bösartiges Geschöpf, das japanische wird schon als viel gutmüthiger geschildert und das auf Sumatra lebende soll gar nicht bösartig sein. Aehnlich verhält es sich bei den afrikanischen. Das zwei- hörnige wird trotz seiner geringen Größe als das wüthendste bezeichnet; das Keitloa gilt ebenfalls als ein höchst ungemüthlicher Gesell; das weiße Rhinoceros aber soll ein wirklich harmloses Geschöpf sein. Jm allgemeinen werden die riesenhaften Dickhäuter überall mehr gefürchtet, als der Ele- fant. Die Araber des Sudahn, welche die Nashörner mit dem Namen Anasa und Fertit bezeich- nen, sind geneigt, in ihnen wie im Nilpferde Zaubergestalten zu erblicken. Sie glauben, daß irgend ein böswilliger Herenkünstler die Gestalt dieser Thiere annehmen könne und versuchen ihre Ansicht da- mit zu begründen, daß Nashörner wie Nilpferde in ihrer blinden Wuth keine Grenzen kennen. "Der Elefant," so sagen sie, "ist ein gerechtes Thier, welches das Wort des Gottgesandten Mahammed (über welchem der Frieden des Allbarmherzigen sei) in Ehren hält und Schutzbriefe und andere erlaubte Mittel der Abwehr wohl achtet: Nilpferde und Nashörner aber kümmern sich nicht im geringsten um alle Amulete, welche unsere Geistlichen schreiben, um die Felder zu bewahren und beweisen hierdurch, daß ihnen das Wort des Wahrheitsprechenden und Allmächtigen vollkommen gleichgiltig ist. Sie sind verbannt und verworfen von Anfang an. Nicht der Herr, der Allerschaffende, hat sie geschaffen, sondern der Teufel, der Allverderbende, und deshalb ist es den Gläubigen nicht gerathen, sich mit der- artigen Thieren einzulassen, wie wohl die Heiden und christlichen Ungläubigen zu thun pflegen. Der wahre Muselmann geht ihnen ruhig und still aus dem Wege, damit er seine Seele nicht beschmuze und Schaden an ihr nehme und verworfen werde am Tage des Herrn."
Ein möglichst wasserreiches Gebiet, Sumpfgegenden, Flüsse, welche auf weit hin ihr Bett über- fluthen, Seen mit umbuschten, schlammigen Ufern, in deren Nähe grasreiche Weideplätze sich befin- den: das sind die bevorzugten Aufenthaltsorte der Nashörner. Jn Afrika entfernen sie sich aber nicht selten ziemlich weit vom Wasser, um auf den Grassteppen zu weiden, wie auch die indischen ihrerseits bisweilen nach dem Gebirge emporsteigen. Täglich einmal besucht wohl jedes Nashorn das Wasser, um hier zu trinken und um sich im Schlamme zu wälzen. Ein Schlammbad ist allen auf dem Lande lebenden Dickhäutern geradezu ein Bedürfniß; denn so sehr auch ihr Fell ihren Namen bethätigt, so empfindlich ist es. Zumal im Sommer nun peinigen Fliegen, Bremsen und Mücken alle größeren Säugethiere in wirklich unglaublicher Weise, und um Diesem vorzubeugen, schützen sie sich eben durch Auflegen einer dicken Schlammlage. Ehe sie noch auf Nahrung ausgehen, eilen sie zu den weichen Ufern der Seen, Lachen und Flüsse, wühlen mit dem Horn ein Loch und wälzen und drehen sich in diesem bis Rücken und Schultern, Seiten und Unterleib mit Schlamm bedeckt sind. Das Wälzen im Schlamme thut den Thieren so wohl, daß sie dabei laut stöhnen und grunzen und sich von dem behaglichen Bad sogar hinreißen lassen, die ihnen sonst eigene Wachsamkeit zu vernachlässigen. Gegen die bösen Fliegen und Mücken schützt die Schlammdecke immer nur kurze Zeit; denn sie springt zunächst an den Beinen, dann auf den Schultern und an den Schenkeln ab, welche Theile nun den Stichen der Fliegen blosgestellt sind, ohne daß sich das Nashorn dagegen zu schützen vermöchte. Da sieht man es, seiner Trägheit vergessend, eilig nach den Bäumen rennen, um sich dort zu reiben und die Qual einen Augenblick lang zu verringern. Dann geht es von neuem weiter.
Die Nashörner sind mehr bei Nacht, als bei Tage thätig. Große Hitze ist ihnen sehr zuwider; deshalb schlafen sie um diese Zeit an irgend einem schattigen Orte, halb auf der Seite, halb auf dem Bauche liegend, den Kopf vorgestreckt und ebenfalls aufgelegt, oder sie stehen träg in einem stillen Theile des Waldes, wo sie durch die Wipfel größerer Bäume gegen die Sonnenstrahlen geschützt sind. Alle Berichterstatter sind darin fast einstimmig, daß ihr Schlaf ein sehr gesunder ist. Mehrere Forscher konnten sich ruhenden Rashörnern ohne große Vorsicht nähern. Die Thiere glichen fühl- losen Felsblöcken und rührten sich nicht. Gordon Cumming erzählt, daß selbst die besten Freunde des Thieres, mehrere kleine Vögel nämlich, welche stets mit ihm ziehen, vergeblich be- müht waren, eines der Nashörner, welches er erlegen wollte, zu wecken, und bereits die ältesten Berichterstatter erwähnen, daß gerade während der Mittagshitze das Thier am öftersten beschli-
Die Nashörner.
bösartiges Geſchöpf, das japaniſche wird ſchon als viel gutmüthiger geſchildert und das auf Sumatra lebende ſoll gar nicht bösartig ſein. Aehnlich verhält es ſich bei den afrikaniſchen. Das zwei- hörnige wird trotz ſeiner geringen Größe als das wüthendſte bezeichnet; das Keitloa gilt ebenfalls als ein höchſt ungemüthlicher Geſell; das weiße Rhinoceros aber ſoll ein wirklich harmloſes Geſchöpf ſein. Jm allgemeinen werden die rieſenhaften Dickhäuter überall mehr gefürchtet, als der Ele- fant. Die Araber des Sudahn, welche die Nashörner mit dem Namen Anaſa und Fertit bezeich- nen, ſind geneigt, in ihnen wie im Nilpferde Zaubergeſtalten zu erblicken. Sie glauben, daß irgend ein böswilliger Herenkünſtler die Geſtalt dieſer Thiere annehmen könne und verſuchen ihre Anſicht da- mit zu begründen, daß Nashörner wie Nilpferde in ihrer blinden Wuth keine Grenzen kennen. „Der Elefant,‟ ſo ſagen ſie, „iſt ein gerechtes Thier, welches das Wort des Gottgeſandten Mahammed (über welchem der Frieden des Allbarmherzigen ſei) in Ehren hält und Schutzbriefe und andere erlaubte Mittel der Abwehr wohl achtet: Nilpferde und Nashörner aber kümmern ſich nicht im geringſten um alle Amulete, welche unſere Geiſtlichen ſchreiben, um die Felder zu bewahren und beweiſen hierdurch, daß ihnen das Wort des Wahrheitſprechenden und Allmächtigen vollkommen gleichgiltig iſt. Sie ſind verbannt und verworfen von Anfang an. Nicht der Herr, der Allerſchaffende, hat ſie geſchaffen, ſondern der Teufel, der Allverderbende, und deshalb iſt es den Gläubigen nicht gerathen, ſich mit der- artigen Thieren einzulaſſen, wie wohl die Heiden und chriſtlichen Ungläubigen zu thun pflegen. Der wahre Muſelmann geht ihnen ruhig und ſtill aus dem Wege, damit er ſeine Seele nicht beſchmuze und Schaden an ihr nehme und verworfen werde am Tage des Herrn.‟
Ein möglichſt waſſerreiches Gebiet, Sumpfgegenden, Flüſſe, welche auf weit hin ihr Bett über- fluthen, Seen mit umbuſchten, ſchlammigen Ufern, in deren Nähe grasreiche Weideplätze ſich befin- den: das ſind die bevorzugten Aufenthaltsorte der Nashörner. Jn Afrika entfernen ſie ſich aber nicht ſelten ziemlich weit vom Waſſer, um auf den Grasſteppen zu weiden, wie auch die indiſchen ihrerſeits bisweilen nach dem Gebirge emporſteigen. Täglich einmal beſucht wohl jedes Nashorn das Waſſer, um hier zu trinken und um ſich im Schlamme zu wälzen. Ein Schlammbad iſt allen auf dem Lande lebenden Dickhäutern geradezu ein Bedürfniß; denn ſo ſehr auch ihr Fell ihren Namen bethätigt, ſo empfindlich iſt es. Zumal im Sommer nun peinigen Fliegen, Bremſen und Mücken alle größeren Säugethiere in wirklich unglaublicher Weiſe, und um Dieſem vorzubeugen, ſchützen ſie ſich eben durch Auflegen einer dicken Schlammlage. Ehe ſie noch auf Nahrung ausgehen, eilen ſie zu den weichen Ufern der Seen, Lachen und Flüſſe, wühlen mit dem Horn ein Loch und wälzen und drehen ſich in dieſem bis Rücken und Schultern, Seiten und Unterleib mit Schlamm bedeckt ſind. Das Wälzen im Schlamme thut den Thieren ſo wohl, daß ſie dabei laut ſtöhnen und grunzen und ſich von dem behaglichen Bad ſogar hinreißen laſſen, die ihnen ſonſt eigene Wachſamkeit zu vernachläſſigen. Gegen die böſen Fliegen und Mücken ſchützt die Schlammdecke immer nur kurze Zeit; denn ſie ſpringt zunächſt an den Beinen, dann auf den Schultern und an den Schenkeln ab, welche Theile nun den Stichen der Fliegen blosgeſtellt ſind, ohne daß ſich das Nashorn dagegen zu ſchützen vermöchte. Da ſieht man es, ſeiner Trägheit vergeſſend, eilig nach den Bäumen rennen, um ſich dort zu reiben und die Qual einen Augenblick lang zu verringern. Dann geht es von neuem weiter.
Die Nashörner ſind mehr bei Nacht, als bei Tage thätig. Große Hitze iſt ihnen ſehr zuwider; deshalb ſchlafen ſie um dieſe Zeit an irgend einem ſchattigen Orte, halb auf der Seite, halb auf dem Bauche liegend, den Kopf vorgeſtreckt und ebenfalls aufgelegt, oder ſie ſtehen träg in einem ſtillen Theile des Waldes, wo ſie durch die Wipfel größerer Bäume gegen die Sonnenſtrahlen geſchützt ſind. Alle Berichterſtatter ſind darin faſt einſtimmig, daß ihr Schlaf ein ſehr geſunder iſt. Mehrere Forſcher konnten ſich ruhenden Rashörnern ohne große Vorſicht nähern. Die Thiere glichen fühl- loſen Felsblöcken und rührten ſich nicht. Gordon Cumming erzählt, daß ſelbſt die beſten Freunde des Thieres, mehrere kleine Vögel nämlich, welche ſtets mit ihm ziehen, vergeblich be- müht waren, eines der Nashörner, welches er erlegen wollte, zu wecken, und bereits die älteſten Berichterſtatter erwähnen, daß gerade während der Mittagshitze das Thier am öfterſten beſchli-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0803"n="757"/><fwplace="top"type="header">Die Nashörner.</fw><lb/>
bösartiges Geſchöpf, das japaniſche wird ſchon als viel gutmüthiger geſchildert und das auf Sumatra<lb/>
lebende ſoll gar nicht bösartig ſein. Aehnlich verhält es ſich bei den afrikaniſchen. Das zwei-<lb/>
hörnige wird trotz ſeiner geringen Größe als das wüthendſte bezeichnet; das Keitloa gilt ebenfalls<lb/>
als ein höchſt ungemüthlicher Geſell; das weiße Rhinoceros aber ſoll ein wirklich harmloſes Geſchöpf<lb/>ſein. Jm allgemeinen werden die rieſenhaften Dickhäuter überall mehr gefürchtet, als der Ele-<lb/>
fant. Die Araber des Sudahn, welche die Nashörner mit dem Namen <hirendition="#g">Anaſa</hi> und <hirendition="#g">Fertit</hi> bezeich-<lb/>
nen, ſind geneigt, in ihnen wie im Nilpferde Zaubergeſtalten zu erblicken. Sie glauben, daß irgend<lb/>
ein böswilliger Herenkünſtler die Geſtalt dieſer Thiere annehmen könne und verſuchen ihre Anſicht da-<lb/>
mit zu begründen, daß Nashörner wie Nilpferde in ihrer blinden Wuth keine Grenzen kennen. „Der<lb/>
Elefant,‟ſo ſagen ſie, „iſt ein gerechtes Thier, welches das Wort des Gottgeſandten Mahammed (über<lb/>
welchem der Frieden des Allbarmherzigen ſei) in Ehren hält und Schutzbriefe und andere erlaubte<lb/>
Mittel der Abwehr wohl achtet: Nilpferde und Nashörner aber kümmern ſich nicht im geringſten um<lb/>
alle Amulete, welche unſere Geiſtlichen ſchreiben, um die Felder zu bewahren und beweiſen hierdurch,<lb/>
daß ihnen das Wort des Wahrheitſprechenden und Allmächtigen vollkommen gleichgiltig iſt. Sie ſind<lb/>
verbannt und verworfen von Anfang an. Nicht der Herr, der Allerſchaffende, hat ſie geſchaffen,<lb/>ſondern der Teufel, der Allverderbende, und deshalb iſt es den Gläubigen nicht gerathen, ſich mit der-<lb/>
artigen Thieren einzulaſſen, wie wohl die Heiden und chriſtlichen Ungläubigen zu thun pflegen. Der<lb/>
wahre Muſelmann geht ihnen ruhig und ſtill aus dem Wege, damit er ſeine Seele nicht beſchmuze<lb/>
und Schaden an ihr nehme und verworfen werde am Tage des Herrn.‟</p><lb/><p>Ein möglichſt waſſerreiches Gebiet, Sumpfgegenden, Flüſſe, welche auf weit hin ihr Bett über-<lb/>
fluthen, Seen mit umbuſchten, ſchlammigen Ufern, in deren Nähe grasreiche Weideplätze ſich befin-<lb/>
den: das ſind die bevorzugten Aufenthaltsorte der Nashörner. Jn Afrika entfernen ſie ſich aber nicht<lb/>ſelten ziemlich weit vom Waſſer, um auf den Grasſteppen zu weiden, wie auch die indiſchen ihrerſeits<lb/>
bisweilen nach dem Gebirge emporſteigen. Täglich einmal beſucht wohl jedes Nashorn das Waſſer,<lb/>
um hier zu trinken und um ſich im Schlamme zu wälzen. Ein Schlammbad iſt allen auf dem Lande<lb/>
lebenden Dickhäutern geradezu ein Bedürfniß; denn ſo ſehr auch ihr Fell ihren Namen bethätigt, ſo<lb/>
empfindlich iſt es. Zumal im Sommer nun peinigen Fliegen, Bremſen und Mücken alle größeren<lb/>
Säugethiere in wirklich unglaublicher Weiſe, und um Dieſem vorzubeugen, ſchützen ſie ſich eben durch<lb/>
Auflegen einer dicken Schlammlage. Ehe ſie noch auf Nahrung ausgehen, eilen ſie zu den weichen<lb/>
Ufern der Seen, Lachen und Flüſſe, wühlen mit dem Horn ein Loch und wälzen und drehen ſich in<lb/>
dieſem bis Rücken und Schultern, Seiten und Unterleib mit Schlamm bedeckt ſind. Das Wälzen<lb/>
im Schlamme thut den Thieren ſo wohl, daß ſie dabei laut ſtöhnen und grunzen und ſich von dem<lb/>
behaglichen Bad ſogar hinreißen laſſen, die ihnen ſonſt eigene Wachſamkeit zu vernachläſſigen. Gegen<lb/>
die böſen Fliegen und Mücken ſchützt die Schlammdecke immer nur kurze Zeit; denn ſie ſpringt<lb/>
zunächſt an den Beinen, dann auf den Schultern und an den Schenkeln ab, welche Theile nun den<lb/>
Stichen der Fliegen blosgeſtellt ſind, ohne daß ſich das Nashorn dagegen zu ſchützen vermöchte. Da<lb/>ſieht man es, ſeiner Trägheit vergeſſend, eilig nach den Bäumen rennen, um ſich dort zu reiben und<lb/>
die Qual einen Augenblick lang zu verringern. Dann geht es von neuem weiter.</p><lb/><p>Die Nashörner ſind mehr bei Nacht, als bei Tage thätig. Große Hitze iſt ihnen ſehr zuwider;<lb/>
deshalb ſchlafen ſie um dieſe Zeit an irgend einem ſchattigen Orte, halb auf der Seite, halb auf<lb/>
dem Bauche liegend, den Kopf vorgeſtreckt und ebenfalls aufgelegt, oder ſie ſtehen träg in einem<lb/>ſtillen Theile des Waldes, wo ſie durch die Wipfel größerer Bäume gegen die Sonnenſtrahlen geſchützt<lb/>ſind. Alle Berichterſtatter ſind darin faſt einſtimmig, daß ihr Schlaf ein ſehr geſunder iſt. Mehrere<lb/>
Forſcher konnten ſich ruhenden Rashörnern ohne große Vorſicht nähern. Die Thiere glichen fühl-<lb/>
loſen Felsblöcken und rührten ſich nicht. <hirendition="#g">Gordon Cumming</hi> erzählt, daß ſelbſt die beſten<lb/>
Freunde des Thieres, mehrere kleine Vögel nämlich, welche ſtets mit ihm ziehen, vergeblich be-<lb/>
müht waren, eines der Nashörner, welches er erlegen wollte, zu wecken, und bereits die älteſten<lb/>
Berichterſtatter erwähnen, daß gerade während der Mittagshitze das Thier am öfterſten beſchli-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[757/0803]
Die Nashörner.
bösartiges Geſchöpf, das japaniſche wird ſchon als viel gutmüthiger geſchildert und das auf Sumatra
lebende ſoll gar nicht bösartig ſein. Aehnlich verhält es ſich bei den afrikaniſchen. Das zwei-
hörnige wird trotz ſeiner geringen Größe als das wüthendſte bezeichnet; das Keitloa gilt ebenfalls
als ein höchſt ungemüthlicher Geſell; das weiße Rhinoceros aber ſoll ein wirklich harmloſes Geſchöpf
ſein. Jm allgemeinen werden die rieſenhaften Dickhäuter überall mehr gefürchtet, als der Ele-
fant. Die Araber des Sudahn, welche die Nashörner mit dem Namen Anaſa und Fertit bezeich-
nen, ſind geneigt, in ihnen wie im Nilpferde Zaubergeſtalten zu erblicken. Sie glauben, daß irgend
ein böswilliger Herenkünſtler die Geſtalt dieſer Thiere annehmen könne und verſuchen ihre Anſicht da-
mit zu begründen, daß Nashörner wie Nilpferde in ihrer blinden Wuth keine Grenzen kennen. „Der
Elefant,‟ ſo ſagen ſie, „iſt ein gerechtes Thier, welches das Wort des Gottgeſandten Mahammed (über
welchem der Frieden des Allbarmherzigen ſei) in Ehren hält und Schutzbriefe und andere erlaubte
Mittel der Abwehr wohl achtet: Nilpferde und Nashörner aber kümmern ſich nicht im geringſten um
alle Amulete, welche unſere Geiſtlichen ſchreiben, um die Felder zu bewahren und beweiſen hierdurch,
daß ihnen das Wort des Wahrheitſprechenden und Allmächtigen vollkommen gleichgiltig iſt. Sie ſind
verbannt und verworfen von Anfang an. Nicht der Herr, der Allerſchaffende, hat ſie geſchaffen,
ſondern der Teufel, der Allverderbende, und deshalb iſt es den Gläubigen nicht gerathen, ſich mit der-
artigen Thieren einzulaſſen, wie wohl die Heiden und chriſtlichen Ungläubigen zu thun pflegen. Der
wahre Muſelmann geht ihnen ruhig und ſtill aus dem Wege, damit er ſeine Seele nicht beſchmuze
und Schaden an ihr nehme und verworfen werde am Tage des Herrn.‟
Ein möglichſt waſſerreiches Gebiet, Sumpfgegenden, Flüſſe, welche auf weit hin ihr Bett über-
fluthen, Seen mit umbuſchten, ſchlammigen Ufern, in deren Nähe grasreiche Weideplätze ſich befin-
den: das ſind die bevorzugten Aufenthaltsorte der Nashörner. Jn Afrika entfernen ſie ſich aber nicht
ſelten ziemlich weit vom Waſſer, um auf den Grasſteppen zu weiden, wie auch die indiſchen ihrerſeits
bisweilen nach dem Gebirge emporſteigen. Täglich einmal beſucht wohl jedes Nashorn das Waſſer,
um hier zu trinken und um ſich im Schlamme zu wälzen. Ein Schlammbad iſt allen auf dem Lande
lebenden Dickhäutern geradezu ein Bedürfniß; denn ſo ſehr auch ihr Fell ihren Namen bethätigt, ſo
empfindlich iſt es. Zumal im Sommer nun peinigen Fliegen, Bremſen und Mücken alle größeren
Säugethiere in wirklich unglaublicher Weiſe, und um Dieſem vorzubeugen, ſchützen ſie ſich eben durch
Auflegen einer dicken Schlammlage. Ehe ſie noch auf Nahrung ausgehen, eilen ſie zu den weichen
Ufern der Seen, Lachen und Flüſſe, wühlen mit dem Horn ein Loch und wälzen und drehen ſich in
dieſem bis Rücken und Schultern, Seiten und Unterleib mit Schlamm bedeckt ſind. Das Wälzen
im Schlamme thut den Thieren ſo wohl, daß ſie dabei laut ſtöhnen und grunzen und ſich von dem
behaglichen Bad ſogar hinreißen laſſen, die ihnen ſonſt eigene Wachſamkeit zu vernachläſſigen. Gegen
die böſen Fliegen und Mücken ſchützt die Schlammdecke immer nur kurze Zeit; denn ſie ſpringt
zunächſt an den Beinen, dann auf den Schultern und an den Schenkeln ab, welche Theile nun den
Stichen der Fliegen blosgeſtellt ſind, ohne daß ſich das Nashorn dagegen zu ſchützen vermöchte. Da
ſieht man es, ſeiner Trägheit vergeſſend, eilig nach den Bäumen rennen, um ſich dort zu reiben und
die Qual einen Augenblick lang zu verringern. Dann geht es von neuem weiter.
Die Nashörner ſind mehr bei Nacht, als bei Tage thätig. Große Hitze iſt ihnen ſehr zuwider;
deshalb ſchlafen ſie um dieſe Zeit an irgend einem ſchattigen Orte, halb auf der Seite, halb auf
dem Bauche liegend, den Kopf vorgeſtreckt und ebenfalls aufgelegt, oder ſie ſtehen träg in einem
ſtillen Theile des Waldes, wo ſie durch die Wipfel größerer Bäume gegen die Sonnenſtrahlen geſchützt
ſind. Alle Berichterſtatter ſind darin faſt einſtimmig, daß ihr Schlaf ein ſehr geſunder iſt. Mehrere
Forſcher konnten ſich ruhenden Rashörnern ohne große Vorſicht nähern. Die Thiere glichen fühl-
loſen Felsblöcken und rührten ſich nicht. Gordon Cumming erzählt, daß ſelbſt die beſten
Freunde des Thieres, mehrere kleine Vögel nämlich, welche ſtets mit ihm ziehen, vergeblich be-
müht waren, eines der Nashörner, welches er erlegen wollte, zu wecken, und bereits die älteſten
Berichterſtatter erwähnen, daß gerade während der Mittagshitze das Thier am öfterſten beſchli-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 757. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/803>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.