an, und während sie den Gefangenen von der Herde abzog, stellte sich der andere zahme zwischen Siribeddi und die Herde, um jede Einmischung zu verhindern."
"Nun war der Gefangene aber an einem Baum festzumachen und mußte deswegen 30 oder 40 Ellen weit rückwärts gezogen werden, während er doch wüthend widerstand, unablässig voll Entsetzen brüllte, nach allen Seiten hinsprang und die kleineren Bäume wie Schilf zertrat. Siribeddi zog ihn stetig nach sich, und wand das Seil um den geeigneten Baum, wobei sie es fortwährend in voller Spannung erhielt. Schließlich schritt sie behutsam über das Seil hinweg, um es ein zweites Mal um den Stamm zu wickeln, wobei sie denn natürlich zwischen dem Baum und den Elefanten durch- zugehen hatte. Es war ihr jedoch nicht möglich, den Gefangenen dicht an den Baum zu fesseln, was indeß nöthig war. Der zweite zahme aber, der die Schwierigkeit bemerkte, kam ihr zu Hilfe, und Schulter an Schulter, Kopf an Kopf drängte er den Gefangenen rückwärts, während Siribeddi bei jedem seiner Schritte das schlaff gewordene Seil anzog, bis er richtig am Fuße des Baumes fest stand. Dann wurde er von dem Fänger fest gemacht. Eine zweite Schlinge wurde nunmehr um das andere Hinterbein gelegt, und so wie die erste am Baume befestigt. Endlich wurden beide Beine mit geschmeidigeren Stricken zusammengefesselt, um die Wunden und die Eiterung weniger gefährlich zu machen."
"Wiederum stellten sich nun die beiden Fängerelefanten neben den Gefangenen wie zuvor, so daß Raughanie unter ihrem Leibe hervor seine Schlingen auch um die beiden Vorderfüße des wilden befestigen konnte. Nachdem er dann auch diese Seile an einen hervorstehenden Baum gebunden hatte, war der Fang vollständig, und die zahmen Elefanten und die Wärter verließen ihr Opfer, um es mit einem anderen Gliede der Herde zu versuchen. Solange die beiden zahmen neben ihm ge- standen hatten, blieb das arme Thier verhältnißmäßig ruhig und fast widerstandslos unter seinen Leiden. Aber den Augenblick, wo sie weggingen und es ganz allein gelassen war, begann es die erstaunlichsten Anstrengungen, um sich frei zu machen und wieder zu seinen Gefährten zu kommen. Es befühlte die Stricke mit seinem Rüssel und versuchte die unzähligen Knoten aufzuknüpfen; es zog nach hinten, um seine Vorderfüße zu befreien; dann lehnte es sich vorwärts, um die Hinterbeine los zu bekommen, so daß jeder Ast des großen Baumes erzitterte. Es kreischte in seiner Angst und erhob den Rüssel hoch in die Luft, dann legte es sich seitwärts mit dem Kopfe auf den Boden und preßte seinen zusammengebogenen Rüssel, als ob es ihn in die Erde stoßen wollte. Dann sprang es plötzlich wieder auf und erhob sich auf Kopf und Vorderbeinen frei in die Höhe. Dieses traurige Schauspiel währte mehrere Stunden. Es hielt mitunter in offenbarem Hinbrüten inne, erneuerte dann plötzlich die Anstrengungen; nur zuletzt aber gab es ihn hoffnungslos auf und stand dann voll- kommen regungslos, ein Bild der Erschöpfung und Verzweiflung. Unterdessen stellte sich Raughanie vor der Schaubühne des Statthalters auf, um die gewohnte Belohnung für das Fesseln des ersten Elefanten in Empfang zu nehmen. Ein Platzregen von Rupien belohnte ihn, und er ging aufs neue an sein gefährliches Amt."
"Die Herde stand in einer gedrängten Masse mürrisch und unruhig. Mitunter trieb den einen oder den anderen die Ungeduld, ein paar Schritte zu thun und Umschau zu halten; dann folgten die anderen, erst langsam, dann schneller, und zuletzt stürmte die ganze Herde wüthend zum erneuten Angriff auf das Pfahlwerk. Diese erfolglosen Angriffe waren eben so großartig, wie lächerlich; die Anstrengung der riesigen Kraft ihrer gewaltigen Glieder, gepaart mit dem fast lächerlichen Wackeln ihres schwerfälligen Schrittes und der Wuth ihrer anscheinend unwiderstehlichen Angriffe verwandelte sich einen Augenblick später in einen furchtsamen Rückzug. Sie stürzten wie toll die Einfriedigung hinunter, den Rücken gekrümmt, den Schwanz erhoben, die Ohren ausgebreitet, den Rüssel hoch über den Kopf erhoben, schrillend, trompetend und kreischend: -- und wenn ein Schritt mehr das Pfahlwerk zu Trümmern zerschmettert haben würde, da blieben sie plötzlich vor einigen weißen Stäbchen stehen, die ihnen durch das Gitter entgegengehalten wurden! Und wenn sie dann das verhöhnende Geschrei der Menge draußen vernahmen, verschwanden sie, vollständig
Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Elefanten.
an, und während ſie den Gefangenen von der Herde abzog, ſtellte ſich der andere zahme zwiſchen Siribeddi und die Herde, um jede Einmiſchung zu verhindern.‟
„Nun war der Gefangene aber an einem Baum feſtzumachen und mußte deswegen 30 oder 40 Ellen weit rückwärts gezogen werden, während er doch wüthend widerſtand, unabläſſig voll Entſetzen brüllte, nach allen Seiten hinſprang und die kleineren Bäume wie Schilf zertrat. Siribeddi zog ihn ſtetig nach ſich, und wand das Seil um den geeigneten Baum, wobei ſie es fortwährend in voller Spannung erhielt. Schließlich ſchritt ſie behutſam über das Seil hinweg, um es ein zweites Mal um den Stamm zu wickeln, wobei ſie denn natürlich zwiſchen dem Baum und den Elefanten durch- zugehen hatte. Es war ihr jedoch nicht möglich, den Gefangenen dicht an den Baum zu feſſeln, was indeß nöthig war. Der zweite zahme aber, der die Schwierigkeit bemerkte, kam ihr zu Hilfe, und Schulter an Schulter, Kopf an Kopf drängte er den Gefangenen rückwärts, während Siribeddi bei jedem ſeiner Schritte das ſchlaff gewordene Seil anzog, bis er richtig am Fuße des Baumes feſt ſtand. Dann wurde er von dem Fänger feſt gemacht. Eine zweite Schlinge wurde nunmehr um das andere Hinterbein gelegt, und ſo wie die erſte am Baume befeſtigt. Endlich wurden beide Beine mit geſchmeidigeren Stricken zuſammengefeſſelt, um die Wunden und die Eiterung weniger gefährlich zu machen.‟
„Wiederum ſtellten ſich nun die beiden Fängerelefanten neben den Gefangenen wie zuvor, ſo daß Raughanie unter ihrem Leibe hervor ſeine Schlingen auch um die beiden Vorderfüße des wilden befeſtigen konnte. Nachdem er dann auch dieſe Seile an einen hervorſtehenden Baum gebunden hatte, war der Fang vollſtändig, und die zahmen Elefanten und die Wärter verließen ihr Opfer, um es mit einem anderen Gliede der Herde zu verſuchen. Solange die beiden zahmen neben ihm ge- ſtanden hatten, blieb das arme Thier verhältnißmäßig ruhig und faſt widerſtandslos unter ſeinen Leiden. Aber den Augenblick, wo ſie weggingen und es ganz allein gelaſſen war, begann es die erſtaunlichſten Anſtrengungen, um ſich frei zu machen und wieder zu ſeinen Gefährten zu kommen. Es befühlte die Stricke mit ſeinem Rüſſel und verſuchte die unzähligen Knoten aufzuknüpfen; es zog nach hinten, um ſeine Vorderfüße zu befreien; dann lehnte es ſich vorwärts, um die Hinterbeine los zu bekommen, ſo daß jeder Aſt des großen Baumes erzitterte. Es kreiſchte in ſeiner Angſt und erhob den Rüſſel hoch in die Luft, dann legte es ſich ſeitwärts mit dem Kopfe auf den Boden und preßte ſeinen zuſammengebogenen Rüſſel, als ob es ihn in die Erde ſtoßen wollte. Dann ſprang es plötzlich wieder auf und erhob ſich auf Kopf und Vorderbeinen frei in die Höhe. Dieſes traurige Schauſpiel währte mehrere Stunden. Es hielt mitunter in offenbarem Hinbrüten inne, erneuerte dann plötzlich die Anſtrengungen; nur zuletzt aber gab es ihn hoffnungslos auf und ſtand dann voll- kommen regungslos, ein Bild der Erſchöpfung und Verzweiflung. Unterdeſſen ſtellte ſich Raughanie vor der Schaubühne des Statthalters auf, um die gewohnte Belohnung für das Feſſeln des erſten Elefanten in Empfang zu nehmen. Ein Platzregen von Rupien belohnte ihn, und er ging aufs neue an ſein gefährliches Amt.‟
„Die Herde ſtand in einer gedrängten Maſſe mürriſch und unruhig. Mitunter trieb den einen oder den anderen die Ungeduld, ein paar Schritte zu thun und Umſchau zu halten; dann folgten die anderen, erſt langſam, dann ſchneller, und zuletzt ſtürmte die ganze Herde wüthend zum erneuten Angriff auf das Pfahlwerk. Dieſe erfolgloſen Angriffe waren eben ſo großartig, wie lächerlich; die Anſtrengung der rieſigen Kraft ihrer gewaltigen Glieder, gepaart mit dem faſt lächerlichen Wackeln ihres ſchwerfälligen Schrittes und der Wuth ihrer anſcheinend unwiderſtehlichen Angriffe verwandelte ſich einen Augenblick ſpäter in einen furchtſamen Rückzug. Sie ſtürzten wie toll die Einfriedigung hinunter, den Rücken gekrümmt, den Schwanz erhoben, die Ohren ausgebreitet, den Rüſſel hoch über den Kopf erhoben, ſchrillend, trompetend und kreiſchend: — und wenn ein Schritt mehr das Pfahlwerk zu Trümmern zerſchmettert haben würde, da blieben ſie plötzlich vor einigen weißen Stäbchen ſtehen, die ihnen durch das Gitter entgegengehalten wurden! Und wenn ſie dann das verhöhnende Geſchrei der Menge draußen vernahmen, verſchwanden ſie, vollſtändig
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[704/0742]
Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Elefanten.
an, und während ſie den Gefangenen von der Herde abzog, ſtellte ſich der andere zahme zwiſchen
Siribeddi und die Herde, um jede Einmiſchung zu verhindern.‟
„Nun war der Gefangene aber an einem Baum feſtzumachen und mußte deswegen 30 oder 40
Ellen weit rückwärts gezogen werden, während er doch wüthend widerſtand, unabläſſig voll Entſetzen
brüllte, nach allen Seiten hinſprang und die kleineren Bäume wie Schilf zertrat. Siribeddi zog ihn
ſtetig nach ſich, und wand das Seil um den geeigneten Baum, wobei ſie es fortwährend in voller
Spannung erhielt. Schließlich ſchritt ſie behutſam über das Seil hinweg, um es ein zweites Mal
um den Stamm zu wickeln, wobei ſie denn natürlich zwiſchen dem Baum und den Elefanten durch-
zugehen hatte. Es war ihr jedoch nicht möglich, den Gefangenen dicht an den Baum zu feſſeln, was
indeß nöthig war. Der zweite zahme aber, der die Schwierigkeit bemerkte, kam ihr zu Hilfe, und
Schulter an Schulter, Kopf an Kopf drängte er den Gefangenen rückwärts, während Siribeddi
bei jedem ſeiner Schritte das ſchlaff gewordene Seil anzog, bis er richtig am Fuße des Baumes feſt
ſtand. Dann wurde er von dem Fänger feſt gemacht. Eine zweite Schlinge wurde nunmehr um das
andere Hinterbein gelegt, und ſo wie die erſte am Baume befeſtigt. Endlich wurden beide Beine mit
geſchmeidigeren Stricken zuſammengefeſſelt, um die Wunden und die Eiterung weniger gefährlich zu
machen.‟
„Wiederum ſtellten ſich nun die beiden Fängerelefanten neben den Gefangenen wie zuvor, ſo daß
Raughanie unter ihrem Leibe hervor ſeine Schlingen auch um die beiden Vorderfüße des wilden
befeſtigen konnte. Nachdem er dann auch dieſe Seile an einen hervorſtehenden Baum gebunden hatte,
war der Fang vollſtändig, und die zahmen Elefanten und die Wärter verließen ihr Opfer, um es
mit einem anderen Gliede der Herde zu verſuchen. Solange die beiden zahmen neben ihm ge-
ſtanden hatten, blieb das arme Thier verhältnißmäßig ruhig und faſt widerſtandslos unter ſeinen
Leiden. Aber den Augenblick, wo ſie weggingen und es ganz allein gelaſſen war, begann es die
erſtaunlichſten Anſtrengungen, um ſich frei zu machen und wieder zu ſeinen Gefährten zu kommen.
Es befühlte die Stricke mit ſeinem Rüſſel und verſuchte die unzähligen Knoten aufzuknüpfen; es zog
nach hinten, um ſeine Vorderfüße zu befreien; dann lehnte es ſich vorwärts, um die Hinterbeine los
zu bekommen, ſo daß jeder Aſt des großen Baumes erzitterte. Es kreiſchte in ſeiner Angſt und
erhob den Rüſſel hoch in die Luft, dann legte es ſich ſeitwärts mit dem Kopfe auf den Boden und
preßte ſeinen zuſammengebogenen Rüſſel, als ob es ihn in die Erde ſtoßen wollte. Dann ſprang es
plötzlich wieder auf und erhob ſich auf Kopf und Vorderbeinen frei in die Höhe. Dieſes traurige
Schauſpiel währte mehrere Stunden. Es hielt mitunter in offenbarem Hinbrüten inne, erneuerte
dann plötzlich die Anſtrengungen; nur zuletzt aber gab es ihn hoffnungslos auf und ſtand dann voll-
kommen regungslos, ein Bild der Erſchöpfung und Verzweiflung. Unterdeſſen ſtellte ſich Raughanie
vor der Schaubühne des Statthalters auf, um die gewohnte Belohnung für das Feſſeln des erſten
Elefanten in Empfang zu nehmen. Ein Platzregen von Rupien belohnte ihn, und er ging aufs
neue an ſein gefährliches Amt.‟
„Die Herde ſtand in einer gedrängten Maſſe mürriſch und unruhig. Mitunter trieb den einen
oder den anderen die Ungeduld, ein paar Schritte zu thun und Umſchau zu halten; dann folgten die
anderen, erſt langſam, dann ſchneller, und zuletzt ſtürmte die ganze Herde wüthend zum erneuten
Angriff auf das Pfahlwerk. Dieſe erfolgloſen Angriffe waren eben ſo großartig, wie lächerlich;
die Anſtrengung der rieſigen Kraft ihrer gewaltigen Glieder, gepaart mit dem faſt lächerlichen
Wackeln ihres ſchwerfälligen Schrittes und der Wuth ihrer anſcheinend unwiderſtehlichen Angriffe
verwandelte ſich einen Augenblick ſpäter in einen furchtſamen Rückzug. Sie ſtürzten wie toll die
Einfriedigung hinunter, den Rücken gekrümmt, den Schwanz erhoben, die Ohren ausgebreitet, den
Rüſſel hoch über den Kopf erhoben, ſchrillend, trompetend und kreiſchend: — und wenn ein
Schritt mehr das Pfahlwerk zu Trümmern zerſchmettert haben würde, da blieben ſie plötzlich vor
einigen weißen Stäbchen ſtehen, die ihnen durch das Gitter entgegengehalten wurden! Und wenn
ſie dann das verhöhnende Geſchrei der Menge draußen vernahmen, verſchwanden ſie, vollſtändig
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 704. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/742>, abgerufen am 23.11.2024.
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