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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Nil- oder Flußpferd.
Nilpferde angenommen und bis zu derselben Stelle des Ufers verfolgt, über welche ich hinabgestürzt
war. Jn höchster Aufregung langte er bei uns an und rief schon aus einiger Entfernung: "Brüder,
meine Brüder, preist den Propheten, den Gottgesandten! Betet zwei "Rakaaht" mehr für das
Wohl meiner Seele! Der Sohn der Hölle und des Teufels war mir nahe und der Arm des Todes
griff nach mir, aber Gott, der Erhabene, ist barmherzig und seine Gnade ohne Ende! Preiset den
Propheten, ihr Brüder! Jch aber will, bin ich erst dem Verruchten entronnen, einen ganzen Sack
Datteln zum Opfer bringen."

Diese beiden Pröbchen mögen genügen, die blinde Wuth eines gereizten Nilpferdes zu beweisen.
Sie zeigen auch klar genug, daß die Jagd des Thieres ohne Feuerwaffen, welche sehr schwere Kugeln
schießen, eben kein Vergnügen für Sonntagsschützen ist. Leichte Büchsenkugeln haben, selbst wenn sie
aus geringer Entfernung abgeschossen werden, so gut als keinen Erfolg. Jede Büchsenkugel durchbohrt
den Panzer des Krokodils, aber sie ist zu schwach, als daß sie die zolldicke Haut und auch noch den
mehr als zolldicken Schädel des Nilpferdes durchbohren sollte. "Mit einem der Nilpferde, welches
wir erlegten," sagt Rüppell, "kämpften wir vier Stunden lang. Wenig fehlte, daß die Bestie unsre
große Barke und mit ihr uns Alle vernichtet hätte. Die 25 Flintenkugeln, in einer Entfernung von
etwa fünf Fuß auf den Kopf des Unthieres abgeschossen, hatten nur die Haut und den Knochen bei der
Nase durchbohrt. Alle anderen Kugeln waren in der Dicke der Haut stecken geblieben. Bei jedes-
maligem Schnauben spritzte das Vieh reichliche Blutströme auf die Barke. Da bedienten wir uns
endlich eines Standrohres, dessen Gebrauch uns in so kurzer Entfernung überflüssig erschien. Aber
erst nach fünf seiner Kugeln in einer Entfernung von wenigen Fuß gefeuert, welche die schrecklichsten
Verwüstungen in dem Kopfe und dem Körper angerichtet hatten, gab der Riese seinen Geist auf. Die
Dunkelheit der Nacht vermehrte noch das Schauerliche des Zweikampfes." Derselbe hatte vier Stun-
den lang gedauert und das vorher angeworfene Thier riß einen kleinen Kahn unter das Wasser, zer-
schmetterte ihn und schleifte das große Schiff an der Leine des Wurfspießes nach Belieben hin und her.
Das war freilich eines der größeren Männchen, von denen die Sudahnesen behaupten, daß sie von an-
deren Nilpferden vertrieben worden wären, verachtet würden und deshalb so großen Unmuth zeigten.
Jch selbst habe wirklich mehrmals Nilpferde gesehen, welche getrennt von der Herde lebten, und immer
erfahren, daß sie zur furchtbarsten Landplage werden, weil auch die muthigsten Jäger es nicht oder nur
selten wagen, sie anzugreifen. Noch heutigen Tages sind die Harpune und die Lanze die einzigen
Waffen, welche die Sudahnesen bei der Jagd und zum Angriff des Nilpferdes brauchen. Von den
sinnreich ausgedachten Sperfallen, die man an Bäumen befestigen soll, so daß sie ein zur Weide ge-
hendes Nilpferd selbst losschnellt, weiß man in Nordostafrika Nichts, und nur die Neger des Abiad
graben Falllöcher, in welche ein zur Nacht herumwanderndes Nilpferd gelegentlich hinabstürzt.

Der Wurfspieß der Sudahnesen besteht aus einem Stück Eisen, einer Hornscheide, der Haftschnur
und der Wurfstange. Das Eisen ist zugespitzt oder wie ein Radirmesser zweiseitig zugeschliffen und
besitzt einen starken Widerhaken; es steckt fest in einer an beiden Enden dünner werdenden Hornscheide
und ist durch eine starke, oftmals um Eisen und Scheide gewundene Schnur hinreichend befestigt. An
dem einen Ende der Wurfstange nun befindet sich eine Höhlung, in welche die Hornscheide eingesetzt
wird, am anderen Ende der Stange ist die Leine festgebunden. Beim Wurfe dringt die eiserne Spitze
sammt ihrer Hornscheide bis zu der Lanze ein; diese wird durch den Wurf abgestoßen und hängt nun
nur noch mit dem anderen Ende vermittelst der dort angebundenen Schnur an der Harpunenspitze. An-
dere Jäger befestigen das eine Ende der Leine an der Harpune und das andere Ende an einem leichten
Holzklotz, ohne sie mit der Wurflanze zu verbinden.

Mit dieser Waffe und einigen gewöhnlichen Lanzen begibt sich der Sudahnese auf die Jagd, um
sein Wild entweder zu beschleichen, wenn es ein Mittagsschläfchen hält, oder ihm aufzulauern. Das
Unternehmen erfordert nicht nur gewaltige Kraft, sondern auch List, Verschlagenheit und Gewandtheit.

Etwa um Mitternacht -- nur an ganz menschenleeren Orten auch am Tage -- schleicht der
Spießwerfer längs des Ufers bis zu einer Ausgangsstelle der Thiere und versteckt sich hier im Gebüsch

Das Nil- oder Flußpferd.
Nilpferde angenommen und bis zu derſelben Stelle des Ufers verfolgt, über welche ich hinabgeſtürzt
war. Jn höchſter Aufregung langte er bei uns an und rief ſchon aus einiger Entfernung: „Brüder,
meine Brüder, preiſt den Propheten, den Gottgeſandten! Betet zwei „Rakaaht‟ mehr für das
Wohl meiner Seele! Der Sohn der Hölle und des Teufels war mir nahe und der Arm des Todes
griff nach mir, aber Gott, der Erhabene, iſt barmherzig und ſeine Gnade ohne Ende! Preiſet den
Propheten, ihr Brüder! Jch aber will, bin ich erſt dem Verruchten entronnen, einen ganzen Sack
Datteln zum Opfer bringen.‟

Dieſe beiden Pröbchen mögen genügen, die blinde Wuth eines gereizten Nilpferdes zu beweiſen.
Sie zeigen auch klar genug, daß die Jagd des Thieres ohne Feuerwaffen, welche ſehr ſchwere Kugeln
ſchießen, eben kein Vergnügen für Sonntagsſchützen iſt. Leichte Büchſenkugeln haben, ſelbſt wenn ſie
aus geringer Entfernung abgeſchoſſen werden, ſo gut als keinen Erfolg. Jede Büchſenkugel durchbohrt
den Panzer des Krokodils, aber ſie iſt zu ſchwach, als daß ſie die zolldicke Haut und auch noch den
mehr als zolldicken Schädel des Nilpferdes durchbohren ſollte. „Mit einem der Nilpferde, welches
wir erlegten,‟ ſagt Rüppell, „kämpften wir vier Stunden lang. Wenig fehlte, daß die Beſtie unſre
große Barke und mit ihr uns Alle vernichtet hätte. Die 25 Flintenkugeln, in einer Entfernung von
etwa fünf Fuß auf den Kopf des Unthieres abgeſchoſſen, hatten nur die Haut und den Knochen bei der
Naſe durchbohrt. Alle anderen Kugeln waren in der Dicke der Haut ſtecken geblieben. Bei jedes-
maligem Schnauben ſpritzte das Vieh reichliche Blutſtröme auf die Barke. Da bedienten wir uns
endlich eines Standrohres, deſſen Gebrauch uns in ſo kurzer Entfernung überflüſſig erſchien. Aber
erſt nach fünf ſeiner Kugeln in einer Entfernung von wenigen Fuß gefeuert, welche die ſchrecklichſten
Verwüſtungen in dem Kopfe und dem Körper angerichtet hatten, gab der Rieſe ſeinen Geiſt auf. Die
Dunkelheit der Nacht vermehrte noch das Schauerliche des Zweikampfes.‟ Derſelbe hatte vier Stun-
den lang gedauert und das vorher angeworfene Thier riß einen kleinen Kahn unter das Waſſer, zer-
ſchmetterte ihn und ſchleifte das große Schiff an der Leine des Wurfſpießes nach Belieben hin und her.
Das war freilich eines der größeren Männchen, von denen die Sudahneſen behaupten, daß ſie von an-
deren Nilpferden vertrieben worden wären, verachtet würden und deshalb ſo großen Unmuth zeigten.
Jch ſelbſt habe wirklich mehrmals Nilpferde geſehen, welche getrennt von der Herde lebten, und immer
erfahren, daß ſie zur furchtbarſten Landplage werden, weil auch die muthigſten Jäger es nicht oder nur
ſelten wagen, ſie anzugreifen. Noch heutigen Tages ſind die Harpune und die Lanze die einzigen
Waffen, welche die Sudahneſen bei der Jagd und zum Angriff des Nilpferdes brauchen. Von den
ſinnreich ausgedachten Sperfallen, die man an Bäumen befeſtigen ſoll, ſo daß ſie ein zur Weide ge-
hendes Nilpferd ſelbſt losſchnellt, weiß man in Nordoſtafrika Nichts, und nur die Neger des Abiad
graben Falllöcher, in welche ein zur Nacht herumwanderndes Nilpferd gelegentlich hinabſtürzt.

Der Wurfſpieß der Sudahneſen beſteht aus einem Stück Eiſen, einer Hornſcheide, der Haftſchnur
und der Wurfſtange. Das Eiſen iſt zugeſpitzt oder wie ein Radirmeſſer zweiſeitig zugeſchliffen und
beſitzt einen ſtarken Widerhaken; es ſteckt feſt in einer an beiden Enden dünner werdenden Hornſcheide
und iſt durch eine ſtarke, oftmals um Eiſen und Scheide gewundene Schnur hinreichend befeſtigt. An
dem einen Ende der Wurfſtange nun befindet ſich eine Höhlung, in welche die Hornſcheide eingeſetzt
wird, am anderen Ende der Stange iſt die Leine feſtgebunden. Beim Wurfe dringt die eiſerne Spitze
ſammt ihrer Hornſcheide bis zu der Lanze ein; dieſe wird durch den Wurf abgeſtoßen und hängt nun
nur noch mit dem anderen Ende vermittelſt der dort angebundenen Schnur an der Harpunenſpitze. An-
dere Jäger befeſtigen das eine Ende der Leine an der Harpune und das andere Ende an einem leichten
Holzklotz, ohne ſie mit der Wurflanze zu verbinden.

Mit dieſer Waffe und einigen gewöhnlichen Lanzen begibt ſich der Sudahneſe auf die Jagd, um
ſein Wild entweder zu beſchleichen, wenn es ein Mittagsſchläfchen hält, oder ihm aufzulauern. Das
Unternehmen erfordert nicht nur gewaltige Kraft, ſondern auch Liſt, Verſchlagenheit und Gewandtheit.

Etwa um Mitternacht — nur an ganz menſchenleeren Orten auch am Tage — ſchleicht der
Spießwerfer längs des Ufers bis zu einer Ausgangsſtelle der Thiere und verſteckt ſich hier im Gebüſch

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[775/0821] Das Nil- oder Flußpferd. Nilpferde angenommen und bis zu derſelben Stelle des Ufers verfolgt, über welche ich hinabgeſtürzt war. Jn höchſter Aufregung langte er bei uns an und rief ſchon aus einiger Entfernung: „Brüder, meine Brüder, preiſt den Propheten, den Gottgeſandten! Betet zwei „Rakaaht‟ mehr für das Wohl meiner Seele! Der Sohn der Hölle und des Teufels war mir nahe und der Arm des Todes griff nach mir, aber Gott, der Erhabene, iſt barmherzig und ſeine Gnade ohne Ende! Preiſet den Propheten, ihr Brüder! Jch aber will, bin ich erſt dem Verruchten entronnen, einen ganzen Sack Datteln zum Opfer bringen.‟ Dieſe beiden Pröbchen mögen genügen, die blinde Wuth eines gereizten Nilpferdes zu beweiſen. Sie zeigen auch klar genug, daß die Jagd des Thieres ohne Feuerwaffen, welche ſehr ſchwere Kugeln ſchießen, eben kein Vergnügen für Sonntagsſchützen iſt. Leichte Büchſenkugeln haben, ſelbſt wenn ſie aus geringer Entfernung abgeſchoſſen werden, ſo gut als keinen Erfolg. Jede Büchſenkugel durchbohrt den Panzer des Krokodils, aber ſie iſt zu ſchwach, als daß ſie die zolldicke Haut und auch noch den mehr als zolldicken Schädel des Nilpferdes durchbohren ſollte. „Mit einem der Nilpferde, welches wir erlegten,‟ ſagt Rüppell, „kämpften wir vier Stunden lang. Wenig fehlte, daß die Beſtie unſre große Barke und mit ihr uns Alle vernichtet hätte. Die 25 Flintenkugeln, in einer Entfernung von etwa fünf Fuß auf den Kopf des Unthieres abgeſchoſſen, hatten nur die Haut und den Knochen bei der Naſe durchbohrt. Alle anderen Kugeln waren in der Dicke der Haut ſtecken geblieben. Bei jedes- maligem Schnauben ſpritzte das Vieh reichliche Blutſtröme auf die Barke. Da bedienten wir uns endlich eines Standrohres, deſſen Gebrauch uns in ſo kurzer Entfernung überflüſſig erſchien. Aber erſt nach fünf ſeiner Kugeln in einer Entfernung von wenigen Fuß gefeuert, welche die ſchrecklichſten Verwüſtungen in dem Kopfe und dem Körper angerichtet hatten, gab der Rieſe ſeinen Geiſt auf. Die Dunkelheit der Nacht vermehrte noch das Schauerliche des Zweikampfes.‟ Derſelbe hatte vier Stun- den lang gedauert und das vorher angeworfene Thier riß einen kleinen Kahn unter das Waſſer, zer- ſchmetterte ihn und ſchleifte das große Schiff an der Leine des Wurfſpießes nach Belieben hin und her. Das war freilich eines der größeren Männchen, von denen die Sudahneſen behaupten, daß ſie von an- deren Nilpferden vertrieben worden wären, verachtet würden und deshalb ſo großen Unmuth zeigten. Jch ſelbſt habe wirklich mehrmals Nilpferde geſehen, welche getrennt von der Herde lebten, und immer erfahren, daß ſie zur furchtbarſten Landplage werden, weil auch die muthigſten Jäger es nicht oder nur ſelten wagen, ſie anzugreifen. Noch heutigen Tages ſind die Harpune und die Lanze die einzigen Waffen, welche die Sudahneſen bei der Jagd und zum Angriff des Nilpferdes brauchen. Von den ſinnreich ausgedachten Sperfallen, die man an Bäumen befeſtigen ſoll, ſo daß ſie ein zur Weide ge- hendes Nilpferd ſelbſt losſchnellt, weiß man in Nordoſtafrika Nichts, und nur die Neger des Abiad graben Falllöcher, in welche ein zur Nacht herumwanderndes Nilpferd gelegentlich hinabſtürzt. Der Wurfſpieß der Sudahneſen beſteht aus einem Stück Eiſen, einer Hornſcheide, der Haftſchnur und der Wurfſtange. Das Eiſen iſt zugeſpitzt oder wie ein Radirmeſſer zweiſeitig zugeſchliffen und beſitzt einen ſtarken Widerhaken; es ſteckt feſt in einer an beiden Enden dünner werdenden Hornſcheide und iſt durch eine ſtarke, oftmals um Eiſen und Scheide gewundene Schnur hinreichend befeſtigt. An dem einen Ende der Wurfſtange nun befindet ſich eine Höhlung, in welche die Hornſcheide eingeſetzt wird, am anderen Ende der Stange iſt die Leine feſtgebunden. Beim Wurfe dringt die eiſerne Spitze ſammt ihrer Hornſcheide bis zu der Lanze ein; dieſe wird durch den Wurf abgeſtoßen und hängt nun nur noch mit dem anderen Ende vermittelſt der dort angebundenen Schnur an der Harpunenſpitze. An- dere Jäger befeſtigen das eine Ende der Leine an der Harpune und das andere Ende an einem leichten Holzklotz, ohne ſie mit der Wurflanze zu verbinden. Mit dieſer Waffe und einigen gewöhnlichen Lanzen begibt ſich der Sudahneſe auf die Jagd, um ſein Wild entweder zu beſchleichen, wenn es ein Mittagsſchläfchen hält, oder ihm aufzulauern. Das Unternehmen erfordert nicht nur gewaltige Kraft, ſondern auch Liſt, Verſchlagenheit und Gewandtheit. Etwa um Mitternacht — nur an ganz menſchenleeren Orten auch am Tage — ſchleicht der Spießwerfer längs des Ufers bis zu einer Ausgangsſtelle der Thiere und verſteckt ſich hier im Gebüſch

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 775. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/821>, abgerufen am 23.11.2024.