; dennoch zeigen sie sich oft so dumm und ungeschickt, daß man an ihnen irre werden möchte. Jn menschenleeren Gegenden sind sie dreist; da, wo sie ihre schlimmen Feinde aber kennen gelernt haben, pflegen sie sich nur mit höchster Vorsicht zu be- nehmen. Sicher ist, daß die Warnung älterer von den jüngeren hoch in Ehren gehalten und befolgt wird. Die gefangenen befreunden sich bald mit ihrem Wärter, und einzelne werden sehr zahm. Sie hören auf den ihnen beigelegten Namen, kommen aus ihrem Wasserbecken hervorgerutscht, nehmen Fische aus der Hand ihres Pflegers und beweisen ihm auch in anderer Hinsicht große Theil- nahme. Es wird erzählt, daß man einzelne Seehunde an das Aus- und Eingehen gewöhnt habe, daß sie für ihren Herrn gefischt, ihn in Gefahr vertheidigt hätten u. s. w.: ich vermag die Wahrheit dieser Mittheilungen weder zu bestätigen, noch zu bestreiten. Sicher ist, daß Einzelne sich von ihrem Wärter betasten und streicheln lassen, ihm die Pfote geben, ja selbst erlauben, daß ihr Freund ihnen eine Faust in den Rachen schiebt u. s. w.
Es scheint, daß Seehunde gegen Alles, was nicht Fisch heißt, ziemlich gleichgiltig sind; doch dürfte man wohl irren, wenn man Dies als einen Beweis ihrer Gutmüthigkeit ansehen wollte. Hunden gegenüber benehmen sich die gefangenen regelmäßig heftig: sie schnauben sie ärgerlich an oder suchen sie durch Zusammenklappen der Zähne zu verscheuchen. Dabei beweisen sie aber keines- wegs großen Muth, sondern eher grollende Furchtsamkeit, und wenn es ihnen nur irgend möglich ist, suchen sie einer derartigen Begegnung sich zu entziehen. Die Seehunde des hamburger Thiergartens waren immer aufs äußerste entrüstet, wenn wir unsere jungen Bären in demselben Becken badeten, welches jene bewohnten: sie schnaubten, knurrten, klappten die Kinnladen zusammen und schlugen zornig mit den Vorderflossen auf das Wasser, gingen aber niemals zum Angriff über. Unter dem Wassergeflügel kann man sie ziemlich unbesorgt umherschwimmen lassen: sie vergreifen sich wenigstens nicht an denjenigen Vögeln, welche sie selbst nicht behelligen. Mit Gänsen, Enten und anderen Zahn- schnäblern leben sie im tiefften Frieden; gegen die Fischfresser zeigen sie sich jedoch weniger freundlich. So wurde einem unserer Reiher, welcher sich anschicken wollte, dem Seehunde seine Fische wegzu- nehmen, von der darüber erbosten Robbe am Fuße gepackt und dieser sofort abgebissen.
Besondere Zärtlichkeit beweisen sie, wie alle Robben, gegen ihre Jungen. Mit diesen treiben sie mancherlei Spiele, und sie vertheidigen sie auch, wenn Gefahr droht, muthig, selbst gegen stär- kere Feinde.
Je nach der Gegend, in welcher die Seehunde leben, fällt die Paarungszeit in verschiedene Monate. Jn unserer nördlichen Erdhälfte findet sie im Herbste statt, in den südlichen Gegenden zwischen April und Juni. Die alten Männchen sollen sehr erregt sein, heftig unter einander streiten und für nichts Anderes, als für ihre Liebe Sinn haben. Es wird gesagt, daß dieses Gefühl sie sehr in Anspruch nähme und sie die ihnen eigene Scheu während der Paarungszeit ganz vergessen. Die Eifersucht soll sie blind machen, und wer ihre grunzenden und brüllenden Töne nachzumachen versteht, lockt sie, so sagt man, sicher zu sich heran.
"Mit einem Jagdgenossen," erzählt der Naturforscher Schilling, "traf ich auf einem kleinen, einsamen Eilande zehn bis zwölf brüllende und grunzende paarungslustige Seehunde an. Bei unserer Landung begaben sich die Thiere, gegen ihre sonstige Gewohnheit, nur lässig in das Gewäs- ser, und ich war fast versucht, zu glauben, in ihnen eine ganz andere Art von Thieren vor mir zu haben. Wir beschlossen, auf diese Seehunde anzustehen und gruben uns zu diesem Ende im
Floſſenfüßer. — Die Seehunde. Allgemeines.
Höchſt eigenthümlich iſt der Stern; denn er iſt nicht rundlich oder länglich, ſondern vielmehr ein Kreis oder richtiger ein vierſtrahliger Stern. Es will mir ſcheinen, als ſei dieſe eigenthümliche Bildung nur von Fabricius beobachtet, von den anderen Naturforſchern aber nicht für möglich gehalten worden, weil ich ausſchließlich bei genanntem hiervon eine Andeutung fand. Allerdings nimmt man dieſe Bildung nur unter der günſtigſten Beleuchtung wahr, und auch dann muß man das Auge ſehr nahe vor ſich haben. — Bei jeder Erregung vergießen die Robben viele Thränen.
Ueber die geiſtigen Fähigkeiten der Seehunde iſt ſchwer ein Urtheil zu fällen. Daß die Thiere ſehr klug ſind, unterliegt gar keinem Zweifel; dennoch zeigen ſie ſich oft ſo dumm und ungeſchickt, daß man an ihnen irre werden möchte. Jn menſchenleeren Gegenden ſind ſie dreiſt; da, wo ſie ihre ſchlimmen Feinde aber kennen gelernt haben, pflegen ſie ſich nur mit höchſter Vorſicht zu be- nehmen. Sicher iſt, daß die Warnung älterer von den jüngeren hoch in Ehren gehalten und befolgt wird. Die gefangenen befreunden ſich bald mit ihrem Wärter, und einzelne werden ſehr zahm. Sie hören auf den ihnen beigelegten Namen, kommen aus ihrem Waſſerbecken hervorgerutſcht, nehmen Fiſche aus der Hand ihres Pflegers und beweiſen ihm auch in anderer Hinſicht große Theil- nahme. Es wird erzählt, daß man einzelne Seehunde an das Aus- und Eingehen gewöhnt habe, daß ſie für ihren Herrn gefiſcht, ihn in Gefahr vertheidigt hätten u. ſ. w.: ich vermag die Wahrheit dieſer Mittheilungen weder zu beſtätigen, noch zu beſtreiten. Sicher iſt, daß Einzelne ſich von ihrem Wärter betaſten und ſtreicheln laſſen, ihm die Pfote geben, ja ſelbſt erlauben, daß ihr Freund ihnen eine Fauſt in den Rachen ſchiebt u. ſ. w.
Es ſcheint, daß Seehunde gegen Alles, was nicht Fiſch heißt, ziemlich gleichgiltig ſind; doch dürfte man wohl irren, wenn man Dies als einen Beweis ihrer Gutmüthigkeit anſehen wollte. Hunden gegenüber benehmen ſich die gefangenen regelmäßig heftig: ſie ſchnauben ſie ärgerlich an oder ſuchen ſie durch Zuſammenklappen der Zähne zu verſcheuchen. Dabei beweiſen ſie aber keines- wegs großen Muth, ſondern eher grollende Furchtſamkeit, und wenn es ihnen nur irgend möglich iſt, ſuchen ſie einer derartigen Begegnung ſich zu entziehen. Die Seehunde des hamburger Thiergartens waren immer aufs äußerſte entrüſtet, wenn wir unſere jungen Bären in demſelben Becken badeten, welches jene bewohnten: ſie ſchnaubten, knurrten, klappten die Kinnladen zuſammen und ſchlugen zornig mit den Vorderfloſſen auf das Waſſer, gingen aber niemals zum Angriff über. Unter dem Waſſergeflügel kann man ſie ziemlich unbeſorgt umherſchwimmen laſſen: ſie vergreifen ſich wenigſtens nicht an denjenigen Vögeln, welche ſie ſelbſt nicht behelligen. Mit Gänſen, Enten und anderen Zahn- ſchnäblern leben ſie im tiefften Frieden; gegen die Fiſchfreſſer zeigen ſie ſich jedoch weniger freundlich. So wurde einem unſerer Reiher, welcher ſich anſchicken wollte, dem Seehunde ſeine Fiſche wegzu- nehmen, von der darüber erboſten Robbe am Fuße gepackt und dieſer ſofort abgebiſſen.
Beſondere Zärtlichkeit beweiſen ſie, wie alle Robben, gegen ihre Jungen. Mit dieſen treiben ſie mancherlei Spiele, und ſie vertheidigen ſie auch, wenn Gefahr droht, muthig, ſelbſt gegen ſtär- kere Feinde.
Je nach der Gegend, in welcher die Seehunde leben, fällt die Paarungszeit in verſchiedene Monate. Jn unſerer nördlichen Erdhälfte findet ſie im Herbſte ſtatt, in den ſüdlichen Gegenden zwiſchen April und Juni. Die alten Männchen ſollen ſehr erregt ſein, heftig unter einander ſtreiten und für nichts Anderes, als für ihre Liebe Sinn haben. Es wird geſagt, daß dieſes Gefühl ſie ſehr in Anſpruch nähme und ſie die ihnen eigene Scheu während der Paarungszeit ganz vergeſſen. Die Eiferſucht ſoll ſie blind machen, und wer ihre grunzenden und brüllenden Töne nachzumachen verſteht, lockt ſie, ſo ſagt man, ſicher zu ſich heran.
„Mit einem Jagdgenoſſen,‟ erzählt der Naturforſcher Schilling, „traf ich auf einem kleinen, einſamen Eilande zehn bis zwölf brüllende und grunzende paarungsluſtige Seehunde an. Bei unſerer Landung begaben ſich die Thiere, gegen ihre ſonſtige Gewohnheit, nur läſſig in das Gewäſ- ſer, und ich war faſt verſucht, zu glauben, in ihnen eine ganz andere Art von Thieren vor mir zu haben. Wir beſchloſſen, auf dieſe Seehunde anzuſtehen und gruben uns zu dieſem Ende im
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Höchſt eigenthümlich iſt der Stern; denn er iſt nicht rundlich oder länglich, ſondern vielmehr ein
Kreis oder richtiger ein vierſtrahliger Stern. Es will mir ſcheinen, als ſei dieſe eigenthümliche
Bildung nur von Fabricius beobachtet, von den anderen Naturforſchern aber nicht für möglich
gehalten worden, weil ich ausſchließlich bei genanntem hiervon eine Andeutung fand. Allerdings
nimmt man dieſe Bildung nur unter der günſtigſten Beleuchtung wahr, und auch dann muß man
das Auge ſehr nahe vor ſich haben. — Bei jeder Erregung vergießen die Robben viele Thränen.
Ueber die geiſtigen Fähigkeiten der Seehunde iſt ſchwer ein Urtheil zu fällen. Daß die Thiere
ſehr klug ſind, unterliegt gar keinem Zweifel; dennoch zeigen ſie ſich oft ſo dumm und ungeſchickt,
daß man an ihnen irre werden möchte. Jn menſchenleeren Gegenden ſind ſie dreiſt; da, wo ſie
ihre ſchlimmen Feinde aber kennen gelernt haben, pflegen ſie ſich nur mit höchſter Vorſicht zu be-
nehmen. Sicher iſt, daß die Warnung älterer von den jüngeren hoch in Ehren gehalten und
befolgt wird. Die gefangenen befreunden ſich bald mit ihrem Wärter, und einzelne werden ſehr
zahm. Sie hören auf den ihnen beigelegten Namen, kommen aus ihrem Waſſerbecken hervorgerutſcht,
nehmen Fiſche aus der Hand ihres Pflegers und beweiſen ihm auch in anderer Hinſicht große Theil-
nahme. Es wird erzählt, daß man einzelne Seehunde an das Aus- und Eingehen gewöhnt habe,
daß ſie für ihren Herrn gefiſcht, ihn in Gefahr vertheidigt hätten u. ſ. w.: ich vermag die Wahrheit
dieſer Mittheilungen weder zu beſtätigen, noch zu beſtreiten. Sicher iſt, daß Einzelne ſich von ihrem
Wärter betaſten und ſtreicheln laſſen, ihm die Pfote geben, ja ſelbſt erlauben, daß ihr Freund ihnen
eine Fauſt in den Rachen ſchiebt u. ſ. w.
Es ſcheint, daß Seehunde gegen Alles, was nicht Fiſch heißt, ziemlich gleichgiltig ſind; doch
dürfte man wohl irren, wenn man Dies als einen Beweis ihrer Gutmüthigkeit anſehen wollte.
Hunden gegenüber benehmen ſich die gefangenen regelmäßig heftig: ſie ſchnauben ſie ärgerlich an
oder ſuchen ſie durch Zuſammenklappen der Zähne zu verſcheuchen. Dabei beweiſen ſie aber keines-
wegs großen Muth, ſondern eher grollende Furchtſamkeit, und wenn es ihnen nur irgend möglich iſt,
ſuchen ſie einer derartigen Begegnung ſich zu entziehen. Die Seehunde des hamburger Thiergartens
waren immer aufs äußerſte entrüſtet, wenn wir unſere jungen Bären in demſelben Becken badeten,
welches jene bewohnten: ſie ſchnaubten, knurrten, klappten die Kinnladen zuſammen und ſchlugen
zornig mit den Vorderfloſſen auf das Waſſer, gingen aber niemals zum Angriff über. Unter dem
Waſſergeflügel kann man ſie ziemlich unbeſorgt umherſchwimmen laſſen: ſie vergreifen ſich wenigſtens
nicht an denjenigen Vögeln, welche ſie ſelbſt nicht behelligen. Mit Gänſen, Enten und anderen Zahn-
ſchnäblern leben ſie im tiefften Frieden; gegen die Fiſchfreſſer zeigen ſie ſich jedoch weniger freundlich.
So wurde einem unſerer Reiher, welcher ſich anſchicken wollte, dem Seehunde ſeine Fiſche wegzu-
nehmen, von der darüber erboſten Robbe am Fuße gepackt und dieſer ſofort abgebiſſen.
Beſondere Zärtlichkeit beweiſen ſie, wie alle Robben, gegen ihre Jungen. Mit dieſen treiben
ſie mancherlei Spiele, und ſie vertheidigen ſie auch, wenn Gefahr droht, muthig, ſelbſt gegen ſtär-
kere Feinde.
Je nach der Gegend, in welcher die Seehunde leben, fällt die Paarungszeit in verſchiedene
Monate. Jn unſerer nördlichen Erdhälfte findet ſie im Herbſte ſtatt, in den ſüdlichen Gegenden
zwiſchen April und Juni. Die alten Männchen ſollen ſehr erregt ſein, heftig unter einander ſtreiten
und für nichts Anderes, als für ihre Liebe Sinn haben. Es wird geſagt, daß dieſes Gefühl ſie ſehr
in Anſpruch nähme und ſie die ihnen eigene Scheu während der Paarungszeit ganz vergeſſen. Die
Eiferſucht ſoll ſie blind machen, und wer ihre grunzenden und brüllenden Töne nachzumachen verſteht,
lockt ſie, ſo ſagt man, ſicher zu ſich heran.
„Mit einem Jagdgenoſſen,‟ erzählt der Naturforſcher Schilling, „traf ich auf einem kleinen,
einſamen Eilande zehn bis zwölf brüllende und grunzende paarungsluſtige Seehunde an. Bei
unſerer Landung begaben ſich die Thiere, gegen ihre ſonſtige Gewohnheit, nur läſſig in das Gewäſ-
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zu haben. Wir beſchloſſen, auf dieſe Seehunde anzuſtehen und gruben uns zu dieſem Ende im
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 794. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/842>, abgerufen am 23.11.2024.
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