wenigstens auf Pferden und Rindern selbst beobachten können. Selbstverständlich finden die Vögel Anerkennung für solche treue Begleitung, und auch das stumpfeste Säugethier muß die Wohlthat erkennen, welche sie ihm durch Auflesen der es peinigenden Kerfe bereiten. Ob aber bei Annäherung des Menschen die Vögel ihr Weidethier geradezu in das Ohr picken, um es aufzuwecken, will ich gern dahin gestellt sein lassen; ich glaube eher, daß schon die allgemeine Unruhe, welche sie kund- geben, wenn sich ihnen etwas Verdächtiges zeigt, hinreichend ist, um das Nashorn aufmerksam zu machen. Bekannt ist übrigens, daß manche Vögel, welche sich durch besondere Vorsicht auszeichnen, in sehr kurzer Zeit von den übrigen als Vorposten und Warner anerkannt und beobachtet werden.
Außer dem Menschen dürfte das Nashorn nicht viele Feinde haben. Löwen und Tiger meiden das Thier, weil sie wissen, daß ihre Klauen doch zu schwach sind, um dessen dicke Panzerhaut zu zer- reißen. Aus dem Prankenschlag des Löwen, welcher einen Stier im Nu zu Boden schlägt, würde sich das Nashorn wahrscheinlich nicht viel machen; denn das ist in Folge der Kämpfe mit seines Gleichen noch ganz andere Schläge gewöhnt. Weibliche Nashörner, welche Junge haben, lassen übrigens die Tiger oder Löwen nicht in ihre Nähe kommen; denn dem kleinen, noch weichlichen Nashorn mag das große Raubthier wohl gefährlich werden. "Als ich ein Mal aus der Stadt an dem Flusse spazieren ging," sagt Bontius, "um die lieblichen Pflanzen zu betrachten, fand ich am Ufer ein junges, noch lebendiges und jämmerlich heulendes Nashorn liegen, dem die Hinterbacken abgebissen waren, ohne Zweifel von einem Tiger."
"Was man von seiner Freundschaft mit dem Tiger sagt, scheint mir nur eine Heuchelei zu sein; denn wenn auch beide Thiere neben einander hergehen, so sehen sie einander mit schiefen Augen an, grunzen und blöcken die Zähne, was sicher kein Zeichen von Freundschaft ist."
Das Nashorn fürchtet andere kleine Thiere weit mehr, als die großen Räuber und namentlich in einigen Bremsen und in den Mücken hat es gar schlimme Feinde, gegen welche es kaum Etwas unternehmen kann. Jhrethalber wälzt es sich so gern im Schlamme und in Folge ihrer Stiche, welche es recht wohl fühlen mag, reibt es sich oft an den Stämmen, bis böse Geschwüre und Krusten ent- stehen, in denen sich dann wieder neue Kerbthiere ansiedeln. Auch mit dem Schlamme kommen eine Menge von Wasserthieren, namentlich Egel, an das Nashorn, welche ebenfalls unangenehm werden müssen und nur in den kleinen gefiederten Freunden des Thieres mächtige Gegner finden können.
Der Mensch ist wohl überall der gefährlichste Feind des Nashorns. Alle Völkerschaften, in deren Gebiete das wüste Geschöpf sich findet, stellen ihm mit größtem Eifer nach und auch die euro- päischen Jäger betreiben seine Jagd mit wahrer Leidenschaft. Man hat gefabelt, daß die Panzerhaut Kugeln undurchdringlich wäre; doch haben schon frühere Reisende bezeugt, daß selbst eine Lanze oder ein kräftig geschleuderter Pfeil sie durchbohrt. Die Jagd ist gefährlich, weil der gewaltige Riese auf den rechten Fleck getroffen werden muß, wenn er der ersten Kugel erliegen soll. Verwundet nimmt er augenblicklich den Kampf mit dem Menschen auf und kann dann sehr gefährlich werden. Die eingeborenen Jäger suchen das Nashorn während des Schlafes unter dem Winde zu beschleichen und werfen ihm ihre Lanze in den Leib oder setzen ihm die Mündung des Gewehrlaufs fast auf den Rumpf, um den Kugeln ihre volle Kraft zu erhalten. Die Abissinier gebrauchen Wurfspieße, schleudern davon aber manchmal 50 bis 60 auf ein Nashorn. Wenn es etwas erschöpft vom Blut- verlust ist, wagt sich einer der Kühnsten an das Thier heran und versucht mit dem scharfen Schwerte die Achillessehne durchzuhauen, um das Thier zu lähmen und zu fernerem Widerstande unfähig zu machen. Jn Jndien zieht man mit Elefanten zur Jagd hinaus, aber selbst diese werden zuweilen von dem wüthenden Thiere gefährdet. "Als das Nashorn aufgejagt war," sagt Borri, "ging es ohne anscheinliche Furcht vor der Menge der Menschen auf seine Feinde los und, als diese bei seiner Annäherung rechts und links aus einander prallten, lief es ganz gerade durch die aus ihnen gebildete Reihe, an deren Ende es auf den Statthalter traf, welcher auf einem Elefanten saß. Das Nashorn lief sogleich hinter diesem her und suchte ihn durch sein Horn zu verwunden, während der Elefant
Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Nashörner.
wenigſtens auf Pferden und Rindern ſelbſt beobachten können. Selbſtverſtändlich finden die Vögel Anerkennung für ſolche treue Begleitung, und auch das ſtumpfeſte Säugethier muß die Wohlthat erkennen, welche ſie ihm durch Aufleſen der es peinigenden Kerfe bereiten. Ob aber bei Annäherung des Menſchen die Vögel ihr Weidethier geradezu in das Ohr picken, um es aufzuwecken, will ich gern dahin geſtellt ſein laſſen; ich glaube eher, daß ſchon die allgemeine Unruhe, welche ſie kund- geben, wenn ſich ihnen etwas Verdächtiges zeigt, hinreichend iſt, um das Nashorn aufmerkſam zu machen. Bekannt iſt übrigens, daß manche Vögel, welche ſich durch beſondere Vorſicht auszeichnen, in ſehr kurzer Zeit von den übrigen als Vorpoſten und Warner anerkannt und beobachtet werden.
Außer dem Menſchen dürfte das Nashorn nicht viele Feinde haben. Löwen und Tiger meiden das Thier, weil ſie wiſſen, daß ihre Klauen doch zu ſchwach ſind, um deſſen dicke Panzerhaut zu zer- reißen. Aus dem Prankenſchlag des Löwen, welcher einen Stier im Nu zu Boden ſchlägt, würde ſich das Nashorn wahrſcheinlich nicht viel machen; denn das iſt in Folge der Kämpfe mit ſeines Gleichen noch ganz andere Schläge gewöhnt. Weibliche Nashörner, welche Junge haben, laſſen übrigens die Tiger oder Löwen nicht in ihre Nähe kommen; denn dem kleinen, noch weichlichen Nashorn mag das große Raubthier wohl gefährlich werden. „Als ich ein Mal aus der Stadt an dem Fluſſe ſpazieren ging,‟ ſagt Bontius, „um die lieblichen Pflanzen zu betrachten, fand ich am Ufer ein junges, noch lebendiges und jämmerlich heulendes Nashorn liegen, dem die Hinterbacken abgebiſſen waren, ohne Zweifel von einem Tiger.‟
„Was man von ſeiner Freundſchaft mit dem Tiger ſagt, ſcheint mir nur eine Heuchelei zu ſein; denn wenn auch beide Thiere neben einander hergehen, ſo ſehen ſie einander mit ſchiefen Augen an, grunzen und blöcken die Zähne, was ſicher kein Zeichen von Freundſchaft iſt.‟
Das Nashorn fürchtet andere kleine Thiere weit mehr, als die großen Räuber und namentlich in einigen Bremſen und in den Mücken hat es gar ſchlimme Feinde, gegen welche es kaum Etwas unternehmen kann. Jhrethalber wälzt es ſich ſo gern im Schlamme und in Folge ihrer Stiche, welche es recht wohl fühlen mag, reibt es ſich oft an den Stämmen, bis böſe Geſchwüre und Kruſten ent- ſtehen, in denen ſich dann wieder neue Kerbthiere anſiedeln. Auch mit dem Schlamme kommen eine Menge von Waſſerthieren, namentlich Egel, an das Nashorn, welche ebenfalls unangenehm werden müſſen und nur in den kleinen gefiederten Freunden des Thieres mächtige Gegner finden können.
Der Menſch iſt wohl überall der gefährlichſte Feind des Nashorns. Alle Völkerſchaften, in deren Gebiete das wüſte Geſchöpf ſich findet, ſtellen ihm mit größtem Eifer nach und auch die euro- päiſchen Jäger betreiben ſeine Jagd mit wahrer Leidenſchaft. Man hat gefabelt, daß die Panzerhaut Kugeln undurchdringlich wäre; doch haben ſchon frühere Reiſende bezeugt, daß ſelbſt eine Lanze oder ein kräftig geſchleuderter Pfeil ſie durchbohrt. Die Jagd iſt gefährlich, weil der gewaltige Rieſe auf den rechten Fleck getroffen werden muß, wenn er der erſten Kugel erliegen ſoll. Verwundet nimmt er augenblicklich den Kampf mit dem Menſchen auf und kann dann ſehr gefährlich werden. Die eingeborenen Jäger ſuchen das Nashorn während des Schlafes unter dem Winde zu beſchleichen und werfen ihm ihre Lanze in den Leib oder ſetzen ihm die Mündung des Gewehrlaufs faſt auf den Rumpf, um den Kugeln ihre volle Kraft zu erhalten. Die Abiſſinier gebrauchen Wurfſpieße, ſchleudern davon aber manchmal 50 bis 60 auf ein Nashorn. Wenn es etwas erſchöpft vom Blut- verluſt iſt, wagt ſich einer der Kühnſten an das Thier heran und verſucht mit dem ſcharfen Schwerte die Achillesſehne durchzuhauen, um das Thier zu lähmen und zu fernerem Widerſtande unfähig zu machen. Jn Jndien zieht man mit Elefanten zur Jagd hinaus, aber ſelbſt dieſe werden zuweilen von dem wüthenden Thiere gefährdet. „Als das Nashorn aufgejagt war,‟ ſagt Borri, „ging es ohne anſcheinliche Furcht vor der Menge der Menſchen auf ſeine Feinde los und, als dieſe bei ſeiner Annäherung rechts und links aus einander prallten, lief es ganz gerade durch die aus ihnen gebildete Reihe, an deren Ende es auf den Statthalter traf, welcher auf einem Elefanten ſaß. Das Nashorn lief ſogleich hinter dieſem her und ſuchte ihn durch ſein Horn zu verwunden, während der Elefant
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[762/0808]
Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Nashörner.
wenigſtens auf Pferden und Rindern ſelbſt beobachten können. Selbſtverſtändlich finden die Vögel
Anerkennung für ſolche treue Begleitung, und auch das ſtumpfeſte Säugethier muß die Wohlthat
erkennen, welche ſie ihm durch Aufleſen der es peinigenden Kerfe bereiten. Ob aber bei Annäherung
des Menſchen die Vögel ihr Weidethier geradezu in das Ohr picken, um es aufzuwecken, will ich
gern dahin geſtellt ſein laſſen; ich glaube eher, daß ſchon die allgemeine Unruhe, welche ſie kund-
geben, wenn ſich ihnen etwas Verdächtiges zeigt, hinreichend iſt, um das Nashorn aufmerkſam zu
machen. Bekannt iſt übrigens, daß manche Vögel, welche ſich durch beſondere Vorſicht auszeichnen,
in ſehr kurzer Zeit von den übrigen als Vorpoſten und Warner anerkannt und beobachtet werden.
Außer dem Menſchen dürfte das Nashorn nicht viele Feinde haben. Löwen und Tiger meiden das
Thier, weil ſie wiſſen, daß ihre Klauen doch zu ſchwach ſind, um deſſen dicke Panzerhaut zu zer-
reißen. Aus dem Prankenſchlag des Löwen, welcher einen Stier im Nu zu Boden ſchlägt, würde
ſich das Nashorn wahrſcheinlich nicht viel machen; denn das iſt in Folge der Kämpfe mit ſeines Gleichen
noch ganz andere Schläge gewöhnt. Weibliche Nashörner, welche Junge haben, laſſen übrigens die
Tiger oder Löwen nicht in ihre Nähe kommen; denn dem kleinen, noch weichlichen Nashorn mag das
große Raubthier wohl gefährlich werden. „Als ich ein Mal aus der Stadt an dem Fluſſe ſpazieren
ging,‟ ſagt Bontius, „um die lieblichen Pflanzen zu betrachten, fand ich am Ufer ein junges, noch
lebendiges und jämmerlich heulendes Nashorn liegen, dem die Hinterbacken abgebiſſen waren, ohne
Zweifel von einem Tiger.‟
„Was man von ſeiner Freundſchaft mit dem Tiger ſagt, ſcheint mir nur eine Heuchelei zu ſein;
denn wenn auch beide Thiere neben einander hergehen, ſo ſehen ſie einander mit ſchiefen Augen an,
grunzen und blöcken die Zähne, was ſicher kein Zeichen von Freundſchaft iſt.‟
Das Nashorn fürchtet andere kleine Thiere weit mehr, als die großen Räuber und namentlich
in einigen Bremſen und in den Mücken hat es gar ſchlimme Feinde, gegen welche es kaum Etwas
unternehmen kann. Jhrethalber wälzt es ſich ſo gern im Schlamme und in Folge ihrer Stiche, welche
es recht wohl fühlen mag, reibt es ſich oft an den Stämmen, bis böſe Geſchwüre und Kruſten ent-
ſtehen, in denen ſich dann wieder neue Kerbthiere anſiedeln. Auch mit dem Schlamme kommen eine
Menge von Waſſerthieren, namentlich Egel, an das Nashorn, welche ebenfalls unangenehm werden
müſſen und nur in den kleinen gefiederten Freunden des Thieres mächtige Gegner finden können.
Der Menſch iſt wohl überall der gefährlichſte Feind des Nashorns. Alle Völkerſchaften, in
deren Gebiete das wüſte Geſchöpf ſich findet, ſtellen ihm mit größtem Eifer nach und auch die euro-
päiſchen Jäger betreiben ſeine Jagd mit wahrer Leidenſchaft. Man hat gefabelt, daß die Panzerhaut
Kugeln undurchdringlich wäre; doch haben ſchon frühere Reiſende bezeugt, daß ſelbſt eine Lanze
oder ein kräftig geſchleuderter Pfeil ſie durchbohrt. Die Jagd iſt gefährlich, weil der gewaltige Rieſe
auf den rechten Fleck getroffen werden muß, wenn er der erſten Kugel erliegen ſoll. Verwundet
nimmt er augenblicklich den Kampf mit dem Menſchen auf und kann dann ſehr gefährlich werden.
Die eingeborenen Jäger ſuchen das Nashorn während des Schlafes unter dem Winde zu beſchleichen
und werfen ihm ihre Lanze in den Leib oder ſetzen ihm die Mündung des Gewehrlaufs faſt auf den
Rumpf, um den Kugeln ihre volle Kraft zu erhalten. Die Abiſſinier gebrauchen Wurfſpieße,
ſchleudern davon aber manchmal 50 bis 60 auf ein Nashorn. Wenn es etwas erſchöpft vom Blut-
verluſt iſt, wagt ſich einer der Kühnſten an das Thier heran und verſucht mit dem ſcharfen Schwerte
die Achillesſehne durchzuhauen, um das Thier zu lähmen und zu fernerem Widerſtande unfähig zu
machen. Jn Jndien zieht man mit Elefanten zur Jagd hinaus, aber ſelbſt dieſe werden zuweilen
von dem wüthenden Thiere gefährdet. „Als das Nashorn aufgejagt war,‟ ſagt Borri, „ging es
ohne anſcheinliche Furcht vor der Menge der Menſchen auf ſeine Feinde los und, als dieſe bei ſeiner
Annäherung rechts und links aus einander prallten, lief es ganz gerade durch die aus ihnen gebildete
Reihe, an deren Ende es auf den Statthalter traf, welcher auf einem Elefanten ſaß. Das Nashorn
lief ſogleich hinter dieſem her und ſuchte ihn durch ſein Horn zu verwunden, während der Elefant
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/808>, abgerufen am 23.11.2024.
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