und rannte mit ihrem Kopfe derartig gegen die Balken an, daß selbst die eichenen Stämme zit- terten. Ein anderes Geschöpf würde sich jedenfalls bei solchem Stoß den Schädel in Stücke zer- trümmert haben, der wüthende Wisent aber wiederholte seine Kraftanstrengungen gleichgiltig drei, vier Mal hinter einander.
Man hat beobachtet, daß die Wisents in der Gefangenschaft sich stärker vermehren, als im Freien, und kennt Beispiele, daß einer von ihnen zwanzig Jahre im engen Gewahrsam ausgehalten hat. Niemals hat man aber bisjetzt eines dieser grimmigen, blindwüthenden Geschöpfe wirklich zähmen können. So leutselig sie sich auch in der Jugend betrugen; mit zunehmendem Alter brach ihre rasende Wildheit immer hervor, und nicht einmal die Wärter durften ihnen ganz trauen. Die Thiere ließen sich zwar auf dem Kopfe krauen und nahmen ihren Wärtern das Futter aus der Hand, dieselben mußten sich aber doch fortwährend aufs äußerste in Acht nehmen, um dem wie Strohfeuer auflodernden Zorn der Wisents zu entgehen. Dabei machen die Gefaugenen ihren Pflegern sehr viel zu schaffen. Es erforderte unendliche Mühe, einen durch mehrere Jahre in der Gefangenschaft gehal- tenen Wisent an einen anderen Ort zu bringen. Eine Kuh, welche in einen anderen Raum geschafft werden sollte, wurde durch zwanzig starke Männer an dicken Seilen, die ihr um den Kopf gebunden waren, festgehalten: -- eine einzige Bewegung des Thieres aber war genügend, alle Leute mit Einem zu Boden zu werfen. Jedenfalls werden die Wisents im eingeschlossenen Raum, und wenn sie tag- täglich mit Menschen zusammenkommen, auch nicht zahmer, als im Freien, wo sie sich überzeugt haben, daß sie gehegt werden. Die Wisents, welche man zwischen Taplaken und Leuküschken in Preußen hegte und fütterte, fielen nicht nur niemals einen Menschen an, sondern wurden zuletzt so dreist, daß sie den Leuten nachliefen und sie um Futter bettelten, weil sie gewöhnt worden waren, von den Vorübergehenden regelmäßig Etwas zu erhalten. Am schlimmsten sind die Leute daran, welche irgendwie in schreiende Farben gekleidet sind, und namentlich das Roth übt eine wahrhaft dä- monische Gewalt auch auf die Wisents aus.
Mehrere Naturforscher haben die Ansicht verfochten, daß der Wisent einen großen Antheil an der Entstehung mancher Rassen unseres Rindes habe. Man glaubte, daß früher der wildlebende Wisent sich öfters mit anderen Rinderarten vermischt und fruchtbare Blendlinge erzielt hätte. Die neueren Erfahrungen haben jedoch das Gegentheil bewiesen. Zwischen dem Wisent und unserem Rinde besteht ein unglaublich großer Abscheu, und selbst wenn man, wie es im Bialowiczaer Walde geschehen ist, jung eingefangene Wisentkälber stets mit zahmen Rindern zusammenhält, ändert sich das Verhältniß nicht. Als man versuchte, eine junge Wisentkuh mit einem schönen Hausstiere zur Paarung zu bringen und denselben dicht neben sie in den Stall brachte, durchbrach sie wüthend den Verschlag, welcher sie von jenem Stiere trennte, fiel ihn rasend an und trieb ihn aus dem Stalle mit größter Wuth und Kraft, ohne daß der seinerseits nun ebenfalls gereizte Stier nur Gelegenheit ge- funden hätte, sich ihr zu widersetzen.
Ueber den Schaden und Nutzen des Wisents ist jetzt kaum noch zu reden. Jm Bialowiczaer Walde kommen die Zerstörungen, welche dieses Wild, um sich zu nähren, oder aus Uebermuth an- richtet, nicht groß in Anschlag, der Nutzen aber ebensowenig. Das Fleisch wird gerühmt; sein Ge- schmack soll zwischen Rindfleisch und Wildpret in der Mitte liegen: namentlich das Fleisch von Kühen und Kälbern soll sehr gut sein. Die Polen betrachteten das eingesalzene Wisentfleisch als einen vor- züglichen Leckerbissen und machten fürstlichen Höfen damit Geschenke. Das Fell gibt ein starkes und dauerhaftes, aber lockeres und schwammiges Leder und wird gegenwärtig wenig benutzt, höchstens, um Riemen und Stränge daraus zu schneiden. Die Hörner und Hufe wurden zu allerlei Gegen- ständen verarbeitet, denen man eine gewisse schützende Kraft zuschrieb. Unsere Vorfahren verfertigten hauptsächlich Trinkgeschirre aus den schönen, festen Hörnern, und die Kaukasier gebrauchen solche heute noch, anstatt der Weingläser. Bei einem Gastmahle, welches ein kaukasischer Fürst dem General Rosen zu Ehren gab, dienten 50 bis 70 mit Silber ausgelegte Wisenthörner als Trinkbecher.
Die Rinder. — Der Wiſent.
und rannte mit ihrem Kopfe derartig gegen die Balken an, daß ſelbſt die eichenen Stämme zit- terten. Ein anderes Geſchöpf würde ſich jedenfalls bei ſolchem Stoß den Schädel in Stücke zer- trümmert haben, der wüthende Wiſent aber wiederholte ſeine Kraftanſtrengungen gleichgiltig drei, vier Mal hinter einander.
Man hat beobachtet, daß die Wiſents in der Gefangenſchaft ſich ſtärker vermehren, als im Freien, und kennt Beiſpiele, daß einer von ihnen zwanzig Jahre im engen Gewahrſam ausgehalten hat. Niemals hat man aber bisjetzt eines dieſer grimmigen, blindwüthenden Geſchöpfe wirklich zähmen können. So leutſelig ſie ſich auch in der Jugend betrugen; mit zunehmendem Alter brach ihre raſende Wildheit immer hervor, und nicht einmal die Wärter durften ihnen ganz trauen. Die Thiere ließen ſich zwar auf dem Kopfe krauen und nahmen ihren Wärtern das Futter aus der Hand, dieſelben mußten ſich aber doch fortwährend aufs äußerſte in Acht nehmen, um dem wie Strohfeuer auflodernden Zorn der Wiſents zu entgehen. Dabei machen die Gefaugenen ihren Pflegern ſehr viel zu ſchaffen. Es erforderte unendliche Mühe, einen durch mehrere Jahre in der Gefangenſchaft gehal- tenen Wiſent an einen anderen Ort zu bringen. Eine Kuh, welche in einen anderen Raum geſchafft werden ſollte, wurde durch zwanzig ſtarke Männer an dicken Seilen, die ihr um den Kopf gebunden waren, feſtgehalten: — eine einzige Bewegung des Thieres aber war genügend, alle Leute mit Einem zu Boden zu werfen. Jedenfalls werden die Wiſents im eingeſchloſſenen Raum, und wenn ſie tag- täglich mit Menſchen zuſammenkommen, auch nicht zahmer, als im Freien, wo ſie ſich überzeugt haben, daß ſie gehegt werden. Die Wiſents, welche man zwiſchen Taplaken und Leuküſchken in Preußen hegte und fütterte, fielen nicht nur niemals einen Menſchen an, ſondern wurden zuletzt ſo dreiſt, daß ſie den Leuten nachliefen und ſie um Futter bettelten, weil ſie gewöhnt worden waren, von den Vorübergehenden regelmäßig Etwas zu erhalten. Am ſchlimmſten ſind die Leute daran, welche irgendwie in ſchreiende Farben gekleidet ſind, und namentlich das Roth übt eine wahrhaft dä- moniſche Gewalt auch auf die Wiſents aus.
Mehrere Naturforſcher haben die Anſicht verfochten, daß der Wiſent einen großen Antheil an der Entſtehung mancher Raſſen unſeres Rindes habe. Man glaubte, daß früher der wildlebende Wiſent ſich öfters mit anderen Rinderarten vermiſcht und fruchtbare Blendlinge erzielt hätte. Die neueren Erfahrungen haben jedoch das Gegentheil bewieſen. Zwiſchen dem Wiſent und unſerem Rinde beſteht ein unglaublich großer Abſcheu, und ſelbſt wenn man, wie es im Bialowiczaer Walde geſchehen iſt, jung eingefangene Wiſentkälber ſtets mit zahmen Rindern zuſammenhält, ändert ſich das Verhältniß nicht. Als man verſuchte, eine junge Wiſentkuh mit einem ſchönen Hausſtiere zur Paarung zu bringen und denſelben dicht neben ſie in den Stall brachte, durchbrach ſie wüthend den Verſchlag, welcher ſie von jenem Stiere trennte, fiel ihn raſend an und trieb ihn aus dem Stalle mit größter Wuth und Kraft, ohne daß der ſeinerſeits nun ebenfalls gereizte Stier nur Gelegenheit ge- funden hätte, ſich ihr zu widerſetzen.
Ueber den Schaden und Nutzen des Wiſents iſt jetzt kaum noch zu reden. Jm Bialowiczaer Walde kommen die Zerſtörungen, welche dieſes Wild, um ſich zu nähren, oder aus Uebermuth an- richtet, nicht groß in Anſchlag, der Nutzen aber ebenſowenig. Das Fleiſch wird gerühmt; ſein Ge- ſchmack ſoll zwiſchen Rindfleiſch und Wildpret in der Mitte liegen: namentlich das Fleiſch von Kühen und Kälbern ſoll ſehr gut ſein. Die Polen betrachteten das eingeſalzene Wiſentfleiſch als einen vor- züglichen Leckerbiſſen und machten fürſtlichen Höfen damit Geſchenke. Das Fell gibt ein ſtarkes und dauerhaftes, aber lockeres und ſchwammiges Leder und wird gegenwärtig wenig benutzt, höchſtens, um Riemen und Stränge daraus zu ſchneiden. Die Hörner und Hufe wurden zu allerlei Gegen- ſtänden verarbeitet, denen man eine gewiſſe ſchützende Kraft zuſchrieb. Unſere Vorfahren verfertigten hauptſächlich Trinkgeſchirre aus den ſchönen, feſten Hörnern, und die Kaukaſier gebrauchen ſolche heute noch, anſtatt der Weingläſer. Bei einem Gaſtmahle, welches ein kaukaſiſcher Fürſt dem General Roſen zu Ehren gab, dienten 50 bis 70 mit Silber ausgelegte Wiſenthörner als Trinkbecher.
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[646/0680]
Die Rinder. — Der Wiſent.
und rannte mit ihrem Kopfe derartig gegen die Balken an, daß ſelbſt die eichenen Stämme zit-
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trümmert haben, der wüthende Wiſent aber wiederholte ſeine Kraftanſtrengungen gleichgiltig drei, vier
Mal hinter einander.
Man hat beobachtet, daß die Wiſents in der Gefangenſchaft ſich ſtärker vermehren, als im
Freien, und kennt Beiſpiele, daß einer von ihnen zwanzig Jahre im engen Gewahrſam ausgehalten
hat. Niemals hat man aber bisjetzt eines dieſer grimmigen, blindwüthenden Geſchöpfe wirklich
zähmen können. So leutſelig ſie ſich auch in der Jugend betrugen; mit zunehmendem Alter brach
ihre raſende Wildheit immer hervor, und nicht einmal die Wärter durften ihnen ganz trauen. Die
Thiere ließen ſich zwar auf dem Kopfe krauen und nahmen ihren Wärtern das Futter aus der Hand,
dieſelben mußten ſich aber doch fortwährend aufs äußerſte in Acht nehmen, um dem wie Strohfeuer
auflodernden Zorn der Wiſents zu entgehen. Dabei machen die Gefaugenen ihren Pflegern ſehr viel
zu ſchaffen. Es erforderte unendliche Mühe, einen durch mehrere Jahre in der Gefangenſchaft gehal-
tenen Wiſent an einen anderen Ort zu bringen. Eine Kuh, welche in einen anderen Raum geſchafft
werden ſollte, wurde durch zwanzig ſtarke Männer an dicken Seilen, die ihr um den Kopf gebunden
waren, feſtgehalten: — eine einzige Bewegung des Thieres aber war genügend, alle Leute mit Einem
zu Boden zu werfen. Jedenfalls werden die Wiſents im eingeſchloſſenen Raum, und wenn ſie tag-
täglich mit Menſchen zuſammenkommen, auch nicht zahmer, als im Freien, wo ſie ſich überzeugt
haben, daß ſie gehegt werden. Die Wiſents, welche man zwiſchen Taplaken und Leuküſchken
in Preußen hegte und fütterte, fielen nicht nur niemals einen Menſchen an, ſondern wurden zuletzt
ſo dreiſt, daß ſie den Leuten nachliefen und ſie um Futter bettelten, weil ſie gewöhnt worden waren,
von den Vorübergehenden regelmäßig Etwas zu erhalten. Am ſchlimmſten ſind die Leute daran,
welche irgendwie in ſchreiende Farben gekleidet ſind, und namentlich das Roth übt eine wahrhaft dä-
moniſche Gewalt auch auf die Wiſents aus.
Mehrere Naturforſcher haben die Anſicht verfochten, daß der Wiſent einen großen Antheil an
der Entſtehung mancher Raſſen unſeres Rindes habe. Man glaubte, daß früher der wildlebende
Wiſent ſich öfters mit anderen Rinderarten vermiſcht und fruchtbare Blendlinge erzielt hätte. Die
neueren Erfahrungen haben jedoch das Gegentheil bewieſen. Zwiſchen dem Wiſent und unſerem
Rinde beſteht ein unglaublich großer Abſcheu, und ſelbſt wenn man, wie es im Bialowiczaer Walde
geſchehen iſt, jung eingefangene Wiſentkälber ſtets mit zahmen Rindern zuſammenhält, ändert ſich
das Verhältniß nicht. Als man verſuchte, eine junge Wiſentkuh mit einem ſchönen Hausſtiere zur
Paarung zu bringen und denſelben dicht neben ſie in den Stall brachte, durchbrach ſie wüthend den
Verſchlag, welcher ſie von jenem Stiere trennte, fiel ihn raſend an und trieb ihn aus dem Stalle mit
größter Wuth und Kraft, ohne daß der ſeinerſeits nun ebenfalls gereizte Stier nur Gelegenheit ge-
funden hätte, ſich ihr zu widerſetzen.
Ueber den Schaden und Nutzen des Wiſents iſt jetzt kaum noch zu reden. Jm Bialowiczaer
Walde kommen die Zerſtörungen, welche dieſes Wild, um ſich zu nähren, oder aus Uebermuth an-
richtet, nicht groß in Anſchlag, der Nutzen aber ebenſowenig. Das Fleiſch wird gerühmt; ſein Ge-
ſchmack ſoll zwiſchen Rindfleiſch und Wildpret in der Mitte liegen: namentlich das Fleiſch von Kühen
und Kälbern ſoll ſehr gut ſein. Die Polen betrachteten das eingeſalzene Wiſentfleiſch als einen vor-
züglichen Leckerbiſſen und machten fürſtlichen Höfen damit Geſchenke. Das Fell gibt ein ſtarkes und
dauerhaftes, aber lockeres und ſchwammiges Leder und wird gegenwärtig wenig benutzt, höchſtens,
um Riemen und Stränge daraus zu ſchneiden. Die Hörner und Hufe wurden zu allerlei Gegen-
ſtänden verarbeitet, denen man eine gewiſſe ſchützende Kraft zuſchrieb. Unſere Vorfahren verfertigten
hauptſächlich Trinkgeſchirre aus den ſchönen, feſten Hörnern, und die Kaukaſier gebrauchen ſolche heute
noch, anſtatt der Weingläſer. Bei einem Gaſtmahle, welches ein kaukaſiſcher Fürſt dem General
Roſen zu Ehren gab, dienten 50 bis 70 mit Silber ausgelegte Wiſenthörner als Trinkbecher.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/680>, abgerufen am 27.11.2024.
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