blinde Anhänglichkeit des kleinen, wüsten Geschöpfes an seine Alte erleichtert aber die Sache. Der harpunirten Mutter folgt das Junge überall nach und verläßt selbst ihren Leichnam nicht. Man wirft ihm dann eine Harpune auf eine weniger empfindliche Stelle des Leibes und zieht es an dieser an das Land. Anfangs sucht es sich loszureißen, stößt ein gellendes, durchdringendes Geschrei aus, wie ein Schwein, welches geschlachtet werden soll, und macht den Leuten viel zu schaffen. Aber es gewöhnt sich bald an den Menschen und folgt ihm nach. Die Hottentotten streichen, wie uns Sparrmann berichtet, frisch gefangene Nilpferde mehrmals mit der Hand über die Schnauze, um sie an ihre Ausdünstung zu gewöhnen. Dann schmiegt es sich an den Menschen an, wie früher an seine Mutter. Das Euter der Kuh nimmt ein Nilpferd eben sogern an, wie das seiner Mutter. Mit einer einzigen Saugamme ist es aber freilich bald nicht mehr gethan. Der junge Riese verlangt nach kurzer Zeit die Milch von zwei, drei und vier Kühen.
Nach allen bisherigen Beobachtungen hält das Nilpferd die Gefangenschaft leicht und dauernd auch in Europa aus. Wird das Thier paarweise an einem Orte untergebracht, wo es sich seinem natürlichen Wesen gemäß bewegen kann, wo es also bald ins Wasser, bald auf das Trockene gehen kann, so darf man auch auf Nachkommenschaft rechnen. Es nimmt mit jeder Kost vorlieb, nament- lich mit Allem, was man dem Hausschweine zu reichen pflegt.
Jch sah das erste Gefangene, welches in der Neuzeit wieder nach Europa kam, in Kairo. Es hatte sich dort so an seinen Pfleger gewöhnt, daß es ihm wie ein Hund überall nachlief und sich mit Leichtigkeit behandeln ließ. Ein Gemengsel von Milch, Reis und Kleie bildet seine Nahrung. Später nahm es ruhig mit frischen Pflanzenstoffen vorlieb. Man baute zur Ueberfahrt einen eignen Kasten für das Thier und führte mehrere große Fässer Nilwasser mit sich, um dem Flußbewohner täglich mehrere Bäder geben zu können. Als es in London ankam, hatte das Thier schon eine Länge von 7 Fuß; gegenwärtig hat es beinahe seine volle Größe erreicht, wenigstens hat es sich mit einem an- deren, das man ihm später brachte, fruchtbar begattet.
Später brachte man zwei Nilpferde nach Paris, und im Jahre 1859 kamen deren zwei auch nach Deutschland, wo sie überall umhergeführt und zur Schau gestellt wurden. Die beiden Letzteren waren außerordentlich zahm und zeichneten sich durch eine plumpe, rohe Gemüthlichkeit aus. Sie spielten lustig mit ihrem Wärter und, wie oben Bd. I. S. 499 erwähnt, mit einem Steppenhunde, welcher sich vergeblich Mühe gab, den dickfelligen Gesellen etwas anzuhaben. Später kamen beide Thiere nach Amsterdam, wo sie sich gegenwärtig noch befinden. Hier haben sie aber Viel von ihrer früheren Gutmüthigkeit verloren. Sie sind zwar nicht gerade wild geworden, aber doch auch lange nicht mehr so zahm geblieben, als sie es waren. Jm September des Jahres 1861 wurden sie brünstig; Mitte des Monats wurde die Begattung beobachtet. Sie wurde im Wasser vollzogen, oft nach einander, und währte, wie bei den Pferden, nur sehr kurze Zeit. Die Geburt erfolgte bereits am 16. Juli 1862, also nach einer Trächtigkeitsdauer von nur zehn Monaten. Das wohl ausgebildete, muntere Junge wurde von der Alten von der ersten Stunde an roh und hart behandelt. Sie ließ es nicht saugen, warf es hin und her, und zeigte sich, als sie vom Männchen getrennt worden war, höchst aufgeregt. Das Junge starb trotz aller Versuche es künstlich zu ernähren, bereits zwei Tage nach seiner Geburt.
Einen Tag später nahm die Alte schon wieder auf. Sie hatte sich um ihr Männchen, welches durch den Anblick des Jungen sehr wüthend geworden war, von Anfang an weit mehr bekümmert, als um ihr Kind.
Westermann, der Vorstand des amsterdamer Thiergartens, hat mir später mündlich mitge- theilt, daß dieselbe Alte ein zweites Junge zur Welt brachte, und zwar sieben Monate nach beobachte- tem Sprung. Demnach ist die Trächtigkeitsdauer also noch nicht mit Sicherheit zu bestimmen; wohl aber steht soviel fest, daß sie eine sehr kurze ist. -- Auch das zweite Junge wurde von der Mutter schlecht behandelt. Der Vater schien eifersüchtig zu sein auf seinen Sprößling und geberdete sich wie toll, erregte dadurch die Alte ebenfalls und veranlaßte mittelbar die Entfernung des Säuglings. Der-
Das Nil- oder Flußpferd.
blinde Anhänglichkeit des kleinen, wüſten Geſchöpfes an ſeine Alte erleichtert aber die Sache. Der harpunirten Mutter folgt das Junge überall nach und verläßt ſelbſt ihren Leichnam nicht. Man wirft ihm dann eine Harpune auf eine weniger empfindliche Stelle des Leibes und zieht es an dieſer an das Land. Anfangs ſucht es ſich loszureißen, ſtößt ein gellendes, durchdringendes Geſchrei aus, wie ein Schwein, welches geſchlachtet werden ſoll, und macht den Leuten viel zu ſchaffen. Aber es gewöhnt ſich bald an den Menſchen und folgt ihm nach. Die Hottentotten ſtreichen, wie uns Sparrmann berichtet, friſch gefangene Nilpferde mehrmals mit der Hand über die Schnauze, um ſie an ihre Ausdünſtung zu gewöhnen. Dann ſchmiegt es ſich an den Menſchen an, wie früher an ſeine Mutter. Das Euter der Kuh nimmt ein Nilpferd eben ſogern an, wie das ſeiner Mutter. Mit einer einzigen Saugamme iſt es aber freilich bald nicht mehr gethan. Der junge Rieſe verlangt nach kurzer Zeit die Milch von zwei, drei und vier Kühen.
Nach allen bisherigen Beobachtungen hält das Nilpferd die Gefangenſchaft leicht und dauernd auch in Europa aus. Wird das Thier paarweiſe an einem Orte untergebracht, wo es ſich ſeinem natürlichen Weſen gemäß bewegen kann, wo es alſo bald ins Waſſer, bald auf das Trockene gehen kann, ſo darf man auch auf Nachkommenſchaft rechnen. Es nimmt mit jeder Koſt vorlieb, nament- lich mit Allem, was man dem Hausſchweine zu reichen pflegt.
Jch ſah das erſte Gefangene, welches in der Neuzeit wieder nach Europa kam, in Kairo. Es hatte ſich dort ſo an ſeinen Pfleger gewöhnt, daß es ihm wie ein Hund überall nachlief und ſich mit Leichtigkeit behandeln ließ. Ein Gemengſel von Milch, Reis und Kleie bildet ſeine Nahrung. Später nahm es ruhig mit friſchen Pflanzenſtoffen vorlieb. Man baute zur Ueberfahrt einen eignen Kaſten für das Thier und führte mehrere große Fäſſer Nilwaſſer mit ſich, um dem Flußbewohner täglich mehrere Bäder geben zu können. Als es in London ankam, hatte das Thier ſchon eine Länge von 7 Fuß; gegenwärtig hat es beinahe ſeine volle Größe erreicht, wenigſtens hat es ſich mit einem an- deren, das man ihm ſpäter brachte, fruchtbar begattet.
Später brachte man zwei Nilpferde nach Paris, und im Jahre 1859 kamen deren zwei auch nach Deutſchland, wo ſie überall umhergeführt und zur Schau geſtellt wurden. Die beiden Letzteren waren außerordentlich zahm und zeichneten ſich durch eine plumpe, rohe Gemüthlichkeit aus. Sie ſpielten luſtig mit ihrem Wärter und, wie oben Bd. I. S. 499 erwähnt, mit einem Steppenhunde, welcher ſich vergeblich Mühe gab, den dickfelligen Geſellen etwas anzuhaben. Später kamen beide Thiere nach Amſterdam, wo ſie ſich gegenwärtig noch befinden. Hier haben ſie aber Viel von ihrer früheren Gutmüthigkeit verloren. Sie ſind zwar nicht gerade wild geworden, aber doch auch lange nicht mehr ſo zahm geblieben, als ſie es waren. Jm September des Jahres 1861 wurden ſie brünſtig; Mitte des Monats wurde die Begattung beobachtet. Sie wurde im Waſſer vollzogen, oft nach einander, und währte, wie bei den Pferden, nur ſehr kurze Zeit. Die Geburt erfolgte bereits am 16. Juli 1862, alſo nach einer Trächtigkeitsdauer von nur zehn Monaten. Das wohl ausgebildete, muntere Junge wurde von der Alten von der erſten Stunde an roh und hart behandelt. Sie ließ es nicht ſaugen, warf es hin und her, und zeigte ſich, als ſie vom Männchen getrennt worden war, höchſt aufgeregt. Das Junge ſtarb trotz aller Verſuche es künſtlich zu ernähren, bereits zwei Tage nach ſeiner Geburt.
Einen Tag ſpäter nahm die Alte ſchon wieder auf. Sie hatte ſich um ihr Männchen, welches durch den Anblick des Jungen ſehr wüthend geworden war, von Anfang an weit mehr bekümmert, als um ihr Kind.
Weſtermann, der Vorſtand des amſterdamer Thiergartens, hat mir ſpäter mündlich mitge- theilt, daß dieſelbe Alte ein zweites Junge zur Welt brachte, und zwar ſieben Monate nach beobachte- tem Sprung. Demnach iſt die Trächtigkeitsdauer alſo noch nicht mit Sicherheit zu beſtimmen; wohl aber ſteht ſoviel feſt, daß ſie eine ſehr kurze iſt. — Auch das zweite Junge wurde von der Mutter ſchlecht behandelt. Der Vater ſchien eiferſüchtig zu ſein auf ſeinen Sprößling und geberdete ſich wie toll, erregte dadurch die Alte ebenfalls und veranlaßte mittelbar die Entfernung des Säuglings. Der-
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[777/0823]
Das Nil- oder Flußpferd.
blinde Anhänglichkeit des kleinen, wüſten Geſchöpfes an ſeine Alte erleichtert aber die Sache. Der
harpunirten Mutter folgt das Junge überall nach und verläßt ſelbſt ihren Leichnam nicht. Man
wirft ihm dann eine Harpune auf eine weniger empfindliche Stelle des Leibes und zieht es an dieſer
an das Land. Anfangs ſucht es ſich loszureißen, ſtößt ein gellendes, durchdringendes Geſchrei aus,
wie ein Schwein, welches geſchlachtet werden ſoll, und macht den Leuten viel zu ſchaffen. Aber es
gewöhnt ſich bald an den Menſchen und folgt ihm nach. Die Hottentotten ſtreichen, wie uns
Sparrmann berichtet, friſch gefangene Nilpferde mehrmals mit der Hand über die Schnauze, um
ſie an ihre Ausdünſtung zu gewöhnen. Dann ſchmiegt es ſich an den Menſchen an, wie früher an
ſeine Mutter. Das Euter der Kuh nimmt ein Nilpferd eben ſogern an, wie das ſeiner Mutter.
Mit einer einzigen Saugamme iſt es aber freilich bald nicht mehr gethan. Der junge Rieſe verlangt
nach kurzer Zeit die Milch von zwei, drei und vier Kühen.
Nach allen bisherigen Beobachtungen hält das Nilpferd die Gefangenſchaft leicht und dauernd
auch in Europa aus. Wird das Thier paarweiſe an einem Orte untergebracht, wo es ſich ſeinem
natürlichen Weſen gemäß bewegen kann, wo es alſo bald ins Waſſer, bald auf das Trockene gehen
kann, ſo darf man auch auf Nachkommenſchaft rechnen. Es nimmt mit jeder Koſt vorlieb, nament-
lich mit Allem, was man dem Hausſchweine zu reichen pflegt.
Jch ſah das erſte Gefangene, welches in der Neuzeit wieder nach Europa kam, in Kairo. Es
hatte ſich dort ſo an ſeinen Pfleger gewöhnt, daß es ihm wie ein Hund überall nachlief und ſich mit
Leichtigkeit behandeln ließ. Ein Gemengſel von Milch, Reis und Kleie bildet ſeine Nahrung.
Später nahm es ruhig mit friſchen Pflanzenſtoffen vorlieb. Man baute zur Ueberfahrt einen eignen
Kaſten für das Thier und führte mehrere große Fäſſer Nilwaſſer mit ſich, um dem Flußbewohner täglich
mehrere Bäder geben zu können. Als es in London ankam, hatte das Thier ſchon eine Länge von
7 Fuß; gegenwärtig hat es beinahe ſeine volle Größe erreicht, wenigſtens hat es ſich mit einem an-
deren, das man ihm ſpäter brachte, fruchtbar begattet.
Später brachte man zwei Nilpferde nach Paris, und im Jahre 1859 kamen deren zwei auch nach
Deutſchland, wo ſie überall umhergeführt und zur Schau geſtellt wurden. Die beiden Letzteren
waren außerordentlich zahm und zeichneten ſich durch eine plumpe, rohe Gemüthlichkeit aus. Sie
ſpielten luſtig mit ihrem Wärter und, wie oben Bd. I. S. 499 erwähnt, mit einem Steppenhunde,
welcher ſich vergeblich Mühe gab, den dickfelligen Geſellen etwas anzuhaben. Später kamen beide Thiere
nach Amſterdam, wo ſie ſich gegenwärtig noch befinden. Hier haben ſie aber Viel von ihrer früheren
Gutmüthigkeit verloren. Sie ſind zwar nicht gerade wild geworden, aber doch auch lange nicht mehr
ſo zahm geblieben, als ſie es waren. Jm September des Jahres 1861 wurden ſie brünſtig; Mitte
des Monats wurde die Begattung beobachtet. Sie wurde im Waſſer vollzogen, oft nach einander,
und währte, wie bei den Pferden, nur ſehr kurze Zeit. Die Geburt erfolgte bereits am 16. Juli
1862, alſo nach einer Trächtigkeitsdauer von nur zehn Monaten. Das wohl ausgebildete, muntere
Junge wurde von der Alten von der erſten Stunde an roh und hart behandelt. Sie ließ es nicht
ſaugen, warf es hin und her, und zeigte ſich, als ſie vom Männchen getrennt worden war, höchſt
aufgeregt. Das Junge ſtarb trotz aller Verſuche es künſtlich zu ernähren, bereits zwei Tage nach
ſeiner Geburt.
Einen Tag ſpäter nahm die Alte ſchon wieder auf. Sie hatte ſich um ihr Männchen, welches
durch den Anblick des Jungen ſehr wüthend geworden war, von Anfang an weit mehr bekümmert,
als um ihr Kind.
Weſtermann, der Vorſtand des amſterdamer Thiergartens, hat mir ſpäter mündlich mitge-
theilt, daß dieſelbe Alte ein zweites Junge zur Welt brachte, und zwar ſieben Monate nach beobachte-
tem Sprung. Demnach iſt die Trächtigkeitsdauer alſo noch nicht mit Sicherheit zu beſtimmen; wohl
aber ſteht ſoviel feſt, daß ſie eine ſehr kurze iſt. — Auch das zweite Junge wurde von der Mutter
ſchlecht behandelt. Der Vater ſchien eiferſüchtig zu ſein auf ſeinen Sprößling und geberdete ſich wie
toll, erregte dadurch die Alte ebenfalls und veranlaßte mittelbar die Entfernung des Säuglings. Der-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 777. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/823>, abgerufen am 23.11.2024.
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