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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die spanischen Stiergefechte.

Ein zweiter, dritter, sechster Stier erschien auf dem Kampfplatze. Der Gang des Gefechtes war
bei allen derselbe, nur mit dem Unterschiede, daß der eine mehr, der andere weniger Pferde tödtete, daß
dieser erst mit dem zehnten, jener mit dem ersten Degenstoß zu Boden fiel. Bei diesem Heldenstück
wollte das Brüllen der Zuschauer kein Ende nehmen. Der Espada selbst schnitt sich stolz ein Stück
Haut des Thieres ab und warf es laut jubelnd in die Luft. Jn den Zwischenpausen spielte die Musik
oder brüllten die Zuschauer. Einige verstanden es meisterhaft, das Brüllen des Stieres vermittelst
der Sprachröhre, welche sie jedenfalls zu diesem Zwecke mitgebracht hatten, nachzuahmen. Nach sechs
Uhr war das Schauspiel beendet. Vor der Thür des Schlachthauses lagen auf blutgetränktem Bette
zwanzig getödtete Pferde und der letzte der Stiere; die übrigen hatte man bereits fortgeschafft. Zehn
oder zwölf mit Ochsen bespannte Karren hielten auf dem Platze, um die Mähren abzuräumen. Ein-
zelne Pferde lebten noch, ohne daß eine mitleidige Hand sich gefunden hätte, ihrem Dasein ein Ende
zu machen. Man schnitt ihnen die Mähnen und die Schwänze ab, unbekümmert um ihr Röcheln und
ihre Zuckungen; man lud sie endlich auf und überließ es ihnen, zu sterben, wo und wann sie könnten.

Es ist leicht erklärlich, daß solche öffentlich aufgeführte, von der Obrigkeit geduldete, ja geleitete
Thierquälerei alle Leidenschaften aufstachelt. Die Stiergefechte sind ein deutlicher Beweis der geringen
Bildung und Gesittung, welche gegenwärtig noch in Spanien herrschen. Die Pfaffen haben sich alle
Mühe gegeben, sie zu erhalten, nachdem die Autodafes nicht mehr ausgeführt werden dürfen. Sie wissen,
daß sie, so lange die Stiergefechte abgehalten werden, ihre Herrschaft behaupten können, weil die Men-
schen so lange roh und ungesittet bleiben werden. Solange die Spanier den gebildeten Völkern
Europas nicht gleichstehen, wird man diese Tummelplätze der scheußlichsten Barbarei, der gemeinsten
und niederträchtigsten Verhöhnung des Menschlichen im Menschen bestehen lassen.

Die Leidenschaft, mit welcher die Spanier den Stiergefechten beiwohnen, ist unglaublich groß.
Nicht nur Männer sehen sich diese nichtswürdigen Spiele an, auch Frauen versäumen, wenn sie können,
kein einziges. Sie nehmen selbst ihre säugenden Kinder noch mit sich auf den Kampfplatz. Dabei
sind diese Gefechte die theuersten aller Vorstellungen, welche man sich denken kann. Jn den kleineren
Städten Spaniens tritt vor jedem Stiergefecht immer eine Gesellschaft zusammen, welche die bedeu-
tenden Ausgaben verlegt und sich dann in den nur selten fehlenden Gewinn theilt. Man muß den
Kampfplatz miethen oder einen neuen aus Holz erbauen, muß Stiere ankaufen und ihre Herschaffungs-
kosten bezahlen, muß die nöthigen Werkzeuge anfchaffen, eine bedeutende Abgabe an die Regierung er-
legen, etwa vierzig Pferde erwerben und die Stierkämpfer belohnen. Die beiden Gefechte in Murcia
kosteten der Gesellschaft über 110,000 Realen; aber diese Summe war schon in der ersten Vorstellung
eingenommen. Ein Stier kostet nie unter 2000, oft bis 6000 Realen oder etwa 130 bis 400 Thaler
unseres Geldes. Die Fechtergesellschaft erhält bis 5000 Thaler für ihre Vorstellungen. Sie erwer-
ben sich gewöhnlich ein bedeutendes Vermögen und werden zu den Helden des Tages, obgleich sie sonst
in sehr geringer Achtung stehen. Der reiche und vornehme Pöbel befreundet sich mit ihnen, obgleich
sie der Hefe des Volks angehören. Mehr noch als sie selbst bewundert man die Stiere; einzelne,
welche viele Pferde tödteten, genießen jahrelangen Nachruf, und von ihnen her schreibt sich die
Achtung, mit welcher die Spanier das Rindvieh überhaupt behandeln. --

Ueber das geistige Wesen des Hausrindes brauche ich nach dem Vorhergegangenen nicht viel zu
sagen. Das Thier steht unzweifelhaft auf niederer Stufe; neben dem Schaf ist es das dümmste un-
serer Hausthiere. Seinen Pfleger lernt es kennen und in gewissem Grade lieben; es gehorcht dem
Rufe und folgt der Lockung, es beweist auch eine gewisse Theilnahme gegen Den, welcher sich viel mit
ihm beschäftigt; Gewohnheit scheint aber mehr zu wirken, als eigentliche Erkenntniß. "Alles Geistige",
sagt Scheitlin, "tritt in den Rindern, welche mehr im Freien als im Stalle leben, schöner auf.
Die Alpenkühe lernen ihren Fütterer schneller kennen, sind munter, freuen sich der ihrigen lebendiger,
sie werden frischer vom Schellenklang, sie erschrecken weniger, sie kämpfen mit einander ritterlicher im
Ernst und Scherz. -- Jhr Ehrgefühl ist aber schwach. Hat die eine die andere zurückgedrängt, so
macht Dies der Ueberwundenen gar Nichts: sie schämt und ärgert sich nicht, sondern trollt sich auf

Die ſpaniſchen Stiergefechte.

Ein zweiter, dritter, ſechſter Stier erſchien auf dem Kampfplatze. Der Gang des Gefechtes war
bei allen derſelbe, nur mit dem Unterſchiede, daß der eine mehr, der andere weniger Pferde tödtete, daß
dieſer erſt mit dem zehnten, jener mit dem erſten Degenſtoß zu Boden fiel. Bei dieſem Heldenſtück
wollte das Brüllen der Zuſchauer kein Ende nehmen. Der Eſpada ſelbſt ſchnitt ſich ſtolz ein Stück
Haut des Thieres ab und warf es laut jubelnd in die Luft. Jn den Zwiſchenpauſen ſpielte die Muſik
oder brüllten die Zuſchauer. Einige verſtanden es meiſterhaft, das Brüllen des Stieres vermittelſt
der Sprachröhre, welche ſie jedenfalls zu dieſem Zwecke mitgebracht hatten, nachzuahmen. Nach ſechs
Uhr war das Schauſpiel beendet. Vor der Thür des Schlachthauſes lagen auf blutgetränktem Bette
zwanzig getödtete Pferde und der letzte der Stiere; die übrigen hatte man bereits fortgeſchafft. Zehn
oder zwölf mit Ochſen beſpannte Karren hielten auf dem Platze, um die Mähren abzuräumen. Ein-
zelne Pferde lebten noch, ohne daß eine mitleidige Hand ſich gefunden hätte, ihrem Daſein ein Ende
zu machen. Man ſchnitt ihnen die Mähnen und die Schwänze ab, unbekümmert um ihr Röcheln und
ihre Zuckungen; man lud ſie endlich auf und überließ es ihnen, zu ſterben, wo und wann ſie könnten.

Es iſt leicht erklärlich, daß ſolche öffentlich aufgeführte, von der Obrigkeit geduldete, ja geleitete
Thierquälerei alle Leidenſchaften aufſtachelt. Die Stiergefechte ſind ein deutlicher Beweis der geringen
Bildung und Geſittung, welche gegenwärtig noch in Spanien herrſchen. Die Pfaffen haben ſich alle
Mühe gegeben, ſie zu erhalten, nachdem die Autodafés nicht mehr ausgeführt werden dürfen. Sie wiſſen,
daß ſie, ſo lange die Stiergefechte abgehalten werden, ihre Herrſchaft behaupten können, weil die Men-
ſchen ſo lange roh und ungeſittet bleiben werden. Solange die Spanier den gebildeten Völkern
Europas nicht gleichſtehen, wird man dieſe Tummelplätze der ſcheußlichſten Barbarei, der gemeinſten
und niederträchtigſten Verhöhnung des Menſchlichen im Menſchen beſtehen laſſen.

Die Leidenſchaft, mit welcher die Spanier den Stiergefechten beiwohnen, iſt unglaublich groß.
Nicht nur Männer ſehen ſich dieſe nichtswürdigen Spiele an, auch Frauen verſäumen, wenn ſie können,
kein einziges. Sie nehmen ſelbſt ihre ſäugenden Kinder noch mit ſich auf den Kampfplatz. Dabei
ſind dieſe Gefechte die theuerſten aller Vorſtellungen, welche man ſich denken kann. Jn den kleineren
Städten Spaniens tritt vor jedem Stiergefecht immer eine Geſellſchaft zuſammen, welche die bedeu-
tenden Ausgaben verlegt und ſich dann in den nur ſelten fehlenden Gewinn theilt. Man muß den
Kampfplatz miethen oder einen neuen aus Holz erbauen, muß Stiere ankaufen und ihre Herſchaffungs-
koſten bezahlen, muß die nöthigen Werkzeuge anfchaffen, eine bedeutende Abgabe an die Regierung er-
legen, etwa vierzig Pferde erwerben und die Stierkämpfer belohnen. Die beiden Gefechte in Murcia
koſteten der Geſellſchaft über 110,000 Realen; aber dieſe Summe war ſchon in der erſten Vorſtellung
eingenommen. Ein Stier koſtet nie unter 2000, oft bis 6000 Realen oder etwa 130 bis 400 Thaler
unſeres Geldes. Die Fechtergeſellſchaft erhält bis 5000 Thaler für ihre Vorſtellungen. Sie erwer-
ben ſich gewöhnlich ein bedeutendes Vermögen und werden zu den Helden des Tages, obgleich ſie ſonſt
in ſehr geringer Achtung ſtehen. Der reiche und vornehme Pöbel befreundet ſich mit ihnen, obgleich
ſie der Hefe des Volks angehören. Mehr noch als ſie ſelbſt bewundert man die Stiere; einzelne,
welche viele Pferde tödteten, genießen jahrelangen Nachruf, und von ihnen her ſchreibt ſich die
Achtung, mit welcher die Spanier das Rindvieh überhaupt behandeln. —

Ueber das geiſtige Weſen des Hausrindes brauche ich nach dem Vorhergegangenen nicht viel zu
ſagen. Das Thier ſteht unzweifelhaft auf niederer Stufe; neben dem Schaf iſt es das dümmſte un-
ſerer Hausthiere. Seinen Pfleger lernt es kennen und in gewiſſem Grade lieben; es gehorcht dem
Rufe und folgt der Lockung, es beweiſt auch eine gewiſſe Theilnahme gegen Den, welcher ſich viel mit
ihm beſchäftigt; Gewohnheit ſcheint aber mehr zu wirken, als eigentliche Erkenntniß. „Alles Geiſtige‟,
ſagt Scheitlin, „tritt in den Rindern, welche mehr im Freien als im Stalle leben, ſchöner auf.
Die Alpenkühe lernen ihren Fütterer ſchneller kennen, ſind munter, freuen ſich der ihrigen lebendiger,
ſie werden friſcher vom Schellenklang, ſie erſchrecken weniger, ſie kämpfen mit einander ritterlicher im
Ernſt und Scherz. — Jhr Ehrgefühl iſt aber ſchwach. Hat die eine die andere zurückgedrängt, ſo
macht Dies der Ueberwundenen gar Nichts: ſie ſchämt und ärgert ſich nicht, ſondern trollt ſich auf

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[683/0717] Die ſpaniſchen Stiergefechte. Ein zweiter, dritter, ſechſter Stier erſchien auf dem Kampfplatze. Der Gang des Gefechtes war bei allen derſelbe, nur mit dem Unterſchiede, daß der eine mehr, der andere weniger Pferde tödtete, daß dieſer erſt mit dem zehnten, jener mit dem erſten Degenſtoß zu Boden fiel. Bei dieſem Heldenſtück wollte das Brüllen der Zuſchauer kein Ende nehmen. Der Eſpada ſelbſt ſchnitt ſich ſtolz ein Stück Haut des Thieres ab und warf es laut jubelnd in die Luft. Jn den Zwiſchenpauſen ſpielte die Muſik oder brüllten die Zuſchauer. Einige verſtanden es meiſterhaft, das Brüllen des Stieres vermittelſt der Sprachröhre, welche ſie jedenfalls zu dieſem Zwecke mitgebracht hatten, nachzuahmen. Nach ſechs Uhr war das Schauſpiel beendet. Vor der Thür des Schlachthauſes lagen auf blutgetränktem Bette zwanzig getödtete Pferde und der letzte der Stiere; die übrigen hatte man bereits fortgeſchafft. Zehn oder zwölf mit Ochſen beſpannte Karren hielten auf dem Platze, um die Mähren abzuräumen. Ein- zelne Pferde lebten noch, ohne daß eine mitleidige Hand ſich gefunden hätte, ihrem Daſein ein Ende zu machen. Man ſchnitt ihnen die Mähnen und die Schwänze ab, unbekümmert um ihr Röcheln und ihre Zuckungen; man lud ſie endlich auf und überließ es ihnen, zu ſterben, wo und wann ſie könnten. Es iſt leicht erklärlich, daß ſolche öffentlich aufgeführte, von der Obrigkeit geduldete, ja geleitete Thierquälerei alle Leidenſchaften aufſtachelt. Die Stiergefechte ſind ein deutlicher Beweis der geringen Bildung und Geſittung, welche gegenwärtig noch in Spanien herrſchen. Die Pfaffen haben ſich alle Mühe gegeben, ſie zu erhalten, nachdem die Autodafés nicht mehr ausgeführt werden dürfen. Sie wiſſen, daß ſie, ſo lange die Stiergefechte abgehalten werden, ihre Herrſchaft behaupten können, weil die Men- ſchen ſo lange roh und ungeſittet bleiben werden. Solange die Spanier den gebildeten Völkern Europas nicht gleichſtehen, wird man dieſe Tummelplätze der ſcheußlichſten Barbarei, der gemeinſten und niederträchtigſten Verhöhnung des Menſchlichen im Menſchen beſtehen laſſen. Die Leidenſchaft, mit welcher die Spanier den Stiergefechten beiwohnen, iſt unglaublich groß. Nicht nur Männer ſehen ſich dieſe nichtswürdigen Spiele an, auch Frauen verſäumen, wenn ſie können, kein einziges. Sie nehmen ſelbſt ihre ſäugenden Kinder noch mit ſich auf den Kampfplatz. Dabei ſind dieſe Gefechte die theuerſten aller Vorſtellungen, welche man ſich denken kann. Jn den kleineren Städten Spaniens tritt vor jedem Stiergefecht immer eine Geſellſchaft zuſammen, welche die bedeu- tenden Ausgaben verlegt und ſich dann in den nur ſelten fehlenden Gewinn theilt. Man muß den Kampfplatz miethen oder einen neuen aus Holz erbauen, muß Stiere ankaufen und ihre Herſchaffungs- koſten bezahlen, muß die nöthigen Werkzeuge anfchaffen, eine bedeutende Abgabe an die Regierung er- legen, etwa vierzig Pferde erwerben und die Stierkämpfer belohnen. Die beiden Gefechte in Murcia koſteten der Geſellſchaft über 110,000 Realen; aber dieſe Summe war ſchon in der erſten Vorſtellung eingenommen. Ein Stier koſtet nie unter 2000, oft bis 6000 Realen oder etwa 130 bis 400 Thaler unſeres Geldes. Die Fechtergeſellſchaft erhält bis 5000 Thaler für ihre Vorſtellungen. Sie erwer- ben ſich gewöhnlich ein bedeutendes Vermögen und werden zu den Helden des Tages, obgleich ſie ſonſt in ſehr geringer Achtung ſtehen. Der reiche und vornehme Pöbel befreundet ſich mit ihnen, obgleich ſie der Hefe des Volks angehören. Mehr noch als ſie ſelbſt bewundert man die Stiere; einzelne, welche viele Pferde tödteten, genießen jahrelangen Nachruf, und von ihnen her ſchreibt ſich die Achtung, mit welcher die Spanier das Rindvieh überhaupt behandeln. — Ueber das geiſtige Weſen des Hausrindes brauche ich nach dem Vorhergegangenen nicht viel zu ſagen. Das Thier ſteht unzweifelhaft auf niederer Stufe; neben dem Schaf iſt es das dümmſte un- ſerer Hausthiere. Seinen Pfleger lernt es kennen und in gewiſſem Grade lieben; es gehorcht dem Rufe und folgt der Lockung, es beweiſt auch eine gewiſſe Theilnahme gegen Den, welcher ſich viel mit ihm beſchäftigt; Gewohnheit ſcheint aber mehr zu wirken, als eigentliche Erkenntniß. „Alles Geiſtige‟, ſagt Scheitlin, „tritt in den Rindern, welche mehr im Freien als im Stalle leben, ſchöner auf. Die Alpenkühe lernen ihren Fütterer ſchneller kennen, ſind munter, freuen ſich der ihrigen lebendiger, ſie werden friſcher vom Schellenklang, ſie erſchrecken weniger, ſie kämpfen mit einander ritterlicher im Ernſt und Scherz. — Jhr Ehrgefühl iſt aber ſchwach. Hat die eine die andere zurückgedrängt, ſo macht Dies der Ueberwundenen gar Nichts: ſie ſchämt und ärgert ſich nicht, ſondern trollt ſich auf

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/717>, abgerufen am 23.11.2024.