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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Elefanten.

"Jm allgemeinen kann die Gegenwart der zahmen Elefanten nach zwei Monaten entbehrt
und der eingefangene darf dann vom Cornac allein geritten werden; nach drei bis vier Mo-
naten läßt er sich zur Arbeit verwenden; nur darf man ihn nicht zu zeitig dazu bringen, da es
oft vorgekommen ist, daß ein werthvolles Thier beim ersten Mal Anschirren sich niedergelegt hat und
gestorben ist, die Einwohner sagen "am gebrochenen Herzen gestorben ist", jedenfalls ohne daß irgend
eine Ursache nachgewiesen werden könnte. Gewöhnlich läßt man den Elefanten Lehm tragen oder ihn
in Gemeinschaft mit einem zahmen einen Wagen ziehen. Am schätzbarsten wird er jedoch durch
Herbeischaffung schwerer Baustoffe, Balken oder Steine, wobei er Einsicht und Geschick in hohem
Grade beweist und stundenlang ohne irgend einen Wink seines Aufsehers arbeitet; indeß läßt sein
Eifer nach, wenn er sich unbeobachtet glaubt."

Was man von der Vorliebe des Elefauten für eine einmal angenommene Ordnung der Zeit
oder seiner Arbeitsweise oft behauptet hat, ist nach Tennent's Beobachtungen ungenau. Er ist
auch in dieser Beziehung so gefügig, wie etwa ein Pferd. Sein Gehorsam gegen seinen Treiber
gründet sich sowohl auf Furcht, als auf Liebe, und obschon er dem einen oft sehr zugethan ist, ge-
wöhnt er sich doch auch leicht an einen anderen, falls dieser ihn nur ebenso freundlich behandelt, wie
der frühere. Die Stimme des Führers reicht hin, den Elefanten in seinen Verrichtungen zu leiten.
Wenn zwei eine gemeinsame Arbeit verrichten sollen, lassen sich ihre Bewegungen leicht durch eine Art
Gesang in Einklang bringen.

Die größte Probe seines Gehorsams legt der Elefant ab, wenn er auf Geheiß seines Wärters
die ekelhaften Arzneien der Elefantenärzte verschluckt, oder wenn er schmerzvolle chirurgische Verrich-
tungen an sich vornehmen lassen muß.

Als Lastthier muß der Elefant zart behandelt sein, denn seine Haut ist äußerst empfindlich
und Eiterungen und dergleichen ausgesetzt. Ebenso bekommt er leicht böse Füße und ist dann
monatelang nicht zu brauchen. Auch von Augenentzündungen ist er häufig heimgesucht, und gerade
in dieser Beziehung leisten die Elefantenärzte wirklich soviel, daß sie seit den Zeiten der alten Grie-
chen berühmt geworden sind. An der Viehseuche leiden wilde und zahme Elefanten gleich stark.

Von 240 Elefanten, welche der Regierung von Ceylon gehörten und zwischen 1831 bis
1856 starben, war bei 138 die Dauer ihrer Gefangenschaft aufgezeichnet worden. Jm ersten
Jahre derselben starben 72 (29 männliche und 43 weibliche), zwischen dem ersten und zweiten Jahre
5 männliche und 9 weibliche. Die längste Dauer der Gefangenschaft zeigte sich bei einem Weibchen,
welches fast 20 Jahre aushielt. Von 72, welche im ersten Jahre ihres Dienstes starben, ver-
schieden 35 innerhalb der ersten sechs Monate ihrer Gefangenschaft, darunter viele in der unerklär-
lichen Weise, die wir oben andeuteten: nämlich, daß sie sich plötzlich hinlegten und verschieden.
Negelmäßiges Baden scheint ihnen sehr zuträglich zu sein; ebenso ist es gut für sie, wenn sie mit den
Füßen im Wasser oder in feuchter Erde stehen.

Die alte Angabe, daß der Elefaut ein Alter von 200 bis 300 Jahren erreiche, wird durch ein-
zelne Beispiele auf Ceylon allerdings bestätigt, wo einzelne in der Gefangenschaft länger als 140
Jahre zugebracht haben. Jndeß glaubt man jetzt, daß ihre eigentliche Lebensdauer etwa 70 Jahre
betrage. Der Glaube an ihr fast unbegrenztes Alter kommt jedenfalls daher, daß der Leichnam
selten oder nie in den Wäldern gefunden wird. Nur nach einer verheerenden Seuche fanden sich
solche vor. Ein Europäer, der 36 Jahre lang ununterbrochen in dem Dschungel gelebt und die
Elefanten fleißig beobachtet hat, pflegte oft seine Verwunderung auszusprechen, daß er, der doch
viele Tausende lebendiger Elefanten gesehen, noch nie das Geripp eines einzigen todten gefunden
habe, ausgenommen solche, die durch eine Krankheit gefallen waren. Diese Bemerkung gilt
übrigens nur von den Elefanten auf Ceylon; denn in Afrika werden die Gebeine der in den Hölzern
gestorbenen Elefanten häufig gefunden. Der Eingeborene in Ceylon glaubt, daß jede Elefanten-
herde ihre Todten begrabe. Außerdem behauptet er auch, daß der Elefant, der seinen Tod heran-

Die Elefanten.

„Jm allgemeinen kann die Gegenwart der zahmen Elefanten nach zwei Monaten entbehrt
und der eingefangene darf dann vom Cornac allein geritten werden; nach drei bis vier Mo-
naten läßt er ſich zur Arbeit verwenden; nur darf man ihn nicht zu zeitig dazu bringen, da es
oft vorgekommen iſt, daß ein werthvolles Thier beim erſten Mal Anſchirren ſich niedergelegt hat und
geſtorben iſt, die Einwohner ſagen „am gebrochenen Herzen geſtorben iſt‟, jedenfalls ohne daß irgend
eine Urſache nachgewieſen werden könnte. Gewöhnlich läßt man den Elefanten Lehm tragen oder ihn
in Gemeinſchaft mit einem zahmen einen Wagen ziehen. Am ſchätzbarſten wird er jedoch durch
Herbeiſchaffung ſchwerer Bauſtoffe, Balken oder Steine, wobei er Einſicht und Geſchick in hohem
Grade beweiſt und ſtundenlang ohne irgend einen Wink ſeines Aufſehers arbeitet; indeß läßt ſein
Eifer nach, wenn er ſich unbeobachtet glaubt.‟

Was man von der Vorliebe des Elefauten für eine einmal angenommene Ordnung der Zeit
oder ſeiner Arbeitsweiſe oft behauptet hat, iſt nach Tennent’s Beobachtungen ungenau. Er iſt
auch in dieſer Beziehung ſo gefügig, wie etwa ein Pferd. Sein Gehorſam gegen ſeinen Treiber
gründet ſich ſowohl auf Furcht, als auf Liebe, und obſchon er dem einen oft ſehr zugethan iſt, ge-
wöhnt er ſich doch auch leicht an einen anderen, falls dieſer ihn nur ebenſo freundlich behandelt, wie
der frühere. Die Stimme des Führers reicht hin, den Elefanten in ſeinen Verrichtungen zu leiten.
Wenn zwei eine gemeinſame Arbeit verrichten ſollen, laſſen ſich ihre Bewegungen leicht durch eine Art
Geſang in Einklang bringen.

Die größte Probe ſeines Gehorſams legt der Elefant ab, wenn er auf Geheiß ſeines Wärters
die ekelhaften Arzneien der Elefantenärzte verſchluckt, oder wenn er ſchmerzvolle chirurgiſche Verrich-
tungen an ſich vornehmen laſſen muß.

Als Laſtthier muß der Elefant zart behandelt ſein, denn ſeine Haut iſt äußerſt empfindlich
und Eiterungen und dergleichen ausgeſetzt. Ebenſo bekommt er leicht böſe Füße und iſt dann
monatelang nicht zu brauchen. Auch von Augenentzündungen iſt er häufig heimgeſucht, und gerade
in dieſer Beziehung leiſten die Elefantenärzte wirklich ſoviel, daß ſie ſeit den Zeiten der alten Grie-
chen berühmt geworden ſind. An der Viehſeuche leiden wilde und zahme Elefanten gleich ſtark.

Von 240 Elefanten, welche der Regierung von Ceylon gehörten und zwiſchen 1831 bis
1856 ſtarben, war bei 138 die Dauer ihrer Gefangenſchaft aufgezeichnet worden. Jm erſten
Jahre derſelben ſtarben 72 (29 männliche und 43 weibliche), zwiſchen dem erſten und zweiten Jahre
5 männliche und 9 weibliche. Die längſte Dauer der Gefangenſchaft zeigte ſich bei einem Weibchen,
welches faſt 20 Jahre aushielt. Von 72, welche im erſten Jahre ihres Dienſtes ſtarben, ver-
ſchieden 35 innerhalb der erſten ſechs Monate ihrer Gefangenſchaft, darunter viele in der unerklär-
lichen Weiſe, die wir oben andeuteten: nämlich, daß ſie ſich plötzlich hinlegten und verſchieden.
Negelmäßiges Baden ſcheint ihnen ſehr zuträglich zu ſein; ebenſo iſt es gut für ſie, wenn ſie mit den
Füßen im Waſſer oder in feuchter Erde ſtehen.

Die alte Angabe, daß der Elefaut ein Alter von 200 bis 300 Jahren erreiche, wird durch ein-
zelne Beiſpiele auf Ceylon allerdings beſtätigt, wo einzelne in der Gefangenſchaft länger als 140
Jahre zugebracht haben. Jndeß glaubt man jetzt, daß ihre eigentliche Lebensdauer etwa 70 Jahre
betrage. Der Glaube an ihr faſt unbegrenztes Alter kommt jedenfalls daher, daß der Leichnam
ſelten oder nie in den Wäldern gefunden wird. Nur nach einer verheerenden Seuche fanden ſich
ſolche vor. Ein Europäer, der 36 Jahre lang ununterbrochen in dem Dſchungel gelebt und die
Elefanten fleißig beobachtet hat, pflegte oft ſeine Verwunderung auszuſprechen, daß er, der doch
viele Tauſende lebendiger Elefanten geſehen, noch nie das Geripp eines einzigen todten gefunden
habe, ausgenommen ſolche, die durch eine Krankheit gefallen waren. Dieſe Bemerkung gilt
übrigens nur von den Elefanten auf Ceylon; denn in Afrika werden die Gebeine der in den Hölzern
geſtorbenen Elefanten häufig gefunden. Der Eingeborene in Ceylon glaubt, daß jede Elefanten-
herde ihre Todten begrabe. Außerdem behauptet er auch, daß der Elefant, der ſeinen Tod heran-

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[709/0747] Die Elefanten. „Jm allgemeinen kann die Gegenwart der zahmen Elefanten nach zwei Monaten entbehrt und der eingefangene darf dann vom Cornac allein geritten werden; nach drei bis vier Mo- naten läßt er ſich zur Arbeit verwenden; nur darf man ihn nicht zu zeitig dazu bringen, da es oft vorgekommen iſt, daß ein werthvolles Thier beim erſten Mal Anſchirren ſich niedergelegt hat und geſtorben iſt, die Einwohner ſagen „am gebrochenen Herzen geſtorben iſt‟, jedenfalls ohne daß irgend eine Urſache nachgewieſen werden könnte. Gewöhnlich läßt man den Elefanten Lehm tragen oder ihn in Gemeinſchaft mit einem zahmen einen Wagen ziehen. Am ſchätzbarſten wird er jedoch durch Herbeiſchaffung ſchwerer Bauſtoffe, Balken oder Steine, wobei er Einſicht und Geſchick in hohem Grade beweiſt und ſtundenlang ohne irgend einen Wink ſeines Aufſehers arbeitet; indeß läßt ſein Eifer nach, wenn er ſich unbeobachtet glaubt.‟ Was man von der Vorliebe des Elefauten für eine einmal angenommene Ordnung der Zeit oder ſeiner Arbeitsweiſe oft behauptet hat, iſt nach Tennent’s Beobachtungen ungenau. Er iſt auch in dieſer Beziehung ſo gefügig, wie etwa ein Pferd. Sein Gehorſam gegen ſeinen Treiber gründet ſich ſowohl auf Furcht, als auf Liebe, und obſchon er dem einen oft ſehr zugethan iſt, ge- wöhnt er ſich doch auch leicht an einen anderen, falls dieſer ihn nur ebenſo freundlich behandelt, wie der frühere. Die Stimme des Führers reicht hin, den Elefanten in ſeinen Verrichtungen zu leiten. Wenn zwei eine gemeinſame Arbeit verrichten ſollen, laſſen ſich ihre Bewegungen leicht durch eine Art Geſang in Einklang bringen. Die größte Probe ſeines Gehorſams legt der Elefant ab, wenn er auf Geheiß ſeines Wärters die ekelhaften Arzneien der Elefantenärzte verſchluckt, oder wenn er ſchmerzvolle chirurgiſche Verrich- tungen an ſich vornehmen laſſen muß. Als Laſtthier muß der Elefant zart behandelt ſein, denn ſeine Haut iſt äußerſt empfindlich und Eiterungen und dergleichen ausgeſetzt. Ebenſo bekommt er leicht böſe Füße und iſt dann monatelang nicht zu brauchen. Auch von Augenentzündungen iſt er häufig heimgeſucht, und gerade in dieſer Beziehung leiſten die Elefantenärzte wirklich ſoviel, daß ſie ſeit den Zeiten der alten Grie- chen berühmt geworden ſind. An der Viehſeuche leiden wilde und zahme Elefanten gleich ſtark. Von 240 Elefanten, welche der Regierung von Ceylon gehörten und zwiſchen 1831 bis 1856 ſtarben, war bei 138 die Dauer ihrer Gefangenſchaft aufgezeichnet worden. Jm erſten Jahre derſelben ſtarben 72 (29 männliche und 43 weibliche), zwiſchen dem erſten und zweiten Jahre 5 männliche und 9 weibliche. Die längſte Dauer der Gefangenſchaft zeigte ſich bei einem Weibchen, welches faſt 20 Jahre aushielt. Von 72, welche im erſten Jahre ihres Dienſtes ſtarben, ver- ſchieden 35 innerhalb der erſten ſechs Monate ihrer Gefangenſchaft, darunter viele in der unerklär- lichen Weiſe, die wir oben andeuteten: nämlich, daß ſie ſich plötzlich hinlegten und verſchieden. Negelmäßiges Baden ſcheint ihnen ſehr zuträglich zu ſein; ebenſo iſt es gut für ſie, wenn ſie mit den Füßen im Waſſer oder in feuchter Erde ſtehen. Die alte Angabe, daß der Elefaut ein Alter von 200 bis 300 Jahren erreiche, wird durch ein- zelne Beiſpiele auf Ceylon allerdings beſtätigt, wo einzelne in der Gefangenſchaft länger als 140 Jahre zugebracht haben. Jndeß glaubt man jetzt, daß ihre eigentliche Lebensdauer etwa 70 Jahre betrage. Der Glaube an ihr faſt unbegrenztes Alter kommt jedenfalls daher, daß der Leichnam ſelten oder nie in den Wäldern gefunden wird. Nur nach einer verheerenden Seuche fanden ſich ſolche vor. Ein Europäer, der 36 Jahre lang ununterbrochen in dem Dſchungel gelebt und die Elefanten fleißig beobachtet hat, pflegte oft ſeine Verwunderung auszuſprechen, daß er, der doch viele Tauſende lebendiger Elefanten geſehen, noch nie das Geripp eines einzigen todten gefunden habe, ausgenommen ſolche, die durch eine Krankheit gefallen waren. Dieſe Bemerkung gilt übrigens nur von den Elefanten auf Ceylon; denn in Afrika werden die Gebeine der in den Hölzern geſtorbenen Elefanten häufig gefunden. Der Eingeborene in Ceylon glaubt, daß jede Elefanten- herde ihre Todten begrabe. Außerdem behauptet er auch, daß der Elefant, der ſeinen Tod heran-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/747>, abgerufen am 23.11.2024.