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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Nashörner.
dem Schloßhofe von Surar Karta einen Platz eingeräumt, welchen man durch einen tiefen Graben
von ungefähr drei Fuß Breite abgegrenzt hatte, und hier blieb es mehrere Jahre, ohne daran zu
denken, seine Grenze zu überschreiten. Es schien sich vollkommen glücklich in seiner Lage zu fühlen
und gerieth niemals in Zorn, trotzdem es bei seiner ersten Ankunft auf alle Weise geneckt wurde,
weil die zahlreiche Bevölkerung der Stadt sich mit dem Fremden aus dem Walde irgend welchen Spaß
machen wollte. Baumzweige, Schlingpflanzen der verschiedensten Art, Strauchwerk wurde ihm in
reichlicher Menge vorgeworfen; es zog aber vor Allem den Pisang vor, und die zahlreichen Besucher,
welche diese Neigung bald auskundschafteten, sorgten nun redlich dafür, daß es diese Lieblingsfrucht
in Masse erhielt. Es erlaubte, daß man es berührte und von allen Seiten besah, ja, die Kecken unter
den Beschauern wagten es zuweilen, auf seinem Nacken zu reiten. Das Wasser war ihm Bedürfniß,
und wenn es nicht mit Fressen beschäftigt war oder durch die Eingeborenen aufgestört wurde, legte
es sich regelmäßig in tiefe Löcher, welche es sich ausgegraben hatte. Als es, nach verhältnißmäßig
sehr kurzer Zeit, erwachsen war, genügte ihm der nur drei Fuß breite Graben nicht mehr, es abzu-
schließen. Da kam es oft vor, daß es in den Häusern der Eingeborenen Besuche abstattete und dort
in den Pflanzungen, welche die Gebäude regelmäßig umgeben, oft recht bedeutende Zerstörungen sich
zu Schulden kommen ließ. Die, welche das Thier nicht kannten, wurden natürlich bei seinem Er-
scheinen in die peinlichste Furcht versetzt, die Beherzteren aber trieben es ohne Umstände wieder nach
seinem Behälter zurück. Als die Ausflüge in der Nachbarschaft immer häufiger und die Verwüstun-
gen, welche es in den Gärten anrichtete, immer toller wurden, war man genöthigt, es nach einem
benachbarten Dorfe zu treiben, und dort fand es schmählicher Weise sein Ende in einem kleinen
Flüßchen.

Andere Nashörner, welche nach Europa gekommen waren, zeigten sich ebenfalls gutmüthig und
zahm. Sie ließen sich berühren und hin und her treiben, ohne sich zur Wehr zu setzen. Nur ein
Fall ist bekannt, daß ein Nashorn zwei Leute, welche es wahrscheinlich gereizt haben mochten, an-
griff und tödtete.

Jch sah ein fast erwachsenes, indisches Nashorn in Antwerpen. Es war ebenfalls sehr gut-
müthig und ließ sich ohne Mühe behandeln. Herr Kretschmer, der Zeichner der meisten Abbil-
dungen dieses Werkes, durfte sogar zu ihm in den Behälter gehen, als es sich darum handelte, es
von allen Seiten bildlich darstellen zu können. Man ließ es täglich auf einen umzäumten Platz vor
seinem Stalle, und dort konnte der Wärter mit ihm machen, was er wollte. Eine einfache Peitsche
genügte, ihm einen heilsamen Schreck einzujagen. Es setzte sich augenblicklich in Galopp, wenn der
Wärter klatschte. Viele Beschauer mochten es oft gefüttert haben; denn sobald jemand Fremdes sich
nahte, kam es sofort herbei, streckte seine plumpe Schnauze durch das Gitter, verlängerte die Ober-
lippe soweit es konnte und stieß ein dumpfes, aber leises Brüllen aus, in der Absicht, einige
Näschereien zu erhalten. Wenn es eine Leckerei erhalten hatte, drückte es die Augen behaglich zu
und zermalmte das Erbettelte mit einem einzigen Biß.

Aller Nutzen, welchen das erlegte Nashorn gewähren kann, wiegt den Schaden, welchen es
während seines Lebens anrichtet, nicht entfernt auf. Jn Gegenden, wo ein regelmäßiger Anbau
des Bodens stattfindet, ist das Nashorn gar nicht zu dulden. Es ist so recht eigentlich nur für die
Wildniß geschaffen. Von dem erlegten Thiere weiß man fast alle Theile zu verwenden. Nicht blos
das Blut steht in hohem Ansehen wegen seiner geheimnißvollen Kraft, sondern auch das Horn. Jm
Morgenlande sieht man in den Häusern der Vornehmen allerlei Becher und Trinkgeräthe, welche
aus dem Horn des Thieres gedreht sind. Man schreibt diesen Gefäßen die Eigenschaft zu, aufzu-
brausen, wenn eine irgend wie giftige Flüssigkeit in sie kommt, und glaubt somit ein sicheres Mittel
zu haben, sich vor Vergiftungen zu schützen. Die Türken der höheren Klassen führen beständig ein
Täßchen von Rhinoceroshorn bei sich, und lassen es in allen zweifelhaften Fällen mit Kaffee füllen.
Gar nicht selten kommt es vor, daß ein Türke, welcher einen anderen besucht, von dem er sich eben
nicht viel Gutes versieht, in dessen Gegenwart durch seinen Diener das Horntäßchen mit dem Kaffee

Die Nashörner.
dem Schloßhofe von Surar Karta einen Platz eingeräumt, welchen man durch einen tiefen Graben
von ungefähr drei Fuß Breite abgegrenzt hatte, und hier blieb es mehrere Jahre, ohne daran zu
denken, ſeine Grenze zu überſchreiten. Es ſchien ſich vollkommen glücklich in ſeiner Lage zu fühlen
und gerieth niemals in Zorn, trotzdem es bei ſeiner erſten Ankunft auf alle Weiſe geneckt wurde,
weil die zahlreiche Bevölkerung der Stadt ſich mit dem Fremden aus dem Walde irgend welchen Spaß
machen wollte. Baumzweige, Schlingpflanzen der verſchiedenſten Art, Strauchwerk wurde ihm in
reichlicher Menge vorgeworfen; es zog aber vor Allem den Piſang vor, und die zahlreichen Beſucher,
welche dieſe Neigung bald auskundſchafteten, ſorgten nun redlich dafür, daß es dieſe Lieblingsfrucht
in Maſſe erhielt. Es erlaubte, daß man es berührte und von allen Seiten beſah, ja, die Kecken unter
den Beſchauern wagten es zuweilen, auf ſeinem Nacken zu reiten. Das Waſſer war ihm Bedürfniß,
und wenn es nicht mit Freſſen beſchäftigt war oder durch die Eingeborenen aufgeſtört wurde, legte
es ſich regelmäßig in tiefe Löcher, welche es ſich ausgegraben hatte. Als es, nach verhältnißmäßig
ſehr kurzer Zeit, erwachſen war, genügte ihm der nur drei Fuß breite Graben nicht mehr, es abzu-
ſchließen. Da kam es oft vor, daß es in den Häuſern der Eingeborenen Beſuche abſtattete und dort
in den Pflanzungen, welche die Gebäude regelmäßig umgeben, oft recht bedeutende Zerſtörungen ſich
zu Schulden kommen ließ. Die, welche das Thier nicht kannten, wurden natürlich bei ſeinem Er-
ſcheinen in die peinlichſte Furcht verſetzt, die Beherzteren aber trieben es ohne Umſtände wieder nach
ſeinem Behälter zurück. Als die Ausflüge in der Nachbarſchaft immer häufiger und die Verwüſtun-
gen, welche es in den Gärten anrichtete, immer toller wurden, war man genöthigt, es nach einem
benachbarten Dorfe zu treiben, und dort fand es ſchmählicher Weiſe ſein Ende in einem kleinen
Flüßchen.

Andere Nashörner, welche nach Europa gekommen waren, zeigten ſich ebenfalls gutmüthig und
zahm. Sie ließen ſich berühren und hin und her treiben, ohne ſich zur Wehr zu ſetzen. Nur ein
Fall iſt bekannt, daß ein Nashorn zwei Leute, welche es wahrſcheinlich gereizt haben mochten, an-
griff und tödtete.

Jch ſah ein faſt erwachſenes, indiſches Nashorn in Antwerpen. Es war ebenfalls ſehr gut-
müthig und ließ ſich ohne Mühe behandeln. Herr Kretſchmer, der Zeichner der meiſten Abbil-
dungen dieſes Werkes, durfte ſogar zu ihm in den Behälter gehen, als es ſich darum handelte, es
von allen Seiten bildlich darſtellen zu können. Man ließ es täglich auf einen umzäumten Platz vor
ſeinem Stalle, und dort konnte der Wärter mit ihm machen, was er wollte. Eine einfache Peitſche
genügte, ihm einen heilſamen Schreck einzujagen. Es ſetzte ſich augenblicklich in Galopp, wenn der
Wärter klatſchte. Viele Beſchauer mochten es oft gefüttert haben; denn ſobald jemand Fremdes ſich
nahte, kam es ſofort herbei, ſtreckte ſeine plumpe Schnauze durch das Gitter, verlängerte die Ober-
lippe ſoweit es konnte und ſtieß ein dumpfes, aber leiſes Brüllen aus, in der Abſicht, einige
Näſchereien zu erhalten. Wenn es eine Leckerei erhalten hatte, drückte es die Augen behaglich zu
und zermalmte das Erbettelte mit einem einzigen Biß.

Aller Nutzen, welchen das erlegte Nashorn gewähren kann, wiegt den Schaden, welchen es
während ſeines Lebens anrichtet, nicht entfernt auf. Jn Gegenden, wo ein regelmäßiger Anbau
des Bodens ſtattfindet, iſt das Nashorn gar nicht zu dulden. Es iſt ſo recht eigentlich nur für die
Wildniß geſchaffen. Von dem erlegten Thiere weiß man faſt alle Theile zu verwenden. Nicht blos
das Blut ſteht in hohem Anſehen wegen ſeiner geheimnißvollen Kraft, ſondern auch das Horn. Jm
Morgenlande ſieht man in den Häuſern der Vornehmen allerlei Becher und Trinkgeräthe, welche
aus dem Horn des Thieres gedreht ſind. Man ſchreibt dieſen Gefäßen die Eigenſchaft zu, aufzu-
brauſen, wenn eine irgend wie giftige Flüſſigkeit in ſie kommt, und glaubt ſomit ein ſicheres Mittel
zu haben, ſich vor Vergiftungen zu ſchützen. Die Türken der höheren Klaſſen führen beſtändig ein
Täßchen von Rhinoceroshorn bei ſich, und laſſen es in allen zweifelhaften Fällen mit Kaffee füllen.
Gar nicht ſelten kommt es vor, daß ein Türke, welcher einen anderen beſucht, von dem er ſich eben
nicht viel Gutes verſieht, in deſſen Gegenwart durch ſeinen Diener das Horntäßchen mit dem Kaffee

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[765/0811] Die Nashörner. dem Schloßhofe von Surar Karta einen Platz eingeräumt, welchen man durch einen tiefen Graben von ungefähr drei Fuß Breite abgegrenzt hatte, und hier blieb es mehrere Jahre, ohne daran zu denken, ſeine Grenze zu überſchreiten. Es ſchien ſich vollkommen glücklich in ſeiner Lage zu fühlen und gerieth niemals in Zorn, trotzdem es bei ſeiner erſten Ankunft auf alle Weiſe geneckt wurde, weil die zahlreiche Bevölkerung der Stadt ſich mit dem Fremden aus dem Walde irgend welchen Spaß machen wollte. Baumzweige, Schlingpflanzen der verſchiedenſten Art, Strauchwerk wurde ihm in reichlicher Menge vorgeworfen; es zog aber vor Allem den Piſang vor, und die zahlreichen Beſucher, welche dieſe Neigung bald auskundſchafteten, ſorgten nun redlich dafür, daß es dieſe Lieblingsfrucht in Maſſe erhielt. Es erlaubte, daß man es berührte und von allen Seiten beſah, ja, die Kecken unter den Beſchauern wagten es zuweilen, auf ſeinem Nacken zu reiten. Das Waſſer war ihm Bedürfniß, und wenn es nicht mit Freſſen beſchäftigt war oder durch die Eingeborenen aufgeſtört wurde, legte es ſich regelmäßig in tiefe Löcher, welche es ſich ausgegraben hatte. Als es, nach verhältnißmäßig ſehr kurzer Zeit, erwachſen war, genügte ihm der nur drei Fuß breite Graben nicht mehr, es abzu- ſchließen. Da kam es oft vor, daß es in den Häuſern der Eingeborenen Beſuche abſtattete und dort in den Pflanzungen, welche die Gebäude regelmäßig umgeben, oft recht bedeutende Zerſtörungen ſich zu Schulden kommen ließ. Die, welche das Thier nicht kannten, wurden natürlich bei ſeinem Er- ſcheinen in die peinlichſte Furcht verſetzt, die Beherzteren aber trieben es ohne Umſtände wieder nach ſeinem Behälter zurück. Als die Ausflüge in der Nachbarſchaft immer häufiger und die Verwüſtun- gen, welche es in den Gärten anrichtete, immer toller wurden, war man genöthigt, es nach einem benachbarten Dorfe zu treiben, und dort fand es ſchmählicher Weiſe ſein Ende in einem kleinen Flüßchen. Andere Nashörner, welche nach Europa gekommen waren, zeigten ſich ebenfalls gutmüthig und zahm. Sie ließen ſich berühren und hin und her treiben, ohne ſich zur Wehr zu ſetzen. Nur ein Fall iſt bekannt, daß ein Nashorn zwei Leute, welche es wahrſcheinlich gereizt haben mochten, an- griff und tödtete. Jch ſah ein faſt erwachſenes, indiſches Nashorn in Antwerpen. Es war ebenfalls ſehr gut- müthig und ließ ſich ohne Mühe behandeln. Herr Kretſchmer, der Zeichner der meiſten Abbil- dungen dieſes Werkes, durfte ſogar zu ihm in den Behälter gehen, als es ſich darum handelte, es von allen Seiten bildlich darſtellen zu können. Man ließ es täglich auf einen umzäumten Platz vor ſeinem Stalle, und dort konnte der Wärter mit ihm machen, was er wollte. Eine einfache Peitſche genügte, ihm einen heilſamen Schreck einzujagen. Es ſetzte ſich augenblicklich in Galopp, wenn der Wärter klatſchte. Viele Beſchauer mochten es oft gefüttert haben; denn ſobald jemand Fremdes ſich nahte, kam es ſofort herbei, ſtreckte ſeine plumpe Schnauze durch das Gitter, verlängerte die Ober- lippe ſoweit es konnte und ſtieß ein dumpfes, aber leiſes Brüllen aus, in der Abſicht, einige Näſchereien zu erhalten. Wenn es eine Leckerei erhalten hatte, drückte es die Augen behaglich zu und zermalmte das Erbettelte mit einem einzigen Biß. Aller Nutzen, welchen das erlegte Nashorn gewähren kann, wiegt den Schaden, welchen es während ſeines Lebens anrichtet, nicht entfernt auf. Jn Gegenden, wo ein regelmäßiger Anbau des Bodens ſtattfindet, iſt das Nashorn gar nicht zu dulden. Es iſt ſo recht eigentlich nur für die Wildniß geſchaffen. Von dem erlegten Thiere weiß man faſt alle Theile zu verwenden. Nicht blos das Blut ſteht in hohem Anſehen wegen ſeiner geheimnißvollen Kraft, ſondern auch das Horn. Jm Morgenlande ſieht man in den Häuſern der Vornehmen allerlei Becher und Trinkgeräthe, welche aus dem Horn des Thieres gedreht ſind. Man ſchreibt dieſen Gefäßen die Eigenſchaft zu, aufzu- brauſen, wenn eine irgend wie giftige Flüſſigkeit in ſie kommt, und glaubt ſomit ein ſicheres Mittel zu haben, ſich vor Vergiftungen zu ſchützen. Die Türken der höheren Klaſſen führen beſtändig ein Täßchen von Rhinoceroshorn bei ſich, und laſſen es in allen zweifelhaften Fällen mit Kaffee füllen. Gar nicht ſelten kommt es vor, daß ein Türke, welcher einen anderen beſucht, von dem er ſich eben nicht viel Gutes verſieht, in deſſen Gegenwart durch ſeinen Diener das Horntäßchen mit dem Kaffee

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 765. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/811>, abgerufen am 23.11.2024.