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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Das Wildschwein.

Wenig Geschöpfe lassen sich so leicht zähmen, wie die Schweine, und wenige verwildern so leicht
wieder, wie sie. Ein junges Wildschwein gewöhnt sich bald an seinen dumpfen, garstigen Stall,
ein junges, zahmes Schwein, welches Freiheit genießt, gleicht schon nach wenigen Jahren ganz den
echten wilden, ja es zeichnet sich oft vor diesen durch Muth und Grimmigkeit aus. Der Mensch ist
nur in den nördlicheren Gegenden der schlimmste Feind der wildlebenden Schweine. Jn den Ländern
unterhalb der Wendekreise stellen die großen Katzen- und Hundearten den dort wohnenden Arten
eifrig nach und richten oft große Verwüstungen unter ihren Herden an. Füchse, kleinere Katzen und
Raubvögel wagen sich blos an Frischlinge und immer nur mit großer Vorsicht, weil, wie bemerkt,
die Mutter ihre Kinderschar kräftig zu vertheidigen weiß.

Alle Schweine der Erde ähneln sich in ihrem Leibesbau und geistigen Wesen. Die geringen
Unterschiede, welche sich bemerken lassen, beruhen auf der größeren Schlankheit oder Plumpheit des
Baues und der Bildung der Zähne, namentlich der Hauzähne. Die Naturforscher nehmen viele
Sippen an; davon enthält die erste die eigentlichen Schweine (Sus), welche wir, da unser
Hausthier zu ihnen gehört, nicht besonders zu kennzeichnen brauchen. Das Wildschwein (Sus
Scrofa
), der einzige in Europa lebende Dickhäuter, geht zur Freude der Land- und Forstwirthe und
zum Kummer der Jäger seinem Untergang entgegen. Früher weit verbreitet, findet er sich gegen-
wärtig in Europa nur noch an wenigen Orten wild, um so häufiger aber noch in Asien und dem
nördlichen Afrika. Sein Verbreitungskreis reicht nach Norden hin nicht über den 55. Grad der Breite
hinaus. Das Wildschwein fehlt in allen Ländern, welche nordwärts von den Küsten der Ostsee lie-
gen. Theils ist es dort ausgerottet, theils war es nie vorhanden. Selbst künstliche Versetzungen in
nördlichere Gegenden, wie sie der König Friedrich I. in den Jahren 1720 bis 1751 versuchte, haben
das Thier nicht verbreitet. Jn Deutschland kommt es noch sehr einzeln, vielleicht nur noch auf dem
Thüringerwald, dem Schwarzwalde und dem Riesengebirge vor, wenn man die Wildparks, wie sich
von selbst versteht, ausnimmt. Häufiger findet es sich in Polen, Galizien, Ungarn, im südlichen
Rußland, Kroatien, Griechenland und Spanien. Jn Asien reicht es über alle gemäßigten Land-
striche Sibiriens und der großen Tartarei bis zum Himalaya, falls nicht auch das in Jndien vorkom-
mende Schwein, wie Viele annehmen, unser eigentliches Wildschwein ist. Jn Nordafrika ist dieses
sehr gemein, namentlich in Marokko, Algerien, Tunis und Egypten.

Das Wildschwein ist ein starkes Thier von fast 6 Fuß Länge, ausschließlich seines Schwanzes,
welcher über 10 Zoll lang wird. Die Höhe am Widerrist erreicht 3 Fuß, das Gewicht schwankt zwi-
schen 200 und 500 Pfund. Nach Aufenthalt, Jahreszeit und Nahrung ändern Größe und Gewicht
bedeutend ab. Die in sumpfigen Gegenden wohnenden Wildschweine sind regelmäßig größer, als
die in trockenen Wäldern lebenden; die auf den Jnseln des Mittelmeeres hausenden kommen nie
den festländischen gleich. Jn seiner Gestalt ähnelt es seinem gezähmten Abkömmling; nur ist der
Leib im ganzen kürzer, gedrungener; die Läufe sind stärker, der Kopf ist etwas länger und spitzer.
Das Gehör steht mehr aufgerichtet und ist etwas länger und spitzer, auch die Gewehre oder Hauer
werden größer und schärfer, als bei dem zahmen Schwein. Die Färbung ist sehr verschieden; doch
bezeichnet sie im Allgemeinen der Jägername "Schwarzwild"; denn graue, rostfarbene, weiße und
gefleckte Wildschweine sind selten. Die Jungen haben auf grauröthlichem Grunde gelbliche Streifen,
welche sich ziemlich gerade von vorn nach hinten ziehen, bereits in den ersten Monaten des Lebens
aber sich verlieren. Das Haarkleid besteht aus steifen, langen und spitzen Borsten, welche an der
Spitze häusig gespalten sind. Dazwischen mengt sich je nach der Jahreszeit mehr oder weniger kurzes,
feines Wollhaar ein. Am Unterbals und dem Hinterbauche sind die Borsten nach vorwärts, an den
übrigen Theilen des Körpers nach rückwärts gerichtet. Auf dem Rücken bilden sie eine Art von Kamm
oder Mähne. Schwarz oder rußbraun ist ihre gewöhnliche Farbe, die Endspitzen sind aber gelblich,
grau und röthlich, und hierdurch wird die allgemeine Färbung etwas lichter. Die Ohren sind schwarz-
braun, der Schwanz, der Rüssel und die untere Hälfte der Beine und Klauen schwarz; am Border-

Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Wildſchwein.

Wenig Geſchöpfe laſſen ſich ſo leicht zähmen, wie die Schweine, und wenige verwildern ſo leicht
wieder, wie ſie. Ein junges Wildſchwein gewöhnt ſich bald an ſeinen dumpfen, garſtigen Stall,
ein junges, zahmes Schwein, welches Freiheit genießt, gleicht ſchon nach wenigen Jahren ganz den
echten wilden, ja es zeichnet ſich oft vor dieſen durch Muth und Grimmigkeit aus. Der Menſch iſt
nur in den nördlicheren Gegenden der ſchlimmſte Feind der wildlebenden Schweine. Jn den Ländern
unterhalb der Wendekreiſe ſtellen die großen Katzen- und Hundearten den dort wohnenden Arten
eifrig nach und richten oft große Verwüſtungen unter ihren Herden an. Füchſe, kleinere Katzen und
Raubvögel wagen ſich blos an Friſchlinge und immer nur mit großer Vorſicht, weil, wie bemerkt,
die Mutter ihre Kinderſchar kräftig zu vertheidigen weiß.

Alle Schweine der Erde ähneln ſich in ihrem Leibesbau und geiſtigen Weſen. Die geringen
Unterſchiede, welche ſich bemerken laſſen, beruhen auf der größeren Schlankheit oder Plumpheit des
Baues und der Bildung der Zähne, namentlich der Hauzähne. Die Naturforſcher nehmen viele
Sippen an; davon enthält die erſte die eigentlichen Schweine (Sus), welche wir, da unſer
Hausthier zu ihnen gehört, nicht beſonders zu kennzeichnen brauchen. Das Wildſchwein (Sus
Scrofa
), der einzige in Europa lebende Dickhäuter, geht zur Freude der Land- und Forſtwirthe und
zum Kummer der Jäger ſeinem Untergang entgegen. Früher weit verbreitet, findet er ſich gegen-
wärtig in Europa nur noch an wenigen Orten wild, um ſo häufiger aber noch in Aſien und dem
nördlichen Afrika. Sein Verbreitungskreis reicht nach Norden hin nicht über den 55. Grad der Breite
hinaus. Das Wildſchwein fehlt in allen Ländern, welche nordwärts von den Küſten der Oſtſee lie-
gen. Theils iſt es dort ausgerottet, theils war es nie vorhanden. Selbſt künſtliche Verſetzungen in
nördlichere Gegenden, wie ſie der König Friedrich I. in den Jahren 1720 bis 1751 verſuchte, haben
das Thier nicht verbreitet. Jn Deutſchland kommt es noch ſehr einzeln, vielleicht nur noch auf dem
Thüringerwald, dem Schwarzwalde und dem Rieſengebirge vor, wenn man die Wildparks, wie ſich
von ſelbſt verſteht, ausnimmt. Häufiger findet es ſich in Polen, Galizien, Ungarn, im ſüdlichen
Rußland, Kroatien, Griechenland und Spanien. Jn Aſien reicht es über alle gemäßigten Land-
ſtriche Sibiriens und der großen Tartarei bis zum Himalaya, falls nicht auch das in Jndien vorkom-
mende Schwein, wie Viele annehmen, unſer eigentliches Wildſchwein iſt. Jn Nordafrika iſt dieſes
ſehr gemein, namentlich in Marokko, Algerien, Tunis und Egypten.

Das Wildſchwein iſt ein ſtarkes Thier von faſt 6 Fuß Länge, ausſchließlich ſeines Schwanzes,
welcher über 10 Zoll lang wird. Die Höhe am Widerriſt erreicht 3 Fuß, das Gewicht ſchwankt zwi-
ſchen 200 und 500 Pfund. Nach Aufenthalt, Jahreszeit und Nahrung ändern Größe und Gewicht
bedeutend ab. Die in ſumpfigen Gegenden wohnenden Wildſchweine ſind regelmäßig größer, als
die in trockenen Wäldern lebenden; die auf den Jnſeln des Mittelmeeres hauſenden kommen nie
den feſtländiſchen gleich. Jn ſeiner Geſtalt ähnelt es ſeinem gezähmten Abkömmling; nur iſt der
Leib im ganzen kürzer, gedrungener; die Läufe ſind ſtärker, der Kopf iſt etwas länger und ſpitzer.
Das Gehör ſteht mehr aufgerichtet und iſt etwas länger und ſpitzer, auch die Gewehre oder Hauer
werden größer und ſchärfer, als bei dem zahmen Schwein. Die Färbung iſt ſehr verſchieden; doch
bezeichnet ſie im Allgemeinen der Jägername „Schwarzwild‟; denn graue, roſtfarbene, weiße und
gefleckte Wildſchweine ſind ſelten. Die Jungen haben auf grauröthlichem Grunde gelbliche Streifen,
welche ſich ziemlich gerade von vorn nach hinten ziehen, bereits in den erſten Monaten des Lebens
aber ſich verlieren. Das Haarkleid beſteht aus ſteifen, langen und ſpitzen Borſten, welche an der
Spitze häuſig geſpalten ſind. Dazwiſchen mengt ſich je nach der Jahreszeit mehr oder weniger kurzes,
feines Wollhaar ein. Am Unterbals und dem Hinterbauche ſind die Borſten nach vorwärts, an den
übrigen Theilen des Körpers nach rückwärts gerichtet. Auf dem Rücken bilden ſie eine Art von Kamm
oder Mähne. Schwarz oder rußbraun iſt ihre gewöhnliche Farbe, die Endſpitzen ſind aber gelblich,
grau und röthlich, und hierdurch wird die allgemeine Färbung etwas lichter. Die Ohren ſind ſchwarz-
braun, der Schwanz, der Rüſſel und die untere Hälfte der Beine und Klauen ſchwarz; am Border-

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[728/0768] Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Wildſchwein. Wenig Geſchöpfe laſſen ſich ſo leicht zähmen, wie die Schweine, und wenige verwildern ſo leicht wieder, wie ſie. Ein junges Wildſchwein gewöhnt ſich bald an ſeinen dumpfen, garſtigen Stall, ein junges, zahmes Schwein, welches Freiheit genießt, gleicht ſchon nach wenigen Jahren ganz den echten wilden, ja es zeichnet ſich oft vor dieſen durch Muth und Grimmigkeit aus. Der Menſch iſt nur in den nördlicheren Gegenden der ſchlimmſte Feind der wildlebenden Schweine. Jn den Ländern unterhalb der Wendekreiſe ſtellen die großen Katzen- und Hundearten den dort wohnenden Arten eifrig nach und richten oft große Verwüſtungen unter ihren Herden an. Füchſe, kleinere Katzen und Raubvögel wagen ſich blos an Friſchlinge und immer nur mit großer Vorſicht, weil, wie bemerkt, die Mutter ihre Kinderſchar kräftig zu vertheidigen weiß. Alle Schweine der Erde ähneln ſich in ihrem Leibesbau und geiſtigen Weſen. Die geringen Unterſchiede, welche ſich bemerken laſſen, beruhen auf der größeren Schlankheit oder Plumpheit des Baues und der Bildung der Zähne, namentlich der Hauzähne. Die Naturforſcher nehmen viele Sippen an; davon enthält die erſte die eigentlichen Schweine (Sus), welche wir, da unſer Hausthier zu ihnen gehört, nicht beſonders zu kennzeichnen brauchen. Das Wildſchwein (Sus Scrofa), der einzige in Europa lebende Dickhäuter, geht zur Freude der Land- und Forſtwirthe und zum Kummer der Jäger ſeinem Untergang entgegen. Früher weit verbreitet, findet er ſich gegen- wärtig in Europa nur noch an wenigen Orten wild, um ſo häufiger aber noch in Aſien und dem nördlichen Afrika. Sein Verbreitungskreis reicht nach Norden hin nicht über den 55. Grad der Breite hinaus. Das Wildſchwein fehlt in allen Ländern, welche nordwärts von den Küſten der Oſtſee lie- gen. Theils iſt es dort ausgerottet, theils war es nie vorhanden. Selbſt künſtliche Verſetzungen in nördlichere Gegenden, wie ſie der König Friedrich I. in den Jahren 1720 bis 1751 verſuchte, haben das Thier nicht verbreitet. Jn Deutſchland kommt es noch ſehr einzeln, vielleicht nur noch auf dem Thüringerwald, dem Schwarzwalde und dem Rieſengebirge vor, wenn man die Wildparks, wie ſich von ſelbſt verſteht, ausnimmt. Häufiger findet es ſich in Polen, Galizien, Ungarn, im ſüdlichen Rußland, Kroatien, Griechenland und Spanien. Jn Aſien reicht es über alle gemäßigten Land- ſtriche Sibiriens und der großen Tartarei bis zum Himalaya, falls nicht auch das in Jndien vorkom- mende Schwein, wie Viele annehmen, unſer eigentliches Wildſchwein iſt. Jn Nordafrika iſt dieſes ſehr gemein, namentlich in Marokko, Algerien, Tunis und Egypten. Das Wildſchwein iſt ein ſtarkes Thier von faſt 6 Fuß Länge, ausſchließlich ſeines Schwanzes, welcher über 10 Zoll lang wird. Die Höhe am Widerriſt erreicht 3 Fuß, das Gewicht ſchwankt zwi- ſchen 200 und 500 Pfund. Nach Aufenthalt, Jahreszeit und Nahrung ändern Größe und Gewicht bedeutend ab. Die in ſumpfigen Gegenden wohnenden Wildſchweine ſind regelmäßig größer, als die in trockenen Wäldern lebenden; die auf den Jnſeln des Mittelmeeres hauſenden kommen nie den feſtländiſchen gleich. Jn ſeiner Geſtalt ähnelt es ſeinem gezähmten Abkömmling; nur iſt der Leib im ganzen kürzer, gedrungener; die Läufe ſind ſtärker, der Kopf iſt etwas länger und ſpitzer. Das Gehör ſteht mehr aufgerichtet und iſt etwas länger und ſpitzer, auch die Gewehre oder Hauer werden größer und ſchärfer, als bei dem zahmen Schwein. Die Färbung iſt ſehr verſchieden; doch bezeichnet ſie im Allgemeinen der Jägername „Schwarzwild‟; denn graue, roſtfarbene, weiße und gefleckte Wildſchweine ſind ſelten. Die Jungen haben auf grauröthlichem Grunde gelbliche Streifen, welche ſich ziemlich gerade von vorn nach hinten ziehen, bereits in den erſten Monaten des Lebens aber ſich verlieren. Das Haarkleid beſteht aus ſteifen, langen und ſpitzen Borſten, welche an der Spitze häuſig geſpalten ſind. Dazwiſchen mengt ſich je nach der Jahreszeit mehr oder weniger kurzes, feines Wollhaar ein. Am Unterbals und dem Hinterbauche ſind die Borſten nach vorwärts, an den übrigen Theilen des Körpers nach rückwärts gerichtet. Auf dem Rücken bilden ſie eine Art von Kamm oder Mähne. Schwarz oder rußbraun iſt ihre gewöhnliche Farbe, die Endſpitzen ſind aber gelblich, grau und röthlich, und hierdurch wird die allgemeine Färbung etwas lichter. Die Ohren ſind ſchwarz- braun, der Schwanz, der Rüſſel und die untere Hälfte der Beine und Klauen ſchwarz; am Border-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 728. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/768>, abgerufen am 23.11.2024.