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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Die Klippschliefer.
waren, sind wir schon eher geneigt, jenem großen Forscher Recht zu geben, mögen wir auch noch immer
das widerstrebende Gefühl, welches uns fort und fort beschleicht, wenn wir einen solchen Zwerg als
nächsten Verwandten jener Riesen betrachten, zu überwinden haben. Erst, wenn wir den Knochenbau
der Klippdachse vergleichend prüfen, werden wir vollkommen von ihrer innigen Verwandtschaft mit
Elefant und Nashorn überzeugt.

Die Familie der Klippdachse enthält nur eine einzige Sippe, diese aber mehrere Arten, welche
sämmtlich einander sehr ähnlich sind. Außer den angegebenen Kennzeichen fallen bei genauer Be-
trachtung zunächst die hufartig gebildeten Füße auf, welche vorn vier und hinten drei Zehen tragen.
Die Wirbelsäule zählt neunzehn bis zweiundzwanzig rippentragende, neun rippenlose, fünf Kreuzbein-
und zehn Schwanzwirbel. Das Gebiß besteht aus zwei dreikantigen schwach gebogenen und durch eine
Lücke von einander getrennten Schneidezähnen und aus sieben von vorn nach hinten an Größe zuneh-
menden Backzähnen. Jn der Oberkinnlade fallen von den Schneidezähnen regelmäßig die beiden
äußeren aus, und auch der erste Backzahn hat gewöhnlich das gleiche Schicksal.

Schon seit uralter Zeit sind die Klippschliefer oder Klippdachse bekannte und oft genannte Thiere.
Die in Syrien lebende Art scheint früher unter dem biblischen Namen "Saphan" verstanden wor-
den zu sein. Luther übersetzt dieses Wort mit "Kaninchen". Die Schrift sagt, daß der Saphan ge-
sellig lebe, seine Wohnung in Felsen habe und sich durch Schwäche auszeichne, diese aber durch Schlau-
heit ersetze. "Die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht und die Steinklüfte der Kaninchen." "Wir
sind klein auf Erden und klüger, denn die Weisen, die Saphane, ein schwaches Volk; dennoch legt es
sein Haus im Felsen an." Moses setzt die Saphane unter die wiederkänenden Thiere mit getheilten
Zehen, welche von den Juden nicht gegessen werden dürfen, und hierin ist es wohl begründet, daß noch
heutigen Tages in Abissinien weder die Christen, noch die Mahammedaner Klippschlieferfleisch essen.
An anderen Orten und namentlich im steinigten Arabien erblicken die Beduinen in solchem Wildpret
nichts Verachtenswerthes und stellen ihm deshalb eifrig nach; in Syrien benamt man sie noch heutigen
Tages Khanem Jsrael oder "Schafe der Jsraeliten". Sonst sind sie in Arabien unter dem Namen
"Wabbr" bekannt, die griechischen Klosterbrüder am Sinai nennen sie Choerogryllion; in
Dongola heißen sie "Keka" oder "Koko" und in Abissinien "Aschkoko".

Es ist ziemlich gleichgiltig, welche Art von den bisjetzt bekannten Klippschliefern wir uns zur
Betrachtung erwählen, weil sie alle in der Lebensweise fast vollständig übereinkommen. Nur weil ich
selbst auf meinem letzten Jagdausfluge nach Abissinien Gelegenheit hatte, den dort vorkommenden
Aschkoko (Hyrax abissinicus) kennen zu lernen, habe ich diesen ausgesucht und auch bildlich nach an
Ort und Stelle gemachten Zeichnungen darstellen lassen. Viele Naturforscher halten ihn gar nicht
verschieden von dem im Kap lebenden. Jch selbst kenne letzteren zu wenig, um ein Urtheil fällen zu
können. Der Klippdachs wird etwa 11/2 Fuß lang. Sein Pelz ist fein, weich und dicht, oben
graubräunlich, unten heller. Die kleinen Ohren und der Schwanz sind fast ganz im Pelz ver-
borgen; die dunklen Augen sind groß, lebhaft und stark gewölbt; ihr Ausdruck hat etwas außer-
ordentlich Sanftes, Kluges und Harmloses. Die nackte Nase ist kohlschwarz und beständig feucht.
An den niedrigen Beinen sitzen Zehen, welche ziemlich kurz, aber breit und alle mit einem ganz
dünnen, runden, nicht überragenden Huf bedeckt sind, mit Ausnahme der inneren Hinterzehe, welche
einen schief gestellten gekrümmten Nagel trägt. Mancherlei Abänderungen in der Färbung sind beob-
achtet worden. So ist die Unterseite zuweilen schmuzig weißgelb; es erscheint vor den Schultern ein
weißlicher Streifen und auf dem Rücken ein weißer Flecken, am Kinn ein weißlicher u. s. w. Einzelne
Grannenhaare sehen grau oder schwarz aus und zeigen einen gelben Ring vor der dunklen Spitze.
Das Wollhaar ist graulich, gelblich oder röthlich.

Alle Klippdachse sind Bewohner der Gebirge. Je zerklüfteter die Felswände sind, um so häu-
figer trifft man sie an. Wer recht ruhig durch die Thäler schreitet, sieht sie reihenweis auf den Felsen-
gesimsen sitzen oder noch öfter liegen; denn sie sind ein behagliches, faules Volk, welches sich gern von

Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Klippſchliefer.
waren, ſind wir ſchon eher geneigt, jenem großen Forſcher Recht zu geben, mögen wir auch noch immer
das widerſtrebende Gefühl, welches uns fort und fort beſchleicht, wenn wir einen ſolchen Zwerg als
nächſten Verwandten jener Rieſen betrachten, zu überwinden haben. Erſt, wenn wir den Knochenbau
der Klippdachſe vergleichend prüfen, werden wir vollkommen von ihrer innigen Verwandtſchaft mit
Elefant und Nashorn überzeugt.

Die Familie der Klippdachſe enthält nur eine einzige Sippe, dieſe aber mehrere Arten, welche
ſämmtlich einander ſehr ähnlich ſind. Außer den angegebenen Kennzeichen fallen bei genauer Be-
trachtung zunächſt die hufartig gebildeten Füße auf, welche vorn vier und hinten drei Zehen tragen.
Die Wirbelſäule zählt neunzehn bis zweiundzwanzig rippentragende, neun rippenloſe, fünf Kreuzbein-
und zehn Schwanzwirbel. Das Gebiß beſteht aus zwei dreikantigen ſchwach gebogenen und durch eine
Lücke von einander getrennten Schneidezähnen und aus ſieben von vorn nach hinten an Größe zuneh-
menden Backzähnen. Jn der Oberkinnlade fallen von den Schneidezähnen regelmäßig die beiden
äußeren aus, und auch der erſte Backzahn hat gewöhnlich das gleiche Schickſal.

Schon ſeit uralter Zeit ſind die Klippſchliefer oder Klippdachſe bekannte und oft genannte Thiere.
Die in Syrien lebende Art ſcheint früher unter dem bibliſchen Namen „Saphan‟ verſtanden wor-
den zu ſein. Luther überſetzt dieſes Wort mit „Kaninchen‟. Die Schrift ſagt, daß der Saphan ge-
ſellig lebe, ſeine Wohnung in Felſen habe und ſich durch Schwäche auszeichne, dieſe aber durch Schlau-
heit erſetze. „Die hohen Berge ſind der Gemſen Zuflucht und die Steinklüfte der Kaninchen.‟ „Wir
ſind klein auf Erden und klüger, denn die Weiſen, die Saphane, ein ſchwaches Volk; dennoch legt es
ſein Haus im Felſen an.‟ Moſes ſetzt die Saphane unter die wiederkänenden Thiere mit getheilten
Zehen, welche von den Juden nicht gegeſſen werden dürfen, und hierin iſt es wohl begründet, daß noch
heutigen Tages in Abiſſinien weder die Chriſten, noch die Mahammedaner Klippſchlieferfleiſch eſſen.
An anderen Orten und namentlich im ſteinigten Arabien erblicken die Beduinen in ſolchem Wildpret
nichts Verachtenswerthes und ſtellen ihm deshalb eifrig nach; in Syrien benamt man ſie noch heutigen
Tages Khanem Jſrael oder „Schafe der Jſraeliten‟. Sonſt ſind ſie in Arabien unter dem Namen
Wabbr‟ bekannt, die griechiſchen Kloſterbrüder am Sinai nennen ſie Choerogryllion; in
Dongola heißen ſie „Keka‟ oder „Koko‟ und in Abiſſinien „Aſchkoko‟.

Es iſt ziemlich gleichgiltig, welche Art von den bisjetzt bekannten Klippſchliefern wir uns zur
Betrachtung erwählen, weil ſie alle in der Lebensweiſe faſt vollſtändig übereinkommen. Nur weil ich
ſelbſt auf meinem letzten Jagdausfluge nach Abiſſinien Gelegenheit hatte, den dort vorkommenden
Aſchkoko (Hyrax abissinicus) kennen zu lernen, habe ich dieſen ausgeſucht und auch bildlich nach an
Ort und Stelle gemachten Zeichnungen darſtellen laſſen. Viele Naturforſcher halten ihn gar nicht
verſchieden von dem im Kap lebenden. Jch ſelbſt kenne letzteren zu wenig, um ein Urtheil fällen zu
können. Der Klippdachs wird etwa 1½ Fuß lang. Sein Pelz iſt fein, weich und dicht, oben
graubräunlich, unten heller. Die kleinen Ohren und der Schwanz ſind faſt ganz im Pelz ver-
borgen; die dunklen Augen ſind groß, lebhaft und ſtark gewölbt; ihr Ausdruck hat etwas außer-
ordentlich Sanftes, Kluges und Harmloſes. Die nackte Naſe iſt kohlſchwarz und beſtändig feucht.
An den niedrigen Beinen ſitzen Zehen, welche ziemlich kurz, aber breit und alle mit einem ganz
dünnen, runden, nicht überragenden Huf bedeckt ſind, mit Ausnahme der inneren Hinterzehe, welche
einen ſchief geſtellten gekrümmten Nagel trägt. Mancherlei Abänderungen in der Färbung ſind beob-
achtet worden. So iſt die Unterſeite zuweilen ſchmuzig weißgelb; es erſcheint vor den Schultern ein
weißlicher Streifen und auf dem Rücken ein weißer Flecken, am Kinn ein weißlicher u. ſ. w. Einzelne
Grannenhaare ſehen grau oder ſchwarz aus und zeigen einen gelben Ring vor der dunklen Spitze.
Das Wollhaar iſt graulich, gelblich oder röthlich.

Alle Klippdachſe ſind Bewohner der Gebirge. Je zerklüfteter die Felswände ſind, um ſo häu-
figer trifft man ſie an. Wer recht ruhig durch die Thäler ſchreitet, ſieht ſie reihenweis auf den Felſen-
geſimſen ſitzen oder noch öfter liegen; denn ſie ſind ein behagliches, faules Volk, welches ſich gern von

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[722/0760] Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Klippſchliefer. waren, ſind wir ſchon eher geneigt, jenem großen Forſcher Recht zu geben, mögen wir auch noch immer das widerſtrebende Gefühl, welches uns fort und fort beſchleicht, wenn wir einen ſolchen Zwerg als nächſten Verwandten jener Rieſen betrachten, zu überwinden haben. Erſt, wenn wir den Knochenbau der Klippdachſe vergleichend prüfen, werden wir vollkommen von ihrer innigen Verwandtſchaft mit Elefant und Nashorn überzeugt. Die Familie der Klippdachſe enthält nur eine einzige Sippe, dieſe aber mehrere Arten, welche ſämmtlich einander ſehr ähnlich ſind. Außer den angegebenen Kennzeichen fallen bei genauer Be- trachtung zunächſt die hufartig gebildeten Füße auf, welche vorn vier und hinten drei Zehen tragen. Die Wirbelſäule zählt neunzehn bis zweiundzwanzig rippentragende, neun rippenloſe, fünf Kreuzbein- und zehn Schwanzwirbel. Das Gebiß beſteht aus zwei dreikantigen ſchwach gebogenen und durch eine Lücke von einander getrennten Schneidezähnen und aus ſieben von vorn nach hinten an Größe zuneh- menden Backzähnen. Jn der Oberkinnlade fallen von den Schneidezähnen regelmäßig die beiden äußeren aus, und auch der erſte Backzahn hat gewöhnlich das gleiche Schickſal. Schon ſeit uralter Zeit ſind die Klippſchliefer oder Klippdachſe bekannte und oft genannte Thiere. Die in Syrien lebende Art ſcheint früher unter dem bibliſchen Namen „Saphan‟ verſtanden wor- den zu ſein. Luther überſetzt dieſes Wort mit „Kaninchen‟. Die Schrift ſagt, daß der Saphan ge- ſellig lebe, ſeine Wohnung in Felſen habe und ſich durch Schwäche auszeichne, dieſe aber durch Schlau- heit erſetze. „Die hohen Berge ſind der Gemſen Zuflucht und die Steinklüfte der Kaninchen.‟ „Wir ſind klein auf Erden und klüger, denn die Weiſen, die Saphane, ein ſchwaches Volk; dennoch legt es ſein Haus im Felſen an.‟ Moſes ſetzt die Saphane unter die wiederkänenden Thiere mit getheilten Zehen, welche von den Juden nicht gegeſſen werden dürfen, und hierin iſt es wohl begründet, daß noch heutigen Tages in Abiſſinien weder die Chriſten, noch die Mahammedaner Klippſchlieferfleiſch eſſen. An anderen Orten und namentlich im ſteinigten Arabien erblicken die Beduinen in ſolchem Wildpret nichts Verachtenswerthes und ſtellen ihm deshalb eifrig nach; in Syrien benamt man ſie noch heutigen Tages Khanem Jſrael oder „Schafe der Jſraeliten‟. Sonſt ſind ſie in Arabien unter dem Namen „Wabbr‟ bekannt, die griechiſchen Kloſterbrüder am Sinai nennen ſie Choerogryllion; in Dongola heißen ſie „Keka‟ oder „Koko‟ und in Abiſſinien „Aſchkoko‟. Es iſt ziemlich gleichgiltig, welche Art von den bisjetzt bekannten Klippſchliefern wir uns zur Betrachtung erwählen, weil ſie alle in der Lebensweiſe faſt vollſtändig übereinkommen. Nur weil ich ſelbſt auf meinem letzten Jagdausfluge nach Abiſſinien Gelegenheit hatte, den dort vorkommenden Aſchkoko (Hyrax abissinicus) kennen zu lernen, habe ich dieſen ausgeſucht und auch bildlich nach an Ort und Stelle gemachten Zeichnungen darſtellen laſſen. Viele Naturforſcher halten ihn gar nicht verſchieden von dem im Kap lebenden. Jch ſelbſt kenne letzteren zu wenig, um ein Urtheil fällen zu können. Der Klippdachs wird etwa 1½ Fuß lang. Sein Pelz iſt fein, weich und dicht, oben graubräunlich, unten heller. Die kleinen Ohren und der Schwanz ſind faſt ganz im Pelz ver- borgen; die dunklen Augen ſind groß, lebhaft und ſtark gewölbt; ihr Ausdruck hat etwas außer- ordentlich Sanftes, Kluges und Harmloſes. Die nackte Naſe iſt kohlſchwarz und beſtändig feucht. An den niedrigen Beinen ſitzen Zehen, welche ziemlich kurz, aber breit und alle mit einem ganz dünnen, runden, nicht überragenden Huf bedeckt ſind, mit Ausnahme der inneren Hinterzehe, welche einen ſchief geſtellten gekrümmten Nagel trägt. Mancherlei Abänderungen in der Färbung ſind beob- achtet worden. So iſt die Unterſeite zuweilen ſchmuzig weißgelb; es erſcheint vor den Schultern ein weißlicher Streifen und auf dem Rücken ein weißer Flecken, am Kinn ein weißlicher u. ſ. w. Einzelne Grannenhaare ſehen grau oder ſchwarz aus und zeigen einen gelben Ring vor der dunklen Spitze. Das Wollhaar iſt graulich, gelblich oder röthlich. Alle Klippdachſe ſind Bewohner der Gebirge. Je zerklüfteter die Felswände ſind, um ſo häu- figer trifft man ſie an. Wer recht ruhig durch die Thäler ſchreitet, ſieht ſie reihenweis auf den Felſen- geſimſen ſitzen oder noch öfter liegen; denn ſie ſind ein behagliches, faules Volk, welches ſich gern von

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 722. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/760>, abgerufen am 23.11.2024.