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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Elefanten.
Dann drehte er sich vorsichtig und leise um, und ging nach derselben Stelle des Waldes zurück, von
woher er gekommen war. Nach einer kleinen Weile erschien er wieder mit fünf anderen, mit denen
er wiederum ebenso vorsichtig, aber weniger lautlos als früher auf das Wasser losging. Die fünf
wurden von ihm als Wächter aufgestellt. Er kehrte in den Wald zurück und erschien nochmals, um-
geben von der ganzen Herde, von etwa achtzig bis hundert Stück, und diese führte er über die Blöße
mit solcher Stille, daß ich, trotz der Nähe, die Thiere sich nur bewegen sah, nicht aber sie sich auch
bewegen hörte. Jn der Mitte der Blöße blieb die Herde stehen. Er ging von neuem vor, verkehrte
mit den Wächtern, untersuchte Alles, überzeugte sich von vollständiger Sicherheit, kehrte zurück und
gab nun Befehl zum Vorrücken. Jn demselben Augenblick stürzte die Herde gegen das Wasser los
und warf sich ohne jede Scheu und ohne noch an Gefahr zu denken, mit aller Wollust in die Fluthen.
Von ihrer Schüchternheit und Furchtsamkeit war keine Spur mehr zu bemerken. Alle vertrauten ihrem
Führer so vollkommen, daß sie sich um gar Nichts mehr zu kümmern schienen."

"Nachdem die armen, durstigen Thiere den Teich eingenommen hatten und auch, als Letzter,
der Leitelefant, eingetreten war, überließen sie sich gleichsam frohlockend der Wonne, ihren Durst zu
stillen, sowie der Wohlthat des Bades. Niemals hatte ich eine solche Menge von thierischem Leben
in einem so engen Raume gesehen. Es wollte mir erscheinen, als tränken die Elefanten den ganzen
Teich trocken. Jch beobachtete sie mit der größten Theilnahme, bis sie sich mit Trinken und Baden
Genüge gethan hatten. Dann versuchte ich, welche Wirkung ein unbedeutendes Geräusch auf sie
ausüben würde. Nur einen kleinen Zweig brauchte ich zu brechen und die ganze feste Masse kam
augenblicklich in Aufruhr und floh dahin, wie eine Herde aufgescheuchten Wildes in toller Hast
und Eile."

Mit ähnlicher Vorsicht gehen die Elefanten auf ihre Nahrung aus. Der Reichthum ihrer Wal-
dungen ist so groß, daß die edlen Thiere eigentlich niemals Mangel leiden, und weil sie beständig an
Oertlichkeiten leben, in welchen es Nahrung in Hülle und Fülle gibt, erscheinen sie auch weder
gefräßig, noch begierig. Sie brechen die Zweige von allen Bäumen, gleichsam als geschähe es zu ihrem
Vergnügen, fächeln sich mit ihnen, vertreiben die so gehaßten Fliegen und verzehren sie dann allge-
mach, nachdem sie dieselben einigermaßen zusammengebrochen haben. Aeste von Armstärke werden
noch ruhig mit hinabgeschlungen: in der 11/2 Fuß langen und 5 bis 6 Zoll dicken, 14 bis 16 Pfund
schweren, wurstartigen Losung fand ich Aststücke von 4 bis 5 Zoll Länge und 11/2 bis 2 Zoll im
Durchmesser. Niedrige Zweige, zumal solche, welche in Mundhöhe stehen, schieben sie mit dem
Rüssel bündel- oder buschweise ins Maul und beißen oder richtiger quetschen sie dann mit den Zähnen
ab. So geschändete Büsche geben ein sicheres Merkmal für den Jäger ab. Stärkere Aeste schälen sie
ganz oder theilweise, lassen aber das Holz liegen. Jn jeder Gegend gibt es Lieblingsbäume der Ele-
fanten: sie werden vor allen anderen heimgesucht. Jn Mittelafrika heißt ein Baum geradezu
"Elefantenbaum", weil er vor allen übrigen von den Thieren besucht und beweidet wird. Er ist
dornig, aber die Dornen sind weich und deshalb kein Hinderniß für den Gaumen des Elefanten,
welcher den härteren Stacheln der Mimosenzweige -- ein Lieblingsfutter des Kamels -- nicht ge-
wachsen zu sein scheint. Baumzweige werden von den Elefanten unter allen Umständen dem Grase
vorgezogen, obwohl letzteres auch nicht verschmäht wird. Kommt eine Elefantenherde auf einen mit
saftigem Gras bewachsenen Platz, so weidet sie davon, packt mit dem Rüssel einen hübschen Busch,
reißt ihn mit sammt den Wurzeln aus dem Boden, klopft diese Wurzeln gegen einen Baum, um sie
von der ihnen anhängenden Erde zu befreien und steckt sie sich dann einen nach dem anderen in den
Schlund. Auf den nächtlichen Weidegängen wird wohl auch ab und zu einmal ein Feld besucht, und
dann freilich thut die Herde in ihm großen Schaden. Aber schon das einfachste Scheusal oder die
leichteste Umzäunung genügt, um die Elefanten von den Feldern abzuhalten. Die Jndier lassen
zwischen ihren Pflanzungen breite Wege für die zur Tränke gehenden Elefanten, und umzäunen
ihre Felder mit leichten Rohrstäben; ein einziger Schlag mit dem gewaltigen Rüssel würde eine
ganze Wand dieser Pfähle niederwerfen, aber niemals kommt es vor, daß die Elefantenherde die

Die Elefanten.
Dann drehte er ſich vorſichtig und leiſe um, und ging nach derſelben Stelle des Waldes zurück, von
woher er gekommen war. Nach einer kleinen Weile erſchien er wieder mit fünf anderen, mit denen
er wiederum ebenſo vorſichtig, aber weniger lautlos als früher auf das Waſſer losging. Die fünf
wurden von ihm als Wächter aufgeſtellt. Er kehrte in den Wald zurück und erſchien nochmals, um-
geben von der ganzen Herde, von etwa achtzig bis hundert Stück, und dieſe führte er über die Blöße
mit ſolcher Stille, daß ich, trotz der Nähe, die Thiere ſich nur bewegen ſah, nicht aber ſie ſich auch
bewegen hörte. Jn der Mitte der Blöße blieb die Herde ſtehen. Er ging von neuem vor, verkehrte
mit den Wächtern, unterſuchte Alles, überzeugte ſich von vollſtändiger Sicherheit, kehrte zurück und
gab nun Befehl zum Vorrücken. Jn demſelben Augenblick ſtürzte die Herde gegen das Waſſer los
und warf ſich ohne jede Scheu und ohne noch an Gefahr zu denken, mit aller Wolluſt in die Fluthen.
Von ihrer Schüchternheit und Furchtſamkeit war keine Spur mehr zu bemerken. Alle vertrauten ihrem
Führer ſo vollkommen, daß ſie ſich um gar Nichts mehr zu kümmern ſchienen.‟

„Nachdem die armen, durſtigen Thiere den Teich eingenommen hatten und auch, als Letzter,
der Leitelefant, eingetreten war, überließen ſie ſich gleichſam frohlockend der Wonne, ihren Durſt zu
ſtillen, ſowie der Wohlthat des Bades. Niemals hatte ich eine ſolche Menge von thieriſchem Leben
in einem ſo engen Raume geſehen. Es wollte mir erſcheinen, als tränken die Elefanten den ganzen
Teich trocken. Jch beobachtete ſie mit der größten Theilnahme, bis ſie ſich mit Trinken und Baden
Genüge gethan hatten. Dann verſuchte ich, welche Wirkung ein unbedeutendes Geräuſch auf ſie
ausüben würde. Nur einen kleinen Zweig brauchte ich zu brechen und die ganze feſte Maſſe kam
augenblicklich in Aufruhr und floh dahin, wie eine Herde aufgeſcheuchten Wildes in toller Haſt
und Eile.‟

Mit ähnlicher Vorſicht gehen die Elefanten auf ihre Nahrung aus. Der Reichthum ihrer Wal-
dungen iſt ſo groß, daß die edlen Thiere eigentlich niemals Mangel leiden, und weil ſie beſtändig an
Oertlichkeiten leben, in welchen es Nahrung in Hülle und Fülle gibt, erſcheinen ſie auch weder
gefräßig, noch begierig. Sie brechen die Zweige von allen Bäumen, gleichſam als geſchähe es zu ihrem
Vergnügen, fächeln ſich mit ihnen, vertreiben die ſo gehaßten Fliegen und verzehren ſie dann allge-
mach, nachdem ſie dieſelben einigermaßen zuſammengebrochen haben. Aeſte von Armſtärke werden
noch ruhig mit hinabgeſchlungen: in der 1½ Fuß langen und 5 bis 6 Zoll dicken, 14 bis 16 Pfund
ſchweren, wurſtartigen Loſung fand ich Aſtſtücke von 4 bis 5 Zoll Länge und 1½ bis 2 Zoll im
Durchmeſſer. Niedrige Zweige, zumal ſolche, welche in Mundhöhe ſtehen, ſchieben ſie mit dem
Rüſſel bündel- oder buſchweiſe ins Maul und beißen oder richtiger quetſchen ſie dann mit den Zähnen
ab. So geſchändete Büſche geben ein ſicheres Merkmal für den Jäger ab. Stärkere Aeſte ſchälen ſie
ganz oder theilweiſe, laſſen aber das Holz liegen. Jn jeder Gegend gibt es Lieblingsbäume der Ele-
fanten: ſie werden vor allen anderen heimgeſucht. Jn Mittelafrika heißt ein Baum geradezu
„Elefantenbaum‟, weil er vor allen übrigen von den Thieren beſucht und beweidet wird. Er iſt
dornig, aber die Dornen ſind weich und deshalb kein Hinderniß für den Gaumen des Elefanten,
welcher den härteren Stacheln der Mimoſenzweige — ein Lieblingsfutter des Kamels — nicht ge-
wachſen zu ſein ſcheint. Baumzweige werden von den Elefanten unter allen Umſtänden dem Graſe
vorgezogen, obwohl letzteres auch nicht verſchmäht wird. Kommt eine Elefantenherde auf einen mit
ſaftigem Gras bewachſenen Platz, ſo weidet ſie davon, packt mit dem Rüſſel einen hübſchen Buſch,
reißt ihn mit ſammt den Wurzeln aus dem Boden, klopft dieſe Wurzeln gegen einen Baum, um ſie
von der ihnen anhängenden Erde zu befreien und ſteckt ſie ſich dann einen nach dem anderen in den
Schlund. Auf den nächtlichen Weidegängen wird wohl auch ab und zu einmal ein Feld beſucht, und
dann freilich thut die Herde in ihm großen Schaden. Aber ſchon das einfachſte Scheuſal oder die
leichteſte Umzäunung genügt, um die Elefanten von den Feldern abzuhalten. Die Jndier laſſen
zwiſchen ihren Pflanzungen breite Wege für die zur Tränke gehenden Elefanten, und umzäunen
ihre Felder mit leichten Rohrſtäben; ein einziger Schlag mit dem gewaltigen Rüſſel würde eine
ganze Wand dieſer Pfähle niederwerfen, aber niemals kommt es vor, daß die Elefantenherde die

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[695/0731] Die Elefanten. Dann drehte er ſich vorſichtig und leiſe um, und ging nach derſelben Stelle des Waldes zurück, von woher er gekommen war. Nach einer kleinen Weile erſchien er wieder mit fünf anderen, mit denen er wiederum ebenſo vorſichtig, aber weniger lautlos als früher auf das Waſſer losging. Die fünf wurden von ihm als Wächter aufgeſtellt. Er kehrte in den Wald zurück und erſchien nochmals, um- geben von der ganzen Herde, von etwa achtzig bis hundert Stück, und dieſe führte er über die Blöße mit ſolcher Stille, daß ich, trotz der Nähe, die Thiere ſich nur bewegen ſah, nicht aber ſie ſich auch bewegen hörte. Jn der Mitte der Blöße blieb die Herde ſtehen. Er ging von neuem vor, verkehrte mit den Wächtern, unterſuchte Alles, überzeugte ſich von vollſtändiger Sicherheit, kehrte zurück und gab nun Befehl zum Vorrücken. Jn demſelben Augenblick ſtürzte die Herde gegen das Waſſer los und warf ſich ohne jede Scheu und ohne noch an Gefahr zu denken, mit aller Wolluſt in die Fluthen. Von ihrer Schüchternheit und Furchtſamkeit war keine Spur mehr zu bemerken. Alle vertrauten ihrem Führer ſo vollkommen, daß ſie ſich um gar Nichts mehr zu kümmern ſchienen.‟ „Nachdem die armen, durſtigen Thiere den Teich eingenommen hatten und auch, als Letzter, der Leitelefant, eingetreten war, überließen ſie ſich gleichſam frohlockend der Wonne, ihren Durſt zu ſtillen, ſowie der Wohlthat des Bades. Niemals hatte ich eine ſolche Menge von thieriſchem Leben in einem ſo engen Raume geſehen. Es wollte mir erſcheinen, als tränken die Elefanten den ganzen Teich trocken. Jch beobachtete ſie mit der größten Theilnahme, bis ſie ſich mit Trinken und Baden Genüge gethan hatten. Dann verſuchte ich, welche Wirkung ein unbedeutendes Geräuſch auf ſie ausüben würde. Nur einen kleinen Zweig brauchte ich zu brechen und die ganze feſte Maſſe kam augenblicklich in Aufruhr und floh dahin, wie eine Herde aufgeſcheuchten Wildes in toller Haſt und Eile.‟ Mit ähnlicher Vorſicht gehen die Elefanten auf ihre Nahrung aus. Der Reichthum ihrer Wal- dungen iſt ſo groß, daß die edlen Thiere eigentlich niemals Mangel leiden, und weil ſie beſtändig an Oertlichkeiten leben, in welchen es Nahrung in Hülle und Fülle gibt, erſcheinen ſie auch weder gefräßig, noch begierig. Sie brechen die Zweige von allen Bäumen, gleichſam als geſchähe es zu ihrem Vergnügen, fächeln ſich mit ihnen, vertreiben die ſo gehaßten Fliegen und verzehren ſie dann allge- mach, nachdem ſie dieſelben einigermaßen zuſammengebrochen haben. Aeſte von Armſtärke werden noch ruhig mit hinabgeſchlungen: in der 1½ Fuß langen und 5 bis 6 Zoll dicken, 14 bis 16 Pfund ſchweren, wurſtartigen Loſung fand ich Aſtſtücke von 4 bis 5 Zoll Länge und 1½ bis 2 Zoll im Durchmeſſer. Niedrige Zweige, zumal ſolche, welche in Mundhöhe ſtehen, ſchieben ſie mit dem Rüſſel bündel- oder buſchweiſe ins Maul und beißen oder richtiger quetſchen ſie dann mit den Zähnen ab. So geſchändete Büſche geben ein ſicheres Merkmal für den Jäger ab. Stärkere Aeſte ſchälen ſie ganz oder theilweiſe, laſſen aber das Holz liegen. Jn jeder Gegend gibt es Lieblingsbäume der Ele- fanten: ſie werden vor allen anderen heimgeſucht. Jn Mittelafrika heißt ein Baum geradezu „Elefantenbaum‟, weil er vor allen übrigen von den Thieren beſucht und beweidet wird. Er iſt dornig, aber die Dornen ſind weich und deshalb kein Hinderniß für den Gaumen des Elefanten, welcher den härteren Stacheln der Mimoſenzweige — ein Lieblingsfutter des Kamels — nicht ge- wachſen zu ſein ſcheint. Baumzweige werden von den Elefanten unter allen Umſtänden dem Graſe vorgezogen, obwohl letzteres auch nicht verſchmäht wird. Kommt eine Elefantenherde auf einen mit ſaftigem Gras bewachſenen Platz, ſo weidet ſie davon, packt mit dem Rüſſel einen hübſchen Buſch, reißt ihn mit ſammt den Wurzeln aus dem Boden, klopft dieſe Wurzeln gegen einen Baum, um ſie von der ihnen anhängenden Erde zu befreien und ſteckt ſie ſich dann einen nach dem anderen in den Schlund. Auf den nächtlichen Weidegängen wird wohl auch ab und zu einmal ein Feld beſucht, und dann freilich thut die Herde in ihm großen Schaden. Aber ſchon das einfachſte Scheuſal oder die leichteſte Umzäunung genügt, um die Elefanten von den Feldern abzuhalten. Die Jndier laſſen zwiſchen ihren Pflanzungen breite Wege für die zur Tränke gehenden Elefanten, und umzäunen ihre Felder mit leichten Rohrſtäben; ein einziger Schlag mit dem gewaltigen Rüſſel würde eine ganze Wand dieſer Pfähle niederwerfen, aber niemals kommt es vor, daß die Elefantenherde die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 695. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/731>, abgerufen am 23.11.2024.