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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Rinder. -- Der Bison.
mußte. Das Thier wendete sich plötzlich gegen ihn, sein Pferd scheute, warf ihn ab, und ehe er
noch aufspringen konnte, hatte ihm der Büffel bereits mit den Hörnern die Brust durchbohrt. Einen
anderen derartigen Fall erzählt Richardson. Jn der Nähe von Carltonhouse schoß ein Hand-
lungsdiener der Hudsonsbaygesellschaft nach einem Bison. Derselbe brach auf den Schuß zusammen,
und der unvorsichtige Schütz eilte nach ihm hin, um die Wirkung seines Geschosses zu erfahren.
Da erhob sich plötzlich der verwundete Büffel und stürzte auf den Gegner los. Unser Handlungs-
diener war ein Mann von seltener Stärke und Geistesgegenwart. Er packte das Thier, als es mit
den Hörnern nach ihm stieß, bei den langen Stirnhaaren und kämpfte aufs tapferste gegen den über-
mächtigen Gegner. Leider aber verstauchte er sich beim Ringen sein Handgelenk und wurde wehrlos,
ermattet stürzte er zu Boden und erhielt auch in selbigem Augenblicke zwei oder drei Stöße, welche
ihn besinnungslos machten. Seine Gefährten fanden ihn im Blute schwimmend, an mehreren
Stellen schwer verwundet, der Bison lagerte neben ihm, augenscheinlich darauf lauernd, daß der
Besinnungslose wieder ein Lebenszeichen von sich geben möge, worauf er ihn jedenfalls sofort getödtet
haben würde. Erst nachdem der verwundete Büffel sich entfernt hatte, konnte der Beschädigte weg-
getragen werden; er genas zwar von den unmittelbaren Folgen der Verletzung, starb aber wenige
Monate später. Ein anderer Jäger mußte mehrere Stunden auf einem Baume zubringen, auf
welchen er vor dem Angriff eines wüthenden Bison geflüchtet war, weil das erboste Thier ihn hart-
näckig belagerte.

Die vierfüßigen Feinde des Thieres werden seiner übrigens auch nicht ohne jeglichen Kampf
Meister. Gegen die Angriffe der Wölfe und die noch schlimmeren der Bullenbeißer weiß sich der
Bison mit großer Gewandtheit zu sichern. Wenn einer dieser Räuber sich in seinem zottigen Fell
festbeißt, wird er augenblicklich von dem Ochsen durch eine einzige Bewegung über den Kopf
hinweg geschleudert, unter Umständen aber auch auf den Hörnern aufgefangen und dann sehr bald
abgethan. Selbst gut eingehetzte Doggen mußten dem Bison unterliegen. Sie griffen ihn nur
von fern an und verbissen sich fest in seine Oberlippe, allein der Stier wußte sich zu helfen. Rasch
stellte er die Vorderbeine aus einander, zog die Hinterbeine nach und stürzte sich nach vorn auf den
Hund, welcher unter der gewaltigen Laft ersticken mußte.

Die Bisonjagd gewährt einen sehr bedeutenden Nutzen. Das getrocknete Fleisch, welches unter
dem Namen "Pemmikan" in Amerika bekannt ist, wird weit und breit versandt und von allen
Reiseuden als überaus wohlschmeckend geschildert. Die Zunge gilt als Leckerbissen. Das Fleisch der
Kühe ist noch fetter, als das der Stiere, und das der Kälber überaus zart. Aus dem Fell bereiten
sich die Jndianer warme Kleidungsstücke oder ihre Zeltwandungen und Betten; außerdem beschlagen
sie das Geripp ihrer Kähne mit Bisonfell, verfertigen sich daraus Sättel, Gurte u. s. w. Die
Knochen müssen ihnen Sattelgestelle und Messer geben, mit denen sie dann die Häute abhären; aus
den Sehnen drehen sie sich Saiten für ihre Bogen und Faden zum Nähen; aus den Füßen und
Hufen bereiten sie durch Kochen einen haltbaren Leim; die starken Haare des Kopfes und des Halses
werden zu Stricken gedreht; aus den Schwänzen macht man Fliegenwedel. Sogar der Mist wird
verwendet: er dient als Brennstoff. Auch die Europäer sind große Liebhaber der Bisonfelle. Das
Leder ist vorzüglich, obgleich etwas schwammig, das Fell mit den Haaren ausgezeichnet zu Decken
aller Art, so daß fehlerfreie Stücken schon in Canada mit 3 bis 4 Pfund Sterling bezahlt werden.
Die Wolle des Thieres ist sehr reichlich, ein einziges Vließ kann bis acht Pfund geben. Sie läßt
sich ebensogut wie Schafwolle verarbeiten, und in manchen Gegenden werden auch wirklich warme
und sehr dauerhafte Stoffe aus ihr verarbeitet. Jn der Neuzeit haben die Engländer ebenfalls Ver-
suche mit ihr gemacht und auffallend schöne und feine Zeuge erhalten.

Erst seit kurzer Zeit sieht man Bisonten in unseren europäischen Thiergärten. Ein englischer
Lord soll, wie man mir in London mittheilte, einige Paare dieser Rinder aus Amerika eingeführt
und auf seinen Besitzungen in Schottland eine Herde von 15 bis 25 Stück gezüchtet haben. Nach
seinem Tode wurden die Bisonten verkauft und kamen zunächst in London auf den Thiermarkt. Der

Die Rinder. — Der Biſon.
mußte. Das Thier wendete ſich plötzlich gegen ihn, ſein Pferd ſcheute, warf ihn ab, und ehe er
noch aufſpringen konnte, hatte ihm der Büffel bereits mit den Hörnern die Bruſt durchbohrt. Einen
anderen derartigen Fall erzählt Richardſon. Jn der Nähe von Carltonhouſe ſchoß ein Hand-
lungsdiener der Hudſonsbaygeſellſchaft nach einem Biſon. Derſelbe brach auf den Schuß zuſammen,
und der unvorſichtige Schütz eilte nach ihm hin, um die Wirkung ſeines Geſchoſſes zu erfahren.
Da erhob ſich plötzlich der verwundete Büffel und ſtürzte auf den Gegner los. Unſer Handlungs-
diener war ein Mann von ſeltener Stärke und Geiſtesgegenwart. Er packte das Thier, als es mit
den Hörnern nach ihm ſtieß, bei den langen Stirnhaaren und kämpfte aufs tapferſte gegen den über-
mächtigen Gegner. Leider aber verſtauchte er ſich beim Ringen ſein Handgelenk und wurde wehrlos,
ermattet ſtürzte er zu Boden und erhielt auch in ſelbigem Augenblicke zwei oder drei Stöße, welche
ihn beſinnungslos machten. Seine Gefährten fanden ihn im Blute ſchwimmend, an mehreren
Stellen ſchwer verwundet, der Biſon lagerte neben ihm, augenſcheinlich darauf lauernd, daß der
Beſinnungsloſe wieder ein Lebenszeichen von ſich geben möge, worauf er ihn jedenfalls ſofort getödtet
haben würde. Erſt nachdem der verwundete Büffel ſich entfernt hatte, konnte der Beſchädigte weg-
getragen werden; er genas zwar von den unmittelbaren Folgen der Verletzung, ſtarb aber wenige
Monate ſpäter. Ein anderer Jäger mußte mehrere Stunden auf einem Baume zubringen, auf
welchen er vor dem Angriff eines wüthenden Biſon geflüchtet war, weil das erboſte Thier ihn hart-
näckig belagerte.

Die vierfüßigen Feinde des Thieres werden ſeiner übrigens auch nicht ohne jeglichen Kampf
Meiſter. Gegen die Angriffe der Wölfe und die noch ſchlimmeren der Bullenbeißer weiß ſich der
Biſon mit großer Gewandtheit zu ſichern. Wenn einer dieſer Räuber ſich in ſeinem zottigen Fell
feſtbeißt, wird er augenblicklich von dem Ochſen durch eine einzige Bewegung über den Kopf
hinweg geſchleudert, unter Umſtänden aber auch auf den Hörnern aufgefangen und dann ſehr bald
abgethan. Selbſt gut eingehetzte Doggen mußten dem Biſon unterliegen. Sie griffen ihn nur
von fern an und verbiſſen ſich feſt in ſeine Oberlippe, allein der Stier wußte ſich zu helfen. Raſch
ſtellte er die Vorderbeine aus einander, zog die Hinterbeine nach und ſtürzte ſich nach vorn auf den
Hund, welcher unter der gewaltigen Laft erſticken mußte.

Die Biſonjagd gewährt einen ſehr bedeutenden Nutzen. Das getrocknete Fleiſch, welches unter
dem Namen „Pemmikan‟ in Amerika bekannt iſt, wird weit und breit verſandt und von allen
Reiſeuden als überaus wohlſchmeckend geſchildert. Die Zunge gilt als Leckerbiſſen. Das Fleiſch der
Kühe iſt noch fetter, als das der Stiere, und das der Kälber überaus zart. Aus dem Fell bereiten
ſich die Jndianer warme Kleidungsſtücke oder ihre Zeltwandungen und Betten; außerdem beſchlagen
ſie das Geripp ihrer Kähne mit Biſonfell, verfertigen ſich daraus Sättel, Gurte u. ſ. w. Die
Knochen müſſen ihnen Sattelgeſtelle und Meſſer geben, mit denen ſie dann die Häute abhären; aus
den Sehnen drehen ſie ſich Saiten für ihre Bogen und Faden zum Nähen; aus den Füßen und
Hufen bereiten ſie durch Kochen einen haltbaren Leim; die ſtarken Haare des Kopfes und des Halſes
werden zu Stricken gedreht; aus den Schwänzen macht man Fliegenwedel. Sogar der Miſt wird
verwendet: er dient als Brennſtoff. Auch die Europäer ſind große Liebhaber der Biſonfelle. Das
Leder iſt vorzüglich, obgleich etwas ſchwammig, das Fell mit den Haaren ausgezeichnet zu Decken
aller Art, ſo daß fehlerfreie Stücken ſchon in Canada mit 3 bis 4 Pfund Sterling bezahlt werden.
Die Wolle des Thieres iſt ſehr reichlich, ein einziges Vließ kann bis acht Pfund geben. Sie läßt
ſich ebenſogut wie Schafwolle verarbeiten, und in manchen Gegenden werden auch wirklich warme
und ſehr dauerhafte Stoffe aus ihr verarbeitet. Jn der Neuzeit haben die Engländer ebenfalls Ver-
ſuche mit ihr gemacht und auffallend ſchöne und feine Zeuge erhalten.

Erſt ſeit kurzer Zeit ſieht man Biſonten in unſeren europäiſchen Thiergärten. Ein engliſcher
Lord ſoll, wie man mir in London mittheilte, einige Paare dieſer Rinder aus Amerika eingeführt
und auf ſeinen Beſitzungen in Schottland eine Herde von 15 bis 25 Stück gezüchtet haben. Nach
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[654/0688] Die Rinder. — Der Biſon. mußte. Das Thier wendete ſich plötzlich gegen ihn, ſein Pferd ſcheute, warf ihn ab, und ehe er noch aufſpringen konnte, hatte ihm der Büffel bereits mit den Hörnern die Bruſt durchbohrt. Einen anderen derartigen Fall erzählt Richardſon. Jn der Nähe von Carltonhouſe ſchoß ein Hand- lungsdiener der Hudſonsbaygeſellſchaft nach einem Biſon. Derſelbe brach auf den Schuß zuſammen, und der unvorſichtige Schütz eilte nach ihm hin, um die Wirkung ſeines Geſchoſſes zu erfahren. Da erhob ſich plötzlich der verwundete Büffel und ſtürzte auf den Gegner los. Unſer Handlungs- diener war ein Mann von ſeltener Stärke und Geiſtesgegenwart. Er packte das Thier, als es mit den Hörnern nach ihm ſtieß, bei den langen Stirnhaaren und kämpfte aufs tapferſte gegen den über- mächtigen Gegner. Leider aber verſtauchte er ſich beim Ringen ſein Handgelenk und wurde wehrlos, ermattet ſtürzte er zu Boden und erhielt auch in ſelbigem Augenblicke zwei oder drei Stöße, welche ihn beſinnungslos machten. Seine Gefährten fanden ihn im Blute ſchwimmend, an mehreren Stellen ſchwer verwundet, der Biſon lagerte neben ihm, augenſcheinlich darauf lauernd, daß der Beſinnungsloſe wieder ein Lebenszeichen von ſich geben möge, worauf er ihn jedenfalls ſofort getödtet haben würde. Erſt nachdem der verwundete Büffel ſich entfernt hatte, konnte der Beſchädigte weg- getragen werden; er genas zwar von den unmittelbaren Folgen der Verletzung, ſtarb aber wenige Monate ſpäter. Ein anderer Jäger mußte mehrere Stunden auf einem Baume zubringen, auf welchen er vor dem Angriff eines wüthenden Biſon geflüchtet war, weil das erboſte Thier ihn hart- näckig belagerte. Die vierfüßigen Feinde des Thieres werden ſeiner übrigens auch nicht ohne jeglichen Kampf Meiſter. Gegen die Angriffe der Wölfe und die noch ſchlimmeren der Bullenbeißer weiß ſich der Biſon mit großer Gewandtheit zu ſichern. Wenn einer dieſer Räuber ſich in ſeinem zottigen Fell feſtbeißt, wird er augenblicklich von dem Ochſen durch eine einzige Bewegung über den Kopf hinweg geſchleudert, unter Umſtänden aber auch auf den Hörnern aufgefangen und dann ſehr bald abgethan. Selbſt gut eingehetzte Doggen mußten dem Biſon unterliegen. Sie griffen ihn nur von fern an und verbiſſen ſich feſt in ſeine Oberlippe, allein der Stier wußte ſich zu helfen. Raſch ſtellte er die Vorderbeine aus einander, zog die Hinterbeine nach und ſtürzte ſich nach vorn auf den Hund, welcher unter der gewaltigen Laft erſticken mußte. Die Biſonjagd gewährt einen ſehr bedeutenden Nutzen. Das getrocknete Fleiſch, welches unter dem Namen „Pemmikan‟ in Amerika bekannt iſt, wird weit und breit verſandt und von allen Reiſeuden als überaus wohlſchmeckend geſchildert. Die Zunge gilt als Leckerbiſſen. Das Fleiſch der Kühe iſt noch fetter, als das der Stiere, und das der Kälber überaus zart. Aus dem Fell bereiten ſich die Jndianer warme Kleidungsſtücke oder ihre Zeltwandungen und Betten; außerdem beſchlagen ſie das Geripp ihrer Kähne mit Biſonfell, verfertigen ſich daraus Sättel, Gurte u. ſ. w. Die Knochen müſſen ihnen Sattelgeſtelle und Meſſer geben, mit denen ſie dann die Häute abhären; aus den Sehnen drehen ſie ſich Saiten für ihre Bogen und Faden zum Nähen; aus den Füßen und Hufen bereiten ſie durch Kochen einen haltbaren Leim; die ſtarken Haare des Kopfes und des Halſes werden zu Stricken gedreht; aus den Schwänzen macht man Fliegenwedel. Sogar der Miſt wird verwendet: er dient als Brennſtoff. Auch die Europäer ſind große Liebhaber der Biſonfelle. Das Leder iſt vorzüglich, obgleich etwas ſchwammig, das Fell mit den Haaren ausgezeichnet zu Decken aller Art, ſo daß fehlerfreie Stücken ſchon in Canada mit 3 bis 4 Pfund Sterling bezahlt werden. Die Wolle des Thieres iſt ſehr reichlich, ein einziges Vließ kann bis acht Pfund geben. Sie läßt ſich ebenſogut wie Schafwolle verarbeiten, und in manchen Gegenden werden auch wirklich warme und ſehr dauerhafte Stoffe aus ihr verarbeitet. Jn der Neuzeit haben die Engländer ebenfalls Ver- ſuche mit ihr gemacht und auffallend ſchöne und feine Zeuge erhalten. Erſt ſeit kurzer Zeit ſieht man Biſonten in unſeren europäiſchen Thiergärten. Ein engliſcher Lord ſoll, wie man mir in London mittheilte, einige Paare dieſer Rinder aus Amerika eingeführt und auf ſeinen Beſitzungen in Schottland eine Herde von 15 bis 25 Stück gezüchtet haben. Nach ſeinem Tode wurden die Biſonten verkauft und kamen zunächſt in London auf den Thiermarkt. Der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/688>, abgerufen am 23.11.2024.