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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhänter. -- Das Nil- oder Flußpferd.
Gesellschaft ist beschränkt, weil er stets in der Nähe guter Futterplätze liegt, und so genügt unter
Umständen schon ein großer Tümpel mehreren Flußpferden zu längerem Aufenthalte. Der erwähnte
See, in welchem ich sechs Stück sah, hatte höchstens eine gute halbe Stunde im Umfang. Jst an
einer Stelle die Weide schmal geworden, so zieht sich das Nilpferd langsam nach einer anderen
Stelle; während der Regenzeit aber scheint es größere Wanderungen zu unternehmen.

Bei Tage verläßt die Gesellschaft nur an ganz menschenleeren Orten das Wasser, um in der
Nähe des Ufers theils im seichten Wasser, theils auf dem Lande selbst sich einem träumerischen
Halbschlummer hinzugeben. Dabei zeigen die bequem dahingestreckten Thiere ganz die Behaglichkeit
der Schweine, welche sich suhlen, oder der Büffel, welche sich im Strome baden. Von Zeit zu Zeit
grunzen die männlichen Thiere nach Art der Schweine, und erhebt eins um das andere den Kopf
ein wenig, um sich zu sichern. Mehrere Vögel treiben ungescheut ihr Wesen neben und auf den
Ruhenden. Der Regenvogel (Hyas aegyptiacus) rennt ohne Unterlaß um die Riesen herum
und pickt und hackt Kerbthiere und Egel von deren Fellen weg. Der kleine Kuhreiher spaziert
ernsten Schritts auf dem Rücken hin und her, um diesen selbst von dem Ungeziefer zu fäu-
bern. Jn Südafrika vertritt der bereits erwähnte Madenhacker die Stelle dieser kleinen
Freunde. Die Araber des Ostsudahn behaupten, daß es der Negenvogel übernehme, bei Gefahr
das Nilpferd zu warnen, und wirklich achtet dieses auf das Geschrei seines kleinen, aufmerksamen
Freundes und geht in das Wasser, wenn der Vogel durch irgend welche Erscheinung besonders
aufgeregt wird. Sonst achten die Nilpferde nicht viel auf das Treiben um sich her, und blos an
solchen Orten, wo sie den Menschen und sein furchtbares Feuergewehr kennen lernten, nehmen sie
sich vor ihrem Haupt-, ja, alleinigen Feinde mehr in Acht, als in den Ost- und Westländern
Afrikas, wo sie sich eigentlich gar nicht um ihn kümmern. So wird der Tag zwischen Schlummern
und Wachen verbracht. Unzweifelhaft schlafen die Nilpferde nach Art der Büffel auch im Wasser,
indem sie sich mehr nach der Oberfläche desselben emporheben und durch regelmäßiges Bewegen
ihrer Beine die gleiche Lage erhalten, so daß die Nasenlöcher, die Augen und die Ohren über dem
Wasserspiegel erhaben sind und die Athmung ungestört besorgt werden kann.

Gegen Abend kommt Leben in die Gesellschaft. Das Grunzen der Männchen erstarkt zu einem
Gebrüll, und die ganze Herde taucht spielend auf und nieder im Strome. Dann und wann beginnt
sogar ein lustiges Jagen. Namentlich in der Nähe von Schiffen scheinen sie sich dann gern zu zeigen.
Jch habe wenigstens bemerkt, daß sie unser Bot bei abendlichen Fahrten regelmäßig auf größere Strecken
hin begleiteten. Sie schwimmen mit erstaunlicher Leichtigkeit in jeder Wassertiefe, tauchen auf und
nieder, bewegen sich ruck- oder satzweise, wenden sich nach allen Seiten mit überraschender Gewandtheit
und schwimmen geradeaus mit dem besten Ruderbot um die Wette. Die dicken Fettlagen, welche
ihren Leib allseitig umgeben, vermindern ihr Gewicht so, daß es dem des Wassers ganz oder ziemlich
gleich kommt. Und hierdurch eben wird es dem Nilpferd leicht, jede Tiefe des Wassers zu bewohnen.
Wenn man den ungeheuren Körperumfang des Thieres rechnend betrachtet, nimmt es einen nicht mehr
Wunder, daß durch solche Masse 50 bis 60 Centner Wasser weggedrängt werden können. Jch habe
bei ruhigem Schwimmen des Thieres niemals eine heftige Ruderbewegung desselben bemerken können;
das Wasser um das schwimmende Nilpferd bleibt vielmehr glatt und unbeweglich. Aber das Gegen-
theil findet Statt, wenn sich das Vieh wüthend auf einen Feind stürzt oder nach einer Verwundung
im Flusse umhertobt. Dann schnellt es die Hinterbeine überaus heftig zurück, schießt in förmlichen
Sätzen vorwärts, bringt das ganze Wasser in Aufruhr, so daß es hohe Wellen wirft, und die Gewalt
seiner Bewegungen ist dann so groß, daß das Thier, wie erwiesen, mittelgroße Schiffe emporheben und
zertrümmern kann. Reisende, welche in leichten Boten die Ströme herabfahren, werden oft sehr ge-
fährdet durch die irgendwie gereizten Nilpferde, und auch im Ostsudahn weichen die Schiffer dem
Unthiere immer ziemlich sorgfältig aus und sehen es sehr ungern, daß man vom Bote aus nach ihm
schießt.

Die Vielhufer oder Dickhänter. — Das Nil- oder Flußpferd.
Geſellſchaft iſt beſchränkt, weil er ſtets in der Nähe guter Futterplätze liegt, und ſo genügt unter
Umſtänden ſchon ein großer Tümpel mehreren Flußpferden zu längerem Aufenthalte. Der erwähnte
See, in welchem ich ſechs Stück ſah, hatte höchſtens eine gute halbe Stunde im Umfang. Jſt an
einer Stelle die Weide ſchmal geworden, ſo zieht ſich das Nilpferd langſam nach einer anderen
Stelle; während der Regenzeit aber ſcheint es größere Wanderungen zu unternehmen.

Bei Tage verläßt die Geſellſchaft nur an ganz menſchenleeren Orten das Waſſer, um in der
Nähe des Ufers theils im ſeichten Waſſer, theils auf dem Lande ſelbſt ſich einem träumeriſchen
Halbſchlummer hinzugeben. Dabei zeigen die bequem dahingeſtreckten Thiere ganz die Behaglichkeit
der Schweine, welche ſich ſuhlen, oder der Büffel, welche ſich im Strome baden. Von Zeit zu Zeit
grunzen die männlichen Thiere nach Art der Schweine, und erhebt eins um das andere den Kopf
ein wenig, um ſich zu ſichern. Mehrere Vögel treiben ungeſcheut ihr Weſen neben und auf den
Ruhenden. Der Regenvogel (Hyas aegyptiacus) rennt ohne Unterlaß um die Rieſen herum
und pickt und hackt Kerbthiere und Egel von deren Fellen weg. Der kleine Kuhreiher ſpaziert
ernſten Schritts auf dem Rücken hin und her, um dieſen ſelbſt von dem Ungeziefer zu fäu-
bern. Jn Südafrika vertritt der bereits erwähnte Madenhacker die Stelle dieſer kleinen
Freunde. Die Araber des Oſtſudahn behaupten, daß es der Negenvogel übernehme, bei Gefahr
das Nilpferd zu warnen, und wirklich achtet dieſes auf das Geſchrei ſeines kleinen, aufmerkſamen
Freundes und geht in das Waſſer, wenn der Vogel durch irgend welche Erſcheinung beſonders
aufgeregt wird. Sonſt achten die Nilpferde nicht viel auf das Treiben um ſich her, und blos an
ſolchen Orten, wo ſie den Menſchen und ſein furchtbares Feuergewehr kennen lernten, nehmen ſie
ſich vor ihrem Haupt-, ja, alleinigen Feinde mehr in Acht, als in den Oſt- und Weſtländern
Afrikas, wo ſie ſich eigentlich gar nicht um ihn kümmern. So wird der Tag zwiſchen Schlummern
und Wachen verbracht. Unzweifelhaft ſchlafen die Nilpferde nach Art der Büffel auch im Waſſer,
indem ſie ſich mehr nach der Oberfläche deſſelben emporheben und durch regelmäßiges Bewegen
ihrer Beine die gleiche Lage erhalten, ſo daß die Naſenlöcher, die Augen und die Ohren über dem
Waſſerſpiegel erhaben ſind und die Athmung ungeſtört beſorgt werden kann.

Gegen Abend kommt Leben in die Geſellſchaft. Das Grunzen der Männchen erſtarkt zu einem
Gebrüll, und die ganze Herde taucht ſpielend auf und nieder im Strome. Dann und wann beginnt
ſogar ein luſtiges Jagen. Namentlich in der Nähe von Schiffen ſcheinen ſie ſich dann gern zu zeigen.
Jch habe wenigſtens bemerkt, daß ſie unſer Bot bei abendlichen Fahrten regelmäßig auf größere Strecken
hin begleiteten. Sie ſchwimmen mit erſtaunlicher Leichtigkeit in jeder Waſſertiefe, tauchen auf und
nieder, bewegen ſich ruck- oder ſatzweiſe, wenden ſich nach allen Seiten mit überraſchender Gewandtheit
und ſchwimmen geradeaus mit dem beſten Ruderbot um die Wette. Die dicken Fettlagen, welche
ihren Leib allſeitig umgeben, vermindern ihr Gewicht ſo, daß es dem des Waſſers ganz oder ziemlich
gleich kommt. Und hierdurch eben wird es dem Nilpferd leicht, jede Tiefe des Waſſers zu bewohnen.
Wenn man den ungeheuren Körperumfang des Thieres rechnend betrachtet, nimmt es einen nicht mehr
Wunder, daß durch ſolche Maſſe 50 bis 60 Centner Waſſer weggedrängt werden können. Jch habe
bei ruhigem Schwimmen des Thieres niemals eine heftige Ruderbewegung deſſelben bemerken können;
das Waſſer um das ſchwimmende Nilpferd bleibt vielmehr glatt und unbeweglich. Aber das Gegen-
theil findet Statt, wenn ſich das Vieh wüthend auf einen Feind ſtürzt oder nach einer Verwundung
im Fluſſe umhertobt. Dann ſchnellt es die Hinterbeine überaus heftig zurück, ſchießt in förmlichen
Sätzen vorwärts, bringt das ganze Waſſer in Aufruhr, ſo daß es hohe Wellen wirft, und die Gewalt
ſeiner Bewegungen iſt dann ſo groß, daß das Thier, wie erwieſen, mittelgroße Schiffe emporheben und
zertrümmern kann. Reiſende, welche in leichten Boten die Ströme herabfahren, werden oft ſehr ge-
fährdet durch die irgendwie gereizten Nilpferde, und auch im Oſtſudahn weichen die Schiffer dem
Unthiere immer ziemlich ſorgfältig aus und ſehen es ſehr ungern, daß man vom Bote aus nach ihm
ſchießt.

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[770/0816] Die Vielhufer oder Dickhänter. — Das Nil- oder Flußpferd. Geſellſchaft iſt beſchränkt, weil er ſtets in der Nähe guter Futterplätze liegt, und ſo genügt unter Umſtänden ſchon ein großer Tümpel mehreren Flußpferden zu längerem Aufenthalte. Der erwähnte See, in welchem ich ſechs Stück ſah, hatte höchſtens eine gute halbe Stunde im Umfang. Jſt an einer Stelle die Weide ſchmal geworden, ſo zieht ſich das Nilpferd langſam nach einer anderen Stelle; während der Regenzeit aber ſcheint es größere Wanderungen zu unternehmen. Bei Tage verläßt die Geſellſchaft nur an ganz menſchenleeren Orten das Waſſer, um in der Nähe des Ufers theils im ſeichten Waſſer, theils auf dem Lande ſelbſt ſich einem träumeriſchen Halbſchlummer hinzugeben. Dabei zeigen die bequem dahingeſtreckten Thiere ganz die Behaglichkeit der Schweine, welche ſich ſuhlen, oder der Büffel, welche ſich im Strome baden. Von Zeit zu Zeit grunzen die männlichen Thiere nach Art der Schweine, und erhebt eins um das andere den Kopf ein wenig, um ſich zu ſichern. Mehrere Vögel treiben ungeſcheut ihr Weſen neben und auf den Ruhenden. Der Regenvogel (Hyas aegyptiacus) rennt ohne Unterlaß um die Rieſen herum und pickt und hackt Kerbthiere und Egel von deren Fellen weg. Der kleine Kuhreiher ſpaziert ernſten Schritts auf dem Rücken hin und her, um dieſen ſelbſt von dem Ungeziefer zu fäu- bern. Jn Südafrika vertritt der bereits erwähnte Madenhacker die Stelle dieſer kleinen Freunde. Die Araber des Oſtſudahn behaupten, daß es der Negenvogel übernehme, bei Gefahr das Nilpferd zu warnen, und wirklich achtet dieſes auf das Geſchrei ſeines kleinen, aufmerkſamen Freundes und geht in das Waſſer, wenn der Vogel durch irgend welche Erſcheinung beſonders aufgeregt wird. Sonſt achten die Nilpferde nicht viel auf das Treiben um ſich her, und blos an ſolchen Orten, wo ſie den Menſchen und ſein furchtbares Feuergewehr kennen lernten, nehmen ſie ſich vor ihrem Haupt-, ja, alleinigen Feinde mehr in Acht, als in den Oſt- und Weſtländern Afrikas, wo ſie ſich eigentlich gar nicht um ihn kümmern. So wird der Tag zwiſchen Schlummern und Wachen verbracht. Unzweifelhaft ſchlafen die Nilpferde nach Art der Büffel auch im Waſſer, indem ſie ſich mehr nach der Oberfläche deſſelben emporheben und durch regelmäßiges Bewegen ihrer Beine die gleiche Lage erhalten, ſo daß die Naſenlöcher, die Augen und die Ohren über dem Waſſerſpiegel erhaben ſind und die Athmung ungeſtört beſorgt werden kann. Gegen Abend kommt Leben in die Geſellſchaft. Das Grunzen der Männchen erſtarkt zu einem Gebrüll, und die ganze Herde taucht ſpielend auf und nieder im Strome. Dann und wann beginnt ſogar ein luſtiges Jagen. Namentlich in der Nähe von Schiffen ſcheinen ſie ſich dann gern zu zeigen. Jch habe wenigſtens bemerkt, daß ſie unſer Bot bei abendlichen Fahrten regelmäßig auf größere Strecken hin begleiteten. Sie ſchwimmen mit erſtaunlicher Leichtigkeit in jeder Waſſertiefe, tauchen auf und nieder, bewegen ſich ruck- oder ſatzweiſe, wenden ſich nach allen Seiten mit überraſchender Gewandtheit und ſchwimmen geradeaus mit dem beſten Ruderbot um die Wette. Die dicken Fettlagen, welche ihren Leib allſeitig umgeben, vermindern ihr Gewicht ſo, daß es dem des Waſſers ganz oder ziemlich gleich kommt. Und hierdurch eben wird es dem Nilpferd leicht, jede Tiefe des Waſſers zu bewohnen. Wenn man den ungeheuren Körperumfang des Thieres rechnend betrachtet, nimmt es einen nicht mehr Wunder, daß durch ſolche Maſſe 50 bis 60 Centner Waſſer weggedrängt werden können. Jch habe bei ruhigem Schwimmen des Thieres niemals eine heftige Ruderbewegung deſſelben bemerken können; das Waſſer um das ſchwimmende Nilpferd bleibt vielmehr glatt und unbeweglich. Aber das Gegen- theil findet Statt, wenn ſich das Vieh wüthend auf einen Feind ſtürzt oder nach einer Verwundung im Fluſſe umhertobt. Dann ſchnellt es die Hinterbeine überaus heftig zurück, ſchießt in förmlichen Sätzen vorwärts, bringt das ganze Waſſer in Aufruhr, ſo daß es hohe Wellen wirft, und die Gewalt ſeiner Bewegungen iſt dann ſo groß, daß das Thier, wie erwieſen, mittelgroße Schiffe emporheben und zertrümmern kann. Reiſende, welche in leichten Boten die Ströme herabfahren, werden oft ſehr ge- fährdet durch die irgendwie gereizten Nilpferde, und auch im Oſtſudahn weichen die Schiffer dem Unthiere immer ziemlich ſorgfältig aus und ſehen es ſehr ungern, daß man vom Bote aus nach ihm ſchießt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 770. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/816>, abgerufen am 23.11.2024.