Auer ist inzwischen ausgestorben und die Berichterstatter sind deshalb nicht mehr im Stande, aus eigener Anschauung zu reden. Später nimmt die Unklarheit noch mehr überhand. Buffon und nach ihm mehrere andere Naturforscher neigen sich zu dem Glauben hin, daß unser Wisent in der alten, guten Zeit der Wunder, wo die Thiere noch flott über Meerengen wegsetzten, nach Amerika gewandert sei und sich dort vermehrt habe. Der einigermaßen feuchte Weg wurde durch gebührende Hervorhebung der Kurilen und Alenten gangbar gemacht, wenn auch wohl leider nur in der Einbil- dungskraft gedachter Forscher. Endlich wurde das schottische weiße Rind, auf welches ich zurück- kommen werde, ebenfalls mit in Betracht gezogen, und nunmehr die Verwirrung aufs höchste gestei- gert. Daher kommt es denn auch, daß man gegenwärtig so oft die betreffenden, wohl unterschiedenen Thiere verwechselt. Jch meinestheils wiederhole, daß ich durchaus nicht die Absicht habe, Dies zu thun.
Die Wisents (Bonassus) bilden eine eigene Sippe in der Familie der Stiere, welche sich durch die kleinen, runden, nach vorn gerückten und aufwärts gekrümmten Hörner, die sehr breite gewölbte Stirn, das weiche und lange Haarkleid und die große Rippenzahl auszeichnet. Der Wisent hat vierzehn, der amerikanische Bison funfzehn Rippenpaare.
Obwohl mit Sicherheit angenommen werden muß, daß die europäischen Wisents (Bonassus Bison) nicht blos an Zahl, sondern auch an Größe abgenommen haben, sind sie doch immer noch gewaltige Thiere. Ein im Jahre 1555 in Preußen erlegter Wisentstier war 7 Fuß hoch und 13 Fuß lang, dabei 19 Centner 5 Pfund schwer. Solche Riesen gibt es nicht mehr. Heutzutage erreicht auch der stärkste Stier selten mehr, als eine Höhe von 5, eine Länge von 73/4 Fuß, und dabei ein Gewicht von 11 bis 12 Centnern. Solche Thiere sind noch immer bedeutend größer, als das stärkste Rind, und namentlich der dicke, breite Kopf übertrifft den des gewöhnlichen Rindes bei weitem. Der Leibesbau des Wisent ist stark, untersetzt, am Vordertheile aufgetrieben, so daß der Hintertheil im Vergleich der ungeheuren Breite der Brust schmächtig erscheint. Der Wider- rist bildet eine Art von Höcker, und von da aus fällt der Rücken gegen das Kreuz zu ziemlich stark ab. Auf dem kurzen und dicken, wammenlosen Halse ruht der furchtbare Kopf, welcher nur mittel- große Ohren und Augen und verhältnißmäßig auch kleine Hörner trägt. Der Krümmung nach ge- messen, beträgt die Länge der letzteren blos 11/2 Fuß. Sie treten fast in der Mitte aus dem Schädel hervor, beugen sich von der Wurzel nach aus- und etwas nach abwärts, wenden sich dann nach auf- und vorwärts und drehen sich mit der Spitze nach ein- und rückwärts, doch so, daß die Spitzen beider Hörner noch gegen einander gewendet sind. Nur am Grunde zeigen sich einige ringförmige Runzeln; die Spitze ist vollkommen glatt. Die Beine sind mittelhoch, aber länger und schlanker, als bei unserem Rinde oder dem Büffel. Die Hufe sind groß, breit und hoch; der Schwanz reicht, ohne die Haare, bis zur Mitte des Schienbeins, mit demselben aber bis über das Fersengelenk herab; die Haarquaste an seinem Ende wird 14 bis 15 Zoll lang. Ueberall ist die Behaarung ziemlich lang, am Vordertheil aber, am Kopf und den Vorderbeinen auch noch kraus und filzig. An den Wangen tritt sie als starker Bart hervor, auf der Stirn und dem Halse, an dem Kinn, der Kehle, den Vor- derbeinen bis zur Mitte des Schienbeines verlängert sie sich zu einer Mähne, welche am Kinn und an der Kehle bis fußlang werden kann. An Hintertheil ist sie wollartig. Bei den jüngeren Thieren ist das Haar weicher und kürzer, als bei alten, zumal bei den alten Stieren. Jm Sommer ist das Kleid kürzer, weniger dicht und glänzend, im Winter länger, wollig, filzig und matt von Farbe, meist dunkelbraun, etwas ins Schwärzliche ziehend, an den Seiten des Halses und an den Schultern heller, an den Füßen wieder dunkler; im Sommer wird es lichter, gewöhnlich hellkastanienbraun ins Graulichfahle spielend; der Bart, das Haar auf den Wangen und die Schwanzquaste sind immer braunschwarz; die Schnauzenspitze ist gelblichweiß. Jüngere Thiere sind lichter, neugeborene Kälber blaßkastanienbraun. Von der Kuh unterscheidet sich der Stier durch die bedeutendere Größe, durch einen stärkeren Kopf und breitere Stirn, sowie durch [kür]zere Hörner.
Die Rinder. — Der Wiſent.
Auer iſt inzwiſchen ausgeſtorben und die Berichterſtatter ſind deshalb nicht mehr im Stande, aus eigener Anſchauung zu reden. Später nimmt die Unklarheit noch mehr überhand. Buffon und nach ihm mehrere andere Naturforſcher neigen ſich zu dem Glauben hin, daß unſer Wiſent in der alten, guten Zeit der Wunder, wo die Thiere noch flott über Meerengen wegſetzten, nach Amerika gewandert ſei und ſich dort vermehrt habe. Der einigermaßen feuchte Weg wurde durch gebührende Hervorhebung der Kurilen und Alenten gangbar gemacht, wenn auch wohl leider nur in der Einbil- dungskraft gedachter Forſcher. Endlich wurde das ſchottiſche weiße Rind, auf welches ich zurück- kommen werde, ebenfalls mit in Betracht gezogen, und nunmehr die Verwirrung aufs höchſte geſtei- gert. Daher kommt es denn auch, daß man gegenwärtig ſo oft die betreffenden, wohl unterſchiedenen Thiere verwechſelt. Jch meinestheils wiederhole, daß ich durchaus nicht die Abſicht habe, Dies zu thun.
Die Wiſents (Bonassus) bilden eine eigene Sippe in der Familie der Stiere, welche ſich durch die kleinen, runden, nach vorn gerückten und aufwärts gekrümmten Hörner, die ſehr breite gewölbte Stirn, das weiche und lange Haarkleid und die große Rippenzahl auszeichnet. Der Wiſent hat vierzehn, der amerikaniſche Biſon funfzehn Rippenpaare.
Obwohl mit Sicherheit angenommen werden muß, daß die europäiſchen Wiſents (Bonassus Bison) nicht blos an Zahl, ſondern auch an Größe abgenommen haben, ſind ſie doch immer noch gewaltige Thiere. Ein im Jahre 1555 in Preußen erlegter Wiſentſtier war 7 Fuß hoch und 13 Fuß lang, dabei 19 Centner 5 Pfund ſchwer. Solche Rieſen gibt es nicht mehr. Heutzutage erreicht auch der ſtärkſte Stier ſelten mehr, als eine Höhe von 5, eine Länge von 7¾ Fuß, und dabei ein Gewicht von 11 bis 12 Centnern. Solche Thiere ſind noch immer bedeutend größer, als das ſtärkſte Rind, und namentlich der dicke, breite Kopf übertrifft den des gewöhnlichen Rindes bei weitem. Der Leibesbau des Wiſent iſt ſtark, unterſetzt, am Vordertheile aufgetrieben, ſo daß der Hintertheil im Vergleich der ungeheuren Breite der Bruſt ſchmächtig erſcheint. Der Wider- riſt bildet eine Art von Höcker, und von da aus fällt der Rücken gegen das Kreuz zu ziemlich ſtark ab. Auf dem kurzen und dicken, wammenloſen Halſe ruht der furchtbare Kopf, welcher nur mittel- große Ohren und Augen und verhältnißmäßig auch kleine Hörner trägt. Der Krümmung nach ge- meſſen, beträgt die Länge der letzteren blos 1½ Fuß. Sie treten faſt in der Mitte aus dem Schädel hervor, beugen ſich von der Wurzel nach aus- und etwas nach abwärts, wenden ſich dann nach auf- und vorwärts und drehen ſich mit der Spitze nach ein- und rückwärts, doch ſo, daß die Spitzen beider Hörner noch gegen einander gewendet ſind. Nur am Grunde zeigen ſich einige ringförmige Runzeln; die Spitze iſt vollkommen glatt. Die Beine ſind mittelhoch, aber länger und ſchlanker, als bei unſerem Rinde oder dem Büffel. Die Hufe ſind groß, breit und hoch; der Schwanz reicht, ohne die Haare, bis zur Mitte des Schienbeins, mit demſelben aber bis über das Ferſengelenk herab; die Haarquaſte an ſeinem Ende wird 14 bis 15 Zoll lang. Ueberall iſt die Behaarung ziemlich lang, am Vordertheil aber, am Kopf und den Vorderbeinen auch noch kraus und filzig. An den Wangen tritt ſie als ſtarker Bart hervor, auf der Stirn und dem Halſe, an dem Kinn, der Kehle, den Vor- derbeinen bis zur Mitte des Schienbeines verlängert ſie ſich zu einer Mähne, welche am Kinn und an der Kehle bis fußlang werden kann. An Hintertheil iſt ſie wollartig. Bei den jüngeren Thieren iſt das Haar weicher und kürzer, als bei alten, zumal bei den alten Stieren. Jm Sommer iſt das Kleid kürzer, weniger dicht und glänzend, im Winter länger, wollig, filzig und matt von Farbe, meiſt dunkelbraun, etwas ins Schwärzliche ziehend, an den Seiten des Halſes und an den Schultern heller, an den Füßen wieder dunkler; im Sommer wird es lichter, gewöhnlich hellkaſtanienbraun ins Graulichfahle ſpielend; der Bart, das Haar auf den Wangen und die Schwanzquaſte ſind immer braunſchwarz; die Schnauzenſpitze iſt gelblichweiß. Jüngere Thiere ſind lichter, neugeborene Kälber blaßkaſtanienbraun. Von der Kuh unterſcheidet ſich der Stier durch die bedeutendere Größe, durch einen ſtärkeren Kopf und breitere Stirn, ſowie durch [kür]zere Hörner.
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Die Rinder. — Der Wiſent.
Auer iſt inzwiſchen ausgeſtorben und die Berichterſtatter ſind deshalb nicht mehr im Stande, aus
eigener Anſchauung zu reden. Später nimmt die Unklarheit noch mehr überhand. Buffon und
nach ihm mehrere andere Naturforſcher neigen ſich zu dem Glauben hin, daß unſer Wiſent in der
alten, guten Zeit der Wunder, wo die Thiere noch flott über Meerengen wegſetzten, nach Amerika
gewandert ſei und ſich dort vermehrt habe. Der einigermaßen feuchte Weg wurde durch gebührende
Hervorhebung der Kurilen und Alenten gangbar gemacht, wenn auch wohl leider nur in der Einbil-
dungskraft gedachter Forſcher. Endlich wurde das ſchottiſche weiße Rind, auf welches ich zurück-
kommen werde, ebenfalls mit in Betracht gezogen, und nunmehr die Verwirrung aufs höchſte geſtei-
gert. Daher kommt es denn auch, daß man gegenwärtig ſo oft die betreffenden, wohl unterſchiedenen
Thiere verwechſelt. Jch meinestheils wiederhole, daß ich durchaus nicht die Abſicht habe, Dies
zu thun.
Die Wiſents (Bonassus) bilden eine eigene Sippe in der Familie der Stiere, welche ſich
durch die kleinen, runden, nach vorn gerückten und aufwärts gekrümmten Hörner, die ſehr breite
gewölbte Stirn, das weiche und lange Haarkleid und die große Rippenzahl auszeichnet. Der Wiſent
hat vierzehn, der amerikaniſche Biſon funfzehn Rippenpaare.
Obwohl mit Sicherheit angenommen werden muß, daß die europäiſchen Wiſents (Bonassus
Bison) nicht blos an Zahl, ſondern auch an Größe abgenommen haben, ſind ſie doch immer noch
gewaltige Thiere. Ein im Jahre 1555 in Preußen erlegter Wiſentſtier war 7 Fuß hoch und 13 Fuß
lang, dabei 19 Centner 5 Pfund ſchwer. Solche Rieſen gibt es nicht mehr. Heutzutage erreicht
auch der ſtärkſte Stier ſelten mehr, als eine Höhe von 5, eine Länge von 7¾ Fuß, und dabei ein
Gewicht von 11 bis 12 Centnern. Solche Thiere ſind noch immer bedeutend größer, als das
ſtärkſte Rind, und namentlich der dicke, breite Kopf übertrifft den des gewöhnlichen Rindes bei
weitem. Der Leibesbau des Wiſent iſt ſtark, unterſetzt, am Vordertheile aufgetrieben, ſo daß
der Hintertheil im Vergleich der ungeheuren Breite der Bruſt ſchmächtig erſcheint. Der Wider-
riſt bildet eine Art von Höcker, und von da aus fällt der Rücken gegen das Kreuz zu ziemlich ſtark
ab. Auf dem kurzen und dicken, wammenloſen Halſe ruht der furchtbare Kopf, welcher nur mittel-
große Ohren und Augen und verhältnißmäßig auch kleine Hörner trägt. Der Krümmung nach ge-
meſſen, beträgt die Länge der letzteren blos 1½ Fuß. Sie treten faſt in der Mitte aus dem Schädel
hervor, beugen ſich von der Wurzel nach aus- und etwas nach abwärts, wenden ſich dann nach
auf- und vorwärts und drehen ſich mit der Spitze nach ein- und rückwärts, doch ſo, daß die Spitzen
beider Hörner noch gegen einander gewendet ſind. Nur am Grunde zeigen ſich einige ringförmige
Runzeln; die Spitze iſt vollkommen glatt. Die Beine ſind mittelhoch, aber länger und ſchlanker,
als bei unſerem Rinde oder dem Büffel. Die Hufe ſind groß, breit und hoch; der Schwanz reicht,
ohne die Haare, bis zur Mitte des Schienbeins, mit demſelben aber bis über das Ferſengelenk herab;
die Haarquaſte an ſeinem Ende wird 14 bis 15 Zoll lang. Ueberall iſt die Behaarung ziemlich lang,
am Vordertheil aber, am Kopf und den Vorderbeinen auch noch kraus und filzig. An den Wangen
tritt ſie als ſtarker Bart hervor, auf der Stirn und dem Halſe, an dem Kinn, der Kehle, den Vor-
derbeinen bis zur Mitte des Schienbeines verlängert ſie ſich zu einer Mähne, welche am Kinn und
an der Kehle bis fußlang werden kann. An Hintertheil iſt ſie wollartig. Bei den jüngeren Thieren
iſt das Haar weicher und kürzer, als bei alten, zumal bei den alten Stieren. Jm Sommer iſt das
Kleid kürzer, weniger dicht und glänzend, im Winter länger, wollig, filzig und matt von Farbe,
meiſt dunkelbraun, etwas ins Schwärzliche ziehend, an den Seiten des Halſes und an den Schultern
heller, an den Füßen wieder dunkler; im Sommer wird es lichter, gewöhnlich hellkaſtanienbraun
ins Graulichfahle ſpielend; der Bart, das Haar auf den Wangen und die Schwanzquaſte ſind immer
braunſchwarz; die Schnauzenſpitze iſt gelblichweiß. Jüngere Thiere ſind lichter, neugeborene Kälber
blaßkaſtanienbraun. Von der Kuh unterſcheidet ſich der Stier durch die bedeutendere Größe, durch
einen ſtärkeren Kopf und breitere Stirn, ſowie durch kürzere Hörner.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/674>, abgerufen am 23.11.2024.
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