Corral Alles still und wachsam. Man ließ die Feuer ersterben, als die Sonne aufging. Die ab- gelösten Wächter schliefen nahe der großen Einzäunung; ringsum aber waren Haufen von Män- nern und Knaben mit Speren oder langen Ruthen, während die Elefanten drinnen in einer dicht gedrängten Gruppe zusammenstanden, nicht mehr ungestüm und stürmisch, sondern erschöpft und ruhig und gänzlich gebrochen durch Furcht und vor Erstaunen über Alles, was um sie herum vorge- gangen war. Nur ihrer neun waren bisjetzt gefangen, darunter drei sehr große und zwei kleine, nur ein paar Monate alte. Einer der großen war ein "Landstreicher"; der in keiner Verbindung mit der übrigen Herde stand, daher auch nicht in ihren Kreis gelassen wurde, sondern sich nur in ihrer Nähe aufstellte."
"Draußen schickte man sich nun an, die zahmen Elefanten in den Corral zu führen, damit diese die Gefangenen fest machen möchten. Die Schlingen waren bereit, und endlich zog man behutsam die Stämme weg, die den Eingang geschlossen, und zwei abgerichtete Elefanten gingen leise hinein, jeder von seinem Führer und einem Diener geritten und mit einem starken Halsband versehen, von welchem herab auf beiden Seiten Stricke von Antilopenhaut mit einer Schlinge hingen. Zugleich mit ihnen und hinter ihnen verborgen kam der Führer der Schlingenmänner hereingekrochen, begierig, sich die Ehre zu sichern, den ersten Elefanten fest zu machen. Es war ein behender, kleiner Mann, ungefähr siebzig Jahre alt, der sich in solchen Diensten bereits zwei silberne Spangen als Ehren- zeichen erworben hatte. Er wurde von seinem Sohne begleitet, welcher wegen seines Muthes und seiner Geschicklichkeit gleich berühmt war."
"Bei dieser Jagd waren zehn zahme Elefanten zur Verfügung. Zwei waren das Eigenthum eines nahen Tempels, und von diesen beiden war einer erst das Jahr vorher gefangen worden und dennoch jetzt schon zum Fang anderer fähig; vier gehörten benachbarten Häuptlingen, die übrigen waren aus den Ställen der Regierung, so auch die beiden, welche jetzt den Corral betraten."
"Einer von diesen letzteren war von ungemeinem Alter und bereits im Dienste der holländischen und der englischen Regierung seit mehr denn einem Jahrhundert. Der andere, Namens Siribeddi, war etwa funfzig Jahre alt und durch sanftes und gelehriges Wesen ausgezeichnet. Siribeddi war eine vollendete Sirene, und ein solcher Fang war nun ganz und gar nach ihrem Geschmacke. Ge- räuschlos betrat sie den Corral und ging langsam mit schlauem Blick, aber anscheinend sehr gleich- giltig vorwärts. Ganz gemüthlich schlenderte sie in der Richtung nach den Gefangenen hin und blieb hin und wieder stehen, um ein wenig Gras oder einige Blätter im Vorbeigehen zu pflücken. Als sie sich den eingeschlossenen wilden Elefanten näherte, kamen diese ihr entgegen, und ihr An- führer strich sie sanft mit seinem Rüssel über den Kopf, wandte sich dann um und ging langsam zu seinen niedergeschlagenen Gefährten zurück."
"Siribeddi folgte ihm mit demselben gleichgiltigen Schritte und stellte sich dicht hinter ihm auf, so daß der alte Mann unter ihr hinkriechen und seine Schlinge um den Hinterfuß des wilden Elefanten gleiten lassen konnte. Derselbe bemerkte augenblicklich seine Gefahr, schüttelte das Seil ab und wandte sich zum Angriff gegen den Mann. Dieser würde seine Keckheit schwer gebüßt haben, hätte nicht Siribeddi ihn mit ihrem Rüssel beschützt und den Angreifer in die Mitte der Herde getrieben. Der Alte war nur leicht verwundet und verließ den Corral, während sein Sohn Raughanie seine Stelle einnahm. Die Herde stellte sich wieder in einen Kreis mit den Köpfen in der Mitte zusammen. Zwei zahme Elefanten drängten sich keck zwischen sie und zwar so, daß sie das größte Männchen in die Mitte nahmen. Dieses leistete keinen Widerstand, zeigte aber doch sein Unbehagen dadurch an, daß es fortwährend einen Fuß um den anderen hob. Raughanie kroch jetzt herbei und hielt mit beiden Händen die Schleife offen, deren anderes Ende an Siribeddis Halsband befestigt war, und lauerte nun den Augenblick ab, wo der wilde Elefant seinen Hinterfuß erhob; endlich gelang es ihm, die Schlinge über das Bein zu bringen, er zog sie an und floh nun rückwärts. Die beiden zahmen Elefanten wichen augenblicklich zurück. Siribeddi spannte das Seil zur vollen Länge
Die Elefanten.
Corral Alles ſtill und wachſam. Man ließ die Feuer erſterben, als die Sonne aufging. Die ab- gelöſten Wächter ſchliefen nahe der großen Einzäunung; ringsum aber waren Haufen von Män- nern und Knaben mit Speren oder langen Ruthen, während die Elefanten drinnen in einer dicht gedrängten Gruppe zuſammenſtanden, nicht mehr ungeſtüm und ſtürmiſch, ſondern erſchöpft und ruhig und gänzlich gebrochen durch Furcht und vor Erſtaunen über Alles, was um ſie herum vorge- gangen war. Nur ihrer neun waren bisjetzt gefangen, darunter drei ſehr große und zwei kleine, nur ein paar Monate alte. Einer der großen war ein „Landſtreicher‟; der in keiner Verbindung mit der übrigen Herde ſtand, daher auch nicht in ihren Kreis gelaſſen wurde, ſondern ſich nur in ihrer Nähe aufſtellte.‟
„Draußen ſchickte man ſich nun an, die zahmen Elefanten in den Corral zu führen, damit dieſe die Gefangenen feſt machen möchten. Die Schlingen waren bereit, und endlich zog man behutſam die Stämme weg, die den Eingang geſchloſſen, und zwei abgerichtete Elefanten gingen leiſe hinein, jeder von ſeinem Führer und einem Diener geritten und mit einem ſtarken Halsband verſehen, von welchem herab auf beiden Seiten Stricke von Antilopenhaut mit einer Schlinge hingen. Zugleich mit ihnen und hinter ihnen verborgen kam der Führer der Schlingenmänner hereingekrochen, begierig, ſich die Ehre zu ſichern, den erſten Elefanten feſt zu machen. Es war ein behender, kleiner Mann, ungefähr ſiebzig Jahre alt, der ſich in ſolchen Dienſten bereits zwei ſilberne Spangen als Ehren- zeichen erworben hatte. Er wurde von ſeinem Sohne begleitet, welcher wegen ſeines Muthes und ſeiner Geſchicklichkeit gleich berühmt war.‟
„Bei dieſer Jagd waren zehn zahme Elefanten zur Verfügung. Zwei waren das Eigenthum eines nahen Tempels, und von dieſen beiden war einer erſt das Jahr vorher gefangen worden und dennoch jetzt ſchon zum Fang anderer fähig; vier gehörten benachbarten Häuptlingen, die übrigen waren aus den Ställen der Regierung, ſo auch die beiden, welche jetzt den Corral betraten.‟
„Einer von dieſen letzteren war von ungemeinem Alter und bereits im Dienſte der holländiſchen und der engliſchen Regierung ſeit mehr denn einem Jahrhundert. Der andere, Namens Siribeddi, war etwa funfzig Jahre alt und durch ſanftes und gelehriges Weſen ausgezeichnet. Siribeddi war eine vollendete Sirene, und ein ſolcher Fang war nun ganz und gar nach ihrem Geſchmacke. Ge- räuſchlos betrat ſie den Corral und ging langſam mit ſchlauem Blick, aber anſcheinend ſehr gleich- giltig vorwärts. Ganz gemüthlich ſchlenderte ſie in der Richtung nach den Gefangenen hin und blieb hin und wieder ſtehen, um ein wenig Gras oder einige Blätter im Vorbeigehen zu pflücken. Als ſie ſich den eingeſchloſſenen wilden Elefanten näherte, kamen dieſe ihr entgegen, und ihr An- führer ſtrich ſie ſanft mit ſeinem Rüſſel über den Kopf, wandte ſich dann um und ging langſam zu ſeinen niedergeſchlagenen Gefährten zurück.‟
„Siribeddi folgte ihm mit demſelben gleichgiltigen Schritte und ſtellte ſich dicht hinter ihm auf, ſo daß der alte Mann unter ihr hinkriechen und ſeine Schlinge um den Hinterfuß des wilden Elefanten gleiten laſſen konnte. Derſelbe bemerkte augenblicklich ſeine Gefahr, ſchüttelte das Seil ab und wandte ſich zum Angriff gegen den Mann. Dieſer würde ſeine Keckheit ſchwer gebüßt haben, hätte nicht Siribeddi ihn mit ihrem Rüſſel beſchützt und den Angreifer in die Mitte der Herde getrieben. Der Alte war nur leicht verwundet und verließ den Corral, während ſein Sohn Raughanie ſeine Stelle einnahm. Die Herde ſtellte ſich wieder in einen Kreis mit den Köpfen in der Mitte zuſammen. Zwei zahme Elefanten drängten ſich keck zwiſchen ſie und zwar ſo, daß ſie das größte Männchen in die Mitte nahmen. Dieſes leiſtete keinen Widerſtand, zeigte aber doch ſein Unbehagen dadurch an, daß es fortwährend einen Fuß um den anderen hob. Raughanie kroch jetzt herbei und hielt mit beiden Händen die Schleife offen, deren anderes Ende an Siribeddis Halsband befeſtigt war, und lauerte nun den Augenblick ab, wo der wilde Elefant ſeinen Hinterfuß erhob; endlich gelang es ihm, die Schlinge über das Bein zu bringen, er zog ſie an und floh nun rückwärts. Die beiden zahmen Elefanten wichen augenblicklich zurück. Siribeddi ſpannte das Seil zur vollen Länge
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[703/0741]
Die Elefanten.
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nern und Knaben mit Speren oder langen Ruthen, während die Elefanten drinnen in einer dicht
gedrängten Gruppe zuſammenſtanden, nicht mehr ungeſtüm und ſtürmiſch, ſondern erſchöpft und
ruhig und gänzlich gebrochen durch Furcht und vor Erſtaunen über Alles, was um ſie herum vorge-
gangen war. Nur ihrer neun waren bisjetzt gefangen, darunter drei ſehr große und zwei kleine, nur
ein paar Monate alte. Einer der großen war ein „Landſtreicher‟; der in keiner Verbindung mit der
übrigen Herde ſtand, daher auch nicht in ihren Kreis gelaſſen wurde, ſondern ſich nur in ihrer Nähe
aufſtellte.‟
„Draußen ſchickte man ſich nun an, die zahmen Elefanten in den Corral zu führen, damit dieſe
die Gefangenen feſt machen möchten. Die Schlingen waren bereit, und endlich zog man behutſam
die Stämme weg, die den Eingang geſchloſſen, und zwei abgerichtete Elefanten gingen leiſe hinein,
jeder von ſeinem Führer und einem Diener geritten und mit einem ſtarken Halsband verſehen, von
welchem herab auf beiden Seiten Stricke von Antilopenhaut mit einer Schlinge hingen. Zugleich mit
ihnen und hinter ihnen verborgen kam der Führer der Schlingenmänner hereingekrochen, begierig,
ſich die Ehre zu ſichern, den erſten Elefanten feſt zu machen. Es war ein behender, kleiner Mann,
ungefähr ſiebzig Jahre alt, der ſich in ſolchen Dienſten bereits zwei ſilberne Spangen als Ehren-
zeichen erworben hatte. Er wurde von ſeinem Sohne begleitet, welcher wegen ſeines Muthes und
ſeiner Geſchicklichkeit gleich berühmt war.‟
„Bei dieſer Jagd waren zehn zahme Elefanten zur Verfügung. Zwei waren das Eigenthum
eines nahen Tempels, und von dieſen beiden war einer erſt das Jahr vorher gefangen worden und
dennoch jetzt ſchon zum Fang anderer fähig; vier gehörten benachbarten Häuptlingen, die übrigen
waren aus den Ställen der Regierung, ſo auch die beiden, welche jetzt den Corral betraten.‟
„Einer von dieſen letzteren war von ungemeinem Alter und bereits im Dienſte der holländiſchen
und der engliſchen Regierung ſeit mehr denn einem Jahrhundert. Der andere, Namens Siribeddi,
war etwa funfzig Jahre alt und durch ſanftes und gelehriges Weſen ausgezeichnet. Siribeddi war
eine vollendete Sirene, und ein ſolcher Fang war nun ganz und gar nach ihrem Geſchmacke. Ge-
räuſchlos betrat ſie den Corral und ging langſam mit ſchlauem Blick, aber anſcheinend ſehr gleich-
giltig vorwärts. Ganz gemüthlich ſchlenderte ſie in der Richtung nach den Gefangenen hin und
blieb hin und wieder ſtehen, um ein wenig Gras oder einige Blätter im Vorbeigehen zu pflücken.
Als ſie ſich den eingeſchloſſenen wilden Elefanten näherte, kamen dieſe ihr entgegen, und ihr An-
führer ſtrich ſie ſanft mit ſeinem Rüſſel über den Kopf, wandte ſich dann um und ging langſam zu
ſeinen niedergeſchlagenen Gefährten zurück.‟
„Siribeddi folgte ihm mit demſelben gleichgiltigen Schritte und ſtellte ſich dicht hinter ihm
auf, ſo daß der alte Mann unter ihr hinkriechen und ſeine Schlinge um den Hinterfuß des wilden
Elefanten gleiten laſſen konnte. Derſelbe bemerkte augenblicklich ſeine Gefahr, ſchüttelte das Seil
ab und wandte ſich zum Angriff gegen den Mann. Dieſer würde ſeine Keckheit ſchwer gebüßt
haben, hätte nicht Siribeddi ihn mit ihrem Rüſſel beſchützt und den Angreifer in die Mitte der Herde
getrieben. Der Alte war nur leicht verwundet und verließ den Corral, während ſein Sohn
Raughanie ſeine Stelle einnahm. Die Herde ſtellte ſich wieder in einen Kreis mit den Köpfen in der
Mitte zuſammen. Zwei zahme Elefanten drängten ſich keck zwiſchen ſie und zwar ſo, daß ſie das größte
Männchen in die Mitte nahmen. Dieſes leiſtete keinen Widerſtand, zeigte aber doch ſein Unbehagen
dadurch an, daß es fortwährend einen Fuß um den anderen hob. Raughanie kroch jetzt herbei und
hielt mit beiden Händen die Schleife offen, deren anderes Ende an Siribeddis Halsband befeſtigt
war, und lauerte nun den Augenblick ab, wo der wilde Elefant ſeinen Hinterfuß erhob; endlich
gelang es ihm, die Schlinge über das Bein zu bringen, er zog ſie an und floh nun rückwärts. Die
beiden zahmen Elefanten wichen augenblicklich zurück. Siribeddi ſpannte das Seil zur vollen Länge
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/741>, abgerufen am 23.11.2024.
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