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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Die Nashörner.
chen und getödtet würde. Gewöhnlich schnarcht es im Schlafe so laut, daß man dieses dröhnende
Geräusch schon auf eine gute Strecke hin vernimmt und dadurch auch dann aufmerksam gemacht
wird, wenn man das versteckt liegende Nashorn nicht sieht. Doch kommt es auch vor, daß der
Athem leise ein- und ausgeht, und man plötzlich vor einem rasenden Riesen steht, ohne von dessen
Vorhandensein eine Ahnung gehabt zu haben. So berichtet Sparrmann, daß zwei seiner Hotten-
totten dicht an einem schlafenden Nashorn vorbeigingen und es erst bemerkten, als sie bereits einige
Schritte vorüber waren. Sie drehten sich sofort herum, setzten ihm ihre Gewehre dicht auf den Kopf
und schossen beide mit Kugeln geladenen Läufe ab. Das Thier machte noch einige Bewegungen; sie
luden ruhig wieder und erlegten es durch die nächsten Schüsse.

Mit Anbruch der Nacht, in vielen Gegenden aber auch schon in den Nachmittagsstunden erhebt
sich das plumpe Geschöpf, nimmt ein Schlammbad, reckt und dehnt sich dort behaglich und geht nun
auf Weide aus. An den Quellen und Lachen erscheint es, in Afrika wenigstens, am häufigsten
zwischen der dritten und sechsten Stunde der Nacht, und immer verweilt es dann mehrere Stunden an
diesen so beliebten Orten. Nachher ist es ihm allerdings ziemlich gleich, wohin es sich wendet. Es
äßt sich ebensowohl in den dichten, anderen Thieren kaum zugänglichen Wäldern, wie auf offenen
Ebenen, im Wasser nicht weniger, als in dem Röhricht der Sümpfe, auf den Bergen ebensogut,
wie in dem Thale. Selbst durch das verschlungenste Dickicht bahnt es sich einen Weg mit der aller-
größten Leichtigkeit. Die Zweige und dünneren Stämme müssen der in Bewegung gesetzten Masse
weichen oder werden von ihr niedergebrochen, und nur um größere Stämme herum macht es eine kleine
Biegung. Wo es mit Elefanten zusammenlebt, nimmt es gewöhnlich deren Wege an; doch kommt
es ihm darauf nicht an, sich selbst solche zu bahnen; denn im Nothfall biegt es mit seinem Horn auch
dicke Stämme zu beiden Seiten, um sich zwischen ihnen hindurch einen Pfad zu bilden. Jn den
Dschungeln Jndiens sieht man lange, schnurgerade Wege, auf welchen alle Pflanzen seitlich nieder-
gebrochen sind, während der Boden von den Tritten des Thieres niedergestampft ist. Jm Jnneren
Afrikas gewahrt man ähnliche Gangstraßen, welche man als solche des Nashorns erkennt, wenn die
Bäume rechts und links niedergebrochen sind, während die von Elefanten herrührenden dadurch sich
auszeichnen, daß die niederen, hindernden Stämme ausgerissen, entlaubt und dann auf die Seite
geworfen wurden. Nicht selten soll man in den indischen Gebirgsgegenden ganz wohl ausgetretene
Wege finden, welche von einem Wald zum anderen über felsige oder steinige Abhänge führen und
durch das beständige Dahintraben auf der gleichen Stelle förmlich in das Gestein eingegraben worden
sind, so daß schließlich tiefe Hohlwege entstehen.

Hinsichtlich seiner Nahrung steht das Nashorn zum Elefanten in einem ähnlichen Verhältniß,
wie der Esel zum Pferde. Am liebsten frißt es harte Stauden aller Art, Disteln, Ginster, Sträu-
cher, harte Schilfe und Steppengras u. dgl. Jn Afrika besteht seine Hauptnahrung aus den dorni-
gen Mimosen, zumal aus den niederen, buschigen, deren eine Art ihrer krummen, sich in Alles
anhakenden Dornen halber von den Jägern so bezeichnet "Wart ein Bischen" genannt wird. Wäh-
rend der Regenzeit verläßt es gern die Wälder und zieht sich da, wo Feldbau in der Nähe seines
Aufenthalts getrieben wird, nach dem angebauten Lande. Hier richtet es dann unglaubliche Ver-
wüstungen an; denn ehe der Magen von 4 Fuß Länge und 21/2 Fuß Durchmesser gefüllt ist, muß
schon eine anständige Menge von Kraut vernichtet sein. Bei den in der Gefangenschaft lebenden Nas-
hörnern hat man die tägliche Nahrung gewogen und gefunden, daß das Thier mindestens einen halben
Centner zu sich nimmt. Jm freien Zustande frißt es wahrscheinlich noch mehr. Aber freilich ist es
auch kein Kostverächter. Nicht blos die dünneren Zweige und Schößlinge werden hinabgewürgt,
nicht blos die starrenden Theile der Mimosen und anderer stachligen Gewächse der Wendekreisländer,
sondern auch Aeste bis zu 11/2 und 2 Zoll Durchmesser. Dasselbe, was ich von der Losung des Ele-
fanten sagte, gilt auch hier. Die Nahrung wird mit dem breiten Maule massenhaft abgepflückt, und
diejenigen Arten, bei denen sich die Oberlippe rüsselartig verlängert, wissen die handartigen Fort-
sätze ganz vortrefflich zu gebrauchen. An einem gefangenen, indischen Nashorn beobachtete ich, daß

Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Nashörner.
chen und getödtet würde. Gewöhnlich ſchnarcht es im Schlafe ſo laut, daß man dieſes dröhnende
Geräuſch ſchon auf eine gute Strecke hin vernimmt und dadurch auch dann aufmerkſam gemacht
wird, wenn man das verſteckt liegende Nashorn nicht ſieht. Doch kommt es auch vor, daß der
Athem leiſe ein- und ausgeht, und man plötzlich vor einem raſenden Rieſen ſteht, ohne von deſſen
Vorhandenſein eine Ahnung gehabt zu haben. So berichtet Sparrmann, daß zwei ſeiner Hotten-
totten dicht an einem ſchlafenden Nashorn vorbeigingen und es erſt bemerkten, als ſie bereits einige
Schritte vorüber waren. Sie drehten ſich ſofort herum, ſetzten ihm ihre Gewehre dicht auf den Kopf
und ſchoſſen beide mit Kugeln geladenen Läufe ab. Das Thier machte noch einige Bewegungen; ſie
luden ruhig wieder und erlegten es durch die nächſten Schüſſe.

Mit Anbruch der Nacht, in vielen Gegenden aber auch ſchon in den Nachmittagsſtunden erhebt
ſich das plumpe Geſchöpf, nimmt ein Schlammbad, reckt und dehnt ſich dort behaglich und geht nun
auf Weide aus. An den Quellen und Lachen erſcheint es, in Afrika wenigſtens, am häufigſten
zwiſchen der dritten und ſechſten Stunde der Nacht, und immer verweilt es dann mehrere Stunden an
dieſen ſo beliebten Orten. Nachher iſt es ihm allerdings ziemlich gleich, wohin es ſich wendet. Es
äßt ſich ebenſowohl in den dichten, anderen Thieren kaum zugänglichen Wäldern, wie auf offenen
Ebenen, im Waſſer nicht weniger, als in dem Röhricht der Sümpfe, auf den Bergen ebenſogut,
wie in dem Thale. Selbſt durch das verſchlungenſte Dickicht bahnt es ſich einen Weg mit der aller-
größten Leichtigkeit. Die Zweige und dünneren Stämme müſſen der in Bewegung geſetzten Maſſe
weichen oder werden von ihr niedergebrochen, und nur um größere Stämme herum macht es eine kleine
Biegung. Wo es mit Elefanten zuſammenlebt, nimmt es gewöhnlich deren Wege an; doch kommt
es ihm darauf nicht an, ſich ſelbſt ſolche zu bahnen; denn im Nothfall biegt es mit ſeinem Horn auch
dicke Stämme zu beiden Seiten, um ſich zwiſchen ihnen hindurch einen Pfad zu bilden. Jn den
Dſchungeln Jndiens ſieht man lange, ſchnurgerade Wege, auf welchen alle Pflanzen ſeitlich nieder-
gebrochen ſind, während der Boden von den Tritten des Thieres niedergeſtampft iſt. Jm Jnneren
Afrikas gewahrt man ähnliche Gangſtraßen, welche man als ſolche des Nashorns erkennt, wenn die
Bäume rechts und links niedergebrochen ſind, während die von Elefanten herrührenden dadurch ſich
auszeichnen, daß die niederen, hindernden Stämme ausgeriſſen, entlaubt und dann auf die Seite
geworfen wurden. Nicht ſelten ſoll man in den indiſchen Gebirgsgegenden ganz wohl ausgetretene
Wege finden, welche von einem Wald zum anderen über felſige oder ſteinige Abhänge führen und
durch das beſtändige Dahintraben auf der gleichen Stelle förmlich in das Geſtein eingegraben worden
ſind, ſo daß ſchließlich tiefe Hohlwege entſtehen.

Hinſichtlich ſeiner Nahrung ſteht das Nashorn zum Elefanten in einem ähnlichen Verhältniß,
wie der Eſel zum Pferde. Am liebſten frißt es harte Stauden aller Art, Diſteln, Ginſter, Sträu-
cher, harte Schilfe und Steppengras u. dgl. Jn Afrika beſteht ſeine Hauptnahrung aus den dorni-
gen Mimoſen, zumal aus den niederen, buſchigen, deren eine Art ihrer krummen, ſich in Alles
anhakenden Dornen halber von den Jägern ſo bezeichnet „Wart ein Bischen‟ genannt wird. Wäh-
rend der Regenzeit verläßt es gern die Wälder und zieht ſich da, wo Feldbau in der Nähe ſeines
Aufenthalts getrieben wird, nach dem angebauten Lande. Hier richtet es dann unglaubliche Ver-
wüſtungen an; denn ehe der Magen von 4 Fuß Länge und 2½ Fuß Durchmeſſer gefüllt iſt, muß
ſchon eine anſtändige Menge von Kraut vernichtet ſein. Bei den in der Gefangenſchaft lebenden Nas-
hörnern hat man die tägliche Nahrung gewogen und gefunden, daß das Thier mindeſtens einen halben
Centner zu ſich nimmt. Jm freien Zuſtande frißt es wahrſcheinlich noch mehr. Aber freilich iſt es
auch kein Koſtverächter. Nicht blos die dünneren Zweige und Schößlinge werden hinabgewürgt,
nicht blos die ſtarrenden Theile der Mimoſen und anderer ſtachligen Gewächſe der Wendekreisländer,
ſondern auch Aeſte bis zu 1½ und 2 Zoll Durchmeſſer. Daſſelbe, was ich von der Loſung des Ele-
fanten ſagte, gilt auch hier. Die Nahrung wird mit dem breiten Maule maſſenhaft abgepflückt, und
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ſätze ganz vortrefflich zu gebrauchen. An einem gefangenen, indiſchen Nashorn beobachtete ich, daß

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[758/0804] Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Nashörner. chen und getödtet würde. Gewöhnlich ſchnarcht es im Schlafe ſo laut, daß man dieſes dröhnende Geräuſch ſchon auf eine gute Strecke hin vernimmt und dadurch auch dann aufmerkſam gemacht wird, wenn man das verſteckt liegende Nashorn nicht ſieht. Doch kommt es auch vor, daß der Athem leiſe ein- und ausgeht, und man plötzlich vor einem raſenden Rieſen ſteht, ohne von deſſen Vorhandenſein eine Ahnung gehabt zu haben. So berichtet Sparrmann, daß zwei ſeiner Hotten- totten dicht an einem ſchlafenden Nashorn vorbeigingen und es erſt bemerkten, als ſie bereits einige Schritte vorüber waren. Sie drehten ſich ſofort herum, ſetzten ihm ihre Gewehre dicht auf den Kopf und ſchoſſen beide mit Kugeln geladenen Läufe ab. Das Thier machte noch einige Bewegungen; ſie luden ruhig wieder und erlegten es durch die nächſten Schüſſe. Mit Anbruch der Nacht, in vielen Gegenden aber auch ſchon in den Nachmittagsſtunden erhebt ſich das plumpe Geſchöpf, nimmt ein Schlammbad, reckt und dehnt ſich dort behaglich und geht nun auf Weide aus. An den Quellen und Lachen erſcheint es, in Afrika wenigſtens, am häufigſten zwiſchen der dritten und ſechſten Stunde der Nacht, und immer verweilt es dann mehrere Stunden an dieſen ſo beliebten Orten. Nachher iſt es ihm allerdings ziemlich gleich, wohin es ſich wendet. Es äßt ſich ebenſowohl in den dichten, anderen Thieren kaum zugänglichen Wäldern, wie auf offenen Ebenen, im Waſſer nicht weniger, als in dem Röhricht der Sümpfe, auf den Bergen ebenſogut, wie in dem Thale. Selbſt durch das verſchlungenſte Dickicht bahnt es ſich einen Weg mit der aller- größten Leichtigkeit. Die Zweige und dünneren Stämme müſſen der in Bewegung geſetzten Maſſe weichen oder werden von ihr niedergebrochen, und nur um größere Stämme herum macht es eine kleine Biegung. Wo es mit Elefanten zuſammenlebt, nimmt es gewöhnlich deren Wege an; doch kommt es ihm darauf nicht an, ſich ſelbſt ſolche zu bahnen; denn im Nothfall biegt es mit ſeinem Horn auch dicke Stämme zu beiden Seiten, um ſich zwiſchen ihnen hindurch einen Pfad zu bilden. Jn den Dſchungeln Jndiens ſieht man lange, ſchnurgerade Wege, auf welchen alle Pflanzen ſeitlich nieder- gebrochen ſind, während der Boden von den Tritten des Thieres niedergeſtampft iſt. Jm Jnneren Afrikas gewahrt man ähnliche Gangſtraßen, welche man als ſolche des Nashorns erkennt, wenn die Bäume rechts und links niedergebrochen ſind, während die von Elefanten herrührenden dadurch ſich auszeichnen, daß die niederen, hindernden Stämme ausgeriſſen, entlaubt und dann auf die Seite geworfen wurden. Nicht ſelten ſoll man in den indiſchen Gebirgsgegenden ganz wohl ausgetretene Wege finden, welche von einem Wald zum anderen über felſige oder ſteinige Abhänge führen und durch das beſtändige Dahintraben auf der gleichen Stelle förmlich in das Geſtein eingegraben worden ſind, ſo daß ſchließlich tiefe Hohlwege entſtehen. Hinſichtlich ſeiner Nahrung ſteht das Nashorn zum Elefanten in einem ähnlichen Verhältniß, wie der Eſel zum Pferde. Am liebſten frißt es harte Stauden aller Art, Diſteln, Ginſter, Sträu- cher, harte Schilfe und Steppengras u. dgl. Jn Afrika beſteht ſeine Hauptnahrung aus den dorni- gen Mimoſen, zumal aus den niederen, buſchigen, deren eine Art ihrer krummen, ſich in Alles anhakenden Dornen halber von den Jägern ſo bezeichnet „Wart ein Bischen‟ genannt wird. Wäh- rend der Regenzeit verläßt es gern die Wälder und zieht ſich da, wo Feldbau in der Nähe ſeines Aufenthalts getrieben wird, nach dem angebauten Lande. Hier richtet es dann unglaubliche Ver- wüſtungen an; denn ehe der Magen von 4 Fuß Länge und 2½ Fuß Durchmeſſer gefüllt iſt, muß ſchon eine anſtändige Menge von Kraut vernichtet ſein. Bei den in der Gefangenſchaft lebenden Nas- hörnern hat man die tägliche Nahrung gewogen und gefunden, daß das Thier mindeſtens einen halben Centner zu ſich nimmt. Jm freien Zuſtande frißt es wahrſcheinlich noch mehr. Aber freilich iſt es auch kein Koſtverächter. Nicht blos die dünneren Zweige und Schößlinge werden hinabgewürgt, nicht blos die ſtarrenden Theile der Mimoſen und anderer ſtachligen Gewächſe der Wendekreisländer, ſondern auch Aeſte bis zu 1½ und 2 Zoll Durchmeſſer. Daſſelbe, was ich von der Loſung des Ele- fanten ſagte, gilt auch hier. Die Nahrung wird mit dem breiten Maule maſſenhaft abgepflückt, und diejenigen Arten, bei denen ſich die Oberlippe rüſſelartig verlängert, wiſſen die handartigen Fort- ſätze ganz vortrefflich zu gebrauchen. An einem gefangenen, indiſchen Nashorn beobachtete ich, daß

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 758. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/804>, abgerufen am 23.11.2024.