hoch über die Ebene erhebt und steile, an Flüssen und Bächen reiche Wände und tief eingefurchte Thäler besitzt, welche von einem dichten Niederwald bedeckt wird. Hier hausen in den geradezu un- durchdringlichen Dschungeln die Thiere der Wildniß, ohne irgendwie von einem Menschen behelligt zu werden. Fünfundzwanzig Dörfer, welche auf dem Berggipfel lagen, mußten der Raubthiere halber verlassen werden: der Mensch hat das Gebiet gänzlich geräumt.
Hier findet der Gaur in den trockenen Wäldern an den immergrünen Ufern der Flüsse lockende Ruheorte und Nahrung in genügender Menge. Soviel man beobachten konnte, lebt er zu kleinen Trupps von 10 bis 20 Stücken vereinigt, soviel als möglich im Dickicht der Wälder, und nur bei heißer Witterung zieht er nach den grünen Thälern und Plätzen, um dort zu weiden. Alte Bullen werden von den übrigen zu einem Einsiedlerleben gezwungen und streifen weiter umher, als die eigent- liche Herde.
Wie der Gayal, ist auch der Gaur scheu und flüchtig und verbirgt sich, sobald er einen Men- schen gewahrt, so schleunig als möglich in seiner unnahbaren Feste, in den Dschungeln. Nur wenn man auf Elefanten reitend sich ihm naht, hält er ruhig aus und läßt sich beobachten: die Riesen der Wildniß flößen ihm keinen Schrecken ein, -- vielleicht schon deshalb, weil sie auch niemals zu seiner Jagd verwendet werden: -- vor gewöhnlichen Reitern und Fußgängern dagegen nimmt er eiligst die Flucht. So furchtsam er sich aber auch dem Menschen gegenüber zeigt, so muthig vertheidigt er sich gegen Raubthiere oder, wenn er angegriffen wird, gegen den Jäger. Auch mit dem wilden Büffel, welcher dieselben Gegenden bewohnt, scheint er sich nicht recht zu vertragen: die Eingeboreuen be- haupten, daß letzterer ihm sorgfältig ausweiche. Gereizt, ist der sonst so fromme Gaur ein höchst wildes, bösartiges Thier; selbst der Tiger soll Dies empfinden. Die Engländer lassen, wenn sie auf Gaur Jagd machen, die Dschungeln von Eingeborenen durchstreifen und sich das Wild zutreiben.
Die Paarung soll im August stattfinden und die Tragzeit zwölf (?) Monate währen. Das Kalb wird von der Mutter sehr geliebt und vertheidigt und hängt mit treuer Hingebung an ihr.
Man hat schon oft versucht, dieses schöne Rind zu zähmen, bisher aber noch keinen genügenden Erfolg erzielen können. Die Kälber sollen schon in der ersten Zeit ihrer Gefangenschaft zu kränkeln anfangen und dann nach kurzer Zeit zu Grunde gehen. --
Jn der neuesten Zeit ist noch ein südasiatisches wildes Rind bekannt geworden: der Banteng (Bos Banteng). Er kommt auf einigen Sundainseln in Gebirgswäldern ziemlich häufig vor. Seine Länge beträgt 71/2 Fuß, die des Schwanzes 21/4 Fuß, die Höhe am Widerrist 43/4 Fuß. Jn seiner Gestalt ähnelt er den feineren Rassen des Hausrindes. Die Hörner sind kurz, dick an der Wurzel und scharf gespitzt, von der Wurzel an bis zur Hälfte ihrer Länge schwach halbmondförmig gekrümmt und dabei nach ein- und abwärts gebogen, worauf sie sich wieder erheben und etwas nach vorn wen- den. Die Behaarung ist dicht, kurz und straff, nur am Scheitel etwas länger und dort auch ge- kräuselt, ihre Färbung nach Geschlecht und Alter verschieden, bei alten Stieren gewöhnlich glänzend schwarzbraun mit röthlichem Schimmer, bei alten Kühen gelblichrothbraun, bald heller, bald dunkler, auf Brust und Rückgrat ins Schwarze, an der Kehle ins Weiße übergehend; die Schwanzquaste ist immer dunkel. Durch seinen Knochenbau unterscheidet sich der Banteng wesentlich von anderen Arten seiner Sippe: die Zahl der Rippenpaare beträgt dreizehn, die der Lendenwirbel sechs, der Kreuzwirbel vier, der Schwanzwirbel achtzehn.
Kleine, von einem Bullen angeführte und geleitete Rudel dieses Stieres weiden zusammen; alte, böswillige werden von dem jungen Nachwuchs gemeinschaftlich vertrieben und einsiedeln dann, wie die jüngeren, welche noch nicht zum vollen Gebrauch ihrer Stärke gelangt sind. Jn ruhigen Ge- genden weiden die Thiere bei Tage, da, wo sie Gefahr befürchten, bei Nacht. Triebe und Blätter verschiedener Bäume und Sträucher bilden ihre Nahrung. Die Stimme ist ein ziemlich schwaches Grunzen. Jm übrigen ist die Lebensweise, wie der Banteng selbst, noch sehr unbekannt. Die Eingeborenen stellen ihm nach, um des Fleisches und Felles habhaft zu werden. Erwachsene Thiere
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Der Gaur. Der Banteng.
hoch über die Ebene erhebt und ſteile, an Flüſſen und Bächen reiche Wände und tief eingefurchte Thäler beſitzt, welche von einem dichten Niederwald bedeckt wird. Hier hauſen in den geradezu un- durchdringlichen Dſchungeln die Thiere der Wildniß, ohne irgendwie von einem Menſchen behelligt zu werden. Fünfundzwanzig Dörfer, welche auf dem Berggipfel lagen, mußten der Raubthiere halber verlaſſen werden: der Menſch hat das Gebiet gänzlich geräumt.
Hier findet der Gaur in den trockenen Wäldern an den immergrünen Ufern der Flüſſe lockende Ruheorte und Nahrung in genügender Menge. Soviel man beobachten konnte, lebt er zu kleinen Trupps von 10 bis 20 Stücken vereinigt, ſoviel als möglich im Dickicht der Wälder, und nur bei heißer Witterung zieht er nach den grünen Thälern und Plätzen, um dort zu weiden. Alte Bullen werden von den übrigen zu einem Einſiedlerleben gezwungen und ſtreifen weiter umher, als die eigent- liche Herde.
Wie der Gayal, iſt auch der Gaur ſcheu und flüchtig und verbirgt ſich, ſobald er einen Men- ſchen gewahrt, ſo ſchleunig als möglich in ſeiner unnahbaren Feſte, in den Dſchungeln. Nur wenn man auf Elefanten reitend ſich ihm naht, hält er ruhig aus und läßt ſich beobachten: die Rieſen der Wildniß flößen ihm keinen Schrecken ein, — vielleicht ſchon deshalb, weil ſie auch niemals zu ſeiner Jagd verwendet werden: — vor gewöhnlichen Reitern und Fußgängern dagegen nimmt er eiligſt die Flucht. So furchtſam er ſich aber auch dem Menſchen gegenüber zeigt, ſo muthig vertheidigt er ſich gegen Raubthiere oder, wenn er angegriffen wird, gegen den Jäger. Auch mit dem wilden Büffel, welcher dieſelben Gegenden bewohnt, ſcheint er ſich nicht recht zu vertragen: die Eingeboreuen be- haupten, daß letzterer ihm ſorgfältig ausweiche. Gereizt, iſt der ſonſt ſo fromme Gaur ein höchſt wildes, bösartiges Thier; ſelbſt der Tiger ſoll Dies empfinden. Die Engländer laſſen, wenn ſie auf Gaur Jagd machen, die Dſchungeln von Eingeborenen durchſtreifen und ſich das Wild zutreiben.
Die Paarung ſoll im Auguſt ſtattfinden und die Tragzeit zwölf (?) Monate währen. Das Kalb wird von der Mutter ſehr geliebt und vertheidigt und hängt mit treuer Hingebung an ihr.
Man hat ſchon oft verſucht, dieſes ſchöne Rind zu zähmen, bisher aber noch keinen genügenden Erfolg erzielen können. Die Kälber ſollen ſchon in der erſten Zeit ihrer Gefangenſchaft zu kränkeln anfangen und dann nach kurzer Zeit zu Grunde gehen. —
Jn der neueſten Zeit iſt noch ein ſüdaſiatiſches wildes Rind bekannt geworden: der Banteng (Bos Banteng). Er kommt auf einigen Sundainſeln in Gebirgswäldern ziemlich häufig vor. Seine Länge beträgt 7½ Fuß, die des Schwanzes 2¼ Fuß, die Höhe am Widerriſt 4¾ Fuß. Jn ſeiner Geſtalt ähnelt er den feineren Raſſen des Hausrindes. Die Hörner ſind kurz, dick an der Wurzel und ſcharf geſpitzt, von der Wurzel an bis zur Hälfte ihrer Länge ſchwach halbmondförmig gekrümmt und dabei nach ein- und abwärts gebogen, worauf ſie ſich wieder erheben und etwas nach vorn wen- den. Die Behaarung iſt dicht, kurz und ſtraff, nur am Scheitel etwas länger und dort auch ge- kräuſelt, ihre Färbung nach Geſchlecht und Alter verſchieden, bei alten Stieren gewöhnlich glänzend ſchwarzbraun mit röthlichem Schimmer, bei alten Kühen gelblichrothbraun, bald heller, bald dunkler, auf Bruſt und Rückgrat ins Schwarze, an der Kehle ins Weiße übergehend; die Schwanzquaſte iſt immer dunkel. Durch ſeinen Knochenbau unterſcheidet ſich der Banteng weſentlich von anderen Arten ſeiner Sippe: die Zahl der Rippenpaare beträgt dreizehn, die der Lendenwirbel ſechs, der Kreuzwirbel vier, der Schwanzwirbel achtzehn.
Kleine, von einem Bullen angeführte und geleitete Rudel dieſes Stieres weiden zuſammen; alte, böswillige werden von dem jungen Nachwuchs gemeinſchaftlich vertrieben und einſiedeln dann, wie die jüngeren, welche noch nicht zum vollen Gebrauch ihrer Stärke gelangt ſind. Jn ruhigen Ge- genden weiden die Thiere bei Tage, da, wo ſie Gefahr befürchten, bei Nacht. Triebe und Blätter verſchiedener Bäume und Sträucher bilden ihre Nahrung. Die Stimme iſt ein ziemlich ſchwaches Grunzen. Jm übrigen iſt die Lebensweiſe, wie der Banteng ſelbſt, noch ſehr unbekannt. Die Eingeborenen ſtellen ihm nach, um des Fleiſches und Felles habhaft zu werden. Erwachſene Thiere
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Der Gaur. Der Banteng.
hoch über die Ebene erhebt und ſteile, an Flüſſen und Bächen reiche Wände und tief eingefurchte
Thäler beſitzt, welche von einem dichten Niederwald bedeckt wird. Hier hauſen in den geradezu un-
durchdringlichen Dſchungeln die Thiere der Wildniß, ohne irgendwie von einem Menſchen behelligt zu
werden. Fünfundzwanzig Dörfer, welche auf dem Berggipfel lagen, mußten der Raubthiere halber
verlaſſen werden: der Menſch hat das Gebiet gänzlich geräumt.
Hier findet der Gaur in den trockenen Wäldern an den immergrünen Ufern der Flüſſe lockende
Ruheorte und Nahrung in genügender Menge. Soviel man beobachten konnte, lebt er zu kleinen
Trupps von 10 bis 20 Stücken vereinigt, ſoviel als möglich im Dickicht der Wälder, und nur bei
heißer Witterung zieht er nach den grünen Thälern und Plätzen, um dort zu weiden. Alte Bullen
werden von den übrigen zu einem Einſiedlerleben gezwungen und ſtreifen weiter umher, als die eigent-
liche Herde.
Wie der Gayal, iſt auch der Gaur ſcheu und flüchtig und verbirgt ſich, ſobald er einen Men-
ſchen gewahrt, ſo ſchleunig als möglich in ſeiner unnahbaren Feſte, in den Dſchungeln. Nur wenn
man auf Elefanten reitend ſich ihm naht, hält er ruhig aus und läßt ſich beobachten: die Rieſen der
Wildniß flößen ihm keinen Schrecken ein, — vielleicht ſchon deshalb, weil ſie auch niemals zu ſeiner
Jagd verwendet werden: — vor gewöhnlichen Reitern und Fußgängern dagegen nimmt er eiligſt die
Flucht. So furchtſam er ſich aber auch dem Menſchen gegenüber zeigt, ſo muthig vertheidigt er ſich
gegen Raubthiere oder, wenn er angegriffen wird, gegen den Jäger. Auch mit dem wilden Büffel,
welcher dieſelben Gegenden bewohnt, ſcheint er ſich nicht recht zu vertragen: die Eingeboreuen be-
haupten, daß letzterer ihm ſorgfältig ausweiche. Gereizt, iſt der ſonſt ſo fromme Gaur ein höchſt
wildes, bösartiges Thier; ſelbſt der Tiger ſoll Dies empfinden. Die Engländer laſſen, wenn ſie
auf Gaur Jagd machen, die Dſchungeln von Eingeborenen durchſtreifen und ſich das Wild zutreiben.
Die Paarung ſoll im Auguſt ſtattfinden und die Tragzeit zwölf (?) Monate währen. Das Kalb
wird von der Mutter ſehr geliebt und vertheidigt und hängt mit treuer Hingebung an ihr.
Man hat ſchon oft verſucht, dieſes ſchöne Rind zu zähmen, bisher aber noch keinen genügenden
Erfolg erzielen können. Die Kälber ſollen ſchon in der erſten Zeit ihrer Gefangenſchaft zu kränkeln
anfangen und dann nach kurzer Zeit zu Grunde gehen. —
Jn der neueſten Zeit iſt noch ein ſüdaſiatiſches wildes Rind bekannt geworden: der Banteng
(Bos Banteng). Er kommt auf einigen Sundainſeln in Gebirgswäldern ziemlich häufig vor. Seine
Länge beträgt 7½ Fuß, die des Schwanzes 2¼ Fuß, die Höhe am Widerriſt 4¾ Fuß. Jn ſeiner
Geſtalt ähnelt er den feineren Raſſen des Hausrindes. Die Hörner ſind kurz, dick an der Wurzel
und ſcharf geſpitzt, von der Wurzel an bis zur Hälfte ihrer Länge ſchwach halbmondförmig gekrümmt
und dabei nach ein- und abwärts gebogen, worauf ſie ſich wieder erheben und etwas nach vorn wen-
den. Die Behaarung iſt dicht, kurz und ſtraff, nur am Scheitel etwas länger und dort auch ge-
kräuſelt, ihre Färbung nach Geſchlecht und Alter verſchieden, bei alten Stieren gewöhnlich glänzend
ſchwarzbraun mit röthlichem Schimmer, bei alten Kühen gelblichrothbraun, bald heller, bald dunkler,
auf Bruſt und Rückgrat ins Schwarze, an der Kehle ins Weiße übergehend; die Schwanzquaſte iſt
immer dunkel. Durch ſeinen Knochenbau unterſcheidet ſich der Banteng weſentlich von anderen Arten
ſeiner Sippe: die Zahl der Rippenpaare beträgt dreizehn, die der Lendenwirbel ſechs, der Kreuzwirbel
vier, der Schwanzwirbel achtzehn.
Kleine, von einem Bullen angeführte und geleitete Rudel dieſes Stieres weiden zuſammen;
alte, böswillige werden von dem jungen Nachwuchs gemeinſchaftlich vertrieben und einſiedeln dann,
wie die jüngeren, welche noch nicht zum vollen Gebrauch ihrer Stärke gelangt ſind. Jn ruhigen Ge-
genden weiden die Thiere bei Tage, da, wo ſie Gefahr befürchten, bei Nacht. Triebe und Blätter
verſchiedener Bäume und Sträucher bilden ihre Nahrung. Die Stimme iſt ein ziemlich ſchwaches
Grunzen. Jm übrigen iſt die Lebensweiſe, wie der Banteng ſelbſt, noch ſehr unbekannt. Die
Eingeborenen ſtellen ihm nach, um des Fleiſches und Felles habhaft zu werden. Erwachſene Thiere
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/693>, abgerufen am 23.11.2024.
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