Ungeachtet der vielfachen Gelegenheit, welche Seefahrer haben, die Bäreurobben auf ihren Schlachtzügen zu beobachten, sind doch bis heutigen Tages noch die vor mehr als hundert Jahren von Steller veröffentlichten Beobachtungen nicht übertroffen, und deshalb werde ich mich hier auf sie einfach beschränken.
"Man fängt die Bärenrobbe, welche die Russen Kot nennen, nur zwischen dem 50. und 56. Grade auf den Jnseln, nicht aber am festen Lande, weil sie selten dahin kommen. Jm Frühjahre erhält man nur Weibchen und deren Junge. Nun ziehen sie nach Norden, und man sieht von Anfang Juni bis zu Ende August keine mehr; dann kehren sie kraftlos und mager mit ihren Jungen wieder nach Süden zurück."
"Jhr einziges oder ihre beiden Jungen sind mit sehr feiner und glänzender schwarzer Wolle be- deckt. Die Mütter liegen mit ihnen herdenweise am Strande und bringen die meiste Zeit schlafend
[Abbildung]
Der Seebär (Arctocephalus falclandicus).
zu. Die Jungen spielen und streiten zusammen wie junge Hunde. Der Vater steht dabei und sieht zu. Zanken sie sich ernstlich, so kommt er brummend herbei, jagt sie aus einander, küßt und leckt den Sieger, stößt ihn mit dem Maule auf den Boden und freut sich, wenn er sich ernstlich widersetzt. Aus Jungen, welche faul und mäßig sind, macht er sich Nichts; deshalb halten sich einige beständig bei der Mutter, andere fast immer beim Vater auf."
"Ein Männchen hat acht bis funfzehn Weibchen und bewacht dieselben sehr sorgfältig. Obgleich viele Tausende am Strande beisammen liegen, sieht man sie doch alle Zeit in Herden getheilt. Jede Herde ist eine besondere Familie. Das Männchen hält mit seinen Weibchen, Söhnen und Töchtern zusammen, auch mit den Jährlingen, welche noch keine Weibchen haben, und so kann die Familie bis zu 120 Stück anwachsen. Jn eben solchen Haufen schwimmen sie im Meere umher. Sehr alte Männchen sondern sich ab und kommen, gewöhnlich außerordentlich fett am Leibe, allein auf die Jn- seln. Sie bleiben einen ganzen Monat hier liegen, fressen nicht, schlafen beständig und sind sehr mürrisch und grausam. Was vorbeigeht, fallen sie an mit äußerster Wuth; sie sind so wild und hoch-
Floſſenfüßer. Die Seehunde. — Der Seebär.
Ungeachtet der vielfachen Gelegenheit, welche Seefahrer haben, die Bäreurobben auf ihren Schlachtzügen zu beobachten, ſind doch bis heutigen Tages noch die vor mehr als hundert Jahren von Steller veröffentlichten Beobachtungen nicht übertroffen, und deshalb werde ich mich hier auf ſie einfach beſchränken.
„Man fängt die Bärenrobbe, welche die Ruſſen Kot nennen, nur zwiſchen dem 50. und 56. Grade auf den Jnſeln, nicht aber am feſten Lande, weil ſie ſelten dahin kommen. Jm Frühjahre erhält man nur Weibchen und deren Junge. Nun ziehen ſie nach Norden, und man ſieht von Anfang Juni bis zu Ende Auguſt keine mehr; dann kehren ſie kraftlos und mager mit ihren Jungen wieder nach Süden zurück.‟
„Jhr einziges oder ihre beiden Jungen ſind mit ſehr feiner und glänzender ſchwarzer Wolle be- deckt. Die Mütter liegen mit ihnen herdenweiſe am Strande und bringen die meiſte Zeit ſchlafend
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Der Seebär (Arctocephalus falclandicus).
zu. Die Jungen ſpielen und ſtreiten zuſammen wie junge Hunde. Der Vater ſteht dabei und ſieht zu. Zanken ſie ſich ernſtlich, ſo kommt er brummend herbei, jagt ſie aus einander, küßt und leckt den Sieger, ſtößt ihn mit dem Maule auf den Boden und freut ſich, wenn er ſich ernſtlich widerſetzt. Aus Jungen, welche faul und mäßig ſind, macht er ſich Nichts; deshalb halten ſich einige beſtändig bei der Mutter, andere faſt immer beim Vater auf.‟
„Ein Männchen hat acht bis funfzehn Weibchen und bewacht dieſelben ſehr ſorgfältig. Obgleich viele Tauſende am Strande beiſammen liegen, ſieht man ſie doch alle Zeit in Herden getheilt. Jede Herde iſt eine beſondere Familie. Das Männchen hält mit ſeinen Weibchen, Söhnen und Töchtern zuſammen, auch mit den Jährlingen, welche noch keine Weibchen haben, und ſo kann die Familie bis zu 120 Stück anwachſen. Jn eben ſolchen Haufen ſchwimmen ſie im Meere umher. Sehr alte Männchen ſondern ſich ab und kommen, gewöhnlich außerordentlich fett am Leibe, allein auf die Jn- ſeln. Sie bleiben einen ganzen Monat hier liegen, freſſen nicht, ſchlafen beſtändig und ſind ſehr mürriſch und grauſam. Was vorbeigeht, fallen ſie an mit äußerſter Wuth; ſie ſind ſo wild und hoch-
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[784/0832]
Floſſenfüßer. Die Seehunde. — Der Seebär.
Ungeachtet der vielfachen Gelegenheit, welche Seefahrer haben, die Bäreurobben auf ihren
Schlachtzügen zu beobachten, ſind doch bis heutigen Tages noch die vor mehr als hundert Jahren
von Steller veröffentlichten Beobachtungen nicht übertroffen, und deshalb werde ich mich hier auf ſie
einfach beſchränken.
„Man fängt die Bärenrobbe, welche die Ruſſen Kot nennen, nur zwiſchen dem 50. und 56.
Grade auf den Jnſeln, nicht aber am feſten Lande, weil ſie ſelten dahin kommen. Jm Frühjahre
erhält man nur Weibchen und deren Junge. Nun ziehen ſie nach Norden, und man ſieht von Anfang
Juni bis zu Ende Auguſt keine mehr; dann kehren ſie kraftlos und mager mit ihren Jungen wieder
nach Süden zurück.‟
„Jhr einziges oder ihre beiden Jungen ſind mit ſehr feiner und glänzender ſchwarzer Wolle be-
deckt. Die Mütter liegen mit ihnen herdenweiſe am Strande und bringen die meiſte Zeit ſchlafend
[Abbildung Der Seebär (Arctocephalus falclandicus).]
zu. Die Jungen ſpielen und ſtreiten zuſammen wie junge Hunde. Der Vater ſteht dabei und ſieht
zu. Zanken ſie ſich ernſtlich, ſo kommt er brummend herbei, jagt ſie aus einander, küßt und leckt
den Sieger, ſtößt ihn mit dem Maule auf den Boden und freut ſich, wenn er ſich ernſtlich widerſetzt.
Aus Jungen, welche faul und mäßig ſind, macht er ſich Nichts; deshalb halten ſich einige beſtändig
bei der Mutter, andere faſt immer beim Vater auf.‟
„Ein Männchen hat acht bis funfzehn Weibchen und bewacht dieſelben ſehr ſorgfältig. Obgleich
viele Tauſende am Strande beiſammen liegen, ſieht man ſie doch alle Zeit in Herden getheilt. Jede
Herde iſt eine beſondere Familie. Das Männchen hält mit ſeinen Weibchen, Söhnen und Töchtern
zuſammen, auch mit den Jährlingen, welche noch keine Weibchen haben, und ſo kann die Familie bis
zu 120 Stück anwachſen. Jn eben ſolchen Haufen ſchwimmen ſie im Meere umher. Sehr alte
Männchen ſondern ſich ab und kommen, gewöhnlich außerordentlich fett am Leibe, allein auf die Jn-
ſeln. Sie bleiben einen ganzen Monat hier liegen, freſſen nicht, ſchlafen beſtändig und ſind ſehr
mürriſch und grauſam. Was vorbeigeht, fallen ſie an mit äußerſter Wuth; ſie ſind ſo wild und hoch-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 784. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/832>, abgerufen am 23.11.2024.
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