Die Vielhufer oder Dickhäuter. Die Tapire. -- Allgemeines.
das Haar an seiner Wurzel heller, als an der Spitze." Jm Nacken bildet es keine Mähne. Wichti- ger noch sind die Unterschiede im Knochenbau, welche sich zwischen dem Pinchague und dem eigentli- chen amerikanischen Tapir bemerklich machen; zumal die Schädel Beider weichen bedeutend von einan- der ab. Jn der Größe soll der Pinchague hinter dem Tapir zurückstehen. Die Länge wird zu 51/2 Fuß, die Höhe zu 23/4 Fuß angegeben.
Noch vermögen wir nicht zu sagen, wie weit das Vaterland dieser Art sich erstreckt. Es scheint, daß der Pinchague mehr Gebirgsthier ist, als seine Verwandten; Tschudi glaubt mit einer "zur Gewißheit werdenden Wahrscheinlichkeit" sagen zu können, daß das Thier am östlichen Abhange der Binnencordilleren und zumal im mittleren Pern in einem Höhengürtel zwischen 7 und 8000 Fuß über dem Meere nicht selten vorkommt und oft von den Jndianern erlegt wird. Diese pflegen ihn auch Vaca del Monte, Gebirgskuh, zu nennen.
Einer Lebensbeschreibung unserer Dickhäuter müssen wir die Mittheilung zu Grunde legen, welche wir von Azara, Rengger, Prinz von Wied, Tschudi, Schomburgk und An- deren über den amerikanischen Tapir erhalten haben; denn über das Leben des Schabrackentapirs und des Pinchague wissen wir eben Nichts. Die Thiere sind sich übrigens so ähnlich, daß man sich wohl kaum eines Fehlers schuldig macht, wenn man das Leben und Treiben des Einen vorzugsweise berücksichtigt.
Die Tapire halten unter allen Umständen fest am Walde und vermeiden ängstlich alle Blößen oder offenen Stellen desselben. Jm Dickicht treten sie sich regelmäßig Pfade aus, welche sich von den Wegen der Jndianer schwer unterscheiden lassen und den Ungeübten leicht verlocken, sie zu betreten. Wehe ihm, wenn er Dies thut. Er kann Tage, Wochen wandern, ehe er eine Hütte oder ein menschliches Wesen antrifft, wenn ihn nicht schon früher Hunger und Durst tödten! Diese Wild- bahnen benutzen die Tapire, solange sie nicht gestört werden; in der Angst hingegen brechen sie ohne weiteres durch das ärgste Dickicht, Alles unwiderstehlich vor sich niederreißend, was ihnen im Wege steht.
Die Tapire sind Dämmerungsthiere. "Wir haben," sagt Tschudi, "monatelang die dichten Urwälder, in denen Scharen der Tapire leben, durchstrichen, ohne je einen im Laufe des Tages zu sehen. Sie scheinen sich dann nur im dichten Gebüsch, an den kühlen, schattigen Plätzen aufzuhal- ten, am liebsten in der Nähe von stehendem Wasser, in welchem sie sich gern wälzen." Jn gänzlich ungestörten und sehr dunkeln Wäldern hingegen streifen, wie Prinz von Wied versichert, die Thiere auch bei Tage umher, und diese Angabe findet Unterstützung in der Beobachtung des Betra- gens der Gefangenen, welche ebenfalls nicht selten in den Tagesstunden sich erheben und eine Zeitlang in ihrem Gehege umherlaufen. Jm Sonnenschein freilich bewegen sie sich höchst ungern, und während der eigentlichen Mittagsstunden suchen sie stets im Schatten des Dickichts Schutz gegen die erschlaffende Hitze und noch mehr gegen die sie in hohem Grade peinigenden Mücken. "Wenn man," sagt der Prinz, "am frühen Morgen oder am Abend leise und ohne Geräusch die Flüsse beschifft, bekommt man häufig Tapire zu sehen, wie sie sich baden, um sich zu kühlen oder um sich vor den Stechfliegen zu schützen. Wirklich weiß kein Thier sich besser gegen diese lästigen Gäste zu schützen, als der Tapir; denn eine jede Schlammpfütze, ein jeder Bach oder Teich wird von ihm aus dieser Ursache aufgesucht und benutzt. Daher findet man auch oft seine Haut mit Erde und Schlamm bedeckt, wenn er erlegt wird." Tschudi behauptet, daß die Farbenabänderung, welche man so häufig bemerkt, von dieser Gewohnheit des Thieres herrühre, da sie auf weiter Nichts beruhe, als auf der größeren oder ge- ringeren Menge von Erde, welche ihm beim Wälzen im Schlamm und Sande die Haut verunreini- gen. Gegen Abend gehen die Tapire ihrer Nahrung nach, und wahrscheinlich sind sie während der Nacht fortwährend in Bewegung. Sie zeigen also in ihrer Lebensweise große Aehnlichkeit mit unserem Wildschwein. Doch halten sie sich nicht in so starken Rudeln, wie dieses, sondern leben nach Art des Nashorns mehr einzeln. Namentlich die Männchen sollen ein einsiedlerisches Leben führen, sich blos zur Paarungszeit zu dem Weibchen gesellen, sonst aber ihre eigenen Wege gehen. Familien trifft man
Die Vielhufer oder Dickhäuter. Die Tapire. — Allgemeines.
das Haar an ſeiner Wurzel heller, als an der Spitze.‟ Jm Nacken bildet es keine Mähne. Wichti- ger noch ſind die Unterſchiede im Knochenbau, welche ſich zwiſchen dem Pinchague und dem eigentli- chen amerikaniſchen Tapir bemerklich machen; zumal die Schädel Beider weichen bedeutend von einan- der ab. Jn der Größe ſoll der Pinchague hinter dem Tapir zurückſtehen. Die Länge wird zu 5½ Fuß, die Höhe zu 2¾ Fuß angegeben.
Noch vermögen wir nicht zu ſagen, wie weit das Vaterland dieſer Art ſich erſtreckt. Es ſcheint, daß der Pinchague mehr Gebirgsthier iſt, als ſeine Verwandten; Tſchudi glaubt mit einer „zur Gewißheit werdenden Wahrſcheinlichkeit‟ ſagen zu können, daß das Thier am öſtlichen Abhange der Binnencordilleren und zumal im mittleren Pern in einem Höhengürtel zwiſchen 7 und 8000 Fuß über dem Meere nicht ſelten vorkommt und oft von den Jndianern erlegt wird. Dieſe pflegen ihn auch Vaca del Monte, Gebirgskuh, zu nennen.
Einer Lebensbeſchreibung unſerer Dickhäuter müſſen wir die Mittheilung zu Grunde legen, welche wir von Azara, Rengger, Prinz von Wied, Tſchudi, Schomburgk und An- deren über den amerikaniſchen Tapir erhalten haben; denn über das Leben des Schabrackentapirs und des Pinchague wiſſen wir eben Nichts. Die Thiere ſind ſich übrigens ſo ähnlich, daß man ſich wohl kaum eines Fehlers ſchuldig macht, wenn man das Leben und Treiben des Einen vorzugsweiſe berückſichtigt.
Die Tapire halten unter allen Umſtänden feſt am Walde und vermeiden ängſtlich alle Blößen oder offenen Stellen deſſelben. Jm Dickicht treten ſie ſich regelmäßig Pfade aus, welche ſich von den Wegen der Jndianer ſchwer unterſcheiden laſſen und den Ungeübten leicht verlocken, ſie zu betreten. Wehe ihm, wenn er Dies thut. Er kann Tage, Wochen wandern, ehe er eine Hütte oder ein menſchliches Weſen antrifft, wenn ihn nicht ſchon früher Hunger und Durſt tödten! Dieſe Wild- bahnen benutzen die Tapire, ſolange ſie nicht geſtört werden; in der Angſt hingegen brechen ſie ohne weiteres durch das ärgſte Dickicht, Alles unwiderſtehlich vor ſich niederreißend, was ihnen im Wege ſteht.
Die Tapire ſind Dämmerungsthiere. „Wir haben,‟ ſagt Tſchudi, „monatelang die dichten Urwälder, in denen Scharen der Tapire leben, durchſtrichen, ohne je einen im Laufe des Tages zu ſehen. Sie ſcheinen ſich dann nur im dichten Gebüſch, an den kühlen, ſchattigen Plätzen aufzuhal- ten, am liebſten in der Nähe von ſtehendem Waſſer, in welchem ſie ſich gern wälzen.‟ Jn gänzlich ungeſtörten und ſehr dunkeln Wäldern hingegen ſtreifen, wie Prinz von Wied verſichert, die Thiere auch bei Tage umher, und dieſe Angabe findet Unterſtützung in der Beobachtung des Betra- gens der Gefangenen, welche ebenfalls nicht ſelten in den Tagesſtunden ſich erheben und eine Zeitlang in ihrem Gehege umherlaufen. Jm Sonnenſchein freilich bewegen ſie ſich höchſt ungern, und während der eigentlichen Mittagsſtunden ſuchen ſie ſtets im Schatten des Dickichts Schutz gegen die erſchlaffende Hitze und noch mehr gegen die ſie in hohem Grade peinigenden Mücken. „Wenn man,‟ ſagt der Prinz, „am frühen Morgen oder am Abend leiſe und ohne Geräuſch die Flüſſe beſchifft, bekommt man häufig Tapire zu ſehen, wie ſie ſich baden, um ſich zu kühlen oder um ſich vor den Stechfliegen zu ſchützen. Wirklich weiß kein Thier ſich beſſer gegen dieſe läſtigen Gäſte zu ſchützen, als der Tapir; denn eine jede Schlammpfütze, ein jeder Bach oder Teich wird von ihm aus dieſer Urſache aufgeſucht und benutzt. Daher findet man auch oft ſeine Haut mit Erde und Schlamm bedeckt, wenn er erlegt wird.‟ Tſchudi behauptet, daß die Farbenabänderung, welche man ſo häufig bemerkt, von dieſer Gewohnheit des Thieres herrühre, da ſie auf weiter Nichts beruhe, als auf der größeren oder ge- ringeren Menge von Erde, welche ihm beim Wälzen im Schlamm und Sande die Haut verunreini- gen. Gegen Abend gehen die Tapire ihrer Nahrung nach, und wahrſcheinlich ſind ſie während der Nacht fortwährend in Bewegung. Sie zeigen alſo in ihrer Lebensweiſe große Aehnlichkeit mit unſerem Wildſchwein. Doch halten ſie ſich nicht in ſo ſtarken Rudeln, wie dieſes, ſondern leben nach Art des Nashorns mehr einzeln. Namentlich die Männchen ſollen ein einſiedleriſches Leben führen, ſich blos zur Paarungszeit zu dem Weibchen geſellen, ſonſt aber ihre eigenen Wege gehen. Familien trifft man
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[716/0754]
Die Vielhufer oder Dickhäuter. Die Tapire. — Allgemeines.
das Haar an ſeiner Wurzel heller, als an der Spitze.‟ Jm Nacken bildet es keine Mähne. Wichti-
ger noch ſind die Unterſchiede im Knochenbau, welche ſich zwiſchen dem Pinchague und dem eigentli-
chen amerikaniſchen Tapir bemerklich machen; zumal die Schädel Beider weichen bedeutend von einan-
der ab. Jn der Größe ſoll der Pinchague hinter dem Tapir zurückſtehen. Die Länge wird zu 5½
Fuß, die Höhe zu 2¾ Fuß angegeben.
Noch vermögen wir nicht zu ſagen, wie weit das Vaterland dieſer Art ſich erſtreckt. Es ſcheint,
daß der Pinchague mehr Gebirgsthier iſt, als ſeine Verwandten; Tſchudi glaubt mit einer „zur
Gewißheit werdenden Wahrſcheinlichkeit‟ ſagen zu können, daß das Thier am öſtlichen Abhange der
Binnencordilleren und zumal im mittleren Pern in einem Höhengürtel zwiſchen 7 und 8000 Fuß
über dem Meere nicht ſelten vorkommt und oft von den Jndianern erlegt wird. Dieſe pflegen ihn
auch Vaca del Monte, Gebirgskuh, zu nennen.
Einer Lebensbeſchreibung unſerer Dickhäuter müſſen wir die Mittheilung zu Grunde legen,
welche wir von Azara, Rengger, Prinz von Wied, Tſchudi, Schomburgk und An-
deren über den amerikaniſchen Tapir erhalten haben; denn über das Leben des Schabrackentapirs und
des Pinchague wiſſen wir eben Nichts. Die Thiere ſind ſich übrigens ſo ähnlich, daß man ſich wohl
kaum eines Fehlers ſchuldig macht, wenn man das Leben und Treiben des Einen vorzugsweiſe
berückſichtigt.
Die Tapire halten unter allen Umſtänden feſt am Walde und vermeiden ängſtlich alle Blößen
oder offenen Stellen deſſelben. Jm Dickicht treten ſie ſich regelmäßig Pfade aus, welche ſich von den
Wegen der Jndianer ſchwer unterſcheiden laſſen und den Ungeübten leicht verlocken, ſie zu betreten.
Wehe ihm, wenn er Dies thut. Er kann Tage, Wochen wandern, ehe er eine Hütte oder ein
menſchliches Weſen antrifft, wenn ihn nicht ſchon früher Hunger und Durſt tödten! Dieſe Wild-
bahnen benutzen die Tapire, ſolange ſie nicht geſtört werden; in der Angſt hingegen brechen ſie ohne
weiteres durch das ärgſte Dickicht, Alles unwiderſtehlich vor ſich niederreißend, was ihnen im
Wege ſteht.
Die Tapire ſind Dämmerungsthiere. „Wir haben,‟ ſagt Tſchudi, „monatelang die dichten
Urwälder, in denen Scharen der Tapire leben, durchſtrichen, ohne je einen im Laufe des Tages zu
ſehen. Sie ſcheinen ſich dann nur im dichten Gebüſch, an den kühlen, ſchattigen Plätzen aufzuhal-
ten, am liebſten in der Nähe von ſtehendem Waſſer, in welchem ſie ſich gern wälzen.‟ Jn gänzlich
ungeſtörten und ſehr dunkeln Wäldern hingegen ſtreifen, wie Prinz von Wied verſichert, die
Thiere auch bei Tage umher, und dieſe Angabe findet Unterſtützung in der Beobachtung des Betra-
gens der Gefangenen, welche ebenfalls nicht ſelten in den Tagesſtunden ſich erheben und eine Zeitlang
in ihrem Gehege umherlaufen. Jm Sonnenſchein freilich bewegen ſie ſich höchſt ungern, und während
der eigentlichen Mittagsſtunden ſuchen ſie ſtets im Schatten des Dickichts Schutz gegen die erſchlaffende
Hitze und noch mehr gegen die ſie in hohem Grade peinigenden Mücken. „Wenn man,‟ ſagt der
Prinz, „am frühen Morgen oder am Abend leiſe und ohne Geräuſch die Flüſſe beſchifft, bekommt
man häufig Tapire zu ſehen, wie ſie ſich baden, um ſich zu kühlen oder um ſich vor den Stechfliegen
zu ſchützen. Wirklich weiß kein Thier ſich beſſer gegen dieſe läſtigen Gäſte zu ſchützen, als der Tapir;
denn eine jede Schlammpfütze, ein jeder Bach oder Teich wird von ihm aus dieſer Urſache aufgeſucht
und benutzt. Daher findet man auch oft ſeine Haut mit Erde und Schlamm bedeckt, wenn er erlegt
wird.‟ Tſchudi behauptet, daß die Farbenabänderung, welche man ſo häufig bemerkt, von dieſer
Gewohnheit des Thieres herrühre, da ſie auf weiter Nichts beruhe, als auf der größeren oder ge-
ringeren Menge von Erde, welche ihm beim Wälzen im Schlamm und Sande die Haut verunreini-
gen. Gegen Abend gehen die Tapire ihrer Nahrung nach, und wahrſcheinlich ſind ſie während der
Nacht fortwährend in Bewegung. Sie zeigen alſo in ihrer Lebensweiſe große Aehnlichkeit mit unſerem
Wildſchwein. Doch halten ſie ſich nicht in ſo ſtarken Rudeln, wie dieſes, ſondern leben nach Art des
Nashorns mehr einzeln. Namentlich die Männchen ſollen ein einſiedleriſches Leben führen, ſich blos
zur Paarungszeit zu dem Weibchen geſellen, ſonſt aber ihre eigenen Wege gehen. Familien trifft man
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/754>, abgerufen am 23.11.2024.
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