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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Die Nashörner.
schiedenen Thieren mit einem Horn erzählt, ohne daß ich die Arten hätte bestimmen können. Am
oberen blauen Flusse fand ich die Fährten der Nashörner auf den zu den Flüssen führenden Pfaden
häufig genug, niemals aber habe ich das Thier selbst zu Gesicht bekommen. Ein deutscher Reisender,
welcher um dieselbe Zeit wie ich die gleichen Gegenden Afrikas durchwanderte, erhielt ebenfalls
Berichte der Eingeborenen über die Nashörner und nahm keinen Anstand, diese Berichte, nachdem
sie nach seiner Weise in Form und Klang gebracht waren, als sich auf das fabelhafte Einhorn
beziehend, zu deuten, und die europäische Gelehrtenwelt war eine Zeitlang gläubig genug, solchen
offenbaren Lügen Gehör zu schenken. So viel schien aber auch mir aus den Erzählungen der Ein-
geborenen hervorzugehen, daß mehrere Arten von Nashörnern die östlichen Provinzen Ostsudahns
und noch mehr jene Länder südlich von Dar el Fuhr und Wadai bewohnen. Welche Arten es sind,
steht freilich dahin. Jedenfalls hat die Wissenschaft von der genaueren Erforschung Afrikas noch viel
für die Kenntniß dieser Thiere zu erwarten, und es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß sich die Arten-
zahl der jetztlebenden Thiere noch vermehren dürfte. Dasselbe kann auch bei den in Asien lebenden
der Fall sein; denn das Sumatra bewohnende Nashorn ist auch erst seit Kurzem unterschieden wor-
den. Dennoch scheint festzustehen, daß die Vorwelt viel reicher an Arten dieser Familie war, als
die Jetztzeit.

Man hat schon eine ziemliche Anzahl vorweltlicher Arten unterschieden. Jch will blos einer
einzigen Erwähnung thun, des zweihörnigen Nashorns mit knöcherner Nasenscheidewand (Rhinoceros
trichorhinus
), welches nicht blos in einzelnen Knochen, sondern mit Haut und Haaren bis auf unsere
Tage gekommen ist. Jm ganzen nördlichen Asien vom Don an bis zur Beringsstraße gibt es keinen
Fluß im ebenen Lande, an dessen Ufer nicht Knochen von vorweltlichen Thieren, namentlich solcher
von Elefanten, Büffeln und Nashörnern gefunden wurden und es ist bekannt, daß man alljährlich
beim Aufthauen Massen von vorweltlichem Elfenbein gewinnt, womit man gegenwärtig einen sehr
bedeutenden Handel treibt. "Als ich im März 1772," sagt Pallas, "nach Jacutzk kam, zeigte mir
der Statthalter des östlichen Sibirien den Vorder- und Hinterfuß eines Nashorns, welcher noch mit
Haut überzogen war. Das Thier wurde im sandigen Ufer eines Flusses gefunden. Den Rumpf
und die Füße ließ man liegen." Nun gab sich Pallas alle Mühe, mehr zu erfahren und brachte
zunächst den Kopf und den Fuß nach Petersburg. Später hat Brandt die Reste untersucht und so
erfahren wir, daß dieses vorweltliche Nashorn, welches während der Diluvialzeit das mittlere und
nördlichere Europa und den Norden Asiens bewohnte, neben dem Mammuth eins der gemeinsten Dick-
häuter unseres Welttheils war. Außer in Sibirien fand man seine Knochen auch noch in Rußland,
Polen, Deutschland, England und Frankreich und zwar in manchen Orten in erstaunlicher Menge.
Das hauptsächliche Artkennzeichen dieser Thiere besteht darin, daß bei allen anderen Nashörnern die
knorpelige Nasenscheidewand bei ihm verknöchert ist, wahrscheinlich bedingt durch die auffallende Ver-
längerung der Nasenbeine. Ebenso weicht das Thier hinsichtlich seines Kleides von den anderen Nashör-
nern ab. Die getrocknete Haut hat eine schmuzig gelbliche Farbe. Sie ist nicht schwielig, wenigstens
nicht am Kopfe, aber dick, an den Lippen gekörnelt und überall mit netzförmigen, rundlichen Poren
dicht besetzt. Die Haare stehen in den Poren büschelförmig beisammen. Einzelne sind straffe Gran-
nen, andere weiches Wollhaar; im übrigen ähnelt das Thier den jetztlebenden so außerordentlich, daß
es höchstens einer anderen Untersippe hätte zugezählt werden können. Seine Nahrung scheint in
Nadeln und jungen Trieben der Kiefern bestanden zu haben; doch ist darüber nichts Sicheres bekannt.

Andere Nashornarten lebten in der Vorzeit im südlichen Deutschland und in Frankreich. Eins
von ihnen hatte wahrscheinlich vier Zehen an den Vorderfüßen und kein Horn. Es war die erste Art,
welche auf der Erde erschien. Hierzu kommen nun noch einige den Nashörnern entfernter ähnelnde
Vorweltsthiere, welche hauptsächlich insofern theilnehmenswerth für uns sind, als sie den Uebergang
von den jetztlebenden, sehr einzeln dastehenden Dickhäutern vermitteln.

Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Nashörner.
ſchiedenen Thieren mit einem Horn erzählt, ohne daß ich die Arten hätte beſtimmen können. Am
oberen blauen Fluſſe fand ich die Fährten der Nashörner auf den zu den Flüſſen führenden Pfaden
häufig genug, niemals aber habe ich das Thier ſelbſt zu Geſicht bekommen. Ein deutſcher Reiſender,
welcher um dieſelbe Zeit wie ich die gleichen Gegenden Afrikas durchwanderte, erhielt ebenfalls
Berichte der Eingeborenen über die Nashörner und nahm keinen Anſtand, dieſe Berichte, nachdem
ſie nach ſeiner Weiſe in Form und Klang gebracht waren, als ſich auf das fabelhafte Einhorn
beziehend, zu deuten, und die europäiſche Gelehrtenwelt war eine Zeitlang gläubig genug, ſolchen
offenbaren Lügen Gehör zu ſchenken. So viel ſchien aber auch mir aus den Erzählungen der Ein-
geborenen hervorzugehen, daß mehrere Arten von Nashörnern die öſtlichen Provinzen Oſtſudahns
und noch mehr jene Länder ſüdlich von Dar el Fuhr und Wadai bewohnen. Welche Arten es ſind,
ſteht freilich dahin. Jedenfalls hat die Wiſſenſchaft von der genaueren Erforſchung Afrikas noch viel
für die Kenntniß dieſer Thiere zu erwarten, und es iſt gar nicht unwahrſcheinlich, daß ſich die Arten-
zahl der jetztlebenden Thiere noch vermehren dürfte. Daſſelbe kann auch bei den in Aſien lebenden
der Fall ſein; denn das Sumatra bewohnende Nashorn iſt auch erſt ſeit Kurzem unterſchieden wor-
den. Dennoch ſcheint feſtzuſtehen, daß die Vorwelt viel reicher an Arten dieſer Familie war, als
die Jetztzeit.

Man hat ſchon eine ziemliche Anzahl vorweltlicher Arten unterſchieden. Jch will blos einer
einzigen Erwähnung thun, des zweihörnigen Nashorns mit knöcherner Naſenſcheidewand (Rhinoceros
trichorhinus
), welches nicht blos in einzelnen Knochen, ſondern mit Haut und Haaren bis auf unſere
Tage gekommen iſt. Jm ganzen nördlichen Aſien vom Don an bis zur Beringsſtraße gibt es keinen
Fluß im ebenen Lande, an deſſen Ufer nicht Knochen von vorweltlichen Thieren, namentlich ſolcher
von Elefanten, Büffeln und Nashörnern gefunden wurden und es iſt bekannt, daß man alljährlich
beim Aufthauen Maſſen von vorweltlichem Elfenbein gewinnt, womit man gegenwärtig einen ſehr
bedeutenden Handel treibt. „Als ich im März 1772,‟ ſagt Pallas, „nach Jacutzk kam, zeigte mir
der Statthalter des öſtlichen Sibirien den Vorder- und Hinterfuß eines Nashorns, welcher noch mit
Haut überzogen war. Das Thier wurde im ſandigen Ufer eines Fluſſes gefunden. Den Rumpf
und die Füße ließ man liegen.‟ Nun gab ſich Pallas alle Mühe, mehr zu erfahren und brachte
zunächſt den Kopf und den Fuß nach Petersburg. Später hat Brandt die Reſte unterſucht und ſo
erfahren wir, daß dieſes vorweltliche Nashorn, welches während der Diluvialzeit das mittlere und
nördlichere Europa und den Norden Aſiens bewohnte, neben dem Mammuth eins der gemeinſten Dick-
häuter unſeres Welttheils war. Außer in Sibirien fand man ſeine Knochen auch noch in Rußland,
Polen, Deutſchland, England und Frankreich und zwar in manchen Orten in erſtaunlicher Menge.
Das hauptſächliche Artkennzeichen dieſer Thiere beſteht darin, daß bei allen anderen Nashörnern die
knorpelige Naſenſcheidewand bei ihm verknöchert iſt, wahrſcheinlich bedingt durch die auffallende Ver-
längerung der Naſenbeine. Ebenſo weicht das Thier hinſichtlich ſeines Kleides von den anderen Nashör-
nern ab. Die getrocknete Haut hat eine ſchmuzig gelbliche Farbe. Sie iſt nicht ſchwielig, wenigſtens
nicht am Kopfe, aber dick, an den Lippen gekörnelt und überall mit netzförmigen, rundlichen Poren
dicht beſetzt. Die Haare ſtehen in den Poren büſchelförmig beiſammen. Einzelne ſind ſtraffe Gran-
nen, andere weiches Wollhaar; im übrigen ähnelt das Thier den jetztlebenden ſo außerordentlich, daß
es höchſtens einer anderen Unterſippe hätte zugezählt werden können. Seine Nahrung ſcheint in
Nadeln und jungen Trieben der Kiefern beſtanden zu haben; doch iſt darüber nichts Sicheres bekannt.

Andere Nashornarten lebten in der Vorzeit im ſüdlichen Deutſchland und in Frankreich. Eins
von ihnen hatte wahrſcheinlich vier Zehen an den Vorderfüßen und kein Horn. Es war die erſte Art,
welche auf der Erde erſchien. Hierzu kommen nun noch einige den Nashörnern entfernter ähnelnde
Vorweltsthiere, welche hauptſächlich inſofern theilnehmenswerth für uns ſind, als ſie den Uebergang
von den jetztlebenden, ſehr einzeln daſtehenden Dickhäutern vermitteln.

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[754/0800] Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Nashörner. ſchiedenen Thieren mit einem Horn erzählt, ohne daß ich die Arten hätte beſtimmen können. Am oberen blauen Fluſſe fand ich die Fährten der Nashörner auf den zu den Flüſſen führenden Pfaden häufig genug, niemals aber habe ich das Thier ſelbſt zu Geſicht bekommen. Ein deutſcher Reiſender, welcher um dieſelbe Zeit wie ich die gleichen Gegenden Afrikas durchwanderte, erhielt ebenfalls Berichte der Eingeborenen über die Nashörner und nahm keinen Anſtand, dieſe Berichte, nachdem ſie nach ſeiner Weiſe in Form und Klang gebracht waren, als ſich auf das fabelhafte Einhorn beziehend, zu deuten, und die europäiſche Gelehrtenwelt war eine Zeitlang gläubig genug, ſolchen offenbaren Lügen Gehör zu ſchenken. So viel ſchien aber auch mir aus den Erzählungen der Ein- geborenen hervorzugehen, daß mehrere Arten von Nashörnern die öſtlichen Provinzen Oſtſudahns und noch mehr jene Länder ſüdlich von Dar el Fuhr und Wadai bewohnen. Welche Arten es ſind, ſteht freilich dahin. Jedenfalls hat die Wiſſenſchaft von der genaueren Erforſchung Afrikas noch viel für die Kenntniß dieſer Thiere zu erwarten, und es iſt gar nicht unwahrſcheinlich, daß ſich die Arten- zahl der jetztlebenden Thiere noch vermehren dürfte. Daſſelbe kann auch bei den in Aſien lebenden der Fall ſein; denn das Sumatra bewohnende Nashorn iſt auch erſt ſeit Kurzem unterſchieden wor- den. Dennoch ſcheint feſtzuſtehen, daß die Vorwelt viel reicher an Arten dieſer Familie war, als die Jetztzeit. Man hat ſchon eine ziemliche Anzahl vorweltlicher Arten unterſchieden. Jch will blos einer einzigen Erwähnung thun, des zweihörnigen Nashorns mit knöcherner Naſenſcheidewand (Rhinoceros trichorhinus), welches nicht blos in einzelnen Knochen, ſondern mit Haut und Haaren bis auf unſere Tage gekommen iſt. Jm ganzen nördlichen Aſien vom Don an bis zur Beringsſtraße gibt es keinen Fluß im ebenen Lande, an deſſen Ufer nicht Knochen von vorweltlichen Thieren, namentlich ſolcher von Elefanten, Büffeln und Nashörnern gefunden wurden und es iſt bekannt, daß man alljährlich beim Aufthauen Maſſen von vorweltlichem Elfenbein gewinnt, womit man gegenwärtig einen ſehr bedeutenden Handel treibt. „Als ich im März 1772,‟ ſagt Pallas, „nach Jacutzk kam, zeigte mir der Statthalter des öſtlichen Sibirien den Vorder- und Hinterfuß eines Nashorns, welcher noch mit Haut überzogen war. Das Thier wurde im ſandigen Ufer eines Fluſſes gefunden. Den Rumpf und die Füße ließ man liegen.‟ Nun gab ſich Pallas alle Mühe, mehr zu erfahren und brachte zunächſt den Kopf und den Fuß nach Petersburg. Später hat Brandt die Reſte unterſucht und ſo erfahren wir, daß dieſes vorweltliche Nashorn, welches während der Diluvialzeit das mittlere und nördlichere Europa und den Norden Aſiens bewohnte, neben dem Mammuth eins der gemeinſten Dick- häuter unſeres Welttheils war. Außer in Sibirien fand man ſeine Knochen auch noch in Rußland, Polen, Deutſchland, England und Frankreich und zwar in manchen Orten in erſtaunlicher Menge. Das hauptſächliche Artkennzeichen dieſer Thiere beſteht darin, daß bei allen anderen Nashörnern die knorpelige Naſenſcheidewand bei ihm verknöchert iſt, wahrſcheinlich bedingt durch die auffallende Ver- längerung der Naſenbeine. Ebenſo weicht das Thier hinſichtlich ſeines Kleides von den anderen Nashör- nern ab. Die getrocknete Haut hat eine ſchmuzig gelbliche Farbe. Sie iſt nicht ſchwielig, wenigſtens nicht am Kopfe, aber dick, an den Lippen gekörnelt und überall mit netzförmigen, rundlichen Poren dicht beſetzt. Die Haare ſtehen in den Poren büſchelförmig beiſammen. Einzelne ſind ſtraffe Gran- nen, andere weiches Wollhaar; im übrigen ähnelt das Thier den jetztlebenden ſo außerordentlich, daß es höchſtens einer anderen Unterſippe hätte zugezählt werden können. Seine Nahrung ſcheint in Nadeln und jungen Trieben der Kiefern beſtanden zu haben; doch iſt darüber nichts Sicheres bekannt. Andere Nashornarten lebten in der Vorzeit im ſüdlichen Deutſchland und in Frankreich. Eins von ihnen hatte wahrſcheinlich vier Zehen an den Vorderfüßen und kein Horn. Es war die erſte Art, welche auf der Erde erſchien. Hierzu kommen nun noch einige den Nashörnern entfernter ähnelnde Vorweltsthiere, welche hauptſächlich inſofern theilnehmenswerth für uns ſind, als ſie den Uebergang von den jetztlebenden, ſehr einzeln daſtehenden Dickhäutern vermitteln.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 754. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/800>, abgerufen am 23.11.2024.