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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Bison. -- Die eigentlichen Rinder.
hamburger Thiergarten besitzt seit etwa Jahresfrist ein schmuckes Bisonpaar, welches derselben Quelle
entstammt. An ihnen habe ich die Beobachtungen gemacht, welche ich theilweise bereits mittheilte.
Die Thiere waren im Anfang sehr scheu und furchtsam; sie wichen vor dem sich ihnen nahenden
Menschen eilig zurück, bedrohten ihn aber auch gar nicht selten in bedenkenerregender Weise, so
daß der Wärter manchmal seine Noth mit ihnen hatte. An den Stall, oder richtiger an ihre Krippe,
gewöhnten sie sich bald; doch kamen sie nur dann zum Fressen, wenn es in der Nähe ihres Geheges
ruhig war. Von den Besuchern des Gartens hielten sie sich möglichst fern, wie sie überhaupt gegen
jede engere Berbindung mit den Menschen eine entschiedene Abneigung an den Tag legten. Dies
Alles verlor sich schon nach wenigen Monaten, und gegenwärtig verkehrt der Wärter unbesorgt mit
ihnen. Sie haben dessen Herrschaft auerkannt und fügen sich ihr gutwillig; sie achten auf den Zuruf,
kommen vertrauensvoll an das Gitter heran und nehmen ihm oder mir das vorgehaltene Futter aus
der Hand. Gegen die Besucher des Gartens sind sie jetzt ebenso gleichgiltig, als sie früher furchtsam
waren. Die größte Menschenmenge in ihrer Nähe behelligt sie nicht im geringsten mehr. Hinsichtlich
ihrer Nahrung machen sie wenig Ansprüche, obwohl sie besseres Futter von schlechterem sehr wohl zu
unterscheiden wissen und entschieden bevorzugen. Dieselbe Nahrung, welche wir unseren Hauskühen
reichen, genügt ihnen vollständig. Eingemaischtes Futter scheinen sie zu verschmähen; bisjetzt wenig-
stens haben sie immer blos Wasser getrunken. Eine gewisse Unabhängigkeit bewahren sie sich noch
fortwährend. Jn ihrem Stalle halten sie sich so wenig als möglich auf: auch im ärgsten Wetter ver-
weilen sie lieber außerhalb desselben in ihrem Gehege, als in dem schützenden Gebäude. Während
des Winters fanden wir sie auf dem Schnee oder auf dem Eise liegen, nach starkem Schneefall oft
mit einer dichten Decke belegt. Bei heftigem Regen wenden sie sich höchstens mit den Köpfen ab.
Bei Tage pflegen sie still und träge auf ein und derselben Stelle zu verweilen; gegen Sonnenunter-
gang werden sie munter und galoppiren dann mit lustigen Sprüngen leicht und behend in ihrem Ge-
hege umher; nachts sind sie immer munter.

Der Vorsteher des kölner Thiergartens, Dr. Bodinus, hat von seinem Bisonpaare Nach-
kommenschaft erhalten; uns steht dieselbe Freude bevor. Ein Amerikaner, Wickliffe, gibt Andu-
bon einen sehr ausführlichen Bericht über seine Bisonzucht, nach dreißigjährigen Beobachtungen an
und vielfachen Versuchen mit den Thieren. Er hat nicht blos Bisonten unvermischten Blutes, son-
dern die Thiere auch wiederholt mit Hausrindern gekreuzt und Nachkommen erhalten, welche unter
sich fruchtbar waren. Er hat Halb- und Dreiviertelblut gezüchtet; die Nachkommen unter sich ge-
paart, mit dem Bison und mit dem Hausrind zurückgekreuzt, kurz, alle denkbaren Versuche ange-
stellt und die günstigsten Ergebnisse erzielt. Der Mann zweifelt deshalb auch nicht, daß der Bison
mit der Zeit unter entsprechender Pflege zu einem wichtigen Hausthiere werden, daß er namentlich hin-
sichtlich der Milch und Wollerzeugung gute Dienste leisten könne. Jedenfalls verdient die Sache
vollste Beachtung, seitens der Thierkundigen nicht minder, als seitens der Landwirthe.



Die eigentlichen Rinder, zu denen unsere Hausthiere gehören, bilden eine Gruppe für
sich, welche sich durch platte, lange Stirn, große, an ihrem Grunde nicht übermäßig verdickte Hör-
ner, welche in gleicher Höhe mit der Stirnleiste stehen, gewöhnlich durch 13 rippentragende, 6
rippenlose und 4 Kreuzwirbel, sowie durch eine ziemlich dichte und kurze Behaarung auszeichnen.
Diese Sippe oder Gruppe (Bos) enthält die für das Leben des Menschen wichtigsten Arten; aber auch,
unter Denen, welche sich noch nicht der Herrschaft des selbstsüchtigen Zwingherrn unterworfen haben
gibt es mehrere sehr ausgezeichnete Thiere. Das Bild der Gesammtheit wird sich übersichtlicher gestalten,
wenn wir zuerst diejenigen Arten betrachten, welche noch gegenwärtig, wenigstens theilweise, im Zu-
stande der Wildheit leben.

Der Biſon. — Die eigentlichen Rinder.
hamburger Thiergarten beſitzt ſeit etwa Jahresfriſt ein ſchmuckes Biſonpaar, welches derſelben Quelle
entſtammt. An ihnen habe ich die Beobachtungen gemacht, welche ich theilweiſe bereits mittheilte.
Die Thiere waren im Anfang ſehr ſcheu und furchtſam; ſie wichen vor dem ſich ihnen nahenden
Menſchen eilig zurück, bedrohten ihn aber auch gar nicht ſelten in bedenkenerregender Weiſe, ſo
daß der Wärter manchmal ſeine Noth mit ihnen hatte. An den Stall, oder richtiger an ihre Krippe,
gewöhnten ſie ſich bald; doch kamen ſie nur dann zum Freſſen, wenn es in der Nähe ihres Geheges
ruhig war. Von den Beſuchern des Gartens hielten ſie ſich möglichſt fern, wie ſie überhaupt gegen
jede engere Berbindung mit den Menſchen eine entſchiedene Abneigung an den Tag legten. Dies
Alles verlor ſich ſchon nach wenigen Monaten, und gegenwärtig verkehrt der Wärter unbeſorgt mit
ihnen. Sie haben deſſen Herrſchaft auerkannt und fügen ſich ihr gutwillig; ſie achten auf den Zuruf,
kommen vertrauensvoll an das Gitter heran und nehmen ihm oder mir das vorgehaltene Futter aus
der Hand. Gegen die Beſucher des Gartens ſind ſie jetzt ebenſo gleichgiltig, als ſie früher furchtſam
waren. Die größte Menſchenmenge in ihrer Nähe behelligt ſie nicht im geringſten mehr. Hinſichtlich
ihrer Nahrung machen ſie wenig Anſprüche, obwohl ſie beſſeres Futter von ſchlechterem ſehr wohl zu
unterſcheiden wiſſen und entſchieden bevorzugen. Dieſelbe Nahrung, welche wir unſeren Hauskühen
reichen, genügt ihnen vollſtändig. Eingemaiſchtes Futter ſcheinen ſie zu verſchmähen; bisjetzt wenig-
ſtens haben ſie immer blos Waſſer getrunken. Eine gewiſſe Unabhängigkeit bewahren ſie ſich noch
fortwährend. Jn ihrem Stalle halten ſie ſich ſo wenig als möglich auf: auch im ärgſten Wetter ver-
weilen ſie lieber außerhalb deſſelben in ihrem Gehege, als in dem ſchützenden Gebäude. Während
des Winters fanden wir ſie auf dem Schnee oder auf dem Eiſe liegen, nach ſtarkem Schneefall oft
mit einer dichten Decke belegt. Bei heftigem Regen wenden ſie ſich höchſtens mit den Köpfen ab.
Bei Tage pflegen ſie ſtill und träge auf ein und derſelben Stelle zu verweilen; gegen Sonnenunter-
gang werden ſie munter und galoppiren dann mit luſtigen Sprüngen leicht und behend in ihrem Ge-
hege umher; nachts ſind ſie immer munter.

Der Vorſteher des kölner Thiergartens, Dr. Bodinus, hat von ſeinem Biſonpaare Nach-
kommenſchaft erhalten; uns ſteht dieſelbe Freude bevor. Ein Amerikaner, Wickliffe, gibt Andu-
bon einen ſehr ausführlichen Bericht über ſeine Biſonzucht, nach dreißigjährigen Beobachtungen an
und vielfachen Verſuchen mit den Thieren. Er hat nicht blos Biſonten unvermiſchten Blutes, ſon-
dern die Thiere auch wiederholt mit Hausrindern gekreuzt und Nachkommen erhalten, welche unter
ſich fruchtbar waren. Er hat Halb- und Dreiviertelblut gezüchtet; die Nachkommen unter ſich ge-
paart, mit dem Biſon und mit dem Hausrind zurückgekreuzt, kurz, alle denkbaren Verſuche ange-
ſtellt und die günſtigſten Ergebniſſe erzielt. Der Mann zweifelt deshalb auch nicht, daß der Biſon
mit der Zeit unter entſprechender Pflege zu einem wichtigen Hausthiere werden, daß er namentlich hin-
ſichtlich der Milch und Wollerzeugung gute Dienſte leiſten könne. Jedenfalls verdient die Sache
vollſte Beachtung, ſeitens der Thierkundigen nicht minder, als ſeitens der Landwirthe.



Die eigentlichen Rinder, zu denen unſere Hausthiere gehören, bilden eine Gruppe für
ſich, welche ſich durch platte, lange Stirn, große, an ihrem Grunde nicht übermäßig verdickte Hör-
ner, welche in gleicher Höhe mit der Stirnleiſte ſtehen, gewöhnlich durch 13 rippentragende, 6
rippenloſe und 4 Kreuzwirbel, ſowie durch eine ziemlich dichte und kurze Behaarung auszeichnen.
Dieſe Sippe oder Gruppe (Bos) enthält die für das Leben des Menſchen wichtigſten Arten; aber auch,
unter Denen, welche ſich noch nicht der Herrſchaft des ſelbſtſüchtigen Zwingherrn unterworfen haben
gibt es mehrere ſehr ausgezeichnete Thiere. Das Bild der Geſammtheit wird ſich überſichtlicher geſtalten,
wenn wir zuerſt diejenigen Arten betrachten, welche noch gegenwärtig, wenigſtens theilweiſe, im Zu-
ſtande der Wildheit leben.

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[655/0689] Der Biſon. — Die eigentlichen Rinder. hamburger Thiergarten beſitzt ſeit etwa Jahresfriſt ein ſchmuckes Biſonpaar, welches derſelben Quelle entſtammt. An ihnen habe ich die Beobachtungen gemacht, welche ich theilweiſe bereits mittheilte. Die Thiere waren im Anfang ſehr ſcheu und furchtſam; ſie wichen vor dem ſich ihnen nahenden Menſchen eilig zurück, bedrohten ihn aber auch gar nicht ſelten in bedenkenerregender Weiſe, ſo daß der Wärter manchmal ſeine Noth mit ihnen hatte. An den Stall, oder richtiger an ihre Krippe, gewöhnten ſie ſich bald; doch kamen ſie nur dann zum Freſſen, wenn es in der Nähe ihres Geheges ruhig war. Von den Beſuchern des Gartens hielten ſie ſich möglichſt fern, wie ſie überhaupt gegen jede engere Berbindung mit den Menſchen eine entſchiedene Abneigung an den Tag legten. Dies Alles verlor ſich ſchon nach wenigen Monaten, und gegenwärtig verkehrt der Wärter unbeſorgt mit ihnen. Sie haben deſſen Herrſchaft auerkannt und fügen ſich ihr gutwillig; ſie achten auf den Zuruf, kommen vertrauensvoll an das Gitter heran und nehmen ihm oder mir das vorgehaltene Futter aus der Hand. Gegen die Beſucher des Gartens ſind ſie jetzt ebenſo gleichgiltig, als ſie früher furchtſam waren. Die größte Menſchenmenge in ihrer Nähe behelligt ſie nicht im geringſten mehr. Hinſichtlich ihrer Nahrung machen ſie wenig Anſprüche, obwohl ſie beſſeres Futter von ſchlechterem ſehr wohl zu unterſcheiden wiſſen und entſchieden bevorzugen. Dieſelbe Nahrung, welche wir unſeren Hauskühen reichen, genügt ihnen vollſtändig. Eingemaiſchtes Futter ſcheinen ſie zu verſchmähen; bisjetzt wenig- ſtens haben ſie immer blos Waſſer getrunken. Eine gewiſſe Unabhängigkeit bewahren ſie ſich noch fortwährend. Jn ihrem Stalle halten ſie ſich ſo wenig als möglich auf: auch im ärgſten Wetter ver- weilen ſie lieber außerhalb deſſelben in ihrem Gehege, als in dem ſchützenden Gebäude. Während des Winters fanden wir ſie auf dem Schnee oder auf dem Eiſe liegen, nach ſtarkem Schneefall oft mit einer dichten Decke belegt. Bei heftigem Regen wenden ſie ſich höchſtens mit den Köpfen ab. Bei Tage pflegen ſie ſtill und träge auf ein und derſelben Stelle zu verweilen; gegen Sonnenunter- gang werden ſie munter und galoppiren dann mit luſtigen Sprüngen leicht und behend in ihrem Ge- hege umher; nachts ſind ſie immer munter. Der Vorſteher des kölner Thiergartens, Dr. Bodinus, hat von ſeinem Biſonpaare Nach- kommenſchaft erhalten; uns ſteht dieſelbe Freude bevor. Ein Amerikaner, Wickliffe, gibt Andu- bon einen ſehr ausführlichen Bericht über ſeine Biſonzucht, nach dreißigjährigen Beobachtungen an und vielfachen Verſuchen mit den Thieren. Er hat nicht blos Biſonten unvermiſchten Blutes, ſon- dern die Thiere auch wiederholt mit Hausrindern gekreuzt und Nachkommen erhalten, welche unter ſich fruchtbar waren. Er hat Halb- und Dreiviertelblut gezüchtet; die Nachkommen unter ſich ge- paart, mit dem Biſon und mit dem Hausrind zurückgekreuzt, kurz, alle denkbaren Verſuche ange- ſtellt und die günſtigſten Ergebniſſe erzielt. Der Mann zweifelt deshalb auch nicht, daß der Biſon mit der Zeit unter entſprechender Pflege zu einem wichtigen Hausthiere werden, daß er namentlich hin- ſichtlich der Milch und Wollerzeugung gute Dienſte leiſten könne. Jedenfalls verdient die Sache vollſte Beachtung, ſeitens der Thierkundigen nicht minder, als ſeitens der Landwirthe. Die eigentlichen Rinder, zu denen unſere Hausthiere gehören, bilden eine Gruppe für ſich, welche ſich durch platte, lange Stirn, große, an ihrem Grunde nicht übermäßig verdickte Hör- ner, welche in gleicher Höhe mit der Stirnleiſte ſtehen, gewöhnlich durch 13 rippentragende, 6 rippenloſe und 4 Kreuzwirbel, ſowie durch eine ziemlich dichte und kurze Behaarung auszeichnen. Dieſe Sippe oder Gruppe (Bos) enthält die für das Leben des Menſchen wichtigſten Arten; aber auch, unter Denen, welche ſich noch nicht der Herrſchaft des ſelbſtſüchtigen Zwingherrn unterworfen haben gibt es mehrere ſehr ausgezeichnete Thiere. Das Bild der Geſammtheit wird ſich überſichtlicher geſtalten, wenn wir zuerſt diejenigen Arten betrachten, welche noch gegenwärtig, wenigſtens theilweiſe, im Zu- ſtande der Wildheit leben.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/689>, abgerufen am 23.11.2024.