in jeder Richtung gebraucht werden kann; denn es würde geradezu unmöglich sein, Alles zu beschrei- ben, was das Thier mit seiner langen Nase auszuführen im Stande ist.
Nächst dem Rüssel benutzt der Elefant auch die Zähne zu mancherlei Arbeiten. Er hebt mit ihnen Lasten auf, wälzt Steine um, wühlt Löcher und gebraucht sie endlich wohl auch als Waffen zur Abwehr oder zum Angriff; schont sie übrigens so viel als möglich; denn in ihnen liegt seine eigent- liche Stärke nicht! Mercer sandte an Tennent die Spitze eines Elefantenzahns von 5 Zoll im Durchmesser und 20 bis 25 Pfund Gewicht, welche dem Thier im Kampfe von einem anderen Elefanten und zwar mit dem Rüssel abgeschlagen worden war. Eingeborene hatten ein eigenthüm- liches Geräusch gehört, waren dem Schall nachgegangen und an zwei kämpfende Elefanten gekommen, einen Zahntragenden und ein Weibchen ohne Zahn, welches dem so Schwerbewaffneten mit einem ein- zigen Schlage den halben Zahn abbrach.
Alle höheren Fähigkeiten des Elefanten stehen im Einklang mit den bereits erwähnten Bega- bungen. Er zeichnet sich durch Sinnenschärfe aus. Das Gesicht ist nicht besonders entwickelt; we- nigstens sind alle Jäger der Meinung, daß das Gesichtsfeld des Thieres ein sehr beschränktes ist. Um so besser aber sind Geruch und Gehör. Geschmack und Gefühl sind, wie man an Gefangenen sich leicht überzeugen kann, verhältnißmäßig fein. Von dem scharfen Gehör des Elefanten wissen alle Jäger zu berichten. Der geringste Laut ist hinreichend, um einen Elefanten aufmerksam zu machen; das Brechen eines kleinen Zweiges genügt, um seine ruhige Behäbigkeit zu unterbrechen. Der Geruch ist fast ebenso scharf, wie bei den Wiederkäuern: jeder geübte Jäger vermeidet es sorgfältig, sich wei- denden Elefanten mit dem Winde zu nähern. Jm Rüssel hat auch der Tastsinn seinen bevorzugten Sitz und zumal der fingerförmige Fortsatz an der Spitze desselben wetteifert an Feinheit der Empfin- dung mit dem geübten Finger eines Blinden.
Die geistigen Fähigkeiten des Elefanten werden von Allen, welche mit den Thieren zu thun haben, in ihrem vollen Werthe anerkannt. Scharfer, überlegender Verstand läßt sich gar nicht ver- kennen, und im Umgang mit dem Menschen entwickelt sich dieser Verstand zuletzt zu einer wahrhaft bewunderungswürdigen Höhe. Der Elefant steht den klügsten Säugethieren, dem Hunde und dem Pferde, ziemlich gleich. Er überlegt, bevor er handelt; er verbessert und vervollkommnet sich mehr und mehr; er ist für Lehre empfänglicher, als jedes andere Thier und erwirbt sich mit der Zeit einen wahren Schatz von Kenntnissen. Ein wilder und ein zahmer Elefant sind gar nicht mehr zu vergleichen: beim ersten beherrscht die angeborne Scheu und Vorsicht die herrlichen Verstandesgaben, beim letzteren ist der Verstand zur vollsten Entwickelung gelangt. Für diese Behauptung ließen sich aus den vielen Geschichten, welche von Elefanten erzählt wurden, leicht die nöthigen Beweise finden. Zwei Belege mögen genügen. Ein Kaffeepflanzer, Raxava, erzählte Tennent, daß er mehr als ein Mal beobachtet habe, wie die wilden Elefanten bei Gewitter plötzlich die Wälder verließen und sich fern von allen Bäumen auf freie Wiesenflächen lagerten, solange die Blitze leuchteten und der Donner noch rollte! Diese einzige Angabe spricht für den Verstand unserer Thiere besser, als die ausführlichste Geschichte: sie zeigt uns den Elefanten wie er ist, wenn er einzig und allein auf sich selbst angewiesen ist. Jn der Gefangenschaft, im Umgange mit dem Menschen tritt die hohe Bega- bung des Thieres aber noch schärfer hervor. "Eines Abends," sagt Tennent, "ritt ich in der Nähe von Kandy durch den Wald. Plötzlich stutzte mein Pferd über ein Geräusch, welches aus dem ziem- lich dichten Wald herübertönte und in einer Wiederholung von dumpfen wie Urmf, Urmf klingenden Lauten bestand. Dieses Geräusch erklärte sich beim Näherkommen. Es rührte von einem zahmen Elefanten her, welcher eben mit harter Arbeit beschäftigt und ganz auf sich selbst angewiesen, d. h. ohne Führer war. Er bemühte sich nach Kräften, einen schweren Balken, welchen er über seine Zähne gelegt hatte und wegen des engen Weges nicht gut fortbringen konnte, wegzutragen. Die Enge des Pfades zwang ihn, sein Haupt beständig bald nach dieser, bald nach jener Seite zu kehren, sonst hätte er gar nicht durchkommen können. Diese Anstrengung eben erpreßte ihm die beschriebenen mißwilligen Töne. Als das kluge Thier uns erblickte, erhob es sein Haupt, besah uns einen Augenblick, warf plötzlich
Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Elefanten.
in jeder Richtung gebraucht werden kann; denn es würde geradezu unmöglich ſein, Alles zu beſchrei- ben, was das Thier mit ſeiner langen Naſe auszuführen im Stande iſt.
Nächſt dem Rüſſel benutzt der Elefant auch die Zähne zu mancherlei Arbeiten. Er hebt mit ihnen Laſten auf, wälzt Steine um, wühlt Löcher und gebraucht ſie endlich wohl auch als Waffen zur Abwehr oder zum Angriff; ſchont ſie übrigens ſo viel als möglich; denn in ihnen liegt ſeine eigent- liche Stärke nicht! Mercer ſandte an Tennent die Spitze eines Elefantenzahns von 5 Zoll im Durchmeſſer und 20 bis 25 Pfund Gewicht, welche dem Thier im Kampfe von einem anderen Elefanten und zwar mit dem Rüſſel abgeſchlagen worden war. Eingeborene hatten ein eigenthüm- liches Geräuſch gehört, waren dem Schall nachgegangen und an zwei kämpfende Elefanten gekommen, einen Zahntragenden und ein Weibchen ohne Zahn, welches dem ſo Schwerbewaffneten mit einem ein- zigen Schlage den halben Zahn abbrach.
Alle höheren Fähigkeiten des Elefanten ſtehen im Einklang mit den bereits erwähnten Bega- bungen. Er zeichnet ſich durch Sinnenſchärfe aus. Das Geſicht iſt nicht beſonders entwickelt; we- nigſtens ſind alle Jäger der Meinung, daß das Geſichtsfeld des Thieres ein ſehr beſchränktes iſt. Um ſo beſſer aber ſind Geruch und Gehör. Geſchmack und Gefühl ſind, wie man an Gefangenen ſich leicht überzeugen kann, verhältnißmäßig fein. Von dem ſcharfen Gehör des Elefanten wiſſen alle Jäger zu berichten. Der geringſte Laut iſt hinreichend, um einen Elefanten aufmerkſam zu machen; das Brechen eines kleinen Zweiges genügt, um ſeine ruhige Behäbigkeit zu unterbrechen. Der Geruch iſt faſt ebenſo ſcharf, wie bei den Wiederkäuern: jeder geübte Jäger vermeidet es ſorgfältig, ſich wei- denden Elefanten mit dem Winde zu nähern. Jm Rüſſel hat auch der Taſtſinn ſeinen bevorzugten Sitz und zumal der fingerförmige Fortſatz an der Spitze deſſelben wetteifert an Feinheit der Empfin- dung mit dem geübten Finger eines Blinden.
Die geiſtigen Fähigkeiten des Elefanten werden von Allen, welche mit den Thieren zu thun haben, in ihrem vollen Werthe anerkannt. Scharfer, überlegender Verſtand läßt ſich gar nicht ver- kennen, und im Umgang mit dem Menſchen entwickelt ſich dieſer Verſtand zuletzt zu einer wahrhaft bewunderungswürdigen Höhe. Der Elefant ſteht den klügſten Säugethieren, dem Hunde und dem Pferde, ziemlich gleich. Er überlegt, bevor er handelt; er verbeſſert und vervollkommnet ſich mehr und mehr; er iſt für Lehre empfänglicher, als jedes andere Thier und erwirbt ſich mit der Zeit einen wahren Schatz von Kenntniſſen. Ein wilder und ein zahmer Elefant ſind gar nicht mehr zu vergleichen: beim erſten beherrſcht die angeborne Scheu und Vorſicht die herrlichen Verſtandesgaben, beim letzteren iſt der Verſtand zur vollſten Entwickelung gelangt. Für dieſe Behauptung ließen ſich aus den vielen Geſchichten, welche von Elefanten erzählt wurden, leicht die nöthigen Beweiſe finden. Zwei Belege mögen genügen. Ein Kaffeepflanzer, Raxava, erzählte Tennent, daß er mehr als ein Mal beobachtet habe, wie die wilden Elefanten bei Gewitter plötzlich die Wälder verließen und ſich fern von allen Bäumen auf freie Wieſenflächen lagerten, ſolange die Blitze leuchteten und der Donner noch rollte! Dieſe einzige Angabe ſpricht für den Verſtand unſerer Thiere beſſer, als die ausführlichſte Geſchichte: ſie zeigt uns den Elefanten wie er iſt, wenn er einzig und allein auf ſich ſelbſt angewieſen iſt. Jn der Gefangenſchaft, im Umgange mit dem Menſchen tritt die hohe Bega- bung des Thieres aber noch ſchärfer hervor. „Eines Abends,‟ ſagt Tennent, „ritt ich in der Nähe von Kandy durch den Wald. Plötzlich ſtutzte mein Pferd über ein Geräuſch, welches aus dem ziem- lich dichten Wald herübertönte und in einer Wiederholung von dumpfen wie Urmf, Urmf klingenden Lauten beſtand. Dieſes Geräuſch erklärte ſich beim Näherkommen. Es rührte von einem zahmen Elefanten her, welcher eben mit harter Arbeit beſchäftigt und ganz auf ſich ſelbſt angewieſen, d. h. ohne Führer war. Er bemühte ſich nach Kräften, einen ſchweren Balken, welchen er über ſeine Zähne gelegt hatte und wegen des engen Weges nicht gut fortbringen konnte, wegzutragen. Die Enge des Pfades zwang ihn, ſein Haupt beſtändig bald nach dieſer, bald nach jener Seite zu kehren, ſonſt hätte er gar nicht durchkommen können. Dieſe Anſtrengung eben erpreßte ihm die beſchriebenen mißwilligen Töne. Als das kluge Thier uns erblickte, erhob es ſein Haupt, beſah uns einen Augenblick, warf plötzlich
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[692/0728]
Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Die Elefanten.
in jeder Richtung gebraucht werden kann; denn es würde geradezu unmöglich ſein, Alles zu beſchrei-
ben, was das Thier mit ſeiner langen Naſe auszuführen im Stande iſt.
Nächſt dem Rüſſel benutzt der Elefant auch die Zähne zu mancherlei Arbeiten. Er hebt mit
ihnen Laſten auf, wälzt Steine um, wühlt Löcher und gebraucht ſie endlich wohl auch als Waffen zur
Abwehr oder zum Angriff; ſchont ſie übrigens ſo viel als möglich; denn in ihnen liegt ſeine eigent-
liche Stärke nicht! Mercer ſandte an Tennent die Spitze eines Elefantenzahns von 5 Zoll im
Durchmeſſer und 20 bis 25 Pfund Gewicht, welche dem Thier im Kampfe von einem anderen
Elefanten und zwar mit dem Rüſſel abgeſchlagen worden war. Eingeborene hatten ein eigenthüm-
liches Geräuſch gehört, waren dem Schall nachgegangen und an zwei kämpfende Elefanten gekommen,
einen Zahntragenden und ein Weibchen ohne Zahn, welches dem ſo Schwerbewaffneten mit einem ein-
zigen Schlage den halben Zahn abbrach.
Alle höheren Fähigkeiten des Elefanten ſtehen im Einklang mit den bereits erwähnten Bega-
bungen. Er zeichnet ſich durch Sinnenſchärfe aus. Das Geſicht iſt nicht beſonders entwickelt; we-
nigſtens ſind alle Jäger der Meinung, daß das Geſichtsfeld des Thieres ein ſehr beſchränktes iſt. Um
ſo beſſer aber ſind Geruch und Gehör. Geſchmack und Gefühl ſind, wie man an Gefangenen ſich
leicht überzeugen kann, verhältnißmäßig fein. Von dem ſcharfen Gehör des Elefanten wiſſen alle Jäger
zu berichten. Der geringſte Laut iſt hinreichend, um einen Elefanten aufmerkſam zu machen; das
Brechen eines kleinen Zweiges genügt, um ſeine ruhige Behäbigkeit zu unterbrechen. Der Geruch iſt
faſt ebenſo ſcharf, wie bei den Wiederkäuern: jeder geübte Jäger vermeidet es ſorgfältig, ſich wei-
denden Elefanten mit dem Winde zu nähern. Jm Rüſſel hat auch der Taſtſinn ſeinen bevorzugten
Sitz und zumal der fingerförmige Fortſatz an der Spitze deſſelben wetteifert an Feinheit der Empfin-
dung mit dem geübten Finger eines Blinden.
Die geiſtigen Fähigkeiten des Elefanten werden von Allen, welche mit den Thieren zu thun
haben, in ihrem vollen Werthe anerkannt. Scharfer, überlegender Verſtand läßt ſich gar nicht ver-
kennen, und im Umgang mit dem Menſchen entwickelt ſich dieſer Verſtand zuletzt zu einer wahrhaft
bewunderungswürdigen Höhe. Der Elefant ſteht den klügſten Säugethieren, dem Hunde und dem
Pferde, ziemlich gleich. Er überlegt, bevor er handelt; er verbeſſert und vervollkommnet ſich
mehr und mehr; er iſt für Lehre empfänglicher, als jedes andere Thier und erwirbt ſich mit der Zeit
einen wahren Schatz von Kenntniſſen. Ein wilder und ein zahmer Elefant ſind gar nicht mehr zu
vergleichen: beim erſten beherrſcht die angeborne Scheu und Vorſicht die herrlichen Verſtandesgaben,
beim letzteren iſt der Verſtand zur vollſten Entwickelung gelangt. Für dieſe Behauptung ließen ſich
aus den vielen Geſchichten, welche von Elefanten erzählt wurden, leicht die nöthigen Beweiſe finden.
Zwei Belege mögen genügen. Ein Kaffeepflanzer, Raxava, erzählte Tennent, daß er mehr als
ein Mal beobachtet habe, wie die wilden Elefanten bei Gewitter plötzlich die Wälder verließen und
ſich fern von allen Bäumen auf freie Wieſenflächen lagerten, ſolange die Blitze leuchteten und der
Donner noch rollte! Dieſe einzige Angabe ſpricht für den Verſtand unſerer Thiere beſſer, als die
ausführlichſte Geſchichte: ſie zeigt uns den Elefanten wie er iſt, wenn er einzig und allein auf ſich
ſelbſt angewieſen iſt. Jn der Gefangenſchaft, im Umgange mit dem Menſchen tritt die hohe Bega-
bung des Thieres aber noch ſchärfer hervor. „Eines Abends,‟ ſagt Tennent, „ritt ich in der Nähe
von Kandy durch den Wald. Plötzlich ſtutzte mein Pferd über ein Geräuſch, welches aus dem ziem-
lich dichten Wald herübertönte und in einer Wiederholung von dumpfen wie Urmf, Urmf klingenden
Lauten beſtand. Dieſes Geräuſch erklärte ſich beim Näherkommen. Es rührte von einem zahmen
Elefanten her, welcher eben mit harter Arbeit beſchäftigt und ganz auf ſich ſelbſt angewieſen, d. h.
ohne Führer war. Er bemühte ſich nach Kräften, einen ſchweren Balken, welchen er über ſeine Zähne
gelegt hatte und wegen des engen Weges nicht gut fortbringen konnte, wegzutragen. Die Enge des
Pfades zwang ihn, ſein Haupt beſtändig bald nach dieſer, bald nach jener Seite zu kehren, ſonſt hätte er
gar nicht durchkommen können. Dieſe Anſtrengung eben erpreßte ihm die beſchriebenen mißwilligen Töne.
Als das kluge Thier uns erblickte, erhob es ſein Haupt, beſah uns einen Augenblick, warf plötzlich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/728>, abgerufen am 23.11.2024.
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